Protokoll der Sitzung vom 22.11.2016

(Volkmar Halbleib (SPD): Sehr gut! – Lebhafter Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege Muthmann von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Begriff "Heimat" ist jetzt offensichtlich auch bei den GRÜNEN angekommen. Ein bisschen unwohl fühlen sie sich allerdings noch, wenn sie darüber reden,

(Heiterkeit und Beifall bei den FREIEN WÄH- LERN)

aber immerhin. Wir nehmen auch für uns in Anspruch, dass wir, was Heimat bedeutet, verstehen, ebenso wie die Menschen in ihrem überschaubaren Umfeld; denn das ist den Menschen wichtig, und wir müssen sie abholen und mitnehmen. Heimat als überschaubar, gestaltbar, verlässlich und durchaus auch vielfältig, da fühlen sich die Menschen wohl. Sie fühlen sich in ihrer Heimat, wo ihre Liebsten sind, zu Hause.

Bei all dem gibt es aber auch die Sorge, dass angesichts der Entwicklungen der letzten Monate die Dinge auseinanderdriften. Zu diesen gesellschaftlichen Debatten gehört auch die Frage, wie wir mit den Flüchtlingen umgehen. In diesem Zusammenhang ist mir ein Satz in der heutigen "Passauer Neuen Presse" aufgefallen, der da lautet: "Uns ist es lieber, die Radikalen der AfD sitzen erkennbar rechts außen, als unerkennbar in unserer Mitte." Mit diesem Satz hat sich der CSU-Ortsverband Viechtach an den Ministerpräsidenten Seehofer gewandt. Ich glaube, diese Botschaft ist gesamtgesellschaftlich von Bedeutung. Bayern war stets offen für die Welt, offen für Entwicklungen in der Welt und muss das auch bleiben.

Dazu zwei Fakten: Unter uns leben inzwischen 20 % Menschen mit Migrationshintergrund. Wir verdanken ihnen viele wirtschaftliche und kulturelle Impulse. Vielfalt bei klaren Spielregeln, wie wir zusammen leben, ist ein Erfolgsrezept und wird es sicherlich auch bleiben.

Bayern hat in der Wirtschaft einen Exportanteil von über 50 %. Wir verdanken unseren Wohlstand dem Handel in und mit der Welt. Wenn das so ist, kann man die Offenheit Bayerns nicht nur durch ein Essen beim Italiener, beim Griechen oder beim Chinesen unter Beweis stellen, auch nicht nur durch die Nutzung von Wohlstandschancen durch den weltweiten Handel, sondern wir müssen auch die Verantwortung für Probleme in der Welt übernehmen.

Ich finde, dass die Reise der Bundeskanzlerin nach Afrika vor ein paar Wochen durchaus Respekt und Anerkennung verdient. Wir müssen sie darin unterstützen, wenn sie sagt, wir müssen uns auch im Interesse Europas um die Probleme Afrikas kümmern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Entwicklungshilfeminister Müller hat den Satz gesagt: Je weniger Flüchtlinge wir in Europa haben wollen, desto mehr müssen wir uns um die Krisengebiete in der Welt kümmern. – Damit gewinnt man keine Wahlen – das ist auch mir bewusst –, aber trotzdem halte ich solche Aussagen für richtig, und sie müssen in politisches Handeln umgesetzt werden. Die Politik muss bereit sein, auch Entscheidungen zu treffen, deren politischer Ertrag erst nachfolgenden Generationen zugutekommt. Das gilt sowohl für den Hunger in der Welt als auch für die Ökologie in der Welt und das Thema Nachhaltigkeit. Wenn wir hier die Weichen stellen, werden wir zwar den Ertrag nicht mehr für uns erwirtschaften, aber andere werden in den Genuss dieser politischen Entscheidungen kommen.

Das Gleiche gilt auch für die Frage nach der Gerechtigkeit. Da müssen wir allerdings den Blick auch nach innen richten, wie es meine Vorredner schon getan haben; denn die Entwicklungen der letzten zwölf Monate hat bei vielen Menschen in unserem Land Sorgen verursacht. Ich nenne nur die Stichworte Wohlstandsverlierer und Rentensicherung ohne die Überlastung der jungen Generation sowie die Frage, ob Frauen und Familien ausreichende Entwicklungschancen haben. Nicht zu vergessen sind die Frage nach der Steuergerechtigkeit und – das darf ich als Mitglied der Enquete-Kommission durchaus betonen – die Frage, ob wir in Bayern ausreichend regionale Chancengerechtigkeit im Hinblick auf die Landesentwicklung haben.

