Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

Wer zu spät kommt, hat manchmal einfach verschlafen.

Der Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER ist auch deshalb eine Überraschung, weil wir im Vorfeld Vorschläge von Verbänden, wie zum Beispiel von der GEW, Schulpflicht von Anfang an, und anderer Fraktionen – ich nenne das Beispiel der GRÜNEN –, etwa die Änderung in der Präambel, Satz 12, auch aufgenommen haben. Wir haben auch von Ihnen Änderungen aufgenommen, Herr Aiwanger.

Herr Kollege Fahn, Sie haben sich im Sozialausschuss am vergangenen Donnerstag ausdrücklich dafür bedankt, dass wir Änderungen aufgenommen haben. Ein Bonmot ist dabei, dass Sie trotzdem bei der Beratung des entsprechenden Artikels nicht zugestimmt haben. Das muss ich an dieser Stelle sagen: Das verstehe, wer es verstehen will. Ich verstehe es nicht. Ich vermute, lieber Kollege Fahn, dass Ihre Fraktion in der Integrations- und Flüchtlingspolitik, auch wenn es der Fraktionsvorsitzende anders dargestellt hat, tief gespalten ist und sich bei der letzten Fraktionssitzung der Flügel Ihrer Partei durchgesetzt hat, der nicht mit uns zusammen an einem Strang bei der Erstellung eines Integrationsgesetzes ziehen und bei dessen Gestaltung zusammenarbeiten will.

Wie tief gespalten die FREIEN WÄHLER in dieser Frage sind, sieht man allein daran, dass die entscheidende Abstimmung in der Fraktion der FREIEN WÄHLER auch mit einem Patt endete. Wie viele von Ihrer Partei stehen denn eigentlich zu dem eigenen Gesetzentwurf, den Sie jetzt gerade vorgestellt haben? Das Ganze erhält noch eine zusätzliche Pointe, wenn man weiß, dass Sie, Herr Aiwanger, die von der CSU eingebrachten Änderungsvorschläge befürwortet hätten, aber bei der Abstimmung leider nicht da sein konnten, weil Sie an diesem Tag, ein glücklicher Umstand, zum zweiten Mal Vater geworden sind. Lieber Herr Kollege Aiwanger, ich bin selbst Familienvater und habe vollstes Verständnis und darf an dieser Stelle weg von der harten Diskussion Ihnen und Ihrer Frau namens unserer Fraktion ganz herzlich zu Ihrem zweiten Kind gratulieren. Alles Gute und Gottes Segen Ihnen und Ihrer Familie!

(Allgemeiner Beifall)

Es darf deshalb aber schon darüber süffisant spekuliert werden, wie die Abstimmung in Ihrer Fraktion ausgegangen wäre, wenn sich der Termin um einen Tag vorher oder nachher verschoben hätte. Es ist sicher nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich Herr Aiwanger mit seiner Meinung durchgesetzt und es folglich keinen eigenen Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER gegeben hätte. Mich beschleicht

der leise Verdacht, dass die Gegner eines Gesetzentwurfs der Staatsregierung die für ihren Fraktionsvorsitzenden erfreuliche Abwesenheit von dieser Sitzung genutzt haben und schwuppdiwupp innerhalb von zwei Tagen einen aus dreizehn Artikeln bestehenden Gesetzentwurf vorgelegt haben, der auf mich den Eindruck macht, dass Sie von überall ein bisschen abgeschrieben haben, von der SPD beispielsweise, wenn es um die Position des Integrationsbeauftragten geht. Herr Kollege Pfaffmann erweitert das? – Ich kann es auch ergänzen. Sie haben recht, Herr Pfaffmann, nicht nur die Verordnung zum Integrationsbeauftragten, sondern auch die Wahl des Integrationsbeauftragten stammt von Ihnen, der einmal jährliche Integrationsbericht. Von der CSU wurden die Integrationsziele und vom Entwurf der Staatsregierung die Hochschulen, die Begriffsbestimmungen im Artikel 3 oder, wie Herr Fahn gesagt hat, auch ein bisschen von Baden-Württemberg abgeschrieben.

Der Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER kommt nicht nur viel zu spät, er würde auch durch die darin vorgeschlagene Schaffung eines Integrationsbeauftragten, der beim Bayerischen Landtag angesiedelt ist, eines bayerischen Integrationsrates sowie einer zentralen Informationsstelle beim Sozialministerium zu einer Doppelstruktur und zu einer Integrationsbürokratie führen, die am tatsächlichen Bedarf vorbeigeht und die bewährten und gewachsenen bayerischen Strukturen nicht mehr hinreichend berücksichtigt.

