Protokoll der Sitzung vom 17.02.2016

Wir fordern die Erhöhung des Budgets für Fortbildungen. Es ist doch ein Armutszeugnis, wenn Mitarbeiter ihre Fortbildungen selber zahlen müssen, weil dafür das Budget nicht reicht.

Kurz und gut: Der ORH-Bericht kommt spät, aber nicht zu spät. Nun muss das Ruder herumgerissen werden. Wir brauchen eine völlige Neustrukturierung der Lebensmittelkontrolle. Aus Lebensmittelskandalen hat die Staatsregierung bisher nichts gelernt. Das Beste, was aus diesem Hause gekommen ist, ist der nun vorliegende Bericht. Nehmen Sie ihn so ernst, wie er gemeint ist – sonst ist es nur eine Frage der Zeit bis zum nächsten Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Den Anträgen der FREIEN WÄHLER und der SPD werden wir zustimmen. Bei dem Antrag der CSU werden wir uns enthalten, da es sich um einen WischiWaschi-Antrag handelt, wie wir ihn von der CSU gewohnt sind. Er verdirbt jedoch nichts, wir werden uns der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat Herr Kollege Zierer das Wort.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Wenn man den Bericht des Obersten Rechnungshofs liest, wird eines ganz deutlich: Das Ministerium und zum Teil auch die Bezirksregierungen haben die Lebensmittelkontrolleure und ihre Veterinäre in den Landkreisen in einem Dickicht aus Vorschriften und Vollzugsmitteilungen alleingelassen. Zu diesem

Thema – das wird noch aufgegriffen – erwarten wir uns ganz klare Vorgaben der Ministerin.

Es ist schon ziemlich ernüchternd, was die Prüfer des ORH bei ihren Befragungen erfahren haben. Frau Scharf, der Auftrag geht an Sie, den längst überfälligen Wust an Vorschriften und Vorgaben auszumisten. Informationen von oben werden ungefiltert und unkommentiert durchgereicht. Handreichungen und Vollzugshinweise sind nicht praxisbezogen und deshalb wenig hilfreich auf der Arbeitsebene. Bis Hilfestellungen zu den neuen Vorschriften kommen, dauert es viel zu lange. Bis dahin werden sie wieder vergessen oder weggelegt. Anfragen der Landkreisbehörden werden lange nicht beantwortet. Warum nicht? – Vielleicht brüten die Bürokraten schon wieder über neuen Vorschriften, die nicht vollzogen werden.

Es ist unglaublich, dass es nicht genügend Fortbildungsmöglichkeiten gibt, weil das Budget nicht ausreicht. Teilweise sollen Mitarbeiter sogar ihre Fortbildungen selber bezahlt haben. Sie haben sich somit auf eigene Kosten fortgebildet. Das wäre ein Offenbarungseid für die ganze Truppe.

Bei der Dokumentation der Kontrollen müssen die Daten in verschiedene elektronische Erfassungssysteme mehrfach eingegeben werden. Das kostet Zeit, die bei den Kontrollen vor Ort fehlt. Lebensmittelkontrolleure und Veterinäre sind rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit nur mit Dokumentationen beschäftigt. In anderen Ministerien und anderen Kreisen wird immer wieder gejammert: Die Dokumentation frisst unsere Arbeitszeit auf.

Wenn man das alles liest, betrachtet man es nicht als verwunderlich, dass in der Vergangenheit weniger Kontrollen durchgeführt wurden, als vorgeschrieben sind. Das alles kann aber dem Ministerium nicht verborgen geblieben sein. Im Bericht steht, dass von der Arbeitsebene Verbesserungsvorschläge gekommen sind. Es ist aber nichts passiert. Das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen.

