Protokoll der Sitzung vom 10.05.2016

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 36 Minuten. Die Verteilung der Redezeit darf ich als bekannt voraussetzen. Erster Redner ist Herr Kollege Rosenthal. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! "Hitlers ‚Mein Kampf‘ durch politische Bildung demaskieren" war sowohl im Bildungsausschuss als auch im Wissenschaftsausschuss Thema. Wir wollen uns erinnern, so präzisiert es Theodor W. Adorno in einem Rundfunkvortrag von 1966 mit dem Titel "Erziehung nach Auschwitz". Oder anders gesagt: Das erste Ziel aller Pädagogik sei die Verhinderung eines zweiten Auschwitz. Zugespitzt lautete die Frage, die bis heute aktuell ist: Wie konnte es zu diesem Bruch mit aller Menschlichkeit kommen, und wie kann Erziehung Ähnliches in Zukunft verhindern? Adorno nahm damit das Ende politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen in den Zwanziger- und Dreißigerjahren in den Blick. Er bezog sich auf den Endpunkt der Vernichtungspolitik der Nazis. Die Demaskierung von Hitlers Buch bezieht sich hingegen auf den Beginn der nationalsozialistischen Bewegung, und ich glaube, der heutige Tag ist ein guter Tag für diesen Antrag; denn heute jährt sich der Tag, an dem die Horden des Nationalsozialismus die geistige Kultur Deutschlands und Europas mit Füßen getreten haben. Viele Tausende haben sich im damaligen Dritten Reich aktiv oder durch Zuschauen und Beifallsbekundungen an Bücherverbrennungen beteiligt. Auch in München findet heute eine Lesung statt, um daran zu erinnern.

Es geht darum, die Demaskierung des Buches durch eine Form der pädagogischen Handreichung zu er

leichtern. Es geht auch darum, die verbale und verschriftlichte Gewaltsprache und die Entgrenzung von Diskriminierung und Gewalt zu entlarven. Um es anders auszudrücken, wie Hannah Arendt es uns hinterlassen hat: Es ist die "Banalität des Bösen", die es zu demaskieren gilt. Es sind oft die ganz kleinen, unscheinbaren Anfangspunkte der Gewalt, die allzu leicht übersehen werden. Es muss der gesamte Prozess der Verrohung betrachtet und der prozessuale Charakter beleuchtet werden; denn die Erfahrung lehrt uns, dass weder der Appell an die Werte der Menschen noch die Betonung der Qualitäten von Minderheiten weiterhilft.

Ein anderes Beispiel – zur Erinnerung – unterstreicht dies auf eindrucksvolle Art und Weise: Es kann nicht sein, was nicht sein darf, so beschrieb eine Zeugin eines der fünf in Bayern verübten NSU-Morde die einseitigen Ermittlungen der bayerischen Sicherheitsbehörden. Leipzig und Dresden lehren uns am Rande der Pegida-Demonstrationen: Die bereits heute gängige Verrohung, Morddrohungen und dumpfe Verunglimpfungen, aber auch die körperlichen Übergriffe auf Journalisten sind die Menetekel von massenhaft praktizierter Gewalt. Die Zahl der Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte hat sich im vergangenen Jahr laut Verfassungsschutzbericht mit mehr als 60 Taten in Bayern fast verdreifacht. Der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamtes berichtete erst vor wenigen Tagen über eine zunehmende Fremdenfeindlichkeit in ländlichen Regionen.

Wenn das Stimmungsbild zutrifft, stellt sich die Frage: Wie reagiert der demokratische, wehrhafte Staat darauf? Welche niederschwelligen Angebote sind notwendig? – Wenn wir uns die gegenwärtige Lage anschauen, stellen wir fest, dass bestimmte – in Anführungszeichen – "Sagbarkeiten" wie Lügenpresse und der Aufbau von Feindbildern wieder salonfähig werden. Die Reduktion komplexer politischer Sachverhalte wird bewusst in Kauf genommen, und das typische Bild antidemokratischer und totalitärer Ideologienbildung ist wieder salonfähig geworden.

