Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

(Zuruf der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU))

Sehr geehrter Herr Spaenle, Sie haben sich gestern in der Presse anscheinend zum G 9 bekannt. Bravo, Herr Spaenle! Nach jahrelanger Debatte äußert sich der fachlich zuständige Minister endlich kurz vor knapp.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Weil er nichts mehr zu sagen hat!)

Aber er hat wahrscheinlich vergessen, im Vorfeld mit seiner eigenen Fraktion darüber zu reden.

Auch der Ministerpräsident hat sich längst für das G 9 ausgesprochen. Der Finanzminister hat erklärt, dass es am Geld nicht scheitere. Ich frage mich: Warum geht da nichts voran? Als Gymnasial-Mutter sage ich Ihnen: Wir erwarten jetzt eine Entscheidung.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann Sie nur auffordern: Beantworten Sie hier und heute unsere Fragen, etwa: Kommt das G 9? Wann kommt das G 9? Wie und wo kommt es? Müssen tatsächlich 30 % der Kinder im G 8 bleiben?

Sehr geehrter Herr Spaenle, ich möchte Sie nochmals daran erinnern, dass dieser Stillstand mit täglich neuen Prognosen auch für die Kommunen untragbar ist. In meinem Stimmkreis bauen wir gerade ein Gymnasium, das natürlich auf acht Jahre ausgelegt ist. Dieses Gymnasium soll jetzt vielleicht aufgestockt werden, wozu wir einen Baustopp brauchen. Wer trägt diese Mehrkosten? Darf sich der Kreiskämmerer auf

den örtlich zuständigen CSU-Abgeordneten verlassen, der in der Presse erklärt hat, das G 9 komme? Diese Fragen beschäftigen die Kommunen. Aber auch andere Landkreise haben Probleme und wissen nicht, ob sie ihre Gymnasien nachrüsten sollen und anbauen müssen bzw. wer die Kosten trägt.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Sehr geehrter Herr Minister, Landräte und Kreisräte fordern längst einheitlich, dass sich der Freistaat endlich entscheiden müsse.

(Beifall bei der SPD – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Dann soll er die Entscheidung treffen! Das ist die Frage!)

Entscheiden Sie sich! Stimmen Sie unserem Dringlichkeitsantrag zu. Den Dringlichkeitsanträgen der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER werden wir heute auf jeden Fall zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Kollegen Gehring das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Derzeit gibt es, so auch gestern Abend, Info-Abende an Gymnasien. Beispielsweise ist die taffe Schulleiterin eines Gymnasiums im Münchner Osten, die an ihrer tollen Schule für alles einen Plan hat, ratlos, wenn sie den Eltern antworten soll, die fragen, auf welche Schule sie ihre Kinder im nächsten oder übernächsten Jahr schicken sollen. Diese Schulleiterin hat gesagt, sie rechne künftig mit "8 plus". Es ist für die Schulleitung und die Lehrkräfte eigentlich erniedrigend, bei den Informationsabenden den Eltern nicht sagen zu können, wie es an den bayerischen Gymnasien weitergeht. Sie sind ein Opfer der Sturheit der CSU-Fraktion und der völligen Planlosigkeit des Kultusministers.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Die Geschichte des G 8 seit Stoiber ist in der Presse in den letzten Tagen öfter erzählt worden. Die Geschichte des G 8 hat weitere Facetten und ist ein Synonym für die Unzufriedenheit vieler Eltern mit unserem bayerischen Schulsystem, über das Gymnasium hinaus. Schülerinnen und Schüler sowie Eltern finden, dass auf die Kinder viel Druck ausgeübt wird, dass der Unterricht zu wenig auf die Schülerinnen und Schüler ausgerichtet ist,

(Zurufe von der CSU: Baden-Württemberg!)

dass es zu wenig Zeit gibt zum Vertiefen, zur Persönlichkeitsbildung und zum sozialen Lernen sowie für die musische, kulturelle und politische Bildung. Sie wollen doch nicht bestreiten, dass wir seit 14 Jahren eine Diskussion über das G 8 führen, die Unzufriedenheit ausdrückt. Man kann darüber reden, woher diese Unzufriedenheit kommt. Aber das G 8 ist ein Synonym für die Unzufriedenheit vieler Eltern und vieler Bürgerinnen und Bürger mit dem, was an unseren Schulen läuft.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Man kann die Geschichte des G 8 auch als Geschichte der Regierung Seehofers erzählen; denn Ministerpräsident Seehofer ist mit der Aussage angetreten: keine Reform, keine Veränderung an Schulen. Ich zitiere aus seiner Regierungserklärung vom 12. November 2013, worin er drei Garantien gibt. Die erste Garantie lautet:

Unsere Schulen sollen nach Jahren der ständigen Veränderungen jetzt in Ruhe arbeiten können. Deshalb wird es in den nächsten Jahren keine neuen Schulreformen geben.

Das war die Aussage von Seehofer.

(Markus Rinderspacher (SPD): Typisch für Seehofer!)

Minister Spaenle ist für diesen Job ausgesucht worden, und er hatte die Regieanweisung: No acting, Ruhe an der Schulfront. Der Job, den er machen musste, war: Kritik wegreden und wegsalbadern, keine Reformen, höchstens neue Begriffe einführen, die die Schulgemeinde vom Nichtstun ablenken – ich erinnere nur an die Gelenkklasse –, und, wenn es sein muss, den Prellbock geben, der die Watschn abholt, die es für eine verfehlte bayerische Bildungspolitik gibt. Alle Kritik abfedern, das war der Job des Herrn Spaenle. Er hat es gut gemacht, das muss man sagen.