Ich habe große Sympathien für den Antrag der SPD und für den Antrag der GRÜNEN, befürchte allerdings, dass auf diese Weise der zweite Schritt vor dem ersten getan wird. Jeder, der an Lebensmittelkontrollen beteiligt ist – vom zu kontrollierenden Betrieb über den Kontrolleur bis hin zum Verbraucher –, hat persönliche Erfahrungen. Die Verbraucherverbände haben Erfahrungen. Das sind Vorschläge, die wir uns anhören müssen. Wir wollen eine Expertenanhörung im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz; denn wir als Abgeordnete haben keine konkreten Erfahrungen mit der Lebensmittelkontrolle – müssen wir auch nicht. Dafür gibt es Fachleute.

Genau diese Fachleute sollen mit uns einen Katalog ausarbeiten für die Ministerien und Lebensmittelkontrolleure, damit sich Änderungen ergeben. Dann werden wir auf einen guten Weg kommen, der von allen Seiten akzeptiert wird und der Verbesserungen bringt. Dafür gehören Experten mit Vertretern der Politik an einen Tisch, an dem alle strittigen Fragen und Argumente abgewogen werden, um Entscheidungen zu treffen und Vorgaben zu erarbeiten. Das ist unser Job, auf den ich mich freue.

Die SPD ist in ihrer Euphorie etwas übereifrig. Wir wollen verhindern, dass Leute abgestraft werden, die eigentlich immer sauber mit dem Thema umgegangen sind und jetzt überrollt werden. Darum brauchen wir diese Expertenanhörung, diesen Tisch.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Darum würde ich Sie bitten, diesem Antrag zuzustimmen. Dann kommt etwas Vernünftiges dabei heraus, und wir kommen dahin, wo wir hinwollen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CSU-Fraktion darf ich jetzt Herrn Kollegen Beißwenger das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kollegen! Der Oberste Rechnungshof hat am 12.02. sein Gutachten zur Organisation und zu den Strukturen des staatlichen Veterinärwesens und der amtlichen Lebensmittelüberwachung vorgelegt. Dieses Gutachten enthält eine Bestandsaufnahme des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung, eine Bewertung des Ist-Zustandes und natürlich auch Empfehlungen zur Verbesserung der Struktur und der Organisation des Veterinärwesens und der Lebensmittelsicherheit in Bayern.

Dieses Gutachten bietet die Chance, bestimmte Entwicklungen an die tatsächlichen Erfordernisse anzupassen; denn das Gutachten zeigt nach Ansicht des ORH eine Reihe von organisatorischen und strukturellen Verbesserungsmöglichkeiten auf, Verbesserungserfordernisse, die auch auf die kleinteilige Behördenstruktur zurückzuführen sind. Diese Struktur war aber ausdrücklich gewünscht, da die Verwaltung so nah wie möglich bei der Basis sein sollte.

Jetzt sehen wir aber auch, dass diese Kleinteiligkeit nicht nur Vorteile bringt. Eine Evaluierung ist also angebracht. Aus den Bewertungen der einzelnen Themen leitet der ORH Empfehlungen für Verbesserun

gen ab, die sich auf ein 13-Punkte-Programm und Überlegungen zur Aufbauorganisation konzentrieren. Kern des Gutachtens sind neben Vorschlägen für kurzfristige Maßnahmen auch darauf aufbauende Vorschläge zur Neuausrichtung der Behördenorganisation. Hier ist nach Auffassung des ORH eine Bündelung der Aufgaben bei zwei Schwerpunktregierungen unter Bildung von Außenstellen aus organisatorischer Sicht vorzugswürdig.

Klar ist aber auch, dass wir nicht nur an den Symptomen herumdoktern dürfen, sondern uns auch über bestmögliche Aufbauorganisationen Gedanken machen müssen. Die Staatsregierung wird die dargestellten Modelle und Varianten umfassend bewerten und evaluieren und dann die erforderlichen Maßnahmen ergreifen.

(Florian von Brunn (SPD): Wann ist das?)

Eine neue interministerielle Arbeitsgruppe "Veterinärüberwachung und Lebensmittelsicherheit" wird sich mit den Vorschlägen zur Struktur und Organisation im Freistaat befassen. Eines muss ich aber auch ganz klar sagen: Die Hauptschuld an diversen Skandalen trägt der Lebensmittelproduzent.

