Herr Kollege Holetschek, wie stellt sich denn die CSU die Unterstützung der wohnortnahen Versorgung vor? Sie lesen die Anträge immer so, wie Sie sie lesen wollen. Die Buchstaben der Anträge besagen etwas anderes. Wenn Sie die Anträge gescheit durchgelesen hätten, dann würden Sie nicht von "Planwirtschaft" oder "Dirigismus" sprechen.
Das sage ich klipp und klar. Pflichtaufgabe heißt, die Gemeinde darf es tun. Ihr kann dann nicht mehr von der Rechtsaufsicht ein bestimmtes Handeln nur deshalb untersagt werden, weil es sich um eine freiwillige Leistung handelt.
Das kann keine freiwillige Leistung sein. Kein Bürgermeister kann jemanden dazu zwingen, einen Laden zu eröffnen.
Ich wiederhole meine konkrete Frage: Nach welchen Vorstellungen will die CSU die wohnortnahe Versorgung sichern? Auch das Ehrenamt ermüdet irgendwann. Dennoch muss die wohnortnahe Versorgung gesichert sein.
Über eines sind wir uns einig: Den Einfluss des "Bürokratius" müssen wir zurückdrängen. Aber es kann nicht alles auf verschiedene Stellen verteilt sein. Städtebauförderung hier, Landwirtschaftsförderung dort, dieses hier, jenes dort – damit sind die Bürgermeister überfordert. Diese Zuständigkeitsvielfalt muss abgeschafft werden. Wenn es einen Ansprechpartner, das heißt eine Beratungs- und Servicestelle bei der jeweiligen Regierung gibt, dann läuft es deutlich besser als bisher.
Auch in diesem Hohen Haus sage ich: Wer einmal durch die Schule eines Bürgermeisteramtes oder eines anderen kommunalen Mandats gegangen ist, der weiß, wovon er spricht, auch wenn er im Landtag sitzt. Deswegen weiß ich, dass die Bürgermeister ein gutes Gespür haben für das, was die Menschen bewegt. Sie greifen die Themen, die die Menschen bewegen, auf.
Ich bringe noch einmal das Beispiel der kleinen Kommune Kellmünz im Landkreis Neu-Ulm. Der Bürgermeister gehörte zu denjenigen, die die Gründung des Dorfladens angestoßen haben. Seine Frau hat mitgemacht. Die Bürger sind motiviert worden, Anteilsscheine zu erwerben. Dort sind heute Beschäftigte in Vollzeit und in Teilzeit tätig. Der Laden läuft. Die Initiatoren hatten ein Beratungsangebot des Freistaates in Anspruch genommen; das hat ihnen geholfen. Der Rest ist aus dem Ort heraus gewachsen. Die Bürgerinnen und Bürger dort sind sehr stolz darauf, dass
sie selbst diese Lösung gefunden haben. Sie empfinden das jedenfalls als besser, als wenn der Staat ihnen eine Vorgabe gemacht oder ihnen jemanden an die Seite gestellt hätte, der sie an die Hand genommen hätte. Vertrauen in die Bürger vor Ort, Hilfestellung dort, wo sie notwendig ist, Begrenzung der Bürokratie, keine neuen Stellen, wenn wir sie nicht brauchen – das ist unser Maßstab, das ist unsere Vorgabe.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Offensichtlich wollen alle Fraktionen die Lösung dieses Problems in die Hände der Bürgermeister legen. Wohnortnahe Versorgung – das ist ein wichtiges Thema. Damit wird jedoch nur ein Aspekt des Problems erfasst. Das Grundproblem ist, dass die Lebensverhältnisse eben noch nicht überall gleichwertig sind. Negativ betroffen ist vor allem der strukturschwache ländliche Raum. Für diesen müssen wir besonders intensiv kämpfen. Wenn ich die drei Anträge der SPDFraktion richtig verstehe, dann möchte sie das Ganze zur Pflichtaufgabe der Kommunen machen. Das kann nicht der richtige Weg sein. Hinterher hat der Bürger noch ein einklagbares Recht gegenüber der Kommune; das geht uns zu weit. Insoweit können wir den Staat nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Natürlich bedarf es der Mitwirkung der Kommunen, aber nicht im Rahmen einer Pflichtaufgabe.
Die in den Anträgen geforderten Servicestellen, zum Beispiel für den Bereich Nahversorgung, kosten Geld, bringen aber nichts. Das Geld wäre besser investiert, wenn wir die Beratungsstellen, die es bereits gibt und die relativ gut arbeiten, intensiver einbinden würden. Das Geld, das für die Servicestellen ausgegeben werden müsste, könnte ohnehin vor Ort besser verwendet werden.
