Protokoll der Sitzung vom 27.01.2000

sondern Sie haben zu diesem Antrag gar nichts gesagt! Herr Kuhn ist eben zum Schluss noch einmal auf seinen eigenen Antrag eingegangen, wenigstens das, aber Sie haben nichts anderes versucht als das, was Sie gestern in der Fragestunde auch schon versucht haben. Sie haben versucht, sich einen Anlass zu suchen, um das, was in Deutschland diskutiert wird und zu Recht diskutiert wird, hier nach Bremen oder Bremerhaven zu holen, damit auch Sie sich ein kleines Stück von den abfallenden Krümeln, von denen Sie glauben, dass sie Ihnen zugute kommen, hier noch einstecken können!

(Zuruf der Abg. Frau L i n n e r t [Bünd- nis 90/Die Grünen])

Ich werfe Ihnen das gar nicht vor, das ist Parteitaktik! Dafür habe ich großes Verständnis, aber lassen Sie mich wenigstens sagen, dass wir es durchschaut haben, dass Sie nicht in Sorge um die Grenze von 10.000 oder 20.000 DM hier einen Antrag vorgelegt haben!

(Beifall bei der CDU)

Ich will auch etwas zu der Veranstaltung im Park Hotel sagen. Wissen Sie, Ihnen gefällt ja nicht nur nicht, dass wir Herrn Dr. Kohl eingeladen haben!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Was er gesagt hat, missfällt uns!)

Nicht einmal das! Ihnen gefällt das Ergebnis der Veranstaltung nicht. Wenn da 4000 Leute buh ge_______

) Vom Redner nicht überprüft.

schrien hätten, hätten Sie hier heute diese Veranstaltung ausdrücklich begrüßt und hätten gesagt, es war richtig, dass Sie ihn eingeladen haben.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt waren da 4000 Bürger dieser Stadt, die sich ein Bild gemacht haben, sich eine Meinung gebildet und sich im Rahmen dessen, was ihnen zusteht, nämlich die Informationsbedürfnisse zu befriedigen, dahin begeben haben.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn Sie hier sagen, und nichts anderes machen Sie, dass diese 4000 Leute sich falsch verhalten haben und nicht in Ihrem Sinne verhalten haben, dann erklären Sie öffentlich, dass die alle falsch liegen und Sie richtig, aber das müssen Sie denen überlassen! Auch das gehört zur Freiheit in diesem Land, dass man sich seine Meinung selbst bilden kann.

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie, Herr Dr. Kuhn, Ihre Worte können Sie sich an die Brust heften, sieben Mal: Ich verlange jetzt die Auskunft, ich verlange jetzt die Auskunft! Sie und die Öffentlichkeit bekommen die Auskünfte, die vorgesehen sind!

(Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Nicht mehr und nicht weniger! Für Bremen bedeutet das, dass wir das, was wir erhalten haben, wie Sie sagen, der Rechenschaftsbericht bezieht sich auf die Zeit seit 1993, rechtmäßig verbucht haben. Jetzt will ich Ihnen zu dem etwas sagen, weil Sie das gerade angesprochen haben, vor 1993. Wissen Sie, bringen Sie andere nicht in die Lage, über die Zeit der Aufbewahrungspflicht von Unterlagen hinaus, denn dass man mit nicht vorhandenen Unterlagen nichts mehr aufdecken kann, ist ja wohl etwas nachvollziehbar, in die Zeit von — ja, da kommt der Ruf von der SPD! — vor 1993, vor 1985!

Meine Damen und Herren, ich will hier gar nicht aufrechnen, ich werde das auch nicht machen, was in anderen Bundesländern mit wem geschehen ist. Ich sage nur, hohe, zweistellige Millionenbeträge und Bargeldkoffer mit sechs Millionen DM sind über Israel und die Schweiz nach Deutschland gekommen, ohne dass die CDU daran beteiligt war, und das war auch alles vor der Frist von sechs Jahren Aufbewahrung von Unterlagen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Und wer war das?)