(Beifall bei der CSU)

Leider wird es auch in Zukunft schwarze Schafe geben, die sich krimineller Methoden bedienen. Gerade deshalb muss sich der Verbraucher darauf verlassen können, dass solche Fälle rechtzeitig aufgedeckt werden können. Unser aller Ziel in Bayern ist es doch, ein bestmögliches Maß an Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Verbraucherschutz zu gewährleisten und dabei die vom ORH angesprochenen Defizite zu beseitigen. Im Übrigen bin ich persönlich der Meinung, dass Bayern nicht nur sehr sichere, sondern auch qualitativ hochwertige Lebensmittel hat. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich unseren Landwirten und Bauern für ihre tägliche Arbeit danken, die sehr zuverlässig ist.

(Beifall bei der CSU und der SPD)

Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler machen, bestimmte Gruppen unter Generalverdacht zu stellen. Eine Kriminalisierung unserer Lebensmittelkontrolleure, unserer Beamten oder auch unserer Erzeuger darf es auf keinen Fall geben.

(Beifall bei der CSU – Florian von Brunn (SPD): Wer macht das?)

Kontrollen müssen auch in Zukunft mit Maß und Ziel erfolgen. Ein risikoorientiertes Vorgehen muss dabei natürlich Priorität haben. Der Vollzug ist so zu gestal

ten, dass am Ende eine Umsetzung möglich ist. Dabei muss immer im Sinne des Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit so effizient wie möglich gehandelt werden. Schließlich besteht ein Unterschied, ob ein kleiner Imbissbudenbetreiber oder ein Betrieb mit einer Million Legehennen kontrolliert wird, auch wenn beide die gesetzlichen Vorgaben einhalten müssen. Was schnell umgesetzt werden kann, wird umgesetzt. Änderungen müssen aber einen möglichst hohen Effizienzgrad haben.

Der gesundheitliche Verbraucherschutz gehört zu den zentralen Verpflichtungen, die der Staat seinen Bürgern gegenüber hat. Er ist eine wichtige Staatsaufgabe im Bereich der Gefahrenabwehr. Daher gilt es nun, zügig zu handeln. Wir nehmen die Vorschläge des ORH dankbar zur Kenntnis und sind natürlich für eine zeitnahe Umsetzung. Deshalb bitten wir auch ausdrücklich um Zustimmung zum Dringlichkeitsantrag der CSU, weil darin die einzig sinnvolle Art der Umsetzung der Vorschläge des ORH empfohlen und die Einbeziehung des Landtags mit diesem Antrag sichergestellt wird.

Wir fordern demgegenüber die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags der SPD, weil damit sofortige Umsetzungsvorgaben gemacht werden sollen. Außerdem enthält dieser Dringlichkeitsantrag Vorgaben, wie mit dem ORH-Gutachten umgegangen werden soll. Mir kommt es leider so vor, als solle damit der Versuch der Skandalisierung auf frühere Umweltminister und auf die Veterinärverwaltung ausgedehnt werden, was wir strikt ablehnen.

Ebenso lehnen wir den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN ab, weil darin lediglich einige ORH-Forderungen herausgegriffen werden und wiederum eine sofortige Umsetzung dieser Forderungen verlangt wird, statt diese Forderungen zu prüfen.

Wir werden dem Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER zustimmen, weil wir gegen Schnellschüsse, aber sehr wohl für die Weiterentwicklung der Strukturen sind.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Frau Staatsministerin Scharf hat ums Wort gebeten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie zu erwarten war, hat die SPD mit Erscheinen des Gutachtens den ORH sofort vor ihren Karren gespannt. Herr Kollege von Brunn, Sie haben sofort den Fall Bayern-Ei mit dem Gutachten vermengt. Diese Vermengung des ORH-Gutach

tens mit dem Fall Bayern-Ei stellt eine Fehlinterpretation und eine Fehldeutung des Gutachtens und vor allem eine Geringschätzung des Obersten Rechnungshofes dar. Der Oberste Rechnungshof betont gleich zu Beginn, ich zitiere aus der Seite 11: "Der ORH hatte nicht den Auftrag, den Fall ‚Bayern-Ei‘ aufzuklären."