In der neuen Legislaturperiode ist Herr Spaenle Superminister für zwei Ministerien geworden. Seit dieser Zeit hat er ganz aufgehört, Politik zu gestalten und dieses Riesenministerium zu führen. Das G 8 steht stellvertretend für die anderen Themen Hochschule, Kultur usw.

Wie agiert Spaenle jetzt in der Gymnasialdebatte und in den seit Monaten bzw. Jahren stattfindenden unzähligen Gesprächen? Das hat niemand besser als Ministerpräsident Seehofer mit seinen Äußerungen zu

Spaenle ausgedrückt; denn er hat gesagt, die Kritik sei ein bisschen "scheps" gewesen.

(Lachen des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaff- mann (SPD))

Ich finde die Kritik gar nicht "scheps", sondern sehr klar. Ich kann die Kritik Seehofers unterstreichen; denn er hat zu Spaenle gesagt, in ungefähr vierteljährlichem Abstand gebe es neue Ideen, und das immer mit dem Zusatz: aus tiefster Überzeugung. Seehofer sagte auch, dass Spaenle alle Fragen beantworten könne, das habe er schon oft gehört; jetzt werde diesbezüglich die helle Unruhe im Land sein; das gefalle ihm nicht. Erst dann sagte Seehofer, jetzt führe er die Gespräche, aber Spaenle sei immer dabei, also wie der Praktikant.

Welche Aussagen haben wir von Minister Spaenle aus tiefster Überzeugung zum G 8 gehört? – "Das G 8 hat sich bewährt."

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Lieber Herr Kollege Pfaffmann, wir haben es Tausend Mal gehört.

Dann sprach Spaenle vom bayerischen Gymnasium in seiner achtjährigen Form. Schließlich gab es die Flexibilisierungsklasse, dann die Mittelstufe Plus, die Wahlmöglichkeit und das Gymnasium mit Überholspur oder mit Bremsspur. Gestern verriet er uns seine Haltung und sagte, er sei für ein grundständiges neunjähriges Gymnasium. Also: bisher Begriffskreativen, jetzt Haltung. Glückwunsch, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aber dieser Minister ist immer noch nicht in der Lage, die Fragen zu beantworten, die seine Fraktion, aber auch die ganze Bildungsgemeinde landesweit an ihn hat. Diese Fragen stellen sich seit Monaten. Übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Auch Sie haben an die SPD und an uns diese Fragen gestellt, als wir hier unsere Gesetzentwürfe vorgelegt haben. Aber Sie haben offensichtlich nie daran gedacht, diese Fragen für sich selber zu beantworten.

(Otto Lederer (CSU): Natürlich! Schon längst! – Markus Rinderspacher (SPD): Warum sind Sie dann nicht so weit?)

Er fragt nur, beantwortet aber seine eigenen Fragen nicht. Das ist das Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Wie geht es nun? Muss man den Lehrplan einfach von acht Jahren auf neun Jahre strecken? – Unseres

Erachtens geht das nicht. Wir brauchen mehr Zeit für Vertiefung, und wir brauchen neue Inhalte. Aber das darf die Schülerinnen und Schüler nicht überfordern. Dann kommt die Frage, was es kostet. 1.000 Stellen? 1.500 Stellen? Was ist mit den Kommunen? Was ist mit der Konnexität? Was kostet das G 9 die Kommunen? Wie steht der Freistaat in der Pflicht? Darauf gibt es keine Antworten, keine aus der Fraktion und keine aus dem Kultusministerium.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Nix!)

Ich frage mich schon, was dieser Kultusminister und sein Ministerium eigentlich seit Sommer getan haben. Haben Sie denn nicht einen Stift in die Hand genommen und ein bisschen gerechnet? Haben Sie denn nicht verschiedene Varianten durchgerechnet oder Prognosen aufgestellt? – Offensichtlich gar nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist armselig.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): So wie Seehofer gesagt hat!)

Aber man muss natürlich Verständnis für die CSUFraktion und den Minister haben. Sie sind in der Paradiesfalle. Sie sagen immer, Bayern ist die Vorstufe zum Paradies – wir hören es hier ständig –, das bayerische Schulsystem und das bayerische Gymnasium einschließlich G 8 sind die besten auf der Welt, alles hat sich bewährt, alles ist ideal. Auch der Kultusminister sagt, wir sind die Besten, und das, was im Dialogverfahren vorgeschlagen wird, machen wir alles schon; wir haben alles im Griff. – Wie soll so jemand auf einmal eingestehen: Wir haben doch nicht alles im Griff; es ist doch nicht alles so toll; wir haben doch ein massives Problem mit dem G 8 und müssen etwas verändern? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, er müsste dann auch noch feststellen: Wir haben nicht nur ein Problem beim G 8, sondern auch bei den anderen Schularten. Wer kann aus diesem paradiesischen Zustand auf einmal in den Modus übergehen, dass er etwas verändern muss? – Das ist natürlich unmöglich. Das verstehe ich sehr gut, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Sie verstehen gar nichts, Herr Kollege! – Florian von Brunn (SPD): Das sagt der Richtige! – Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege, es ist bezeichnend, dass Sie als stellvertretender Vorsitzender des Bildungsausschusses und als Sprecher des Arbeitskreises Bildung der CSU zu diesem Thema seit Wochen und Monaten nichts sagen und auch heute nicht auf der Rednerliste stehen. Sie haben zu diesem Thema offenbar nichts zu sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN – Volkmar Halbleib (SPD): Da sind wir wieder beim politischen Aschermittwoch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ganz klar: Wir brauchen ein G 9 neu. Das ist nicht mit denjenigen möglich, die bisher das G 8 schöngeredet haben. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Der Ministerpräsident ist heute nicht da. Er ist krank. Ich verstehe das. Wenn man krank in lange Arbeitskreissitzungen der CSU geht, wird man dabei nicht gesünder.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Sehr sachlich!)