(Beifall bei der CSU)

Lieber Herr Fahn, aus den Gesprächen mit meinen Helferkreisen in meinem Landkreis kann ich sagen: Was sie bei der Integration am meisten kritisieren, ist ein Zuviel an Bürokratie. Es ist unsere Aufgabe, diese abzubauen und nicht mit einem neuen Gesetzentwurf zu vermehren. Dem Gesetzentwurf liegt außerdem ein einseitiger Blick auf Migranten zugrunde, bei dem lediglich der Grundsatz des Förderns gilt, nicht aber der ebenso wichtige Grundsatz des Forderns, auf den wir großen Wert legen. Herr Aiwanger, in Ihren Reden der letzten Monate haben Sie auch diese Seite der Medaille immer wieder betont: Integration ist keine Einbahnstraße. Sie muss gefördert, aber auch eingefordert werden.

Darüber hinaus muss es entgegen der Forderung in diesem Gesetzentwurf auch bei dem bundesrechtlichen anerkannten Grundsatz bleiben, dass Integration nur bei denjenigen ansetzen kann, die sich rechtmäßig und dauerhaft in Deutschland aufhalten. Insoweit bestehen auch erhebliche kompetenzrechtliche Bedenken. Wer diesen Grundsatz aufgibt, unterläuft alle deutschen Bemühungen, die Zuwanderung zu steuern.

Der letzte Punkt: Finanzen. Wie Sie wissen, unterstützt der Freistaat Bayern die Kommunen bei der Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen stärker als jedes andere Land.

(Beifall bei der CSU)

Wir können aber nicht, wie von Ihnen gefordert, die finanzielle Unterstützung für die Kommunen durch den Freistaat festschreiben. Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jeder Teil des Staates hat seinen Beitrag zu leisten. Im Übrigen sind zu integrierende Migranten wie alle anderen Einwohner zu behandeln. Es erschließt sich uns nicht, warum für eine besondere Personengruppe ein besonderer Finanzausgleich erfolgen soll. Im Übrigen hat der Freistaat Bayern in geradezu vorbildlicher Art und Weise bewiesen, dass er die Kommunen in schwierigen Zeiten nicht im Stich lässt.

(Beifall bei der CSU)

Wir sind der festen Überzeugung, dass der von der Staatsregierung vorgelegte Gesetzentwurf qualitativ besser und auch durchdachter ist als dieses Gesetz, das Sie schnell zusammengewürfelt haben. Ich bin deswegen dafür, dass wir den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER in den federführenden Ausschuss verweisen. Die Diskussion steht morgen an.

(Beifall der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Huber. – Herr Kollege Fahn hat noch eine Zwischenbemerkung.

Ich war so oft angesprochen, herzlichen Dank. Deswegen kann ich so konkret antworten. Zum einen liegt unser Gesetzentwurf schon seit April vor, das zu Ihrem ersten Punkt. Zum Zweiten: Wir haben abgestimmt, und 83 % unserer Fraktion haben für diesen Gesetzentwurf gestimmt. Damit Sie das auch mal wissen. Sie sagen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das sehen wir anders. Wir bedanken uns auch beim Landtag, dass die Angelegenheit morgen im Sozialausschuss beraten wird. Wir sind dabei, und das ist richtig und wichtig. Ich habe mich letzte Woche bedankt. Es ist richtig, es kamen Verbesserungen von der CSU; die betrafen das Kapitel der Kommunen. Das war ein Vorschlag von uns. Aber darin heißt es: "im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit." – Das war uns insgesamt zu wenig.

Wir haben gerungen – das gebe ich zu. Letztendlich haben wir aber die Position der kommunalen Spitzenverbände komplett übernommen. Die haben uns geschrieben, dass das fehlt. Ich war gestern bei der

Bayerischen Integrationskonferenz in Ingolstadt. Die Vertreterin des Landkreistages hat ganz klar gesagt: Da steht eben drin, den Kommunen entstehen keine Kosten. – Herr Huber, dieser Satz ist einfach falsch. Deswegen ist das unser wichtigster Punkt. Wir müssen für die Kommunen sorgen. Dass auch der Freistaat für die Flüchtlinge Gelder gibt, ist sicherlich klar. Damit haben sie aber keine langfristige Planungssicherheit. Die Verbände, die gestern in Ingolstadt dabei waren, haben klar gesagt, sie wollen eine langfristige Planungssicherheit, eine dauerhafte Finanzierung. Das wird mit dem Gesetz der Staatsregierung eben nicht erreicht, deshalb unser Gesetzentwurf.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Bitte schön.

Ich nehme Ihre Erklärungen dankend an, auch die Dankesworte zu unseren Änderungsvorschlägen. Ich stelle nur fest: Es ist schon seltsam, wenn Sie seit April einen Gesetzentwurf vorliegen haben, dass Sie ihn erst letzten Freitag eingereicht haben.

(Beifall bei der CSU – Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Wir haben einmal auf die CSU gehofft!)

Vielen Dank, Kollege Huber. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Rauscher für die SPD. Bitte schön.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Huber, die Helferkreise in unserem Landkreis, denke ich, bemängeln deutlich mehr als lediglich die überbordende Bürokratie. Ich hoffe, Sie hören auch bei all den anderen Punkten so aufmerksam hin wie bei dem Punkt Bürokratie. So viel dazu.

