Protokoll der Sitzung vom 20.07.2016

Wer dem Antrag entgegen dem Ausschussvotum zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD-Fraktion, Fraktion der FREIEN WÄHLER, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich komme zurück zum Tagesordnungspunkt 5. Das ist die Antragsliste. Offen sind hier noch die von der SPD-Fraktion und der Fraktion der FREIEN WÄHLER hochgezogenen Anträge zur Entwicklungspolitik.

Ich rufe die Listennummern 10, 11, 19 mit 23, 39 und 8 der nicht einzeln zu beratenden Anträge auf:

Antrag der Abgeordneten Kathi Petersen, Dr. Linus Förster, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. (SPD) Bayerische Unternehmen bei Auslandsgeschäften zur Achtung der Menschenrechte durch ihre Partner anhalten (Drs. 17/11212)

und

Antrag der Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. Linus Förster, Susann Biedefeld u. a. (SPD) Seminare in Entwicklungszusammenarbeit jeweils mit konkreten Praxisprojekten vor Ort verbinden (Drs. 17/11449)

und

Antrag der Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. Linus Förster, Susann Biedefeld u. a. (SPD) Nachhaltige Wasserversorgungsstrukturen in Afrika fördern (Drs. 17/11488)

und

Antrag der Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. Linus Förster, Susann Biedefeld u. a. (SPD) Potenziale erkennen - Evaluierungsergebnisse in entwicklungspolitische Berichte einbeziehen (Drs. 17/11489)

und

Antrag der Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. Linus Förster, Susann Biedefeld u. a. (SPD) Bevölkerung und Flüchtlinge in Jordanien mit Trinkwasser versorgen (Drs. 17/11490)

und

Antrag der Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. Linus Förster, Susann Biedefeld u. a. (SPD) Ausbildungsprogramme zur Schaffung von Perspektiven für Jugendliche in den MaghrebStaaten (Drs. 17/11492)

und

Antrag der Abgeordneten Kathi Petersen, Dr. Linus Förster, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. (SPD) Menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen bei Auslandsgeschäften gesetzlich regeln (Drs. 17/11214)

und

Antrag der Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. Linus Förster, Susann Biedefeld u. a. (SPD) Projekte zur dualen Ausbildung und Ausbildungshäuser in Afrika schaffen (Drs. 17/11491)

und

Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Fluchtursachen durch faire Löhne bekämpfen: Textilbündnis in Bayern voranbringen! (Drs. 17/11161)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 36 Minuten. Ich darf als Erster Frau Kollegin Petersen das Wort erteilen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich bitte, die Gespräche einzustellen. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist vielleicht ganz passend, dass wir jetzt vor Beginn der Sommerpause, in der viele von uns in ferne Gefilde entfliehen, den Blick etwas über Bayern hinaus richten und uns mit der Entwicklungszusammenarbeit befassen. Vor einigen Monaten haben wir hier im Plenum gemeinsam fraktionsübergreifend und einstimmig entwicklungspolitische Leitlinien verabschiedet. Wir haben damit zum Ausdruck gebracht, dass wir die Eine-WeltPolitik nicht Brüssel oder Berlin überlassen, sondern auch als unsere ureigene Aufgabe begreifen. Damit haben wir eine wichtige gemeinsame Basis geschaffen.

Die Bekundung unseres guten Willens allein reicht aber nicht. Den Worten müssen Taten folgen. Wir haben in den entwicklungspolitischen Leitlinien formuliert:

Es bedarf eines grundlegenden Wandels hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, die zugleich ökologische Tragfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und ökonomische Effizienz anstrebt. Der Mensch steht dabei im Mittelpunkt.

Wir haben das so formuliert vor dem Hintergrund der lebensfeindlichen Zustände in weiten Teilen dieser Welt. Weltweit sind mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung, aber auch, weil ihnen die globale Marktwirtschaft ihre Lebensgrundlagen entzieht.

