Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

Wir zielen darauf ab, die Probleme jetzt in die Öffentlichkeit zu bringen und mit dem Volk gemeinsam über ein Volksbegehren dagegen vorzugehen. Dieses ist bereits aufs Gleis gesetzt. Innerhalb kürzester Zeit haben über 85.000 Bürger in Bayern unterschrieben, um zu sagen: Liebe Staatsregierung, denke darüber noch einmal nach; lasse es bleiben; da handelst du dir Themen ein, die du am Ende politisch bereuen wirst. Den Inhalt dieses Volksbegehrens macht sich auch dieser Gesetzentwurf zu eigen, um die Bayerische Staatsregierung davor zu bewahren, gegen die bayerische Bevölkerung die Hand in Berlin zu heben.

Es ist schon erstaunlich. In den Debatten der letzten Wochen und Monate war seitens der CSU zu hören, dass man mehr Bürgerbeteiligung wolle, dass man auch auf Bundesebene Volksbegehren und Volksentscheide wolle, die wir natürlich begrüßen. Aber ich entlarve dies als Lippenbekenntnis; denn wenn es darauf ankommt, lässt man das Volk eben nicht mitgestalten, was wir bei diesem Themenkomplex sehen.

Auch die Zuspitzung der Situation in den letzten Tagen auf der europäischen Bühne zeigt, dass massive Bedenken geltend gemacht werden. Das kleine Wallonien verschafft uns jetzt noch einmal eine Atempause, indem es, auch im Sinne Bayerns, sagt, dass hier regionale Parlamente kaltgestellt werden. Das muss man ernst nehmen.

Es ist beschämend, würde ich sagen, wenn Manfred Weber als Vorsitzender der EVP im Europäischen Parlament sagt, man müsse künftig den Einfluss von regionalen Parlamenten reduzieren und mehr über die Brüsseler Schiene laufen lassen. Meine Damen und

Herren, das wäre doch genau das Gegenteil von dem, was Sie uns hier täglich predigen. Sie predigen gegen Berlin, Sie predigen gegen Brüssel, und Ihre Leute, die dort sitzen, wollen die Kompetenz von regionalen Parlamenten beschneiden.

Aber bei der letzten Änderung der Bayerischen Verfassung ist ja genau festgezurrt worden, dass eine Abgabe von Kompetenzen ausdrücklich nicht erwünscht ist, dass die Abgabe von Kompetenzen aus Bayern nach Brüssel sogar durch den Landtag verhindert werden soll. Jetzt öffnen Sie die Tür, schreien "Hurra, CETA" und missbilligen hier politische Vorstöße, die in die andere Richtung gehen, immer mit dem trockenen Argument, es würde der Wirtschaft nützen, was zu bezweifeln ist. Wem es im Konkreten nützt, wird sich noch herausstellen. Ich bin davon überzeugt, dass es dem Mittelstand und der Landwirtschaft schaden wird. Das ist auch die Meinung der Wallonen. Deshalb sind sie dagegen vorgegangen.

Ich unterstütze auch nicht die Aussage eines SPDEuropaabgeordneten, dieses Verhalten der Wallonen sei ein Schritt zur Zerstörung der EU. Ich sehe es genau andersherum. Ich glaube, dass dieses Regieren von oben gegen die Regionen und gegen die Bürger die wahre Gefahr für Europa ist.

Deshalb mein Appell: Unterstützen Sie unseren Gesetzesvorschlag, der die Bayerische Staatsregierung davor bewahren will, einen Schaden für die bayerische Bevölkerung auszulösen!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion.

Nächster Redner ist Herr Kollege Mütze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eigentlich könnte uns nach Feiern zumute sein; denn "TTIP ist tot", so titelte die "WirtschaftsWoche" vor kurzer Zeit, und CETA ist gestoppt, zumindest zeitweise von der Region Wallonie. Damit könnten wir jetzt gleich zur Tagesordnung übergehen.