Dazu passt, dass parallel dazu die rechtsmotivierten Straftaten innerhalb eines Jahres um 18 % zugenommen haben. Die rechtsextremistisch motivierten Strafund Gewalttaten liegen mit 1.759 um 30 % höher. Hauptgrund der Zunahme sind sicherlich rassistisch motivierte Straftaten gegen Asylsuchende und Asylbewerberunterkünfte; aber auch die Zahl der Volksverhetzungen verdoppelte sich von 2012 bis heute. Wir wissen aus Studien, dass 30 % der Bürgerschaft latent für Antisemitismus und Rassismus ansprechbar sind. Diese Zahlen zeigen uns: Geschichtsrevisionismus, ob von links, rechts oder im Tarnmantel des Isla

mismus, muss mit fundiertem Wissen entgegengetreten werden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Die Geschichte lehrt uns: Wir müssen die Grundlagen schaffen und das Wissen zugänglich machen; und gerade die deutsche Geschichte verpflichtet uns, Demagogen zu demaskieren. Die Geschichte des Nationalsozialismus zeigt uns aber noch etwas anderes, nämlich, wie es binnen kurzer Zeit gelingen kann, eine zivilisatorische Universalmoral durch bösartiges Verdrehen zu zerstören. Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass es sich um eine massenhafte Bewegung gehandelt hat. Die Leute waren überzeugt, dass ihr Handeln richtig sei, weil sich die Denkmuster verändert haben. Geschieht dies nicht auch heute wieder in unserer Gesellschaft in einer merkwürdigen Form von sozialer Übereinstimmung? Das Narrativ hat sich an dieser Stelle grundlegend geändert.

Die Frage lautet: Welche Antworten geben wir als Parlament und als Demokratinnen und Demokraten? – Es kann nur eine flächendeckende Antwort in allen Schularten sein. Flächendeckend heißt auch fächerübergreifend – nicht nur konzentriert auf Geschichte und Sozialkunde. Die Werte der Demokratie, der Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit sind auch das Fundament aller Schulfächer und vor allen Dingen des politischen Lebens. Warum hat sich der Freistaat vor 16 Jahren, als das Bildungsprogramm "Demokratie leben und fördern" aufgelegt worden ist, als eines von drei Bundesländern nicht daran beteiligt? Es bleibt bei der Forderung: Wir müssen Möglichkeiten schaffen, gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit vorzugehen. Das bedeutet aber auch die Verstärkung der Werteerziehung auf allen Ebenen. Wir sollten – das ist unsere Forderung als Fraktion – in den Schulen und außerhalb der Schulen Sonderprogramme für politische Bildung auflegen.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt auch, Signale zu setzen, um eine wehrhafte Demokratie zu stärken. Eine Demokratie ist so stark wie die Anzahl ihrer leidenschaftlichen Demokratinnen und Demokraten. Inwiefern haben wir das in der Schule praktiziert? – Die Antwort lautet: Politische Bildung reduziert sich auf einzelne, dünn gesäte Schulfächer und Bildungsveranstaltungen; sie ist keine Querschnittsaufgabe. In Schulparlamenten oder Schülerzeitungen sollten Freiräume geschaffen werden, um Lernfelder für Demokratie zu eröffnen. An dieser Stelle stoßen wir immer wieder an die Grenze des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes. Schulische

