Protokoll der Sitzung vom 18.10.2016

Wir brauchen aber auch andere Instrumente. Eine weitere Möglichkeit sind die sogenannten Studienorientierungsverfahren, die wir mit dieser Gesetzesänderung auf den Weg bringen wollen bzw. für die wir die Rechtsgrundlage schaffen wollen. Diese Studienorientierungsverfahren haben auch keine ausschließende Wirkung, sondern lediglich empfehlenden Charakter. Frau Zacharias, den Kollegen von der SPD, die gemeinsam mit Ihnen schon lange Hochschulpolitik betreiben, war die Freiwilligkeit immer sehr wichtig. Deshalb sollten Sie diesen Gesetzentwurf begrüßen und bejubeln.

(Beifall bei der CSU)

Die Studienbewerberinnen und -bewerber müssen sich bei dem Studienorientierungsverfahren bereits vorab, aber verpflichtend mit den Anforderungen eines Studiengangs beschäftigen, um ihre Neigungen und Begabungen damit abzugleichen. Dazu – da gebe ich Ihnen völlig recht – muss natürlich auch eine Form von Beratung aufgebaut werden. Wenn die Hochschule diese Verfahren nämlich nur in Form eines Tests durchführt und die Bewerber dann im luftleeren Raum hängen lässt, hätte dieser Test kein Ergebnis. Die Studienberatung gibt es bereits. Deshalb muss man diese Studieninformation verpflichtend einführen können.

Solche Orientierungsverfahren haben auch viele Vorteile für alle Beteiligten. Zum einen kann bereits im Vorfeld abgeklärt werden, ob ein Studierender für eine bestimmte Fachrichtung geeignet ist. Wenn er es nicht ist, können ihm Frustration und Überforderungsgefühle möglicherweise erspart werden. Wenn man dem Studierenden rechtzeitig sagt, dass das Fach nichts für ihn ist, erspart man ihm auch eine spätere Perspektivlosigkeit, wenn das Studium nicht zum gewünschten Ende gebracht werden kann.

Darüber hinaus kann ich auch den anderen Studenten, die diesen Studiengang wählen, überfüllte Hörsäle, überbelegte Seminare etc. – sie kennen das alles – ersparen, weil dann hoffentlich nur diejenigen studieren, die für das jeweilige Fach geeignet sind. Davon profitieren am Ende auch die Hochschulen; denn es kann davon ausgegangen werden, dass die Motivation der Studierenden, die für ein bestimmtes Studienfach geeignet sind, höher ist, sodass sie sich mit dem Studiengang auch besser identifizieren können.

Schließlich ersparen sich Staat und Gesellschaft viel Geld, wenn Menschen nicht auf einem Holzweg in die

Ergebnislosigkeit studieren und das Studium möglicherweise nicht erfolgreich zu Ende gebracht werden kann. Wenn wir bereits vorher die Menschen von einem Studium abhalten, müssen wir später niemanden, der gescheitert ist, als Gesellschaft auffangen. Wir müssen dann auch das Sozialsystem nicht belasten.

Die Palette der verfügbaren Instrumente für einen erfolgreichen Studienverlauf wird also mit dieser Gesetzänderung in keiner Weise negativ beeinflusst. Ganz im Gegenteil, Frau Zacharias, es kommt ein guter und richtiger Zusatz in das Gesetz. Das Gesetz wird bedarfsgerecht erweitert. Das ist verfassungsrechtlich völlig unproblematisch. Wir wollen den an einem Studium Interessierten jede Form von Starthilfe und Beratung geben, um Fehlgriffe bei der Studienwahl zu verhindern.

Im Übrigen darf ich Ihnen noch Folgendes sagen: Sie hatten vorhin angesprochen, dass die Studienberatung an den Schulen anzusetzen wäre. Diese Angebote gibt es längst. Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich so etwas an der Schule gehabt habe. Bei mir gab es Studientage. Das Problem dabei ist aber, dass diese Studientage von den einzelnen Schulen angeboten und die Schüler dorthin geschickt werden müssen. Diese Angebote gibt es zumindest in Mittelfranken mehrfach. Die Schulleiter müssen die Schüler hierfür aber auch freistellen bzw. die Studienberatung als Priorität sehen. Aus dieser Verantwortung können die Schulleiter und Lehrkräfte nicht entlassen werden.

