Vielen Dank. Die nächste Wortmeldung: Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER spricht Herr Kollege Dr. Fahn. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es stimmt, das weiß-blaue Betreuungsgeld wird kommen. Es kommt aber leider nicht mit den Stimmen der FREIEN WÄHLER.
Die hinter dem Gesetzentwurf stehende Intention, dass diejenigen, die ihr Kind zu Hause betreuen, Geld bekommen, ist natürlich nachvollziehbar. Das ist schon klar. Wenn man aber ins Detail geht – und das haben wir gemacht, mehrmals sogar –, dann entstehen immer mehr Fragen, und es stehen immer mehr Widersprüche im Raum. Für uns fehlt auch ein sinn
Erstens. Die veranschlagten 150 Euro bieten keine wirkliche Wahlfreiheit. Von einer Wahlfreiheit zwischen privater und öffentlicher Erziehung zu sprechen, ist angesichts dessen realitätsfern. Auch der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Bayern hat gesagt, der Betrag habe nur Symbolcharakter. Natürlich nehmen auch diejenigen das Geld, die sowieso zu Hause auf das Kind aufgepasst hätten. Das ist klar, das ist logisch, das begründet aber keine Wahlfreiheit. Das Betreuungsgeld zielt an den eigentlichen Problemen vorbei. Eine echte Wahlfreiheit ist nämlich erst dann gewährleistet, wenn in allen Regionen Bayerns genügend Kitaplätze und Erzieher vorhanden sind. Das ist derzeit aber nicht der Fall. Wir sagen auch, die 150 Euro sind insgesamt gesehen einfach zu wenig. Deswegen haben sie reinen Symbolcharakter.
Zweitens. Es macht sowohl gesellschafts- als auch haushaltspolitisch weitaus mehr Sinn, die von der Staatsregierung – –
Nein, das Geld soll man nicht abschaffen. Man soll die 230 Millionen – den ganzen Betrag, wieviel es eben insgesamt ist – in den Ausbau der bayerischen Kindertagesstätten investieren. Das ist für uns der sinnvollere, der bessere Weg. An den Kitas haben wir großen Personalmangel, das müssen wir doch beachten. Deshalb müssen wir das Geld hier investieren.
Die 230 Millionen, oder wieviel Geld es auch insgesamt ist, wäre deshalb hier besser investiert. Das ist unsere Position.
Drittens. Durch das geplante Betreuungsgeld werden vor allem die 400.000 Alleinerziehenden in Bayern außen vor gelassen. Darauf hat meine Vorrednerin bereits hingewiesen. Das kritisieren wir; denn gerade die Alleinerziehenden haben großes Interesse an der Qualifizierung ihrer Kinder, während sie ihrer Arbeit nachgehen. Schlimmer noch, die Alleinerziehenden werden von der Staatsregierung durch eine Nichtbeachtung bestraft, die ihresgleichen sucht. Wie wollen Sie erklären, dass alleinerziehende Mütter oder alleinerziehende Väter de facto keinen Anspruch auf das Betreuungsgeld haben? – Das ist ein großer Nachteil. Wir können das in dieser Form nicht unterstützen.
Viertens. Durch ein solches Betreuungsgeld kommen vor allem Einkommensschwache in die Versuchung, diese 150 Euro als Aufstockung für andere Dinge zu
verwenden. Investitionen in die frühkindliche Förderung bleiben dann aus. Ich kann das nachvollziehen. Das wird von verschiedenen Fachleuten immer wieder bestätigt. Das hat auch das Deutsche Jugendinstitut in einer Untersuchung ganz klar gesagt. Deshalb sind Personen mit einem großen Armutsrisiko eher geneigt, dieses Geld anderweitig zu verwenden.
Diese Leute werden an der frühkindlichen Bildung sogar noch sparen. Es gibt also gewisse Anzeichen dafür, dass durch dieses Betreuungsgeld mittelfristig auch die soziale Mobilität gefährdet wird.