Wenn jemand von uns fordert, von vor 1993 Rechenschaft zu geben, dann bitte die Forderung an sich selbst, dann an alle Parteien, dann von mir aus von 1993 bis 1975 zurück! Dann können wir mit gleichen Waffen kämpfen und brauchen uns hier von Ihnen nichts vorhalten zu lassen.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Lieber Herr Isola, so eindeutig ist die Rechtsauffassung nicht, dass es sich um einen Verfassungsverstoß handelt. Richtig ist, es gibt Verstöße gegen das Parteiengesetz, aber die Regelungen, die getroffen werden, die im Belieben des Gesetzgebers liegen, ob er sagt, 10.000 DM Grenze, 20.000 DM, 50.000 DM, mit rechtlichen Folgen oder nicht, ob nur Privatpersonen spenden dürfen, ob Firmen spenden dürfen, ob Gesellschaften spenden dürfen, das regelt alles das Parteiengesetz. Ein Verstoß gegen diese Regelungen ist immer ein Verstoß gegen das Parteiengesetz. Aber ich halte relativ wenig davon, wenn wie ein Gral vor sich hergetragen wird, es handele sich hier, wie ich gestern befragt worden bin, um Hochverrat, um den Verfassungsverstoß an sich, etwas Schlimmeres habe es noch gar nicht gegeben. Wissen Sie, meine Damen und Herren, Verfassungsverstöße in viel gravierenderem Umfang haben sich diejenigen zu Schulden kommen lassen, die über 25 Jahre lang gegen die Wiedervereinigung, obgleich es im Grundgesetz steht, verstoßen haben.

(Beifall bei der CDU — Widerspruch bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen — Abg. T i t t m a n n [DVU]: Bravo!)

Meine Damen und Herren, ich wundere mich so ein bisschen bei den Grünen, die sich jetzt hinstellen, obwohl sie wissen, dass es nicht so ist, und rufen im Prinzip nicht nach Strafverschärfung, denn die Strafe gibt es ja nicht. Sie rufen endlich nach Bestrafung, jetzt müssten Strafen her und Strafverschärfung. Da hat das alles gar nichts damit zu tun, was der Mann vorher gemacht hat. Wissen Sie, gerade Sie, und das sage ich auch Herrn Isola, der das auch beruflich kennt, die bei jeder Beurteilung eines Vorganges immer alles in Erwägung ziehen müssen, das ganze Leben eines Menschen, um den es geht, da ist es schon auffällig, wenn Sie auf einmal Ausnahmen machen wollen und hier erklären — —.

(Zuruf des Abg. I s o l a [SPD])

Es gibt kein Strafmaß! Das will ich hier auch noch einmal für die Öffentlichkeit deutlich sagen. Ausdrücklich sieht das Gesetz keine Strafen vor. Es ist keine strafbare Handlung! Es ist ein Parteiengesetz. Die Rechtsfolgen sind darin, welche finanziellen Auswirkungen es hat. Insofern, Frau Linnert, ist meine Aussage, wie auch immer sie heute in der „taz“ steht,

