Abschließend kann ich nur sagen, dass wir GRÜNE fest davon überzeugt sind, dass alle Menschen davon profitieren, wenn die Inhalte von Wahlvorgängen einfach dargestellt sind.
Wenn alle Menschen davon profitieren, profitiert damit insgesamt unsere Demokratie. Deswegen freue ich mich über ein starkes Signal für die Inklusion hier aus dem Bayerischen Landtag. Dann werden wir endlich auch in Bayern Wahlunterlagen in Leichter Sprache haben.
Danke schön, Frau Kollegin Schulze. – Für die CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Lorenz das Wort. Bitte sehr.
(Vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bemühungen zur Unterstützung der Wahlteilnahme von Menschen mit Lese- und Schreibschwäche oder von Menschen mit Behinderung sind natürlich zu begrüßen. Deswegen sehen die Wahlordnungen auch für alle Wahlen, seien das die Bundestags-, die Europa- und die Landtagswahlen oder die Kommunalwahlen, bereits jetzt verschiedene Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Hilfspersonen bei der Beantragung von Briefwahlunterlagen und auch bei der Stimmabgabe vor. Auch verschiedene Verbände und Volkshochschulen bieten Hilfestellung an. Es gibt eine barrierefreie Gestaltung von Internetangeboten zur Wahl und viele andere geeignete Hilfsmaßnahmen. Auf der Wahlbenachrichtigung – das ist auch ein formaler Zettel – findet sich ausdrücklich ein Hinweis, wo weitere Hilfsmittel, zum Beispiel für Sehbehinderte, erlangt werden können. Jetzt wird erwogen – vermutlich wird es auch gemacht –, einen entsprechenden Hinweis auch auf Wahlbenachrichtigungen bei Gemeinde- und Landkreiswahlen einzuführen.
Es gibt – vielleicht wissen das viele von Ihnen gar nicht – nicht erst seit der letzten Landtagswahl im Jahr 2013, sondern, weil dies für uns natürlich ein besonders wichtiges Thema ist, bereits seit der vorletzten Landtagswahl die hervorragende Broschüre "Einfach wählen gehen!" der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Dies ist wirklich ein hervorragendes Informations- und Hilfsmedium. Selbstverständlich gibt es entsprechende Broschüren, die natürlich auch im Internet abrufbar sind, auch für alle
Wir glauben, dass dies für diese spezielle Zielgruppe der geeignete Weg ist, sich zu informieren, und dies auf anschauliche und diese Zielgruppe auch wirklich ansprechende Art und Weise. Die Abfassung der Wahlunterlagen, die quasi nur das Ende eines langen Wahlkampfes, einer langen Information darstellen, in Leichter Sprache erscheint uns nicht zielführend, weil die überwiegende Zahl der Wahlberechtigten mit dieser Sprache nicht vertraut ist und dies möglicherweise sogar zu Irritationen führt.
Im Anschluss gerne. – Einer der wesentlichen Punkte ist – darauf müssen wir als Parlamentarier natürlich achten –, dass es auch vonseiten des Innenministeriums Bedenken gibt, weil es feststehende Rechtsbegriffe gibt, die bei einer Wahl zu beachten sind. Ich nenne ein Beispiel: Eine Übersetzung des Begriffs "Versicherung an Eides statt" in Leichte Sprache erscheint auch uns juristisch zumindest schwierig.
Das Thema wurde auch auf Bundesebene besprochen. Sie haben das Land Bremen angeführt. Ich will jetzt nicht sagen, dass uns Bremen nicht unbedingt immer ein Vorbild ist. Aber mit Sicherheit sollte uns zu denken geben, dass alle anderen Bundesländer dies nicht haben und dass sich auch bei der eben erfolgten Befassung auf Bundesebene – man will es auch bei den Bundestagswahlen haben – die überwiegende Mehrheit der Bundesländer dagegen ausgesprochen hat, bei der kommenden Bundestagswahl entsprechende Regelungen einzuführen.
Sie haben erwähnt, dass auf den Stimmzetteln auch Partei-Logos und Bilder von Kandidaten gezeigt werden sollen. Das ist im Anhang zu Ihrem Antrag explizit so aufgeführt. Lesen Sie es bitte nach. – Bestätigt es die Kollegin? Haben Sie es gefunden? – Ich nehme jetzt einfach das Münchner Beispiel. Bei der Kommunalwahl sind in München maximal 80 Kandidaten zu wählen. Diese kandidieren im Schnitt auf 15 Listen, das heißt, es gibt 1.200 Kandidaten. Der Wahlzettel hat jetzt bereits eine Größe von über einem Quadratmeter. Ich meine, es sind sogar etwa eineinhalb Quadratmeter. Die Schrift ist nun wirklich nicht gerade groß. Wenn Sie jetzt noch ein Foto einfügen und dies bei jedem einzelnen der 1.200 Kandidaten, dann ist der Wahlzettel wahrscheinlich mindestens doppelt so groß. Bei doppelter Länge und Breite wäre das vermutlich ein Wandteppich von 4, 5 oder 6 Quadratmetern.
