Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als Edmund Stoiber die Regentschaft führte. Er hat immer gesagt, München ist Champions League, Oberbayern ist Bundesliga, und der Rest ist Bayernliga. Das muss umgekehrt werden.

Herr Staatsminister Söder, ich gebe Ihnen recht, die Bayerische Staatsregierung bewegt sich, wenn auch noch zu langsam. Ich darf aber feststellen: Wir haben gut angetrieben, und langsam läuft die Staatsregierung. Aber – wie bereits gesagt – wir müssen noch schneller laufen; denn die Orientierung an gleichwertigen Lebensverhältnissen ist auch ein Garant für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes.

Ich bedanke mich sowohl bei der CSU-Fraktion als auch bei der SPD-Fraktion dafür, dass wir am Ende der letzten Legislaturperiode gemeinsam die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Bayerischen Verfassung verankern konnten. Ich erwarte, dass wir diesen Verfassungsgrundsatz auch mit Leben füllen.

Was brauchen wir, um gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern zu schaffen? – Neben der Stärkung der Kommunen brauchen wir eine Stärkung der Verkehrsinfrastruktur. Hier gebe ich dem Kollegen Güller ausdrücklich recht. Gleichwertige Lebensverhältnisse und eine bessere Lebensqualität der Menschen bedingen nun einmal die Verkehrsinfrastruktur, und zwar

sowohl für den Individualverkehr als auch den öffentlichen Personennahverkehr und den Fahrradverkehr. Deswegen brauchen wir mehr Geld für den Staatsstraßenbau. Wir brauchen aber auch mehr Personal bei den Staatlichen Bauämtern und bei den Autobahndirektionen, um die Vorgaben des Bundesverkehrswegeplans zügig umzusetzen. Das muss auch eine wesentliche Aufgabe der Landespolitik sein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Auch beim nächsten Punkt kann ich mich dem anschließen, was der Kollege Güller gesagt hat. Wir brauchen wesentlich mehr Investitionen in den Wohnungsbau. Hier sind die Investitionen in den letzten Jahren tatsächlich stark gesenkt worden.

Natürlich müssen wir diesen Bereich beleben, und zwar nicht nur wegen der Integration von Neubürgern, sondern auch wegen der einheimischen Bevölkerung. Es kann nicht sein, dass durch ein Unterangebot an Wohnungen die Preise steigen. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum, und zwar insbesondere in den Metropolen, aber nicht nur in den Metropolen, sondern in ganz Bayern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich erkennen wir an, dass sich in diesem Bereich etwas getan hat. Aber, Herr Staatsminister Söder, sich selbst zum Gegenstand der Schöpfungsgeschichte zu machen und zu sagen, am Anfang war fast nichts da,

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Am Anfang war Söder!)

und nach sieben Tagen ist dann die Welt erschaffen worden,

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Durch Söder!)

das ist schon ein bisschen dick aufgetragen. Mit Ihren Parteifreunden waren wir immer sehr kritisch. Aber so herabsetzen muss man die Vorgänger auch nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir erkennen an, dass am Anfang etwas da war und dass Sie mit unserer Unterstützung mehr daraus gemacht haben. Aber ganz so pathetisch sollten Sie es nicht ausdrücken.

(Zuruf von der CSU: Auf welchem Planeten lebst du? – Zuruf des Abgeordneten Karl Freller (CSU))

Herr Kollege Freller, Sie gehören auch zu denen, die er gemeint hat. – Die Themen Soziales und Bildung sind natürlich auch wesentliche Eckpfeiler für gelingende Integration. Hier möchte ich zwei Dinge

herausgreifen. Das eine ist, wir müssen größere Anstrengungen im Bereich der frühkindlichen Bildung entwickeln. Auch hier hat sich schon etwas getan, aber es ist noch nicht genug. Wir müssen noch besser werden. Wenn wir Fehlentwicklungen in den jungen Jahren vermeiden können, müssen wir in späteren Jahren nicht doppelt oder dreifach für deren Korrektur bezahlen.