Fünftens. Es gibt – das wurde auch in der Anhörung von wissenschaftlicher Seite so gesagt – einige Bedenken bezüglich des Vorhabens. So kommt das Deutsche Jugendinstitut zu dem Ergebnis, dass das Betreuungsgeld in hohem Maße geschlechts- und schichtspezifisch wirkt. So nehmen häufiger Frauen als Männer diese Leistung in Anspruch. Das Deutsche Jugendinstitut kommt ferner zu dem Ergebnis, dass die gemeinsame, partnerschaftliche Betreuung von Kindern in Familien ohne Bezug von Betreuungsgeld deutlich häufiger vorkommt als in Familien mit Bezug. Es zeigt sich also, dass ein solches Betreuungsgeld einen direkten geschlechtsspezifischen Einfluss auf die Kinderbetreuung in Familien hat, welcher mitunter nicht positiver Natur ist.
Sechstens. Das Betreuungsgeld – das ist vielleicht ein neuer Aspekt – ist im Hinblick auf die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen kritisch zu bewerten. So bietet dieses den in Kitas ohnehin schon stark unterrepräsentierten Migrantengruppen zusätzlich einen Anreiz, ihre Kinder zu Hause zu erziehen. Dabei benötigen gerade die Kinder dieser Bevölkerungsgruppen eine frühestmögliche Integration und Sprachförderung. Hier soll freilich nicht in Abrede gestellt werden, dass auch diese Eltern in der Lage sind, ihre Kinder selbst aufzuziehen. Gesellschaftspolitisch ist es zweifelsohne geboten, Integration möglichst früh zu beginnen. Diese wird in dieser Altersgruppe vorwiegend in den bayerischen Kindertagesstätten gewährleistet.
Siebtens. Zahlreiche gewichtige Verbände sprechen sich – das muss man immer wieder sagen und darf es nicht unter den Tisch kehren – gegen das Betreuungsgeld aus. Die Diakonie Bayern, die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie, der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Verband alleinerziehender Mütter und Väter sowie die Arbeiterwohlfahrt haben Probleme mit diesem Gesetzentwurf.
Achtens. Das Betreuungsgeld – das ist der letzte Punkt – wird letztendlich nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet, ganz gleich, ob und welche Betreuung Kinder erfahren. Dabei wäre es doch besonders wichtig, die Qualität der Betreuung in den Vordergrund zu stellen. Das wird durch Zahlung dieser 150 Euro eben nicht gewährleistet.
Deswegen sind wir insgesamt gegen dieses Gesetz. Diese acht Punkte sprechen aus Sicht der FREIEN WÄHLER dagegen. Wir sind der Meinung, dass Eltern als freie und mündige Bürger selbst entscheiden sollen, in welcher Art und Weise sie ihren Nachwuchs in den ersten Lebensjahren betreuen. Um echte Wahlfreiheit sicherzustellen, müssen diese 230 Millionen Euro sinnvoll investiert werden, zum Beispiel in eine ausreichende Zahl von Kita-Plätzen in Bayern. Für uns wäre das besser, als ein Betreuungsgeld nach dem Gießkannenprinzip anzustreben. Wie formuliert es die "Süddeutsche Zeitung"? – Ein Zitat: Das Betreuungsgeldgesetz als Paradebeispiel für bayerische Sturkopfpolitik.