Ich bitte Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Er verfolgt das Anliegen, dass wir künftig alle etwas ruhiger schlafen können, weil wir Studierende davon abhalten, in die Ergebnislosigkeit hineinzustudieren, weil sie vorher eine vernünftige Beratung hatten und sich vorher mit dem Studienfach ohne Zwang und Leistungsdruck gut auseinandersetzen und ihre Eignungen ganz neutral prüfen konnten. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Frau Zacharias, wir sind uns in dieser Frage einig, und deswegen sollten wir auch an einem Strang ziehen. Ich freue mich schon auf die Diskussion morgen früh im Ausschuss.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schalk. – Professor Piazolo, ein Dauergast, ist der Nächste. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Eisenreich, ich sehe Sie gerne hier. Deshalb kann ich auch auf den

Minister verzichten. Das wollte ich Ihnen als Allererstes sagen.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Ich weiß es auch wohl zu würdigen, dass Sie heute mit Krawatte gekommen sind. Ich habe mich dem extra angeschlossen.

Als Zweites eine Bemerkung zu Herrn Kollegen Schalk. Sie haben vorhin mit leichtem Spott auf eine Bemerkung des Kollegen reagiert und auf die Musik Bezug genommen. Das Thema Musik liegt eben nicht in dem Bereich, den dieses Gesetz regelt. Im Bereich der Musik ist es nämlich möglich, ein Eignungsfeststellungsverfahren durchzuführen. Wie Sie wissen, ist das anerkannt. Hier geht es um Studienorientierungsverfahren; das betrifft genau die Bereiche, in denen das Eignungsfeststellungsverfahren vor Gericht nicht anerkannt wird oder wo man meint, dass es nicht gerichtsfest sei.

Es ist in einigen Beiträgen bereits angeklungen: Es geht bei dem Gesetz nur darum, Tests verpflichtend einzuführen, die anschließend keine verpflichtende Wirkung haben. Dazu habe ich etwas Nettes in diesem Gesetz gefunden. Es ist etwas, was die Staatsregierung selten in Gesetze hineinschreibt. Da ist zu lesen, dass das Ergebnis keine Auswirkungen hat. Das macht doch deutlich, was so eine Vorschrift bewirken kann.

Ich will das Ganze nicht kleinreden. Sicherlich ist es nützlich, wenn Studierende ein Orientierungsverfahren am Beginn ihres Studiums durchlaufen. Die FREIEN WÄHLER haben schon seit Langem gefordert, dass insbesondere beim Lehramtsstudium durch solche Tests festgestellt werden soll, ob jemand geeignet ist zu unterrichten. Ich persönlich glaube allerdings, dass es Studienfächer gibt, in denen das besser funktioniert als bei anderen. Bezüglich des geisteswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fachbereichs zum Beispiel bin ich durchaus auf die Wirkung gespannt. Ich glaube, dass die Wirkung da sehr überschaubar ist.

Aus zwei Gründen halte ich für wahrscheinlich, dass dieses Gesetz nicht sehr erfolgversprechend sein wird. Den einen Grund hat die Kollegin Zacharias genannt. Wenn man ein Studienorientierungsverfahren einführt, ist das sehr aufwendig. Man muss einen Test entwickeln. Es reicht nicht, wie im Gesetz angedeutet, das bisherige Eignungsfeststellungsverfahren mit minimalem Aufwand umzuschreiben. Das wünsche ich mir auch nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Oliver Jörg (CSU))

Lieber Kollege Jörg, es geht nicht darum, ob es blöd ist. Wenn man einen solchen Test entwickelt und durchführt und das Beratungsgespräch bewertet, dann bedeutet das einen enormen Aufwand. Wenn die Staatsregierung dafür keinen einzigen Pfennig übrig hat, sind die Hochschulen kaum bereit, das mitzumachen.

