Sie haben gesagt, die CSU und die Staatsregierung würden über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden, sie würden sie nicht einbinden.
Herr Kollege Hartmann, richtig ist, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof zwar entschieden hat, das heißt, er hat in einer umstrittenen juristischen Frage Klarheit geschaffen. Er hat aber auch festgestellt, dass Volksbefragungen grundsätzlich möglich sind, jedoch in der Bayerischen Verfassung verankert werden müssen.
Wir, die CSU-Fraktion, wollen eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Nun müssen wir aber über die Instrumente reden. Ich sage Ihnen: Bayern ist auf dem richtigen Weg. Das belegt ganz klar unser Spitzenplatz bei der Zahl der durchgeführten Volksentscheide und Bürgerbegehren. Das zeigt sich auch, wenn ich die heutige Zeitung aufschlage. Ich zitiere Christian Deutschländer aus dem Kommentar im "Merkur", dritter Absatz: "Eines sollte man darüber aber nicht vergessen: Die Grundrichtung des Gesetzes – mehr direkte Demokratie, mehr Mitsprache – ist schlüssig; und ein ehrliches Anliegen zumindest von
Seehofer." Ich ergänze: der gesamten CSU-Fraktion. "Das zählt gerade in einer Zeit, in der viele Menschen das subjektive Gefühl plagt, die Politik regiere zu oft über ihre Köpfe hinweg."
Lieber Herr Kollege Hartmann und liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht nur wir hatten diese Idee, auch die SPD in Mecklenburg-Vorpommern hat das in ihren Koalitionsvertrag mit der CDU aufgenommen. Dieses Beispiel zeigt wieder einmal die innere Spaltung der SPD. Ein weiteres Beispiel: Die Genossen stimmen im Bund für ein Integrationsgesetz mit dem Grundsatz "Fördern und Fordern", und hier in Bayern lehnen sie es ab.
Bayern ist ein weltoffenes Land, das sich im In- und Ausland größter Beliebtheit erfreut, liebe Frau Kollegin. Der Beweis Nummer 1 ist die Bevölkerungsentwicklung. Sehen Sie sich einmal die Einwohnerentwicklung in Bayern an. Der Freistaat Bayern hatte zum Ende des letzten Jahres 12.843.514 Bürger und damit 151.946 Einwohner mehr als am Ende des Vorjahres. Dieses enorme Bevölkerungsplus entspricht in etwa der summierten Einwohnerzahl der Städte Ansbach und Erlangen. Dabei nahm die deutsche Bevölkerung um 13.178 Personen ab, während die ausländische Bevölkerung um 165.000 Personen wuchs. Insgesamt haben rund 2,72 Millionen Einwohner Bayerns einen Migrationshintergrund. Auch das gehört zu dem Thema, das Sie in Ihrer Überschrift benannt haben. Mehr als jeder fünfte Einwohner Bayerns ist Migrant. Aktuell beläuft sich der Anteil der Migranten in Bayern auf 21 %, Tendenz steigend.
Beweis Nummer 2 für die Weltoffenheit Bayerns: Herr Hartmann, diese Weltoffenheit zeigt sich auch darin, dass die Integration der vielen Menschen, die nach Bayern ziehen, seit Jahrzehnten hervorragend funktioniert. Diese Menschen haben hier bei uns tatsächlich eine neue Heimat gefunden. Das sieht man allein daran, dass von den im Freistaat Bayern lebenden Zugewanderten und ihren Nachkommen rund die Hälfte, nämlich 1,36 Millionen Menschen, einen deutschen Pass besitzt. Herr Hartmann, wenn hier jemand spaltet, wie Sie das vorhin unterstellt haben, ist das die Opposition hier im Hohen Haus.
Wir wollen mit einem bayerischen Integrationsgesetz erreichen, dass Integration gelingt. Sie wird uns aber mit Ihrer grenzenlosen Flüchtlingspolitik nicht gelingen. Wenn wir weiterhin Humanität sicherstellen wol
len, benötigen wir eine Begrenzung. Sehen Sie das endlich ein! Wir haben ein bundesweit einmaliges Integrationskonzept mit einem finanziellen Umfang von 548 Millionen Euro beschlossen. Daneben haben wir einen Ausbildungspakt geschlossen mit dem Ziel, 60.000 Menschen Arbeits-, Ausbildungs- oder Praktikantenverträge zu vermitteln. Bei nahezu 40.000 Menschen ist dies bereits gelungen. Außerdem haben wir ein Wohnungsbauprogramm mit dem Ziel beschlossen, 28.000 neue Wohnungen sowohl für anerkannte Flüchtlinge als auch für die sozial schwache Bevölkerung zu schaffen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das sind nur Beispiele. Die zu uns gekommenen Menschen und diejenigen, die schon lange in Bayern leben, haben eines gemeinsam: Sie fühlen sich in Bayern außerordentlich wohl. Das belegt auch die jüngste Bayernstudie des Bayerischen Rundfunks. Danach ist die Identifikation der Bevölkerung mit Bayern im Vergleich zu den Erhebungen der Jahre 2009 und 2012 noch einmal gestiegen. Besonders junge Leute fühlen sich ihrer Heimat verbunden. Auch die "Zugroasten" – wenn ich das als Bayer so sagen darf – bekennen sich zu Bayern. Fast 100 % der Befragten gaben an, gerne in Bayern zu leben, und bezeichnen ihre Region als Heimat. Das ist ein Wert, den ich, ehrlich gesagt, nicht für möglich gehalten hätte.