Die Kritik, die die Kollegin Karl im Hinblick auf das LEP vorgetragen hat, dass alles immer unverbindlicher und offener wird und damit klare Leitlinien fehlen, tragen auch wir mit. Wir müssen uns mit den Fragen beschäftigen, wie es um die Bildung in der Region steht, wie viele Gesundheitsangebote, wie viel Infrastruktur und wie viele Arbeitsmöglichkeiten und Ausbildungschancen es gibt. Alle diese Fragen müssen wir beantworten; wir müssen sie unter dem Aspekt der sozialen Gleichheit und der Gerechtigkeit klären. Wenn wir das Vertrauen in die Politik erhalten bzw. da und dort verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen wollen, müssen wir Tatsachen benennen und Lösungen anbieten. Politiker müssen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit das Mögliche tun, dürfen aber nicht Unmögliches versprechen. Das gilt auch in Wahlzeiten, wenn wir künftig ernst genommen werden wollen! Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Beißwenger von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen! Heimat bedeutet für viele Menschen, zu Hause zu sein und sich zu Hause zu fühlen. Heimat bedeutet aber auch Sicherheit, Orientierung und ein Umfeld, das berechenbar ist. Wir in Bayern wollen unsere Heimat aber auch aktiv mitgestalten. Dafür muss die Heimat Entwicklungsmöglichkeiten bieten, gleichzeitig aber auch die Existenz von Familien sichern. Gerade der ländliche Raum darf nicht zum Heimatmuseum verkommen.

(Beifall bei der CSU)

Wenn wir den ländlichen Raum unter eine Glasglocke stellen wollen, müssen wir den Leuten eine andere Existenzmöglichkeit geben. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir für die Menschen da sein, die diese Heimat und Kulturlandschaft geprägt haben. Allein von der Schönheit der Natur kann man leider nicht leben.

(Christine Kamm (GRÜNE): Man muss sie zerstören!)

Das, was wir als Heimat begreifen und täglich erleben, auch unsere Landschaft, wurde von Generationen gepflegt und vor allem gestaltet.

(Florian von Brunn (SPD): So richtig Neues fällt Ihnen nicht ein!)

So ist es auch heute. Warum also sollten wir ausgerechnet der jetzigen Generation misstrauen und befürchten, dass sie diese Heimat zerstört?

(Beifall bei der CSU)

Schließlich sind es genau die Menschen vor Ort, die ihre und unsere Heimat aktiv mitgestalten. Deshalb begrüßen wir auch ein größeres Mitbestimmungsrecht bei der aktiven Gestaltung der Heimat. Bei uns gelingt schließlich die Koexistenz von Ökonomie und Ökologie, einzigartiger Schönheit der Landschaft und einzigartiger wirtschaftlicher Kraft. Machen wir uns nichts vor: Ohne wirtschaftliche Stärke geht gar nichts. Das Land Bayern schafft diesen Spagat.

(Beifall bei der CSU)

Eine intakte Natur und das Vertrauen in eine ausgezeichnete Versorgung sind und bleiben fester Bestandteil bayerischer Lebensqualität. Klimaschutz soll in alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche integriert werden. Bayern soll seine Spitzenposition im Klimaschutz nicht nur erhalten, sondern beim Klimaschutz auch weiter Vorbild bleiben. Auch beim Hochwasserschutz treffen wir gemeinsam mit den Kommunen Vorsorge. In der Landwirtschaft geht Bayern seit Langem einen eigenständigen erfolgreichen Weg. Wir verstehen schließlich unsere Agrarpolitik als Gesellschaftspolitik. Wir stehen zu unseren Landwirten, Jägern und Waldbesitzern. Bayern ist es deshalb auch besser als anderen Ländern gelungen, den Strukturwandel sozial verträglich und ohne Nachteile für die Kulturlandschaft zu gestalten. Deshalb brauchen wir keine Agrarwende.