(Zuruf des Abgeordneten Oliver Jörg (CSU))

Warten wir einmal ab. – Sie stellen zum einen kein Geld für dieses neue Verfahren zur Verfügung. Zum anderen aber wird umso mehr Geld zur Verfügung gestellt, je mehr Studierende im ersten Semester an der Hochschule sind. Das läuft alles sehr auseinander. Die Hochschulen sind nach dem bisherigen Rechtssystem nicht daran interessiert, weniger Studierende zuzulassen, weil sie doch entsprechend bezahlt werden. Sie müssen also mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, wenn das ganze Vorhaben erfolgreich sein soll. Das werden Sie sicherlich noch merken.

Das ist übrigens nur ein Punkt unter vielen. Aber es ist der letzte, über den ich noch kurz sprechen will. Mit dem Studienorientierungsverfahren allein wird es nicht getan sein. Das wissen Sie. Deshalb hätte ich es für gut befunden, wenn die Staatsregierung nicht nur einen so kleinen kosmetischen Eingriff gewagt hätte, um die Justiziabilität sicherzustellen, sondern wenn sie sich anhand der durchgeführten Anhörung gründlich überlegt hätte, welches Paket man schnüren kann. Es reicht nicht nur das Studienorientierungsverfahren, sondern man braucht auch eine Begleitung während des Studiums, man braucht eine Vorab-Beratung an den Schulen und vieles mehr. Dann erst wird ein Schuh daraus. Mit einem punktuellen Ansatz, der noch nicht einmal Geld kosten darf, tut man hier nur einen ganz, ganz kleinen Schritt, mit dem nicht viel zu gewinnen ist.

Das werden wir sicherlich in den Ausschussberatungen noch intensiv miteinander diskutieren können. Viel wird aber dabei nicht herauskommen, weder für die Studierenden noch für die Hochschulen, und das tut mir leid.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Kollege Piazolo. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun die Kollegin Osgyan.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern war Semesterstart, und wir hatten einen neuen Höchststand an Studierenden: 380.000 neue Studentinnen und Studenten. Das finde ich toll. – Herr Schalk, ich habe nicht das Interesse, die Zahl der Studierenden zu begrenzen, wie

Sie es dargelegt haben, sondern ich möchte, dass sie passgenau das Studium aufnehmen, das ihren Fähigkeiten entspricht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das muss in unser aller Interesse sein, und dafür gibt es auch vielfältige Möglichkeiten. Ich habe mir deshalb im Grunde immer einen größeren Entwurf zur Reform des Hochschulgesetzes gewünscht. Stattdessen haben wir nahezu im Wochentakt neue kleinere Nachbesserungen. Nun, so kann man es natürlich auch machen. Also wenden wir uns nun diesem Gesetzentwurf zu.

Mit der Anzahl der Studierenden ist auch die Anzahl der Studienabbrecher überproportional gestiegen. Das ist eine Tatsache, die wir nicht so stehen lassen können. Wir haben daher im Ausschuss eine Anhörung durchgeführt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir haben uns ausführlich mit der Problematik beschäftigt und kamen zu folgendem Resultat: Ungefähr ein Drittel hat Probleme mit den Leistungserwartungen des spezifischen Studiengangs, die vielleicht nicht mit den persönlichen Erwartungen und Fähigkeiten übereinstimmen. Hier könnten wir mit Studienorientierungsverfahren nachbessern. Mindestens ebenso viele Studierende haben aber angegeben, dass sie Probleme in Richtung Geldsorgen, Unvereinbarkeit von Studium und Beruf oder Studium und Familie bzw. aufgrund schlechter Studienbedingungen hätten.

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die soziale Flankierung des Studiums ist ein Thema, dessen Bedeutung in der Anhörung eindeutig zu erkennen war und das in Angriff genommen werden sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang werfe ich Ihnen vor, dass Sie nur die eine Hälfte der Ursachen betrachtet haben. Die andere Hälfte haben Sie außer Acht gelassen. Denn bei Maßnahmen, die beispielsweise einem Studienabbruch aus sozialen oder finanziellen Gründen entgegenwirken, hat der Freistaat fundamentale Möglichkeiten, über den Haushalt einzugreifen. Wenn ich mir aber den Haushalt ansehe, finde ich nichts, was beispielsweise zur Ausstattung der Studentenwerke getan würde. Gegenüber dem Jahre 2008 haben wir rund 120.000 Studierende mehr. Im Haushalt aber sind die Mittel für die Studentenwerke seit 2005 nicht mehr mit aufgestockt worden.