Zum anderen möchte ich – leider ist die Staatsministerin Müller nicht mehr da – an die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten aus dem Jahr 2013 erinnern. Das Jahr 2023 ist nicht mehr allzu fern, und im Jahr 2023 sollte demnach ganz Bayern barrierefrei sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen hier noch ein paar Schwerpunkte setzen. Barrierefreiheit hat nicht nur etwas mit Behinderung zu tun. Die Barrierefreiheit dient auch Senioren. In einer alternden Gesellschaft müssen Senioren stärker berücksichtigt werden. Dazu gehört ganz zentral die Barrierefreiheit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Staatsminister, als Nürnberger sind Sie natürlich allkompetent, auch im Bereich der Landwirtschaft. Das Höfesterben in der Stadt Nürnberg ist wahrscheinlich überschaubar. In ganz Bayern ist das Höfesterben ungebremst weitergegangen. Leider befinden wir uns schon auf dem Weg zu Agrarfabriken. Leider sind wir dabei, die kleinbäuerliche Landwirtschaft aufzugeben. Das wollen wir nicht. Wir wollen Lösungen statt warmer Worte.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Selbstverständlich ist es gut, die Mittel für das Kulap zu erhöhen. Herr Staatsminister, als Unternehmer und wirtschaftsaffiner Mensch sind Sie sicher mit mir einer Meinung, dass eine vernünftige und auskömmliche Bezahlung für die erzeugten Produkte der Schlüssel ist. Die Lösung besteht nicht in der Zahlung irgendwelcher Gelder, die am Ende dazu führen, dass die Kasse doch stimmt. Wir müssen dort ansetzen, wo das Problem liegt. Das sind die Preise, die für die Erzeugnisse bezahlt werden. Dafür brauchen wir eine Lösung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bayern muss für die Zukunft fit gemacht werden. Unsere Haushaltsanträge tragen dazu bei. Ich freue mich auf gute Haushaltsberatungen. Herr Vorsitzender, ich hoffe, dass die Beratungen den Charakter der Ernsthaftigkeit bewahren.

(Peter Winter (CSU): Das liegt an euch!)

Alle Anträge, egal, von wem sie kommen und ob einem die Farbe passt, sollten ernsthaft und unvoreingenommen diskutiert und abgewogen werden. In der Vergangenheit hat man alles, was von der anderen Seite kam, in Bausch und Bogen verdammt. Wahrscheinlich hat man die Anträge noch nicht einmal gelesen. Als Gipfel des Ganzen hat die CSU-Fraktion auf ihre Fraktionsreserve verwiesen. Ich weiß nicht, an welcher Stelle die Reserve in der Verfassung steht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Man darf noch ein paar Kleinigkeiten hier und da verteilen, damit jeder zufrieden ist. Wenn wir das Budgetrecht des Landtags ernst nehmen, müssen wir diejenigen sein, die unvoreingenommen und sachlich über den Haushalt diskutieren. Den Anträgen, die man für richtig hält, sollte man zustimmen. Die Anträge, die man für falsch hält, sollte man ablehnen. Man sollte nicht wie früher bei der KPdSU als Einheitspartei eine Einheitsmeinung vertreten und einen Einheitshaushalt beschließen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zurufe von der CSU: Oh! – Kerstin Schreyer (CSU): Das ist unverschämt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, tragen Sie dazu bei, einen Haushalt für den Freistaat, für die Kommunen und für die Menschen aufzustellen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist Kollegin Claudia Stamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle hätte ich gerne den Herrn Ministerpräsidenten begrüßt, auch wenn ich weiß, dass er an wichtigen Verhandlungen teilnimmt. Er hat in der letzten Plenarsitzung im Rahmen seiner Regierungserklärung bereits den Haushalt eingebracht, bevor der Haushalt überhaupt diskutiert worden ist. Wir dürfen bereits zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode erleben, dass sich eine Regierungserklärung schon vor der Ersten Lesung im Landtag mit dem Haushalt befasst.

Aber ja, es stimmt: Bayern steht haushalterisch und zahlenmäßig gut da. Sie haben jedoch den Anspruch aufgegeben, den Haushalt zu gestalten. Wahrscheinlich hatten Sie diesen Anspruch noch nie. Warum sage ich das, wenn Bayern so gut dasteht? – Sie können klagen, nochmals klagen oder eine Klage androhen. Sie klagen gegen Koalitionspartner. Verzeihen Sie, aber Politik ist das nicht. Zunächst einmal bedeutet Politik, Konzepte zu erarbeiten und in den Dialog

zu treten. Man sollte um die besten Ideen ringen. Ihr Job wäre gewesen, mit Ihren Koalitionären um den richtigen Weg zu ringen. Sie sollten keine öffentlichen Schlachten ausfechten. Vor allem sollten Sie nicht beständig in Karlsruhe klagen oder mit einer Klage drohen.