Unser Leitbild sind und bleiben bäuerliche Familienbetriebe, die nachhaltig wirtschaften, ihre Tiere artgerecht halten und mit einem vielfältigen Unternehmertum zu einem vitalen ländlichen Raum beitragen. Wir stehen für dieses nachhaltige Wirtschaften, das die Grundlagen für zukünftige Generationen sichert. Wir stehen für unsere und zu unserer Heimat.

Der aktuelle Bezug, den mein Kollege Thomas Huber angemahnt hat, der zur Aktuellen Stunde schwer festzustellen war, ist schnell genannt: Die GRÜNEN machen wohl eine Konferenz zum Thema Heimat. Wie die Vorredner bereits bemerkt haben, ist der Begriff Heimat nicht unbedingt mit den GRÜNEN in Verbindung zu bringen.

(Florian von Brunn (SPD): Arrogant!)

Meiner persönlichen Meinung nach waren unsere Sonnenblumenträger bisher nur mit Begriffen wie Veggie Day, Verbotspartei oder Steuererhöhungsorgien in Verbindung zu bringen.

(Gisela Sengl (GRÜNE): Wir sind halt vielfältiger! – Zuruf des Abgeordneten Ludwig Hartmann (GRÜNE))

Herr Hartmann schreit so laut. Ich hoffe nicht, dass er nach seiner Rede Schmerzen hat. Dass Sie mit dem Begriff Heimat wenig anfangen können, hat man an der Leidenschaftslosigkeit Ihrer Rede gespürt. Ich persönlich fand Ihren Beitrag unerträglich.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Sie waren auch nicht besser!)

Ich weiß allerdings nicht, wie man das Gestammel abstellen kann. Lesen üben wäre eine Möglichkeit. Oder Sie könnten auch ein Thema wählen, mit dem Sie etwas anfangen können. Lassen wir den Begriff Heimat bei uns. Wir füllen ihn mit Leben aus.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Kollege von Brunn von der SPD das Wort. Bitte schön.

(Inge Aures (SPD): Mehr Leidenschaft bitte!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heimat, das sind Menschen und Landschaft. So ähnlich hat es der Regisseur und Drehbuchautor Marcus Rosenmüller vor einigen Jahren im Magazin "jetzt" beschrieben. Das trifft es gut; denn das Wort Heimat umfasst nicht nur das Land, die Natur und die Landschaften, sondern auch die sozialen Beziehungen, die Kultur und die in diesem Land erlebte Geschichte. Heimat kann schön sein, Sicherheit geben und vielfältig sein. Manchmal kann Heimat aber auch frag- und kritikwürdig sein. Diese Vielfältigkeit und Janusköpfigkeit findet man auch in der bayerischen Kunst und in der bayerischen Literatur von Ludwig Thoma über Oskar Maria Graf, den Roider Jackl bis zum Kraudn Sepp, von Martin Sperr über Helmut Zöpfl bis zu Sigi Zimmerschied und der Biermösl Blosn.

Heimat ist sicher nicht einfach. Das, was sich manche darunter vorstellen, ist Provinz, von der der JeanPaul-Preisträger Uwe Dick aus Niederbayern sagt: Provinz findet im Kopf statt und die tiefste im flachsten. Heimat sind Menschen und Landschaft. Für die Menschen in Bayern sind Landschaft und Natur ganz wesentliche Bestandteile der Heimat. Der Bayerische Rundfunk hat in der schon erwähnten Studie vom letzten Jahr 1.000 Bayerinnen und Bayern im Alter von 14 Jahren aufwärts befragt, warum sie sich in Bayern wohlfühlen. 69 % von ihnen finden die Natur und die bayerische Landschaft einzigartig schön. Der Wahlpreuße Christoph Stölzl, gebürtiger bayerischer

Schwabe und in München aufgewachsen, schrieb 2003 in der "ZEIT": "Wahr ist auch, dass Bayerns Natur eine fast komplette Enzyklopädie der europäischen Landschaftsformen bietet, von der Hochgebirgswelt bis zu lieblichen Midlands und Seenlandschaften".