(Beifall des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Liebe FREIE WÄHLER, nun zu Ihnen: Für eine gute Sache steht die SPD-Landtagsfraktion immer sehr gerne für Blaupausen zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Für die Mehrheit reicht es nicht!)

Viele unserer guten Ideen und Forderungen, die wir in unserem Gesetzentwurf niedergeschrieben haben, finden sich teils wörtlich auch in Ihrem, wenn auch ein bisschen neu sortiert, aber ansonsten nicht mit wesentlichen Punkten wieder. Aber sei es, wie es ist: Passt schon! Solange es auch unseren Forderungen entspricht, sind wir uns einig. Grundsätzlich können

wir diesen Gesetzentwurf also gutheißen. Wir freuen uns, dass Sie durch die Vorlage inspiriert wurden. Wir inspirieren immer gerne.

(Beifall bei der SPD)

Nun zur CSU: Ich hoffe, dass auch Sie von dieser Vorlage der FREIEN WÄHLER inspiriert werden. Nehmen Sie den Sachverstand der angehörten Experten auf, die vielen Forderungen der Oppositionsparteien und so vieler Menschen draußen im Land, und machen Sie etwas Neues und Gutes daraus!

Sie berücksichtigen aber nicht einmal die Expertise der eigens einberufenen Enquete-Kommission für Integration, und das alles nur, um dieses Gesetz so schnell wie möglich durch das Parlament zu drücken.

(Beifall des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Sie übergehen selbst gemeinsam getroffene Vereinbarungen zum parlamentarischen Verfahren. Das ist enttäuschend und eine Missachtung des Bemühens um ein gutes Miteinander hier im Hohen Haus. Der parlamentarischen Kultur im Hohen Haus ist das wirklich nicht dienlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Umso mehr freut es mich, dass wir heute nochmals Gelegenheit haben, über das Integrationsgesetz an sich zu sprechen; denn das Thema Integration dominiert wie kaum ein anderes derzeit die Stimmung in unserem Land. Gegenentwürfe zum Gesetzentwurf der Staatsregierung sind äußerst gefragt. Das Thema hat nämlich Sprengkraft. Vor allem werden die Ideen der Staatsregierung und der CSU-Landtagsfraktion befeuert, die das Potenzial haben, die Gesellschaft tatsächlich zu spalten.

Kolleginnen und Kollegen der CSU, Ihr Gesetz macht Angst und soll offensichtlich ganz bewusst Angst machen. Dieses Gesetz stellt Migranten unter Generalverdacht, schränkt deren Grundrechte ein und fordert, eröffnet aber auf keinen Fall faire Chancen. Dieses Gesetz erlässt Vorschriften, die niemand, auch Sie selbst nicht, eindeutig formulieren und interpretieren können. Was eine "Leitkultur" sein soll, ist nach wie vor sehr schwammig formuliert, und niemand weiß, worauf er eigentlich verpflichtet wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist nicht nur die Einschätzung der SPD, sondern auch die der Wohlfahrtsverbände, der Kommunen, der Kirchen, der Migrantenverbände, der Lehrerverbände, der Rechtsexperten und nicht zuletzt der eh

renamtlichen Helferkreise und der Bevölkerung. Sie alle lehnen Ihr Abschreckungsgesetz ab, einfach alle. Unsere Fachanhörung im Sozialausschuss und im Verfassungsausschuss hat das in geradezu erschreckender Art und Weise verdeutlicht. Sämtliche Expertinnen und Experten haben den Gesetzentwurf der Staatsregierung in dieser Form einhellig abgelehnt. Was für ein unwürdiges Spektakel tragen Sie eigentlich auf dem Rücken der Migrantinnen und Migranten aus, die teils schon viele Jahre bei uns im Land leben und längst Teil der Gesellschaft sind? – All diese Menschen stoßen Sie vor den Kopf und sorgen mutwillig dafür, dass die Stimmung in unserem Land aufgeheizt ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wachen Sie endlich auf, und nehmen Sie diesen Widerstand, der draußen tobt, endlich ernst!

Wir wollen eine Integrationspolitik, die Migranten ernst nimmt und sie dabei unterstützt, sich in unserer Gesellschaft zurechtzufinden, und ihnen Teilhabe in allen Bereichen des Alltags ermöglicht. "Augenhöhe" ist das Stichwort, nicht "Bevormundung" oder "Ausgrenzung".

Wir brauchen eine Integrationspolitik, die klare Regeln formuliert, aber auch faire Chancen eröffnet, die verlässliche Integrationsangebote schafft, bei denen Spracherwerb und Bildungspolitik sowie Integration in den Arbeitsmarkt im Vordergrund stehen.

(Beifall bei der SPD)

Eine Integrationspolitik auf der Grundlage der Werte, Grundrechte, Grundpflichten des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung, darum geht es. Das gilt für alle Menschen, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund.

Noch ein letztes Wort: Vor Kurzem kam der "Glücksatlas 2016" heraus. Er besagt: Je toleranter eine Gesellschaft, desto glücklicher ist sie. – In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheiden Sie sich bitte für Bayerns Glück.

(Beifall bei der SPD)