Als bestes Beispiel eignet sich der Länderfinanzausgleich, über den wir heute schon geredet haben. Diese Klage ist überflüssig, überflüssiger und am überflüssigsten. Es ist nicht glaubwürdig, gleichzeitig zu verhandeln und in Karlsruhe zu klagen. Hoch und runter die gleiche Litanei: Der Länderfinanzausgleich sei ungerecht, Bayern müsse zu viel zahlen. Ja, es stimmt: Auf der Grundlage des geltenden Gesetzes muss Bayern in diesem Doppelhaushalt wieder mehr zahlen. Das Gesetz haben Sie jedoch verhandelt und verabschiedet. Wir sollten wieder mehr Sachlichkeit in die Debatte bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf den Punkt gebracht: Sie wollen offenbar nicht gestalten. Hören Sie endlich auf mit dem Lamentieren. Wir GRÜNE sind auf Ihrer Seite, wenn Sie das System, das von den 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ausgehandelt worden ist, endlich durchbringen. Die Idee ist gut und richtig. Damit würde man sich endlich von der Neiddebatte entfernen, die ständig geführt wird. Auch heute hat der Herr Finanzminister eine Neiddebatte gegen andere Bundesländer geführt. Sie als Mehrheitsfraktion hätten es in der Hand gehabt, früher ein tragfähiges Konzept für einen derzeit unwirksamen Länderfinanzausgleich zu erarbeiten und zu gestalten. Werden Sie endlich vernünftig, und ziehen Sie Ihre Klage zurück!

(Beifall bei den GRÜNEN – Zwiegespräch des Abgeordneten Wolfgang Fackler (CSU))

Herr Fackler, ich freue mich, wenn Sie Ihre Gespräche beendet haben. – Sie und andere führende Personen in Ihrer Partei polarisieren anstatt zu gestalten. Das haben wir heute wieder erlebt. Der Herr Finanzminister hat sich öffentlich für den unsäglichen Tweet über Paris entschuldigt. Gleichzeitig steht er hier und verteidigt seinen Tweet. Das kann ich kaum fassen. Selbst Kirchenleute haben ihn in Schutz genommen, weil er sich entschuldigt hat. Nein, es wird wieder gespalten. Bedürftige Menschen werden gegen andere bedürftige Menschen ausgespielt, die Rentnerin gegen den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieser Haushalt ist wie jeder Haushalt zuvor ohne Konzepte und Ideen und will nicht gestalten. Der Haushalt basiert auf einem Gießkannenprinzip: über

all ein bisschen mehr. Darf es noch ein bisschen mehr sein? Der Haushalt setzt keine Schwerpunkte und will nicht wirklich gestalten. Es nutzt keinem Kind, wenn Sie eine Transferleistung nach der anderen draufsatteln, sondern unseren Kindern nutzt eine gute vorschulische Bildung. Das zeigen alle Studien. Dies legt den Grundstein für Chancengerechtigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN – Peter Winter (CSU): Das machen wir in Bayern!)

Sehr geehrter Herr Kollege Winter, wir schichten die Transferleistungen um. Unsere Vorschläge sind gegenfinanziert. Schichten Sie um, und investieren Sie in die Qualität von Kindertagesstätten! Mit diesem Haushalt steigen wir zum ersten Mal in die Beitragsfreiheit in Kindergärten ein. Dies ist nun finanziell mit diesem Haushaltsvolumen darstellbar. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist jedoch völlig falsch, in das letzte Kindergartenjahr zu investieren. Sie müssten das erste Kindergartenjahr beitragsfrei machen. Dort müssen Sie versuchen, Kinder mit Defiziten in der deutschen Sprache aufzufangen. Das wäre ein Weg in Richtung Chancengerechtigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Fakt ist, dass es in diesem Haushalt nach wie vor heißt: Ideenlosigkeit in Schwarz, nichts Neues auf weiter Flur. Der Haushalt ist wieder mit einem Finanzierungssaldo aufgestellt. Die Einnahmen decken eben nicht die Ausgaben. Das ist vorhin anders gesagt worden. Wiederum schrumpfen die Rücklagen. Schwarz auf weiß heißt es in Ihren offiziellen Angaben, dass die Rücklagen von 6 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 1,5 Milliarden Euro schrumpfen.

Wieder sorgt der Staat nicht genug für die Pensionen seiner Beamtinnen und Beamten vor. Wie absurd das ist, hatten wir vorhin schon kurz in der Diskussion gehört. Schon 2008 haben CSU und Staatsregierung eingesehen: Man muss etwas für die Pensionsvorsorge tun, sonst gibt es einen Riesenberg verdeckter Verschuldung. Es war eigentlich schon viel zu spät. Aber keine sechs Jahre später wird genau dieses System wieder eingestampft, und Sie wollen angeblich bis 2030 alle Schulden tilgen. Dazu Folgendes:

Wenn man so wie Sie die Schulden ohne die Schulden der Landesbank berechnet – Sie rechnen die Schulden der Landesbank gar nicht mit ein – und in Ihrem Tempo tilgt, sind wir trotzdem erst im Jahr 2054, nicht im Jahr 2030 so weit.