Es war keiner der heute von der CSU so verächtlich gemachten Naturschützer, der über seinen eigenen Geburtstag, den 21. März 1763, also den Frühlingsanfang, schrieb, dass gleichzeitig mit ihm die graue und die gelbe Bachstelze, das Rotkehlchen, der Kranich, die Rohrammer und mehrere Schnepfen und Sumpfvögel anlangten und das Scharbockskraut, das Löffelkraut und die Zitterpappel in Blüte traten. Das war der große oberfränkische Schriftsteller Jean Paul, der sich nie daran erinnern konnte, einen einzigen Gedanken in der Stube gefasst zu haben. Er schätzte die langen und fernen Fichtelgebirge mehr als die "Tyroler Berge", wie er die Alpen nannte, die für den bedeutenden Alpenforscher Werner Bätzing das Sinnbild schöner Landschaft schlechthin sind und deren oberbayerische Ausprägung der Kraudn Sepp in seinen Liedern vielfach besungen hat.

Es gab eine Zeit, in der auch der CSU bewusst war, was es hierzulande zu bewahren gilt. Das war die Zeit, als zwei Nationalparks gegründet wurden. Übrigens wurde der Nationalpark Bayerischer Wald trotz erheblicher Vorbehalte in der Bevölkerung gegründet. Das war die Zeit, als ein bayerisches Umweltministerium eingerichtet wurde, als der bayerische Alpenplan verfasst und schließlich noch der Naturschutz in die Bayerische Verfassung aufgenommen wurde. Diese Zeiten sind aber vorbei, liebe Kolleginnen und Kollegen. Heute gilt der CSU der Naturschutz zu oft als Hindernis. Ihr ist das Vorwärtskommen in der oben beschriebenen Provinz auf breit ausgebauten Straßen offensichtlich wichtiger. Beton, Autobahnen und Gewerbegebiete sind für die CSU wieder der Indikator für Fortschritt.

Der gigantische Flächenverbrauch, die Verschandelung der Landschaft, der im eigenen Biodiversitätsprogramm dokumentierte Verlust an Tier- und Pflanzenarten, all das interessiert Sie kaum. Das Anbindegebot soll für eine Handvoll Nutznießer und für kurzfristigen Profit gelockert werden. Naturschutz und eine an einer ausgewogenen, nachhaltigen Entwicklung orientierte Landesplanung zählen für Sie wenig. Das sieht man am Großen Teichelberg im Steinwald in der Oberpfalz, wo überlegt wird, wie man für einen Bergbaukonzern ein Naturschutzgebiet durchlöchern und verschieben kann. Das gilt auch für das Riedberger Horn, das gilt für die Alpen, in denen der Alpenplan die einzigartige Landschaft und Natur

jahrzehntelang vor Zerstörung und übermäßiger Erschließung bewahrt hat.

Der Alpenplan ist ein gutes Beispiel; denn 44 Jahre lang haben für die Alpen klare und wohlbegründete Prinzipien gegolten, die weit über Bayern hinaus Anerkennung gefunden haben. Jetzt hat Herr Söder die Alpenpolitik und die Landesplanung in die Mangel genommen. Jetzt regieren nicht mehr Vernunft und Augenmaß, jetzt regiert die Klientel.

(Beifall bei der SPD)

Gerade haben sich die Nationen in Paris und in Marrakesch auf ein überlebensnotwendiges, weitreichendes internationales Klimaabkommen geeinigt. Wo aber bleibt die Umsetzung in der bayerischen Tourismuspolitik? Ich nenne als Stichwort die Förderung von umweltfreundlichem Tourismus statt Skischaukeln und Schneekanonen. Wo bleibt die Umsetzung in der Verkehrspolitik? Statt immer mehr Flächenverbrauch und mehr Emissionen durch Autoverkehr soll der klimafreundliche öffentliche Verkehr drastisch ausgebaut werden.

Heimat ist ein wichtiges Thema. Sie sind aber mit Ihrer Politik auf dem Holzweg, und mit Markus Söder haben Sie, mit Verlaub, den Bock zum Gärtner gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Der Heimatminister gibt bayerische Heimat, Landschaft und Natur preis und bringt zudem mit seinen Äußerungen hier in der Heimat Menschen gegeneinander auf. Er versteht nicht, was Heimat ausmacht, wie vielfältig sie ist und wie heimatbewahrende, soziale und nachhaltige Politik aussehen muss.

(Beifall bei der SPD)