und außerschulische Programme sollten eine flächendeckende politische Bildung ermöglichen. Das ist unsere Antwort auf die Zeichen der Zeit. – Meine Damen und Herren, herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rosenthal. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat Herr Kollege Professor Piazolo das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Rosenthal – ich habe genau zugehört – hat das Thema umfassend behandelt. Das ist sicherlich nicht falsch. Das Thema sollte immer wieder im Landtag behandelt werden. Ich will es jedoch anders angehen und mich auf die Anträge beziehen. Uns liegen drei Anträge vor, die wir alle einstimmig in den Ausschüssen beschlossen haben. Jetzt ziehen wir sie trotzdem hoch. Damit haben wir die Gelegenheit, grundsätzlich über die neue wissenschaftliche Ausgabe von "Mein Kampf" zu sprechen.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mir für einen wissenschaftlichen Aufsatz eine Ausgabe von "Mein Kampf" besorgen wollte. Das war in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zu Recht nicht mehr so leicht. Ich habe es an meinem damaligen Arbeitsplatz versucht, es ist mir auch gelungen. Die Bibliothekarin ist jedoch in einen Sonderraum marschiert, hat den sogenannten "Giftschrank" geöffnet und das Buch herausgeholt. Man musste unterschreiben und das Buch möglichst bald zurückgeben. In Deutschland gab es lange Zeit einen ganz besonderen Umgang mit diesem – das sage ich ganz deutlich – Schundwerk. Das ist heute anders. Heute gibt es eine kommentierte wissenschaftliche Ausgabe vom Institut für Zeitgeschichte. Ich bin froh, dass es diese Ausgabe gibt, weil der Urheberrechtsschutz bald ausläuft. Diese wissenschaftliche Ausgabe ist keine leichte. Die Ausgabe umfasst insgesamt 2.000 Seiten mit 3.700 Fußnoten. Inzwischen hat sie es auf die "SPIEGEL"-Bestsellerliste geschafft – seit einiger Zeit übrigens mit steigenden Plätzen. Man kann sich fragen: Wer ist bereit, diese lange Ausgabe wirklich zu lesen? Wird möglicherweise von anderen auf das Werk zugegriffen?

Die drei Berichtsanträge, denen zugestimmt wird, halten wir für sehr sinnvoll. Mit den Anträgen wird insbesondere ein Bericht über den Einsatz der kommentierten Ausgabe von "Mein Kampf" im Schulunterricht und an Hochschulen gefordert. Ich möchte jedoch deutlich machen, dass es sich nicht um eine völlig neue Situa

tion handelt. Schon jetzt kann man die Ausgabe an Schulen und an Hochschulen verwenden. Sie können Auszüge daraus behandeln. Für mehr ist auch an Schulen und Hochschulen kein Raum. Insofern plädiere ich für einen sehr differenzierten Umgang, auch mit der neuen wissenschaftlichen Ausgabe.

Ich bin der Auffassung, dass diese Ausgabe im Unterricht in den meisten Fällen schwer einsetzbar ist, weil man eine zusätzliche Kommentierung braucht. Man kann die Schüler mit der jetzigen Ausgabe nicht einfach alleinlassen. Man braucht eine Anleitung und Zeit. Mit Blick auf die Lehrpläne – Herr Kollege Rosenthal hat das bereits angesprochen – haben wir für das Thema Sozialkunde jedoch insgesamt zu wenig Zeit. Erst neulich haben wir mit einem Antrag zusätzlichen Sozialkundeunterricht gefordert, der über eine Stunde Sozialkundeunterricht in vielen Klassenstufen an den Gymnasien hinausgeht. Ich nenne ein Beispiel: In der neunten Klasse der Realschule werden der gesamte Zweite Weltkrieg sowie die gesamte Phase des Imperialismus und des Stalinismus in 14 Stunden abgehandelt. Da wird es schon sehr schwierig, sich mit einem Thema wie "Mein Kampf" sachgerecht auseinanderzusetzen. Wir müssen eine Debatte darüber führen – das können wir vielleicht aufgrund der Berichtsanträge –, wann und wie ein Einsatz an der Schule sinnvoll ist.

Aus meiner Sicht besteht bei diesem Werk ein Spannungsfeld zwischen jahrzehntelanger Überhöhung einerseits und Banalisierung andererseits, die auch eine Gefahr darstellt. Mit diesem Werk sind viele Mythen, aber auch Abscheu und Ängste und manchmal auch Neugier verbunden. Es wird sich die Frage stellen, wie man im Unterricht mit diesem Werk, mit diesem Schundwerk, umgeht, wenn man es möchte. In diese Richtung gehen auch die Berichtsanträge. Ich halte es für sehr sinnvoll, dass auch die Akademie für Politische Bildung Lehrerfortbildungen zu diesem Thema anbietet. Das ist kein leichtes, sondern ein sehr schwieriges Thema. Aus meiner Sicht sind eine Versachlichung und eine seriöse Beschäftigung wichtig. Ich warne jedoch davor – das sage ich ausdrücklich –, sich auch im Schulunterricht zu viel mit dem Werk zu beschäftigen. Man kann die Zeit der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkrieges mit anderen Mitteln thematisieren und sollte den Schwerpunkt nicht unbedingt auf dieses Werk legen.