Wir sind diesen Menschen gegenüber in einer äußerst komfortablen Lage. Wir sind in Westeuropa geboren und haben – zumindest für unsere Generationen gilt das – keinen Krieg bei uns erleben müssen. Wir brauchen uns nicht zu sorgen, wie wir unsere Kinder ernähren und ihnen eine schulische und berufliche Ausbildung ermöglichen können. Darüber können wir uns freuen. Dafür sollen wir dankbar sein. Aber wir dürfen daraus keinen Rechtsanspruch gegenüber der übrigen Welt ableiten, als stünde uns das gute Leben zu, anderen aber nicht.

(Beifall bei der SPD)

Menschenrechte und Menschenwürde sind universal. Sie müssen weltweit zur Geltung gebracht werden. Wenn wir diese Erkenntnis ernst nehmen, dann dürfen wir uns nicht vor Hilfesuchenden abschotten, sondern sind dazu aufgefordert, ihnen zu Nächsten zu werden. Sie alle kennen das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus dem Lukas-Evangelium und wissen, was gemeint ist.

Die Anträge zur Entwicklungszusammenarbeit, über die wir heute hier im Plenum abstimmen, sind als kleine Schritte auf diesem Weg zu verstehen. Sie wurden schon in den Ausschüssen beraten. Dabei kam es zu unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen. Die Anträge "Bevölkerung und Flüchtlinge in Jordanien mit Trinkwasser versorgen", "Potenziale erkennen – Evaluierungsergebnisse in entwicklungspolitische Berichte einbeziehen", "Ausbildungsprogramme zur Schaffung von Perspektiven für Jugendliche in den Maghreb-Staaten" und "Nachhaltige Wasserversorgungsstrukturen in Afrika fördern" wurden im Europaausschuss jeweils in leicht geänderter Fassung einstimmig beschlossen. Das ist zu begrüßen und lässt mich hoffen, dass wir uns heute auch bei den anderen Anträgen einig werden.

Das sollte uns leicht gelingen bei dem Antrag "Projekte zur dualen Ausbildung und Ausbildungshäuser in Afrika schaffen". Das ist der Antrag auf der Drucksache 17/11491. Es handelt sich dabei um einen Prüfund Berichtsantrag. Dieser Antrag wurde im Europaausschuss einstimmig angenommen, im Finanzausschuss aber von der CSU abgelehnt. Ich kann mir diese Ablehnung vonseiten der CSU kaum erklären. Wir hören doch immer von Ihnen und haben es noch nie bestritten, dass die duale Ausbildung ein

Erfolgsmodell ist. Wenn dem so ist, dann wollen wir doch möglichst viele an diesem Erfolgsmodell teilhaben lassen. In dem Antrag geht es darum, die Bedingungen zu prüfen, unter denen dies in Afrika geschehen kann. Wir müssen jetzt nicht über irgendwelche Finanzierungen entscheiden, obwohl ich hoffe, dass uns die duale Ausbildung in Afrika auch Geld wert ist.

Ebenso wie der Antrag "Fluchtursachen durch faire Löhne bekämpfen: Textilbündnis in Bayern voranbringen!" der FREIEN WÄHLER, dem wir zustimmen, wurden auch einige unserer Anträge im Europaausschuss abgelehnt. Das betrifft den Antrag auf der Drucksache 17/11449 betreffend "Seminare in Entwicklungszusammenarbeit jeweils mit konkreten Praxisprojekten vor Ort verbinden". Dieser Antrag zielt auf eine sehr sinnvolle Verbindung von Theorie und Praxis ab. Das eine ist, Menschen zu erklären, wie etwas theoretisch funktioniert; das andere ist, ihnen eine Anleitung zu geben, wie man es in die Praxis umsetzen kann. Dafür braucht es Kreativität, und deren Entfaltung soll uns und den Akteuren möglich sein, und sie soll auch durch die CSU ermöglicht werden.