Als Europäer könnte man aber auch mit einem traurigen Blick darauf schauen. Herr Kollege Aiwanger hat es gerade kurz erwähnt. Die Idee eines gemeinsamen Europas ist mit der Entscheidung der Wallonie natürlich nicht gestärkt. Aber jetzt wie der Herr Kollege

Weber zu sagen, wir müssen die Regionalparlamente für Europa schwächen, das kann nicht die Lösung sein. Dann gäben wir als Bayern unsere eigene Position auf. Ich hoffe mit Blick nach rechts, das wird hier keiner wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber etwas müssen wir tun: lernen, warum die Wallonie CETA abgelehnt hat. Die Wallonie hat CETA deswegen abgelehnt, weil diese CETA-Fassung negative Auswirkungen befürchten lässt. Diese Befürchtungen konnte niemand ausräumen, weil es undemokratisch und intransparent aufgestellt wurde und immer noch zu viele Punkte dagegen sprechen. Da hat auch die Auslegungserklärung, um die sich unser Bundeswirtschaftsminister so sehr gekümmert hat, keine Hilfe gebracht; denn auch diese Auslegungserklärung ist wiederum sehr auslegungswürdig. Auch hat sie gegenüber dem eigentlichen CETA-Vertrag keine rechtliche Relevanz, sodass man sagen muss: Hier ist mit Blick auf die SPD leider mehr Nebel als Klärung über diesen Vertrag gelegt worden.

Da das Volk bislang in Umfragen mehrheitlich gegen TTIP und CETA war, wollen wir diese Meinung durch ein Volksbegehren umgesetzt sehen. Die Unterschriften sind gesammelt und eingereicht worden. Der eine Weg ist also ein Volksbegehren, um das Volk über diese CETA-Fassung entscheiden zu lassen – und keine Volksbefragung, wie sie die Staatsregierung so gerne ohne jegliche rechtliche Relevanz einführen möchte. Hier gibt es klare Unterschiede. Wir wollen das Volk mit beteiligen und nicht nur befragen.

Die inhaltliche Ablehnung bleibt bestehen. Die Daseinsvorsorge ist gefährdet. Das können wir ohne Zweifel behaupten. Die Wasserversorgung ist nicht ausdrücklich ausgenommen, sondern kann in den CETA-Vertrag einbezogen werden. Die regulatorischen Kooperationsmechanismen sind gefährlich; denn diese befinden sich in einem Raum, der von uns weder eingesehen noch bestimmt werden kann. Über die Klagerechte für Konzerne muss ich wohl nicht mehr länger reden.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt die vorläufige Anwendung erlaubt. Darüber gibt es unter den Wirtschaftsverbänden großen Jubel. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch klare Grenzen gesetzt; denn das CETA-Verfahren ist bis jetzt nur für den EUBereich zugelassen. Eine demokratische Rückbindung muss gewährleistet sein. Das heißt, jede Entscheidung muss zum Beispiel auch im EU-Parlament abgestimmt werden. Dazu kommt der letzte und wich

tigste Punkt in unserem Gesetzentwurf, den wir heute in diesem Haus einbringen: Deutschland muss aus diesem CETA-Vertrag einseitig aussteigen können. Wir wollen daher, dass Bayern im Bundesrat gegen diese CETA-Fassung stimmt. Davon handelt unser Gesetzentwurf. Deshalb macht das Volksbegehren Sinn. Wir bitten Sie: Unterstützen Sie unseren Gesetzentwurf für die Demokratie und gegen CETA!

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Wittmann von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier einen Gesetzentwurf von den Fraktionen des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER vorliegen, der die Bayerische Staatsregierung nach Artikel 70 Absatz 4 Satz 2 in ihrer Abstimmung im Bundesrat binden möchte.

Ich darf zunächst auf Folgendes eingehen: Wir haben in der letzten Legislaturperiode – damals war ich zwar noch nicht hier, aber die Fraktionen haben dies gemeinsam beschlossen – diesen Artikel 70 eingeführt, weil wir als Regionen beim Thema "Kompetenzen in Europa" gemeinsam mitsprechen und als Parlament entsprechende Rechte haben wollten. In diesem Fall war es ein gutes gemeinsames Vorgehen. Dieses Vorgehen sollten wir immer dann zur Anwendung bringen, wenn es für Bayern dienlich, wichtig, richtig und nützlich ist.

