Die Franzosen singen seit 1795 ein Lied, in dessen Refrain es heißt – übrigens können Sie beim nächsten Fußballländerspiel wieder zuschauen, wie die Spieler das singen –, unreines Blut tränke unsere Ackerfurchen. Das ist vielleicht auch nicht ganz tagesaktuell. Die Italiener haben seit 1847, also seit den Zeiten des Risorgimento, der Vereinigung, eine Hymne mit einem Refrain, in dem es heißt: "Siam pronti alla morte", das heißt: Wir sind bereit, zu sterben für unser Vaterland.
Dann die Bayernhymne: Seit 1860 haben wir ein Lied, das davon völlig abweicht. Eigentlich ist es ein Gebet, weitab von nationalistischen Gedanken, ein Gebet an den Herrgott, dass er auf sein schönes Bayernland aufpassen möge.
Genau diese Art des Liedes als Gebet macht es so zeitlos. Für eine Staatshymne ist es auch üblich, dass sie eine große Verbreitung hat. Jeder, der als einigermaßen bekennender Bayer unterwegs ist, kennt zumindest die erste Strophe auswendig. In den "Gotteslob"-Ausgaben bayerischer Diözesen ist die Bayernhymne als Lied abgedruckt. Sie ist quasi ein historisch-literarisches Werk, das man nicht einfach so ändert. Schillers Gedichte passt man auch nicht einfach dem Zeitgeist an, weil er sich geändert hat.
Wegen dieser Bedeutung und wegen dieser Tragweite ist es für mich höchst befremdlich, was die SPD hier inszeniert. Vor allem ist es befremdlich, wie sie es macht. Wer Dinge mit einer solchen Symbolkraft, einer solchen Identifikationswirkung und einer solchen Verbreitung ändern will, mag das machen, aber dann mag er dazu ein vernünftiges Verfahren benutzen und nicht einen Dringlichkeitsantrag, um die Bayernhymne einfach von heute auf morgen hoppladihopp zu ändern.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Vor der Arbeit dieser Schüler habe ich großen Respekt. Dieser Wettbewerb war auch deswegen, weil so viele teilgenommen und sich über das Thema Gedanken gemacht haben, erfolgreich. Auch vor der Arbeit der Volksstiftung habe ich großen Respekt. Eine Hymne ändert man aber nicht im Vorbeigehen. Wählen Sie dazu ein vernünftiges Verfahren. Wir sind bereit, darüber zu diskutieren.
Zum Abschluss noch ein Tipp an die Kollegen der SPD: Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist: ich bin ganz selten auf SPD-Veranstaltungen. Bei CSU-Veranstaltungen mit großer Bedeutung, zum Beispiel bei Jubiläen, ist es aber üblich, dass am Schluss die Bayernhymne gesungen wird.
Wir singen üblicherweise auch die deutsche Nationalhymne. Sehr gerne würde ich auch noch die Europahymne singen. Aber mit "Freude, schöner Götterfunken" tun wir uns ein bisschen hart, eine europäische Idee zu definieren. Ein Parlamentspräsident in der EU mit dem gleichen Parteibuch wie Sie, hat die Gelegenheit, dieser Europahymne einen Text mit dem Inhalt zu geben, den Sie gerne lesen würden. Vielleicht bringen Sie einen Textvorschlag, das könnte dieses Vorhaben vielleicht befördern.
Herr Huber, vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich habe eine Frage: Sie meinten, dieser Dringlichkeitsantrag würde Ihnen zu "hoppladihopp" gehen. Darum meine konkrete Frage: Wären Sie bereit, sich im neuen Jahr mit den Fraktionen zusammenzusetzen und einen gemeinsamen Antrag auf Einführung dieser dritten Strophe zu formulieren? Wären Sie dann bereit, diesem sinnvollen Vorschlag zu folgen? Dann käme der Antrag nicht nur von einer Fraktion, sondern wir könnten alle unsere Namen auf diesen Antrag setzen. Wäre das möglich? – Wenn Sie eigentlich dafür sind, wäre das doch eine gute Sache.
heute ist es schon oft zitiert worden –, wo diese Hymne verankert ist. Es bedarf keines Entscheids des Parlaments und nicht des Kabinetts; es obliegt dem Ministerpräsidenten, darüber zu befinden, welche Strophen der Hymne derzeit gültig sind. Das ist so festgelegt.
Aus diesem Grunde halte ich einen gemeinsamen Antrag nicht für zielführend. Ich biete Ihnen aber an, einmal vernünftig darüber zu reden, ohne Schaum vor dem Mund und ohne Wahlkampfgeplänkel, ohne dass man diese Dinge politisch ausnützt.
Herr Staatsminister, kommen Sie bitte ans Rednerpult zurück. – Herr Kollege Rinderspacher erhält das Wort zu einer Zwischenbemerkung.
Ich darf daran erinnern, dass der entsprechende Beschluss bereits am 1. Dezember 2012 seitens der Volksstiftung, seitens der Bayerischen Einigung gefasst wurde. Bereits seit 2012 ist diese Organisation mit der Staatskanzlei – Sie sind dort zuständig – in Kontakt. Das heißt, diese dritte Strophe der Bayernhymne ist nichts völlig Neues, das einen Tag vor dem Jubiläum "70 Jahre Bayerische Verfassung" bei Ihnen auf dem Tisch liegt. Vielmehr ist 2012, 2013, 2014, 2015 und 2016 bei jedem Festakt – Sie waren bei einigen dabei und waren auch Festredner – davon die Rede, dass doch bitte die dritte Strophe offiziell anerkannt werden möge.