Um Zustimmung bitte ich auch bei unseren beiden Anträgen, in denen es um die Einhaltung von Menschenrechten bei Auslandsgeschäften geht. Der Antrag auf Drucksache 17/11214 zielt darauf ab, dass die Staatsregierung sich für eine gesetzliche Regelung einer menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen bei Auslandsgeschäften einsetzt. In der Diskussion um den Entwurf zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte ist es eine zentrale Frage, ob eine Verpflichtung der Unternehmen notwendig ist. Nach Aussage der Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, ist dies der Fall, weil die freiwillige Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards nicht funktioniert.

Wenn die Staatsregierung sich für gesetzliche Regelungen einsetzt – sie wird in dem anderen Antrag auf Drucksache 17/11212 aufgefordert, schon jetzt auf bayerische Unternehmen in diesem Sinne einzuwirken –, dann praktiziert sie keinen Staatsdirigismus, sondern verhilft lediglich der Bayerischen Verfassung zur Geltung. Darin heißt es in Artikel 151:

Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten.

Das bezieht sich nicht nur auf Bayern, sondern geht darüber hinaus. Wir alle leben in einer Welt; sorgen wir dafür, dass sie für alle lebenswert wird.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die CSU-Fraktion darf ich jetzt Frau Kollegin Haderthauer das Wort erteilen. – Oder nehmen wir den Kollegen Fahn für die FREIEN WÄHLER? – Herr Kollege Dr. Fahn, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Entwicklungspolitik ist für uns FREIEN WÄHLER auch Heimatpolitik. Wir stehen in der Verantwortung, den Menschen echte Lebensperspektiven in ihren Kulturkreisen in voller Selbstbestimmtheit zu ermöglichen. Angesichts der derzeit 65 Millionen Flüchtlinge ist das natürlich eine Herausforderung, die wir annehmen müssen. Die Fluchtursachen sind vielfältig und keineswegs nur auf kriegerische Konflikte wie in Syrien beschränkt. Es geht um viele Themen wie nachhaltige Entwicklung, verstärkten Klimaschutz, gute Regierungsführung und Erhaltung der Lebensgrundlagen in allen Regionen der Welt.

Wir von den FREIEN WÄHLERN treten hierfür engagiert ein und haben grundsätzlich die vorliegenden Anträge unterstützt, und zwar auch aus dem genannten Grund – es ist wichtig, das hier zu nennen –: Wir haben einstimmig entwicklungspolitische Leitlinien des Bayerischen Landtags beschlossen. Insofern ist es sinnvoll und gut zu versuchen, diese Leitsätze auch umzusetzen. Deswegen ist der Ansatz der SPD, diese Anträge einzubringen, gut und richtig und konkret zu unterstützen.

Es sind verschiedene Anträge eingebracht worden, auf die ich im Detail nicht eingehen möchte, die wir aber konkret unterstützen. Das gilt zum Beispiel für den Antrag zur Förderung der nachhaltigen Wasserversorgungsstrukturen in Afrika. Wir wissen jedoch, dass wir in Bayern nur begrenzte Möglichkeiten haben, Entwicklungspolitik zu betreiben, da uns dafür nur geringe Haushaltsansätze zur Verfügung stehen. Es handelt sich primär um die Aufgabe der Bundespolitik. Trotzdem ist es wichtig, dass wir in Bayern die Probleme benennen und die vorhandenen Mittel erhöhen.

Bei dem Antrag, der die Einhaltung der Menschenrechte fordert, sind wir grundsätzlich dafür. Über den Antrag, der einen Aktionsplan der Bundesregierung betrifft, haben wir uns etwas gewundert, weil die SPD Mitglied der Bundesregierung ist sich mit dem Antrag eigentlich selbst kritisiert bzw. die Anliegen in der Bundesregierung nicht durchsetzen kann.

Bayern ist das wirtschaftlich stärkste Bundesland; es ist auch das wirtschaftlich stärkste Land in der EU und die größte Volkswirtschaft. Deswegen ist es wichtig, in der Eine-Welt-Politik Akzente zu setzen. Wir müssen Vorreiter werden. Bayern hat das zum Teil getan. Wir sind zum Beispiel Partner von Tunesien. Das war ein erster wichtiger Schritt, aber es müssen noch weitere Schritte folgen, insbesondere in Ländern wie Syrien und anderen. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn 800 Millionen Menschen nichts zu essen haben.