Abschließend lässt sich für uns FREIE WÄHLER Folgendes festhalten: Dieser Gesetzentwurf geht am eigentlichen Ziel vorbei, beansprucht Gelder, die an anderer Stelle dringender notwendig wären, und schließt – das ist für uns auch ein wesentlicher Punkt, den man laufend wiederholen muss – gewisse Teile der Gesellschaft aus. Aus diesen acht Gründen bleibt uns FREIEN WÄHLERN nichts anderes übrig, als diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Danke schön. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich jetzt Frau Kollegin Celina das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! In wenigen Minuten werden wir über die Einführung des Betreuungsgeldes abstimmen. Damit werden Sie nicht nur die gesetzliche Grundlage für die Einführung des Betreuungsgeldes schaffen, sondern Sie werden auch der langen Diskussion darüber vorerst ein Ende bereiten. Aber was werden denn die Folgen sein? – Wenn wir in einigen Jahren überlegen werden, was das Betreuungsgeld gebracht hat – ich hoffe, dass wir das tun werden –, dann gibt es zwei mögliche Ergebnisse; das eine ist: Das Betreuungsgeld kostet unsere Bürger viel Geld, vielleicht 100 Millionen Euro im Jahr, und nützt den Familien wenig. Das wäre noch die bessere Variante. Die andere Variante ist: Es kostet
unsere Bürger viel Geld, vielleicht 100 Millionen Euro im Jahr, es schadet den Frauen, es schadet den Kindern, und es schadet den Familien.
Es schadet den Frauen, die noch weniger Rente bekommen werden; es schadet den Kindern, die nicht in eine Kita dürfen, dort aber gut betreut wären; es schadet den Familien, die mit ihren Steuern dafür blechen müssen, damit andere, unabhängig von ihrem Einkommen, Geld dafür bekommen, dass ihre Kinder nicht in eine Kita gehen dürfen. Es schadet den Alleinerziehenden, denen Sie suggerieren wollen, sie hätten eine Wahlfreiheit; die haben sie bei 150 Euro im Monat aber nicht. Das haben Ihnen der Verband der Alleinerziehenden und fast alle anderen Verbände in der von der Opposition erzwungenen Anhörung unverblümt gesagt.
Da fällt mir ein Satz des klugen Winston Churchill ein, der sagte: Es braucht Mut, aufzustehen und zu sprechen. Es braucht aber auch Mut, sich hinzusetzen und zuzuhören. – Ich hätte Ihnen in den vergangenen drei Jahren, in denen wir über Ihr salopp dahingeworfenes Wahlkampfversprechen diskutiert haben, den Mut gewünscht, sich öfter einmal hinzusetzen und zuzuhören. Dass es kein gut durchdachtes Projekt ist, zeigt sich allein schon daran, dass das Bundesverfassungsgericht Ihnen zu Recht in Ihr schön ausgedachtes Gesetz gegrätscht ist und Sie auf Ihren Platz zurückverwiesen hat. – Jetzt machen wir’s halt selber, haben Sie dann trotzig beschlossen und eine gigantische Umverteilungsmaschine in Gang gesetzt. Mit den Steuern, die die durchschnittliche Krankenschwester zahlt, kann die Managerin ihr Kind vom Aupair-Mädchen betreuen lassen, um es einmal ganz deutlich zu formulieren.
Erzählen Sie mir nicht, dass das Betreuungsgeld den ärmeren Familien nützt; denn das war nie Ziel des Betreuungsgeldes. Im Gegenteil: Bei denen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, wird es sogar angerechnet. Das heißt, arme Eltern werden vom Bezug des Betreuungsgeldes ausgegrenzt. Ist deren nicht in Anspruch genommener Kita-Platz etwa weniger wert? Wie ist abstrus ist das denn?
Um ärmere Kinder und Familien zu unterstützen, hätten Sie das Bayerische Landeserziehungsgeld ausbauen müssen; denn genau damit werden Familien unterstützt, die es sich sonst nicht leisten könnten, ihre Kinder selbst zu betreuen. Statt das Betreuungsgeld gegen alle Widerstände durchzuboxen, hätten Sie sich auch dafür einsetzen können, dass sowohl Mütter als auch Väter mehr Zeit mit ihren Kindern ver
Ich hatte glücklicherweise die Möglichkeit, sieben Jahre mit unseren Kindern zu Hause zu verbringen und sie zu genießen. Mein Mann und ich haben die Möglichkeit genutzt, unsere Arbeitszeiten zu reduzieren, um mehr Zeit mit den Kindern und der Familie zu verbringen. Wir hatten Arbeitgeber, bei denen es klare familienfreundliche Regelungen gab, die es uns erlaubten, mehr Zeit mit kleinen Kindern zu verbringen. Wir hatten flexible Arbeitszeiten, verständnisvolle Chefs und die Möglichkeit, an das Alter der Kinder und an die Bedürfnisse der Familie angepasst zu arbeiten. Wir wohnen in einem Ort, in dem es schon seit vielen Jahren gute Betreuungsmöglichkeiten für kleine und größere Kinder gibt. Wir haben auch ein soziales Umfeld, das uns bei der Kinderbetreuung unterstützt. Wir hatten zwar keine 150 Euro im Monat; aber wir hatten Wahlfreiheit. Wir hatten Glück mit den Rahmenbedingungen für unser Familienleben.