Allein an diesem praktischen Beispiel zeigt sich, dass es wirklich schwerwiegende fachliche Bedenken gibt. Dies gilt beispielsweise auch für die Drucktechnik und für die Schnelligkeit, mit der Wahlunterlagen zur Verfügung gestellt werden. Sie wissen es selbst: Kurz vor Wahlen geht alles ruck, zuck. Die Namen der Kandidaten werden recht kurzfristig genannt; oft gibt es noch Änderungen und Nachfragen. Die Wahlunterlagen müssen dann wirklich unter immensem Druck zur Verfügung gestellt werden. Durch zusätzliche Möglichkeiten, die sich beim Wahlvorschlag ergeben, durch Bilder, Partei-Logos und Ähnliches, vergrößert sich schlichtweg das Risiko von Anfechtungen.
Aber das Allerwichtigste – das sollten wir auch bedenken – ist: Eine Wahl ist ein formeller Akt, und es ist wichtig, dass diese rechtssicher ist. Wir sollten uns wirklich nicht in zusätzliche Gefahr hinsichtlich von Wahlanfechtungen begeben. Ein weiteres Argument wäre der Zeitfaktor. Es erhöht den Druck und verlängert die Herstellungsfristen. – Soweit eine Vielzahl von Gründen.
Es wird bereits versucht – ich meine, es ist bei der Landtagswahl sogar gelungen –, die Unterlagen in äußerst verständlicher und einfacher Sprache abzufassen. Bei der Landtagswahl steht zum Beispiel: Sie haben eine Erststimme und eine Zweitstimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten usw. Ich denke, so schwierig ist es dann auch nicht. Wenn man in Rechnung stellt, dass es für die entsprechende Zielgruppe wirklich hervorragende Hilfsmedien wie die eben genannte Broschüre gibt, so denken wir, dass Ihr Antrag nicht zielführend ist und dass wir dem Ziel, das wir alle anstreben, auf andere Art und Weise gerecht werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Lorenz, es freut mich, dass Sie sich um die Rechtssicherheit sorgen. Das tue ich natürlich auch. Darum steht in unserem Antrag, dass wir ein Gesetz wollen, damit all dies geprüft wird und die Wahlunterlagen in Leichter Sprache nicht anfechtbar sind. Das ist möglich. Das wissen Sie selber auch.
Sie sind Münchner, so wie auch ich Münchnerin bin. Dass Sie sich um die Gestaltung eines Stimmzettels Sorgen machen, kann ich daher nachvollziehen. Aber ich gebe Ihnen einen kleinen Tipp: Man kann Dinge unterschiedlich darstellen. Es muss kein Wandteppich
Ich habe aber eine konkrete Frage. Sie sagen selber, Sie finden die Broschüre "Einfach wählen gehen!" gut. Ich finde Sie auch gut. Warum – das Argument habe ich noch nicht verstanden – weigern Sie sich dann, diese Informationen – wie wähle ich einfach, und wie wähle ich richtig? – den Leuten mit dem schon passenden Wahlzettel direkt nach Hause zu schicken, sodass jemand, der vielleicht eine Lernbeeinträchtigung oder eine Lese- und Schreibschwäche hat, sich nicht erst diese Broschüre holen und es sozusagen mit der Broschüre parallel übersetzen muss, sondern alles gleich in Leichter Sprache nach Hause bekommt und dort seine Wahl treffen kann? Dies schreibt uns ja auch, ehrlich gesagt, die UN-Behindertenrechtskonvention vor. Wie gehen Sie mit diesem Argument um?
(Vom Redner nicht autori- siert) Wenn jemand wählt oder wenn er den Stimmzettel ausfüllt, so ist dies das Ende eines langen demokratischen Meinungsbildungs- und Informationsprozesses. Ich gehe davon aus, dass sich jeder Bürger, der sich an einer Wahl beteiligt, im Vorfeld sowohl über politische Inhalte als auch über Personen informiert und natürlich auch über das Wahlsystem. Ich glaube nicht, dass die Erkenntnis, wen und welche Partei man wählt, und die Erkenntnis über unser Wahlsystem in der Minute des Wahlgangs erlangt werden.
Auch im Ausschuss habe ich versucht, Ihnen das Argument nahezubringen. Der formale Stimmzettel ist letztendlich ein Rechtsakt. Daher müssen wir versuchen, jegliches rechtliche Risiko auszuschließen. Das heißt nicht – das möchte ich ausdrücklich sagen –, dass für einen bestimmten Personenkreis Erleichterungen nicht möglich wären. Wenn es zum Beispiel eine Initiative gibt – Sie können die Personen, die das wünschen, vorab ermitteln –, dass man meinetwegen ankreuzen kann, dass man die Broschüre automatisch zugeschickt bekommt, dann habe ich persönlich nichts dagegen. Aber dass man allen Wahlberechtigten automatisch einen rechtsunsicheren Wahlzettel schickt, das möchte ich auf gar keinen Fall. Ich denke, dass wir auf dem Wahlzettel deutlich machen müssen, dass es diese Informationen gibt.