Damit bin ich bereits beim ersten Punkt der Kritik an diesem Gesetzentwurf. Wir sind nicht der Ansicht, dass CETA für Bayern einen Nachteil bringen wird. Wir sind im Gegenteil der Auffassung, dass mit CETA ein besonders gutes und ambitioniertes Abkommen für den Freihandel geschaffen werden konnte, das insbesondere den bayerischen Strukturen entsprechen wird und deswegen erfolgreich umgesetzt werden sollte. Deshalb werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Lassen Sie mich aber zwei Fragezeichen hinter folgende, für mich tatsächlich nicht nachvollziehbare Stelle setzen: Sie sagten, Sie möchten das Volk befragen; Sie möchten, dass das Volk zu CETA Stellung nimmt und uns sagt, wie wir uns verhalten sollen. Zum ersten Fragezeichen: Wollen Sie denn wirklich das Volk dazu hören, wenn Sie heute einen Gesetzentwurf einbringen, der Nein sagt? Was soll denn

das? Das heißt doch nichts anderes, als dass Sie ein großes plakatives Verfahren in Gang gesetzt und sich in Wirklichkeit bereits vorher festgelegt haben, wobei Sie das Volk eben nicht interessiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Zum zweiten Fragezeichen, das sich darauf bezieht, dass Sie das Volk zu einem komplizierten Sachverhalt befragen wollen: Wir 180 Abgeordneten sind alle dazu gewählt, das Volk über schwierige Sachverhalte und große, die Zukunft betreffende Fragen solide und kompetent aufzuklären, die nicht leicht im Vorübergehen zu erfassen sind.

Noch letzte Woche hatten wir Anträge zu behandeln, in denen von Ihnen formuliert wurde: Falls dieses oder jenes in CETA stehen würde, wäre dies abzulehnen. Das heißt für mich nichts anderes, als dass Sie sich bis heute mit den Inhalten von CETA nicht wirklich befasst haben.

(Beifall bei der CSU)

Der CETA-Vertrag umfasst genau 493 Seiten in einem guten und nachvollziehbaren Deutsch mit entsprechenden Verweisen. Sie können die Artikel wunderbar aufdröseln. Wer möchte, kann diesen Vertrag gut erfassen. Deswegen wäre es in unserer Verantwortung, das Volk aufzuklären, auch wenn wir möglicherweise zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Aber einen seit Februar vorliegenden Text noch vorige Woche mit "wenn" und "falls" bearbeiten zu wollen, heißt nichts anderes, als dass es Ihnen nur darum geht, hier ohne Kenntnis der Inhalte gegen CETA Stimmung zu machen. Das ist falsch.

(Beifall bei der CSU)

Lassen Sie mich noch kurz auf Ihre Begründung eingehen, also darauf, warum hier möglicherweise der Anwendungsbereich von Artikel 70 Absatz 4 Satz 2 der Bayerischen Verfassung eröffnet sein könnte. Sie meinen, dass damit Enteignungs- und Entschädigungsrechte, die in unserem Rechtsrahmen liegen, ausgehebelt und aus unseren Hoheitsrechten ausgenommen werden könnten. Auch das ist falsch; Sie wissen es.