Es wäre Ihre Aufgabe als Regierungsfraktion gewesen, daran zu arbeiten, dass mehr Familien in Bayern diese Wahlfreiheit haben. Das haben Sie, Herr Unterländer, ja auch gesagt. Aber wenn eine Familie diese echte Wahlfreiheit genießt, beruht das im Augenblick auf Glück und Zufall. Stattdessen verschwenden Sie ab jetzt jedes Jahr bis zu 100 Millionen Euro für ein sogenanntes Landesbetreuungsgeld, das nicht nur die Experten, sondern auch ein großer Teil der Bürger für kompletten Unsinn halten.
Sie schaden viel, und Sie nutzen wenig. Sie werden dabei nicht einmal das selbst gesteckte Ziel Wahlfreiheit erreichen geschweige denn sonst einen Nutzen erzielen, frei nach dem Motto: Wenn es schon mit der Pkw-Maut nicht klappt, dann wenigstens mit dem Betreuungsgeld. Aber das ist langfristig zu wenig, um einen Beitrag zu echter Wahlfreiheit zu leisten. Dieser hätte anders ausgesehen.
Noch ein Satz zu Ihrer Argumentation, Herr Unterländer. Sie sagten: Die Eltern wollen das Betreuungsgeld. Zum einen bezweifle ich, dass die Eltern das Betreuungsgeld wollen. Nur ein kleiner Prozentsatz der Eltern hat Kinder in genau diesem Alter. Ein großer Teil der anderen Eltern kann sich bessere Möglichkeiten vorstellen, 100 Millionen Euro im Jahr familienfreundlich unterzubringen. Ganz abgesehen davon sind Sie nicht nur für ein paar Tausend Eltern mit ganz kleinen Kindern zuständig, sondern für alle bayerischen Bürger. Wie aber diese denken, haben wir in
Frau Celina, Herr Kollege Kirchner hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Celina, nur zum Zahlenverständnis. Sie haben gerade von einigen wenigen Eltern gesprochen. Bei mir kommen sehr viele Anrufe an, und ich stelle auch in der Diskussion fest, dass über 75 % der Eltern das Erziehungsgeld in Anspruch nehmen. Vielleicht können Sie das, was Sie gesagt haben, noch relativieren.
Ein zweiter Punkt ist mir in Ihren Ausführungen aufgefallen. Er leitet eigentlich vom Betreuungsgeld zum Landeserziehungsgeld über. Sie haben gesagt, das Landeserziehungsgeld müsste ausgebaut werden; das sei Ihr Vorschlag an dieser Stelle. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass 2013 gerade Ihre Partei sehr exponiert dafür eingetreten ist, dass das Landeserziehungsgeld abgeschafft wird.
Herr Kirchner, Ihre Einwände überraschen mich nicht. Zum Ersten lege ich Ihnen noch einmal dar – das habe ich aber vorhin schon deutlich gesagt –, dass nur ein kleiner Teil der Eltern, die Kinder bis zum Alter von 18 Jahren haben oder für Kinder unterhaltspflichtig sind, Nutznießer des Betreuungsgelds sind. Das sind wenige Eltern. Mag sein, dass das 75 % der Eltern sind, die Kinder in diesem jungen Alter haben.