97 % der Menschen leben gerne in ihrer jeweiligen Region, 75 % sogar sehr gerne. Diese hohen Zustimmungswerte zu Bayern und zu der Art, wie in Bayern gelebt wird, zeigen doch, dass wir vollkommen richtig liegen, wenn wir von denen, die zu uns kommen, verlangen, dass sie nicht nur unsere Liberalitas Bavariae akzeptieren, sondern dass sie sich bei uns auch nach dem Motto "Leben und leben lassen" integrieren. Dies hat im Übrigen in der letzten Woche am Dienstag in der "FAZ" der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Herr Gökay Sofuoglu, bestätigt. Auch er hält eine Leitkultur für richtiger denn je.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Freude an der Vielfalt ist der Kern des bayerischen Lebens- und Heimatgefühls, den wir unter keinen Umständen aufgeben dürfen. Auf die Frage, welche Faktoren die bayerische Gesellschaft am meisten beeinflussen, nannten 87 % der Befragten der Studie des Bayerischen Rundfunks die bayerische Wirtschaft. Das ist auch vollkommen richtig. Ich sage ganz bewusst an die Adresse der GRÜNEN: Nur unsere wirtschaftlichen Erfolge ermöglichen unseren hohen Lebensstandard und unsere große soziale Sicherheit.
Sie wissen doch so gut wie ich, dass in Bayern aktuell 7,3 Millionen Personen erwerbstätig sind. Das sind mehr Menschen als jemals zuvor in der bayerischen
Geschichte. In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 920.000 Arbeitsplätze neu geschaffen. Die Arbeitslosigkeit wurde nahezu halbiert. Die Arbeitslosenquote lag in Bayern im Oktober 2016 bei 3,2 %. Das ist absoluter Rekord. Fast 40 % unserer Kreise und kreisfreien Städte können mit Quoten unter 3 % faktisch Vollbeschäftigung melden. Unsere wirtschaftlichen Erfolge und unsere nachhaltige Haushaltspolitik, die wir trotz vieler Anträge der GRÜNEN, neue Schulden zu machen,
konsequent durchgehalten haben, sind die Grundlage dafür, dass der Freistaat Bayern so viel für die soziale Sicherheit ausgeben kann wie nie zuvor. Im Zeitraum von 2012 bis 2016 wuchs der Sozialhaushalt von 3 Milliarden Euro auf fast 7 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung um 130 % innerhalb eines Zeitraums von gerade einmal vier Jahren. Nennen Sie mir bitte ein anderes Land, das diese Leistung erbringen kann. Ich kann Ihnen die Antwort geben: Es gibt keins.
Der Freistaat Bayern stellt für Familien und junge Menschen allein in diesem Jahr 3,5 Milliarden Euro bereit, um gute Zukunftschancen zu schaffen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, abschließend möchte ich betonen, dass wir mit der Heimatstrategie unseres Finanzministers den demografischen Wandel so gestalten wollen, dass alle Generationen in Bayern gut leben können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass wir auch das schaffen werden.
Neben dem großen Fleiß der Menschen, die hier leben und arbeiten, sowohl im Haupt- als auch im Ehrenamt, hat auch die Politik ihren Anteil am hohen Lebensstandard in Bayern. Deshalb werden wir auch in Zukunft mit aller Kraft daran arbeiten, dass Bayern weltoffen und gerecht bleibt.