Auch das geforderte Sonderförderprogramm BayernLaden würde zu kurz greifen. Die Probleme im strukturschwachen ländlichen Raum sind vielfältig: Ärzte verschwinden. Schulen verschwinden. Der öffentliche Personennahverkehr fährt manche kleinen Orte nicht mehr an, weshalb die Bürger dort auf Nachbarschaftsoder Selbsthilfe angewiesen sind. Insofern reicht dieses Sonderförderprogramm nicht aus.
Nächster Punkt: Über zehn Jahre lang herrschte bei der Mehrheitsfraktion des Bayerischen Landtags die Auffassung vor, die Bereitstellung von schnellem Internet könne allein durch privatwirtschaftliche Anbieter sichergestellt werden, da es sich um eine Frage von
Angebot und Nachfrage handele. Wir haben in der heutigen Debatte über den Begriff "Heimat" vom Minister selbst gehört, dass das nicht funktionierte. Der Staat hat massiv eingreifen müssen, damit schnelles Internet in allen Teilen des Freistaates zur Verfügung steht. Wir hatten das jahrelang gefordert.
Der Gesetzgeber auf Bundesebene könnte viel mehr tun, um zum Beispiel das Wirtshaus im Dorf zu erhalten. Im Bund können die Mehrwertsteuersätze und die Arbeitszeitverordnung geändert werden. Bisher ist nichts passiert. In der Zwischenzeit sterben weitere Wirtshäuser.
All diese Probleme sind zusammen zu betrachten. Eine Lösung wie das Sonderförderprogramm BayernLaden, das nur die Verkaufsstellen umfassen würde, ginge uns nicht weit genug. Wir brauchen eine gute wohnortnahe Versorgung und eine Stärkung der Lebensqualität auch im strukturschwachen ländlichen Raum.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal auf die Forderung eingehen, den Kommunen neue Pflichtaufgaben zu übertragen. Es kann nicht angehen, dass wir immer dann, wenn die Wirtschaft die Erfüllung bestimmter Aufgaben als nicht mehr rentierlich ansieht, nach der Zuständigkeit der Kommune schreien und ihr eine neue Pflichtaufgabe übertragen. Auch wenn der Staat versagt oder nicht ausreichend tätig wird und damit eine Lücke hinterlässt, kann nicht zwangsläufig eine neue Pflichtaufgabe für die Kommunen die Folge sein. Damit wären gerade die strukturschwachen Kommunen überfordert. Sie könnten das Geld nicht aufbringen, um diese Aufgaben zu erfüllen, und müssten sich weiter verschulden. Das ist nicht der Weg, den wir FREIEN WÄHLER gehen wollen.
Läden mit Akzeptanz, die unter Beteiligung der Bürger gegründet wurden, gibt es schon. Beispiele sind genannt worden. Der Freistaat fördert diese Ansätze, aber er fördert sie nicht genug. Darüber können und müssen wir diskutieren. Mit der heutigen Debatte können wir das Thema nicht ad acta legen. Es müssen weitere, gezielte Initiativen folgen. Wenn das Bekenntnis zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in ganz Bayern Realität werden soll, dann muss mehr geschehen, als es in die Bayerische Verfassung aufzunehmen. Wir müssen in der Praxis etwas dafür tun. Insofern ist der Ansatz, der in den drei Anträgen der SPDFraktion deutlich wird, durchaus richtig. Was die konkreten Lösungen angeht, so gehen wir einen anderen Weg.
Die Dorfläden funktionieren gut. Wenn wir dies als Pflichtaufgabe der Kommunen definieren, stellt sich
die Frage, ob es dann noch freiwillige Helfer geben wird. Diese werden dann sagen: Warum sollen wir einspringen und unsere Freizeit für die Allgemeinheit opfern? Das ist eine Pflichtaufgabe der Kommune. – Diesen Weg halten wir nicht für den richtigen, weil wir damit die Initiative und die Bereitschaft der Bevölkerung, die durchaus vorhanden sind, untergraben würden. Das wollen wir vermeiden.
Wir müssen auch bei der Regionalplanung ansetzen und von dort konsequent eine Beteiligung an der Lösung des Problems einfordern. Wir helfen uns draußen gegenseitig, weil die Bürgermeister, wie mehrmals betont worden ist, Praktiker sind. Wir behelfen uns mit Ruftaxis, Nachbarschaftshilfe und vielen weiteren Ansätzen. Die Basis dieser freiwilligen Leistungen wollen wir nicht untergraben, auch nicht dadurch, dass wir neue Pflichtaufgaben definieren. Insofern ist der von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Weg der falsche.
Lassen Sie mich das Resümee ziehen, weshalb wir uns zu allen drei Anträgen der Stimme enthalten werden. Die Probleme sehen wir genauso wie die Antragsteller. Die Probleme sind da; man kann sie nicht so leichtfertig abtun, wie Sie, Herr Holetschek, es gemacht haben. Sie nur im Auge zu behalten, das ist zu wenig. So erreichen wir das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Bayern mit Sicherheit erst in 20 Jahren. So lange wollen unsere Bürgerinnen und Bürger vor Ort nicht abwarten.