(Isabell Zacharias (SPD): Praktisch halbiert!)

Praktisch halbiert, das kann man so sagen, Frau Kollegin. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Studentenwerke beispielsweise nicht nur studentisches Wohnen fördern, sondern auch vielfältige Beratungsleistungen anbieten. Das geschieht meist aus dem eigenen Etat. Die Staatsregierung ist auf diesem Feld nicht tätig geworden. Ich denke, auch hier müssten wir nachbessern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Orientierungsverfahren sind per se nichts Schlechtes. Das haben wir der Anhörung eindeutig entnommen. Solche Maßnahmen empfehlen nicht nur die Hochschulen, die entsprechende Tests bereits anbieten, sondern auch die Mehrzahl der Studierenden bewertet diese positiv, wenn – hier begrüße ich den Gesetzentwurf ausdrücklich – sie zwar bindend sind, aber die Aufnahme eines Studiums nicht verhindern. Es geht vor allem darum, eine bessere Einschätzung zu bekommen.

Im Grunde kann dies allerdings nur ein Teil der Lösung sein. Wir brauchen wirklich ein sinnvolles Maßnahmenpaket, um nicht rein auf eine Vorab-Auslese zu setzen, sondern gleichzeitig während des Studiums die Studienbedingungen so zu gestalten, dass Abbrüche dann nicht erfolgen, wenn eine Person trotz ihrer grundsätzlichen Eignung für das Studium es aufgrund widriger Umstände nicht fortführen kann. Aus diesem Grund ist die soziale Flankierung außerordentlich wichtig. Soziale Flankierung besteht unter anderem darin, dass Studierende mit Familien nicht jobben müssen, um sich eine Wohnung leisten oder auch Kinderbetreuung in Einklang mit ihrem Studium bringen zu können. Wir brauchen Angebote wie Slow Track und Teilzeitstudium.

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Auch hierzu haben die Hochschulverbünde Vorschläge gemacht, und ich erwarte, dass vonseiten der Staatsregierung vernünftige Vorschläge kommen.

Studienorientierungstests sind aber nicht so lapidar, wie es anklang. Sie müssen entwickelt und durchgeführt werden. Die Aussage, sie könnten personal- und kostenneutral gestaltet werden, kann nur Hohn und Spott hervorrufen, wenn man sieht, dass die Ausstattung der Hochschulen sowieso schon nicht mit den Studentenzahlen Schritt hält. Die Grundfinanzierung wird zwar immer wieder einmal angehoben, prozentual aber fand faktisch eine Senkung statt.

Ich habe im Vorfeld zu diesen Beratungen gehört, dass es zum Beispiel Programme aus dem Qualitäts

pakt Lehre gibt, aus denen die Hochschulen und Universitäten entsprechende Tests finanzieren. Das alles sind allerdings Projektmittel. Wir dürfen aber solche wichtigen Dinge nicht aus Projektmitteln finanzieren. Wir müssen die Finanzierung verstetigen. Das könnte über den Bund oder auch über die Länder laufen. Alles in allem brauchen wir jetzt Maßnahmen, die eine entsprechende Finanzierung sicherstellen, wenn wir nun ein solches Gesetz erlassen.

Die Hochschulpolitik muss sich der Lebenssituation der Studierenden anpassen. Ich wünsche mir, dass die Staatsregierung Wert darauf legt, die Studienbedingungen zu verbessern. Wir brauchen nicht nur das Studienorientierungsverfahren, sondern wir benötigen auch weitere Mittel durch den Freistaat zur sozialen Flankierung des Studiums, eine auskömmliche Grundfinanzierung sowie flexiblere Studienmöglichkeiten. Ich baue darauf, dass dies im Laufe der Haushaltsberatungen noch Eingang in den Haushalt findet.

(Beifall bei den GRÜNEN)