Vielleicht könnten wir als Kompromiss sagen: Wenn jemand bei einer Wahl angekreuzt hat, dass er diese
Informationen, meinetwegen diese Broschüre, haben möchte, dann wird dies in einem Computer gespeichert, und dann erhält der entsprechende Personenkreis, der dann überschaubar ist, sodass auch die Kosten überschaubar sind, automatisch bei der nächsten Wahl diese Broschüre nach Hause. – Das ist ein Vorschlag, der mir jetzt auf die Schnelle dafür eingefallen ist, wie man die entsprechende Zielgruppe direkt erreicht und ihr umfangreich Unterstützung anbietet, sodass sie die Broschüre nicht anfordern muss. – Danke schön.
Vielen Dank, Kollege Lorenz. – Damit kommen wir zur Wortmeldung der Frau Kollegin Waldmann für die SPD. Bitte sehr.
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gemäß der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen muss die Bundesrepublik dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderung ihr Wahlrecht ausüben können. Es ist klar, dass dafür die Wahlunterlagen leicht verständlich sein müssen; ebenso müssen die Einrichtungen und die Wahllokale barrierefrei sein.
Wer geschäftsfähig ist, darf wählen. Der Anteil der Menschen mit Behinderung, die nicht wählen dürfen, ist sehr gering. Für den Entzug des Wahlrechts ist Voraussetzung, dass eine sehr stark ausgeprägte geistige Behinderung und außerdem eine Betreuung in allen Lebenslagen vorliegt. Es ist selbst bei Menschen mit geistiger Behinderung sehr selten, dass eine Betreuung in allen Lebenslagen erforderlich ist. Und nur dies führt dazu, dass das Wahlrecht nicht ausgeübt werden darf. Alle anderen haben das Recht zu wählen.
Wir haben es heute schon gehört – Sie sind gut informiert –: Menschen mit Behinderung können Wahlhelfer hinzuziehen, die ihnen helfen, den Wahlzettel auszufüllen; sie können sich vorlesen lassen und Weiteres. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass immer noch der Grundsatz gilt: Nicht über uns ohne uns.
Fragen Sie doch einmal die Menschen mit Behinderung, auch die mit geistiger Behinderung, mit Einschränkungen, mit Lernschwächen, mit Leseschwächen oder Verständnisschwächen: Sie wünschen sich leicht verständliche Unterlagen. Sie wollen Fotos sehen, um sich eine Vorstellung zu machen von demjenigen, der da gewählt werden kann.
Übrigens haben wir hier in Bayern ein sehr personalisiertes Wahlrecht. Wir sind ganz stolz darauf, dass die Bürger eine sehr direkte Einflussmöglichkeit
haben und sich die Zusammenstellung des Parlaments sehr persönlich aussuchen können. Ich finde, dass in diesem Zusammenhang ein Foto sehr gut passen würde. Das gilt im Übrigen auch für Menschen, die gar nicht behindert sind. Das kann überhaupt nicht schaden.
Ich habe mich sehr gewundert, als ich gerade Ihre Argumentation gehört habe; ich habe auch nachgelesen, wie die Diskussion im Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen dazu aussah: Die einzigen Argumente, die Ihrer Meinung nach dagegen sprechen, sind technische und zeitliche Probleme: Ihnen wird der Stimmzettel bei der Kommunalwahl zu groß; Ihnen erscheint die Zeit zu kurz, um die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Mein Gott, es ist doch wirklich noch Zeit genug bis zu den nächsten Landtagswahlen 2017, um hierfür Lösungen zu finden!
Bayern will doch im Bereich der Barrierefreiheit vorangehen. Sie haben sich das doch auf die Fahne geschrieben.
Für viele Menschen sind die Wahlzettel schon jetzt mit viel zu kleiner Schrift bedruckt und auch zu kompliziert.
Ich möchte noch kurz auf das Problem zurückkommen, wie das ist, wenn Menschen aufgrund einer Betreuung ihr Wahlrecht entzogen wird und ob das in allen Fällen auch wirklich gerechtfertigt ist. Das ist jedoch ein eigenes Thema, über das wir an anderer Stelle einmal reden müssen.
Die Prüfungskommission der Vereinten Nationen hat nachdrücklich kritisiert, dass Menschen mit Behinderung zu häufig ausgeschlossen werden, wenngleich es sich dabei um eine relativ geringe Prozentzahl handelt.
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass im Grundgesetz dem Wahlrecht eine besonders herausgehobene Stellung eingeräumt wird. Dort heißt es: Es ist das vornehmste Recht des Bürgers, im demokratischen Staat zu wählen und seine Stimme abzugeben. – Das heißt für uns: Wir müssen alles dafür tun, um dieses Recht zu unterstützen. Das ist unsere Legitimation, um die es hier geht.