Ich möchte unseren Antrag bezüglich des Textilbündnisses erläutern. Er ist ein kleiner Versuch, auch in Bayern Fluchtursachen zu bekämpfen. Wenn wir dafür werben, dass die bayerische Textilbranche möglichst geschlossen dem Textilbündnis beitritt, dann ist das zumindest ein kleiner Schritt. Es geht darum, Fluchtursachen wie schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne zu bekämpfen. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir unterstützen sollten.

In der Diskussion haben wir immer den Vergleich mit TTIP gebracht. Bayern hat keine Kosten und Mühen gescheut, dieses umstrittene Handelsabkommen mit den USA zu bewerben. Die Bayerische Staatsregierung hat eine Roadshow auf die Beine gestellt und ist mit dieser durch Bayern getourt, um für das Freihandelsabkommen zu werben. Wir haben insofern gefordert, einen kleinen Schritt in Bezug auf die Textilbranche zu machen. Wir haben dann gemerkt, dass der Vergleich im Wirtschaftsausschuss von Frau Haderthauer kritisiert worden ist. Darauf haben wir uns entschlossen, den Vergleich mit der Roadshow zu streichen. Uns geht es um die Sache und darum, das Textilbündnis konkret zu bewerben. Insofern wollen wir nur das Engagement des Entwicklungsministers Gerd Müller einfordern. Bisher hat Bayern nur kleine Aktionen geplant. Wir haben eine Schriftliche Anfrage gestellt und gesehen, dass dem Textilbündnis in Bayern nur 26 Unternehmen beigetreten sind. Wir haben insgesamt 86 Bekleidungsbetriebe und 125 Textilbetriebe mit mehr als 20 Beschäftigten. Warum können nicht alle dem Textilbündnis beitreten? – Wir haben nicht einmal gefordert, dass diese beitreten, sondern wir haben gefordert, dass Informationsveranstaltungen stattfinden und dafür geworben wird, diesem Bündnis beizutreten. Die Textilindustrie soll faire Löhne und die Verbraucher sollen faire Preise bezahlen. Spätestens nach dem Fabrikeinsturz in Bangladesch 2013, bei dem über 1.000 Menschen starben, hat man gemerkt, dass Handlungsbedarf besteht.

Ich sage ganz klar und deutlich: Wir unterstützen mit diesem Antrag, den die CSU bisher abgelehnt hat, unseren Entwicklungsminister Gerd Müller, der vor Kurzem sinngemäß sagte: Wir wollen keine Kleidung auf unserer Haut tragen, für die andernorts Menschen

rechte mit Füßen getreten, Menschen ausgebeutet oder vergiftet werden.

Unser Antrag in Bezug auf das Textilbündnis ist ein kleiner, aber wichtiger Baustein, diese Grundsätze umzusetzen. Das soll durch deutlichere Informationen der Hersteller, die bisher noch nicht beigetreten sind, geschehen. Deswegen wären Informationsveranstaltungen ein richtiger und wichtiger Schritt. Für uns ist es nicht nachvollziehbar, dass die CSU im Ausschuss dem Antrag nicht zugestimmt hat. Wir wollen den Unternehmen nichts vorschreiben, sondern wir wollen nur erreichen, dass sich diese besser informieren. Das ist ein legitimes Anliegen, wenn man hört, was Bundesentwicklungsminister Müller sagt.

Fazit: Ziel einer nachhaltigen Eine-Welt-Politik muss es sein, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern zu verbessern und auch eine bessere Einhaltung der Sozial- und Umweltstandards zu garantieren. Ich denke, das wollen wir alle. Dabei geht es jedoch um die Details, wie wir unser Vorhaben verwirlichen. Die Entwicklungspolitik ist wichtig, um die Fluchtursachen zu bekämpfen. Dafür setzen wir uns ein. Ich hoffe, dass auch Sie sich dafür einsetzen und unserem Antrag zustimmen werden.