Nichtsdestoweniger ist es sehr gut – deshalb haben wir alle Berichtsanträge unterstützt –, dass eine kritische, wissenschaftliche Edition vorliegt. Man muss mit ihr umgehen, an den Hochschulen – dort ist es sicherlich am leichtesten –, aber auch an den Schulen. Allerdings bedarf es des differenzierten Umgangs je

nach Schulart – Gymnasium, Realschule, Mittelschule – und Klassenstufe.

All diese Punkte gilt es intensiv zu besprechen. Zu den entsprechenden Fragen werden wir seitens der Staatsregierung sicherlich Berichte erhalten. Letztlich wird es jedem einzelnen Lehrer überlassen bleiben, wie er mit dem Thema umgeht. Hilfestellung ist wichtig, und es ist zu begrüßen, dass es eine kommentierte Ausgabe gibt. Ich will aber auch deutlich formulieren, dass das Vorliegen einer kommentierten Ausgabe keine völlig neue Situation schafft. Wir sollten sie auch nicht schaffen. Man sollte das Werk nicht wichtiger nehmen, als es ist, auch nicht im Schulunterricht. – Danke schön, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Besten Dank, Kollege Piazolo. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Steinberger von der Fraktion der GRÜNEN. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus Worten werden Taten, wenn nicht rechtzeitig interveniert wird. Diese Lehre sollten wir alle aus dem Umgang mit dem Buch "Mein Kampf" ziehen. Aber lassen Sie mich zunächst einmal einen Blick in die Historie werfen.

Mit Jahresbeginn sind die Urheberrechte für Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf" ausgelaufen. Wir GRÜNEN hatten schon im Jahr 2010 mit einer Anhörung die Diskussion darüber angestoßen, wie wir nach Ablauf der Urheberrechte mit dieser NS-Schrift umgehen sollten. Daraufhin forderte der Landtag dankenswerterweise bereits 2011 von der Staatsregierung ein Konzept zum Umgang mit dem Buch "Mein Kampf". Mit diesem Antrag war das Ziel verbunden, dieser Hetzschrift gut vorbereitet, offensiv, aufklärend und historisch-kritisch entgegenzutreten. Im Jahr 2012 wurde diese Absicht auf unsere Initiative hin untermauert.

Das Institut für Zeitgeschichte – IfZ – hat zu Beginn dieses Jahres eine kommentierte, kritische Ausgabe von "Mein Kampf" vorgelegt, deren Präsentation von großem medialen Interesse begleitet wurde. Dem medialen Interesse folgte großes Interesse der Bevölkerung. Die Verkaufszahlen übertrafen die Erwartungen des IfZ deutlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, umso wichtiger ist es, dass gerade unsere Lehrkräfte optimal darauf vorbereitet sind, sich gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern historisch-kritisch mit Hitlers Hetzschrift

und deren Rolle für die Entwicklung der menschenverachtenden NS-Ideologie auseinanderzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Verschiedene Lehrerverbände, zum Beispiel der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband und der Deutsche Philologenverband, haben sich in diesem Zusammenhang für eine offensive und historisch-kritische Auseinandersetzung mit Hitlers Hetzschrift an den Schulen ausgesprochen und staatliche Unterstützung dafür eingefordert. Dieser Forderung ist die Staatsregierung bisher nicht nachgekommen. Entgegen der gemeinsamen Positionierung aller im Landtag vertretenen Parteien hat die Staatsregierung die Vorbereitung einer entsprechenden Handreichung durch die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit im Frühjahr 2013 gar gestoppt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Erst zu Beginn dieses Jahres erklärte Kultusminister Spaenle, dass die Vorlage einer Handreichung für Lehrkräfte und pädagogische Multiplikatoren von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit nun doch geplant sei. So weit, so gut.

Da aber durch die ständigen Meinungsäußerungen der Staatsregierung viel Zeit verloren gegangen ist, um die Lehrkräfte in ihren Bemühungen um eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Hetzschrift zu unterstützen, ist das Kultusministerium nun dazu aufgefordert, das Versäumte nachzuholen und dem Landtag über die entsprechenden Schritte zu berichten.