Bereits 1965 – bereits 1965! – haben wir bei der WTO die entsprechenden Verträge unterschrieben, in denen wir die Möglichkeit abgeben, über Schiedsgerichtsverfahren solche Prozedere abzuwickeln und damit Entscheidungshöhen festzulegen. Der Anwendungsbereich scheint mir hier eher nicht eröffnet zu sein. Sie haben versucht, sich ein Einfallstor zu schaffen, das leider an der Stelle überhaupt nicht wirkt.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte insofern noch kurz auf Ihre Begründung eingehen. Sie sagen, in Artikel 8 seien entsprechende Regelungen getroffen. Heute bietet sich eine unglaublich gute Gelegenheit, endlich einmal klarzustellen, was in Artikel 8 steht. In Artikel 8.9 steht – ich darf kurz zitieren –:

Für die Zwecke dieses Kapitels

da geht es um die Investitionsschiedsgerichte –

bekräftigen die Vertragsparteien ihr Recht, zur Erreichung legitimer politischer Ziele wie des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit... in ihrem jeweiligen Gebiet regelnd tätig zu werden.

Sie mögen diese ganze Kette selbst nachlesen. Damit ist eben nicht nur die Nation gemeint, sondern das geht herunter bis auf die Kommunen.

Dann folgt Nummer 2:

Zur Klarstellung: Die bloße Tatsache, dass eine Vertragspartei auch durch Änderung ihrer Gesetze Regelungen in einer Art und Weise trifft, die sich auf eine Investition negativ auswirkt oder die Erwartungen eines Investors, einschließlich seiner Gewinnerwartung, beeinträchtigt, stellt keinen Verstoß … dar.

Es ist also ganz klar dargestellt, dass das überhaupt nicht sein kann.

Lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt zitieren, damit dem einen oder anderen CETA in Wort und Schrift klar wird. In Artikel 8.10 wird klargestellt, dass nur dann ein Schiedsgericht angerufen werden kann, wenn eine Rechtsverweigerung in straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren stattgefunden hat – in Deutschland, glaube ich, ist das nicht denkbar – oder wenn eine grundlegende Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze einschließlich einer grundlegenden Verletzung der Pflichten in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, nämlich offensichtliche Willkür oder gezielte Diskriminierung aus offenkundig ungerechtfertigten Gründen wie Geschlecht, Rasse oder religiöser Überzeugung, erfolgt ist. Wenn man diese Bestimmung einmal zur Kenntnis genommen hat, ist einem klar, dass alle Horrorszenarien überhaupt nicht einschlägig sind. CETA ist für uns ein gutes Abkommen.

Das Wasser ist im Anhang – das dürfen Sie bei mir nachlesen – von CETA ausgenommen. Sie haben insofern eine falsche Information gegeben, Herr Mütze. Die Gentechnik ist so weit ausgenommen, dass wir

regional weiterhin bestimmen dürfen, dass Bayern gentechnikfrei bleibt. Das ist ausdrücklich so festgeschrieben. Bei den Arbeitsschutznormen sind von Kanada vier internationale Arbeitsschutznormen im Rahmen der Ratifizierung nachgeschoben worden, weil wir diese über CETA noch mit reinholen konnten. Wir haben seitens der Europäischen Union über CETA sogar die globalen Arbeitsschutznormen in Kanada verbessern können. Wenn wir von Bayern und davon reden, wie es den kleineren Regionen geht und worauf es denen ankommt, dann ist Artikel 8.4 ganz wichtig: Hier ist geregelt, dass in Kanada der Marktzugang gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen eröffnet ist. Ich glaube, besser geht es kaum.

(Beifall bei der CSU)

Lassen Sie mich die letzte Redezeitsequenz dazu nutzen, Ihnen zu sagen: Wallonien wird nicht so sehr von CETA, sondern mehr von innerbelgischen Interessen, über die gerade zulasten CETAs verhandelt wird, getrieben. So wird die Europäische Union niemals funktionieren. Das ist unverantwortlich, und das werden wir in Bayern niemals unterstützen. Schließlich darf ich Ihnen aber in einer Sache etwas entgegenkommen: Wir möchten nicht das, was wir von Herrn Juncker gehört haben, dass nämlich im Zweifel die EU-Kommission allein entscheidet. Nein, das wollen wir auch nicht. Wir wollen auf den jeweiligen nationalen Ebenen mitentscheiden, in unserem Fall über den Bundesrat auf der Länderebene. Da ist Bayern mit dabei, und da wird Bayern mit Ja stimmen.