Ich möchte noch ein Problem aus der tagesaktuellen Politik ansprechen: Bei den Analysen der Wahl in den USA sind die Meinungsforscher sehr schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass es vorwiegend die ländliche Bevölkerung war, die den Protestwähler gespielt hat. Meine Damen und Herren, geben wir Obacht, dass das bei uns nicht auch passiert. Deshalb müssen wir im strukturschwachen Raum so schnell wie möglich gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen.
Wir sehen dieses Problem ebenso wie die SPD. Ich kann nicht leugnen, dass wir für diese Anträge sehr viel Sympathie haben. Das Ziel ist richtig, nur der Weg ist falsch. Diesen Weg können wir in dieser Form nicht mitgehen. Deshalb werden wir uns zu diesen drei Anträgen der Stimme enthalten.
Herzlichen Dank. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Ganserer. – Ich hätte eine Bitte: Wenn wir hier oben zuhören, was dort unten gesprochen wird, hört sich das an
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Freistaat fördert und sichert gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern. So steht es in unserer Verfassung. Wenn ich mir jedoch die Lebenswirklichkeit draußen im Lande ansehe und mich dabei nicht von der Hochglanzbroschüre "Heimatbericht" blenden lasse, muss ich feststellen, dass es in vielen Lebensbereichen und Landesteilen mit diesem Verfassungsziel nicht weit her ist.
Der SPD-Fraktion müssten wir eigentlich grundsätzlich danken, dass sie das Thema gleichwertige Lebensverhältnisse und insbesondere das Thema Nahversorgung zum Gegenstand einer Parlamentsdebatte gemacht hat; denn die Nahversorgung im ländlichen Raum ist zweifelsohne deutlich schlechter als in den Ballungsräumen. Auch wenn das Auto im Land und auf dem Land nach wie vor das Fortbewegungsmittel Nummer 1 ist und bleiben wird, müssen wir feststellen, dass es auf dem Land auch Leute gibt, die kein Auto haben, die sich kein Auto leisten können oder die aus gesundheitlichen Gründen kein Auto fahren können. Das Thema Nahversorgung ist explizit beschrieben als Versorgung mit Mitteln des täglichen Bedarfs in fußläufiger Entfernung. Für viele Leute, die kein Auto haben, ist das Thema Nahversorgung ein wichtiger Faktor für ihre Lebensqualität. Deshalb muss uns dieses Thema wichtig sein. Die Nahversorgung muss auf dem Land erhalten bleiben.
Die Taktik, die Verantwortung auf den Verbraucher zu laden und zu sagen, er könnte mit dem Einkaufswagen abstimmen, greift zu kurz. Damit würde man sich aus der politischen Verantwortung ziehen. Bei Diskussionen über die Milchpreise und die Dumpingpreise für Lebensmittelprodukte wird regelmäßig die Marktkonzentration beklagt. Sie heben in Ihrer Antragsbegründung auch darauf ab. Wenn sich jedoch Ihr Bundeswirtschaftsminister damit durchgesetzt hätte, dass Tengelmann an EDEKA verkauft werden darf, wäre damit die Marktkonzentration weiter gefördert worden. Wir müssen deshalb die Marktkonzentration auf allen Ebenen weiter eingrenzen.
Mit Blick auf die Landespolitik muss ich feststellen, dass die letzte Änderung des LEP bei diesem Thema wie ein Brandbeschleuniger gewirkt hat. Sie hat dazu beigetragen, dass weiterhin Dorfkerne entleert wer
Wir brauchen deswegen Obergrenzen für Supermarktverkaufsflächen. Diese Obergrenzen müssen deutlich niedriger angesetzt werden als bisher.
Bürgermeister über alle Parteigrenzen hinweg freuen sich, wenn sich bei ihnen auf der grünen Wiese Discounter ansiedeln. Damit wird aber der Einzelhandel in ihren Ortskernen geschwächt. Meistens hat das auch Auswirkungen auf die Nachbarkommunen. Wir müssen deshalb auch die Kommunalpolitiker in die Verantwortung nehmen und ihnen diese Folgen deutlich machen.
Der CSU-Regierung und ihrem Heimatminister ist diese Entwicklung anscheinend egal. Auf meine erste Anfrage zum Thema Nahversorgung und auf meine Frage, wie sich der Bevölkerungsanteil mit Einkaufsmöglichkeiten in fußläufiger Entfernung entwickelt hat, bekam ich die Antwort: Das kann mangels statistischer Daten nicht beantwortet werden. Das lief nach dem Prinzip: Wiss‘ ma ned, juckt uns ned. So kann man keine Politik machen.