Danke schön, Herr Kollege. – Bevor ich den nächsten Rednerinnen und Rednern das Wort erteile, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass zum übernächsten Tagesordnungspunkt 3, und zwar zum Antrag Nummer 16 der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12622, namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Unmittelbar im Anschluss daran wird dann die Wahl der Mitglieder der 16. Bundesversammlung stattfinden. Ich bitte Sie, diese Tagesordnungspunkte in Ihre Überlegungen einzubeziehen. – Jetzt hat Frau Kollegin Karl von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist eigentlich "Heimat"? Für uns ist die Heimat ein Ort, an dem man sich sicher und zu Hause fühlt und wo man sich in die Gesellschaft einbringen kann. Heimat ist eine Region, in der man eine Zukunft für seine Familie sieht und in der alle ein gemeinsames Wertegerüst teilen. Heimat ist nicht unbedingt der Ort, an dem man geboren ist, und sie ist auch nicht notwendigerweise der Ort, an dem alle die gleiche Religion oder Herkunft haben. Die Heimat, die ich meine, ist gastfreundlich. Sie bietet Zuflucht für Menschen in Not.
Die Heimat, die ich meine, ist vielfältig und weltoffen. Sie stellt Menschen, die zu uns kommen, nicht unter Generalverdacht. Grundlage des Zusammenlebens in unserer Heimat muss ein wertschätzendes Miteinander sein. Richtschnur dabei sind unsere Verfassung und das Grundgesetz. Deshalb brauchen wir keinen Kampfbegriff "Leitkultur", den sowieso keiner genau definieren kann.
Wir brauchen für jeden die Möglichkeit, seine Begabungen und seinen Lebensentwurf ins Miteinander einzubringen. Deshalb, verehrte Staatsregierung, Herr Staatsminister Söder, hören Sie auf, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen: Rentnerinnen gegen unbegleitete Jugendliche, Arme gegen Asylbewerber.
Unterstützen Sie in Bayern alle, die Hilfe brauchen. Sorgen Sie für ausreichend bezahlbaren Wohnraum, und unterstützen Sie alle durch kostenfreie Bildung in jedem Alter.
Spracherwerb und Bildung sind der Schlüssel für gelungene Integration und für ein gelingendes Zusammenleben in unserer schönen Heimat Bayern. Sorgen Sie für ausreichende Sprachkurse, anstatt Flüchtlingen zu unterstellen, sie wollten unsere Sprache nicht lernen. Fordern kann nur, wer auch fördert.
Nutzen Sie die Beratungen zum Integrationsgesetz und die Expertise der Enquete-Kommission, um ein Integrationsgesetz zu schaffen, das Instrument gelungener Integration wird und nicht Werkzeug zur Ausgrenzung, wie es der jetzige Entwurf ist.
Heimat muss allen gleiche Lebenschancen bieten, unabhängig vom Wohnort, vom Einkommen und davon, ob man gesund oder krank ist. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass in einzelnen Landesteilen immer weniger Einwohner leben und die Schere zwischen Arm und Reich auch in Bayern immer weiter auseinandergeht. Die Entwicklung unserer Heimat muss dies berücksichtigen. Entwicklung braucht Konzepte und Planung. Deshalb muss die Staatsregierung endlich den falschen Weg verlassen, Landesentwicklung und Landesplanung weiter auszuhöhlen und alles dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen;
denn Deregulierung und überzogene Dezentralisierung führen eben nicht zu mehr Gerechtigkeit, sondern treiben die Kommunen in eine sinnlose Konkurrenz um Schulstandorte, um Ämterverlagerungen, um großflächigen Einzelhandel und um Gewerbeansiedlungen. Bayern ist schon jetzt trauriger Spitzenreiter beim Flächenverbrauch. Allein im letzten Jahr wurden 18 % mehr Flächen versiegelt.
Mit der Lockerung des Anbindegebotes im Landesentwicklungsprogramm wird es den Kommunen in Zukunft möglich sein, überall, wo sie wollen, Gewerbegebiete auszuweisen.
Das ist Flächenverbrauch pur. Die Frage ist nur, wem das nutzt. Die Bevölkerung hat bei mehreren Umfragen bereits gezeigt, dass sie das nicht will; denn wenn man in einem Gewerbegebiet Firmen ansiedeln will, braucht man die Unterstützung des Freistaats. Man braucht eine verbesserte regionale Wirtschaftsförderung und mehr Aktivitäten von "Invest in Bavaria" jenseits von Oberbayern.
Sonst geht es vielen Kommunen so wie der Kommune Thiersheim in Oberfranken, die seit zehn Jahren versucht, auch nur eine Firma in ihrem Gewerbegebiet anzusiedeln.
Kolleginnen und Kollegen, gerechte Lebenschancen in unserer Heimat brauchen den Erhalt der Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Ich fordere Sie auf: Schreiben Sie endlich Grundstandards der Daseinsvorsorge ins Landesentwicklungsprogramm. Garantieren Sie Einrichtungen für Bildung und Ausbildung, für Gesundheitsvorsorge, Lebensmittelversorgung, Kultur und Sport in allen Teilen Bayerns und in allen Orten, und bieten Sie damit Zukunftschancen im ganzen Land!