Nein, nein, für das Singen sind Sie zuständig. – Das ist also definitiv nicht aus der Luft gegriffen und nicht erst seit heute, sondern bereits seit vier Jahren in der Diskussion.
Ich bitte Sie, uns kurz darzustellen, wie Sie in den nächsten Monaten damit umgehen wollen. Sie haben gesagt, Sie lehnen es nicht wirklich ab, Sie sind aber auch nicht wirklich dafür. – Herr Ministerpräsident, ich hätte es begrüßt, wenn auch Sie heute ans Mikrofon getreten wären und gesagt hätten, was Sie davon halten; denn es gibt nicht nur den Antrag der SPD, sondern in der Staatskanzlei liegt bereits seit einigen Jahren auch der Brief von Herrn Besold auf den Schreibtischen. Ich möchte heute von Ihnen wissen:
Wie gehen Sie damit um? Geben Sie diesem Begehren der Bayerischen Volksstiftung und der Bayerischen Einigung statt oder lehnen Sie es heute ein für alle Mal ab?
Ich würde meine Rolle völlig überziehen, würde ich heute entscheiden, dies abzulehnen oder zuzusagen. Ich habe Ihnen gesagt, man sollte darüber vernünftig reden, und ich habe heute auch gesagt, dass ich die Arbeit der Volksstiftung hochachte. Aber nur weil dem Gremium Leute angehören, die der CSU nahestehen, ist dies kein Beschluss. Ich darf Ihnen sagen, dass wir jedes Jahr mehrere Vorschläge für Strophen der Hymne bekommen. Um damit vernünftig umzugehen, braucht es keinen institutionalisierten Vorgang. Ich mache jetzt keine Arbeitsgruppe "Bayernhymne".
Wenn Sie anstoßen, darüber weiter zu verhandeln, können wir uns – gerne auch mit der Volksstiftung – zusammensetzen und das Ganze politisch voranbringen. Aber ich sage Ihnen: Dazu braucht es kein großes parlamentarisches "Brimborium". Ein Dringlichkeitsantrag führt das Ganze nicht weiter. Man muss es anders voranbringen, wenn man das tatsächlich will.
Die SPD-Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Die Urnen stehen bereit. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Ich bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Fünf Minuten stehen zur Verfügung.
Die Zeit ist um. Die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte, die Stimmkarten draußen auszuzählen. Wir geben das Ergebnis zu einem späteren Zeitpunkt bekannt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Aus der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes die richtigen Schlüsse für einen Erhalt des Elements der Volksbefragung ziehen (Drs. 17/14477)
Ich eröffne die Aussprache und darf als Erstem Herrn Prof. Dr. Piazolo das Wort erteilen. Bitte sehr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum reden wir heute über dieses Thema? Erstens, weil morgen Bayerischer Verfassungstag ist und wir 70 Jahre Bayerische Verfassung feiern, zweitens aber auch, weil die Thematik der Bürgerbeteiligung und des Zusammenhalts von Gesellschaften immer dringlicher wird. Wir haben vor Kurzem bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen gemerkt, welche Stimmungen inzwischen im amerikanischen Volk herrschen, und wir sehen dies auch bei uns immer mehr.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen und erzählen, was ich letzte Woche in meinem Stimmkreis erlebt habe, als ich in zwei verschiedenen Schulen vorgelesen habe.
Die erste Schule war eine Mittelschule, 80 % Migrationsquote, zwölf Nationen in einer Klasse. In der 9. Klasse haben beim letzten Mal nur zwei von 25 den "Quali" gemacht. Elternabende funktionieren teilweise nur mit Dolmetschern.
Bei der anderen Schule: ein SUV-Autokorso, die Eltern bringen die Schüler per SUV zur Schule, eine Akademikerquote von 100 %, zumindest, wenn man nur einen Elternteil betrachtet, 70 % Übertrittsquote, und die Eltern machen den Lehrern häufig per Anwalt Druck.
Diese beiden Schulen liegen keine zehn Kilometer auseinander. Die Lebenswelten driften auch hier in München, auch im Freistaat Bayern, immer weiter auseinander. Von den ländlichen Räumen will ich jetzt gar nicht sprechen. Die Bindungswirkung in unserer Gesellschaft geht auch in Bayern immer mehr verloren. Homogenitätsverluste führen bei der Anerkennung eines politischen Systems sehr schnell zu Defiziten. Wie sollte man darauf reagieren? – Ich glaube, nur wer sich einem System zugehörig fühlt, erkennt sich gegenseitig an und verabschiedet sich nicht aus dem System. Insofern ist direkte Demokratie, also die Menschen mitreden zu lassen, eine der Antworten auf die im Moment in Bayern und in Deutschland zunehmende Polarisierung.
Aber die in der letzten Woche vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof gekippte Volksbefragung war das Gegenteil. Deshalb erging das Urteil zu Recht. Das, was die Staatsregierung mit dieser Volksbefragung vorhatte, hätte eine Spaltung der Gesellschaft ermöglicht, hätte die Menschen nicht integriert. Mit dem Integrationsgesetz wird übrigens das Gleiche passieren.
Die Grundidee war richtig, die Ausführung aber falsch. Wenn ein Verfassungsgericht diesen Ansatz mit der Begründung aufhebt, dass sich ein Ministerpräsident immer mehr Rechte zubilligt und das nicht einmal in die Verfassung schreibt, dann hat diese Volksbefragung nichts, aber auch gar nichts, mit echter, direkter Demokratie zu tun.