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war dreimal im Umweltausschuss, zuletzt Mitte Januar. Ich habe damals Ihre Vorwürfe klar widerlegt. Ich bin bis in die Einzelheiten Ihres eigenen Rechtsgutachtens, des Holle-Gutachtens, eingestiegen. Danach war von Ihrer Theorie eines totalen Staatsversagens nichts mehr übrig, im Gegenteil. Ich sage Ihnen heute noch einmal ganz ausdrücklich: An meiner Bewertung des Behördenhandelns vom Sommer 2014 hat sich nichts geändert. Auch nach mehrfacher Prüfung bleibe ich bei der Feststellung, dass die von den Behörden im Sommer 2014 ergriffenen Maßnahmen geltendem Recht und Gesetz entsprochen haben.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Unglaublich! Da kriegen Sie ein Gutachten, in dem das drinsteht, und dann bestreiten Sie es immer noch!)

Das bedeutet aber nicht, dass es in der Verwaltung keinen Reformbedarf gibt. Ich nehme das Gutachten des ORH sehr ernst und erinnere Sie daran, dass ich selbst es war, die dieses Gutachten in Auftrag gegeben hat.

(Florian von Brunn (SPD): Notgedrungen, Frau Scharf!)

Das klare Ziel lautete, durch eine unabhängige und kompetente Institution Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Wir haben nicht den geringsten Einfluss auf dieses Gutachten genommen. Wir haben es unverzüglich und unverändert veröffentlicht. Ich weise die Unterstellungen und Mutmaßungen, die die SPD im Vorfeld geäußert hat, klar zurück.

Jetzt liegt das Gutachten des ORH vor. Ich danke dem Obersten Rechnungshof an dieser Stelle für seine Arbeit. Ich wiederhole noch einmal: Wir haben dieses Gutachten bewusst in Auftrag gegeben mit dem Ziel, dass der ORH auf einen Verbesserungsbedarf hinweist. Dies ist jetzt geschehen. Wir werden die Empfehlungen aufgreifen. Ich betone aber: "Besser werden" heißt nicht, dass die Behörden vorher schlecht waren. Gerade die pauschale Diskreditierung der Behördenmitarbeiter ist unerträglich. Herr von Brunn, Sie haben vorhin in Ihrem Redebeitrag behauptet, Sie hätten das nicht gesagt. Ich verweise auf Ihre Pressemitteilung von gestern, in der Ihr Fraktionschef von "Chaos" spricht.

(Florian von Brunn (SPD): Damit sind Sie gemeint, Frau Staatsministerin! – Harry Scheuenstuhl (SPD): Und Ihr Amtsvorgänger auch noch!)

Sehen Sie sich diese Mitteilung einmal genau an. Wir werden handeln, werden uns aber nicht auf dem Rücken anderer profilieren.

(Susann Biedefeld (SPD): Sie sollen sich nicht profilieren! Sie sollen für Verbraucherschutz sorgen!)

Ich wiederhole hier zwei Zahlen, die Sie schon öfter gehört haben: 150.000 Betriebskontrollen und 70.000 Lebensmittelproben jährlich sorgen für ein sehr hohes Niveau beim Verbraucherschutz. Das ist gut für die Menschen in unserem Land. Die Frage ist jetzt: Was empfiehlt der ORH? – Der ORH schlägt kurzfristige Maßnahmen und darauf aufbauend Änderungen der Organisation vor. Die kurzfristigen Maßnahmen befassen sich zum Beispiel mit der Frage, wie wir die Arbeit der Behörden vor Ort leichter und effizienter gestalten können. Darüber hinaus stellt der ORH verschiedene Modelle für eine bessere Aufbauorganisation vor. Dabei bevorzugt er ein Modell, bei dem die Aufgaben auf zwei Schwerpunktregierungen in Nordbayern und in Südbayern mit Außenstellen übertragen und dort gebündelt werden sollen.