Der kritischen, historisch fundierten Auseinandersetzung mit dem Buch "Mein Kampf" dürfen sich die Schulen – insbesondere angesichts der derzeitigen medialen Aufmerksamkeit – nicht entziehen. Wir schätzen zwar die Verführungswirkung dieses Buches auf die heutige Jugend als gering ein; dieses Buch bietet aber ein erschreckendes Beispiel dafür, wie eine menschenverachtende Ideologie entwickelt und begründet worden ist. Anhand dieses Beispiels kann sehr gut vermittelt werden, dass Ideologien, insbesondere solche vom äußersten rechten Rand des politischen Spektrums, an den Worten gemessen werden müssen. Aus Worten folgen Taten, wenn nicht rechtzeitig interveniert wird. Nie war diese Einsicht so wichtig wie heute. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Buch im Unterricht ist deshalb von eminenter Wichtigkeit.

Wir werden allen Anträgen zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Steinberger. – Für die CSU-Fraktion hat sich Frau Kollegin Dr. Eiling-Hütig gemeldet. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte es sehr kurz machen: Wir stimmen allen drei Anträgen der Opposition zu. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich werde aber doch etwas weiter ausführen. Zunächst eine kurze Ergänzung zu dem Redebeitrag von Herrn Rosenthal: Als Sie Zahlen nannten und sich auf Bayern bezogen, hätten Sie korrekterweise auch die Zahlen aus Nordrhein-Westfalen – SPD-regiert! – erwähnen müssen. Dort lag die Zahl der entsprechenden Übergriffe im Jahr 2015 bei 214 und damit fast neunmal höher als im Jahr 2014. Ich erwähne das, wie gesagt, nur zur Ergänzung.

(Zuruf der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, als Historikerin begrüße ich es, dass sich der Bayerische Landtag eingehend mit dem künftigen Umgang mit "Mein Kampf" im Schulunterricht auseinandersetzt. Ich begrüße es ebenso, dass alle Fraktionen im federführenden Ausschuss für Bildung und Kultus und im mitberatenden Ausschuss für Wissenschaft und Kunst den drei vorliegenden Anträgen, in denen es um den verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit der kommentierten Ausgabe von "Mein Kampf" geht, einstimmig zugestimmt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt, dass wir uns der großen Bedeutung dieses Themas, aber auch der Gefahren bei der Vermittlung der Inhalte sowie der perfiden Ideologie des Verfassers sehr bewusst sind. Und es zeigt, dass wir insoweit an einem Strang ziehen. Gerade als Historikerin lege ich aber auch großen Wert darauf, dass wir die Diskussion mit der notwendigen Klarheit und Präzision führen, die einem so schwierigen Thema zustehen. Deshalb möchte ich vorab drei Feststellungen treffen:

Die Tatsache, dass seit Beginn dieses Jahres erstmals eine wissenschaftlich kommentierte Gesamtausgabe von "Mein Kampf" vorliegt, bedeutet nicht, dass dessen Inhalte und die darin verbreitete menschenverachtende Ideologie jetzt erstmals im Unterricht behandelt würden.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Bei uns in Bayern gehören Auszüge aus "Mein Kampf" vielmehr seit Langem zu den gängigen, auch in Schulbüchern abgedruckten Quellen, die im Geschichtsunterricht behandelt werden, wobei von der jeweiligen Lehrkraft entschieden wird, ob und wie "Mein Kampf" in den Unterricht über das NS-Regime einbezogen wird. Als Historikerin kann ich Ihnen sagen: Wer Geschichtsunterricht betreibt, ohne historische Quellen einzubeziehen, betreibt keinen guten Geschichtsunterricht. Deshalb ist die Befassung auch mit NS-Quellen seit Langem Teil der methodisch und inhaltlich profunden Quellenarbeit im Geschichtsunterricht.

Das bloße Auslaufen der Urheberrechte von "Mein Kampf" stellt den Geschichtsunterricht bzw. die Geschichtslehrkraft daher mitnichten plötzlich vor gänzlich neue Herausforderungen. Auch in Zukunft gilt generell: Unveränderte Nachdrucke der Hetzschrift "Mein Kampf" dürfen nicht verwendet werden. Jegliches volksverhetzende Material wird konsequent eingezogen; diejenigen, die es verbreiten, werden strafrechtlich verfolgt.