die ich noch nicht gelesen habe, völlig richtig. Die einzige Bewehrung dessen, was ein Verstoß gegen das Parteiengesetz beinhaltet, ist, dass diese Beträge zurückgeführt werden müssen und das Doppelte dieses Betrags aus Wahlkampfkostenerstattungen einbehalten wird. Damit werden Sie sich abfinden müssen! Sie können diese Vorgänge in Diskussionen, wie immer Sie wollen, kriminalisieren, es sind keine kriminellen Handlungen, sie sind nicht strafbewehrt, und nachdem das, was erforderlich ist, bezahlt worden ist, ist der Vorgang erledigt.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich sage Ihnen heute schon, wir werden uns letztendlich nur über die Beträge von nach 1993 unterhalten und nicht über irgendwelche fiktiven Dinge, von denen Sie oder auch manche Medien glauben, damit eine besondere Effekthascherei betreiben zu können, wie heute Professor von Arnim inzwischen hochgerechnet hat, die CDU müsste eine Milliarde DM zurückbezahlen. Das macht sich als Schlagzeile natürlich besonders gut. Das, was vorliegt, was die Bundesebene betrifft, sind 2,14 Millionen DM seit 1993. Das Dreifache davon sind zwölf Millionen DM, das sind nicht 50 Millionen DM, nicht 100 Millionen DM, nicht 400 Millionen DM und ist schon gar nicht eine Milliarde DM!

Hessen wird geklärt werden, und dann wird sich die hessische CDU um die finanziellen Folgen kümmern müssen. Hier in Bremen ist für uns der Vorgang insofern erledigt! — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU — Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Trüpel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, und das ist auch das größte Problem, das ich heute mit dieser Debatte hier im Hause habe, dass die CDU nicht mit der notwendigen Sensibilität auf die Lage im Lande und auf die Beunruhigung vieler Bürgerinnen und Bürger reagiert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Herr Teiser, Sie versuchen, hier den Eindruck zu erwecken, als ob man das alles so zur Seite schieben könnte. Ich halte das für einen großen politischen Fehler! Seit Wochen ist eine Lage im Land eingetreten, die uns alle sehr beschäftigt, denn alle Politikerinnen und Politiker sind in Misskredit geraten, und das nicht zu Unrecht! Das ist ein gemeinsames Problem, das wir haben, und wir alle sind auf

gefordert, zu einer Erneuerung der Demokratie und zu einer Glaubwürdigkeit der Politik wieder beizutragen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Dimensionen der Verfehlungen sind in der Tat unterschiedlich, meine Kollegin Frau Linnert hat darauf eben schon in aller Deutlichkeit hingewiesen.

Ihr Kollege Ole von Beust in Hamburg hat einen ganz anderen Ton in der Debatte gewählt, er hat sich nämlich entschuldigt für das Gebaren in Hessen und auch für das, was Herr Kanther da getan hat. Er hat den Auftritt von Herrn Kohl weder in Hamburg noch in Bremen gutgeheißen. Eine solche Entschuldigung halte ich für angemessen, weil es hier um die Verletzung der Verfassung geht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte Ihnen noch einmal sagen, warum für uns der Auftritt von Herrn Kohl, Bundeskanzler außer Dienst, hier in Bremen so ein Problem gewesen ist, weil Sie das offensichtlich immer noch nicht richtig verstehen können. Sie haben Herrn Kohl, und das ist das Problem, die Bühne gegeben, mit seinem Ehrenwort, das er hier zelebriert hat, die Verfassung zu verletzen. Das ist genau der politische Punkt, den Sie hier nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Man kann ein Ehrenwort nicht über die Verfassung stellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich erwarte auch hier und heute, dass der zweite Bürgermeister dieser Stadt sich hierzu erklärt. Herr Nölle hat schon über die Presse dieses Ehrenwort gutgeheißen. In welchem Land leben wir denn! Es kann sich doch nicht ein Bundeskanzler a. D. hinstellen und sein eigenes Gebaren über die Grundlagen unserer Gesellschaft stellen. Das ist ein eklatanter Mangel an republikanischer Gesinnung! Das ist es, was wir kritisieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich kann auch in Bezug auf die Rede von Herrn Eckhoff nur feststellen, es handelt sich für mich, so, wie Sie hier heute agiert haben, um politische Schizophrenie. Einerseits haben Sie mit einer gewissen Vorsicht das Ehrenwort kritisiert, und gleichzeitig haben Sie bei dem Auftritt im Park Hotel sich davon in keiner Weise distanziert. Das ist unglaubwürdig!

Wir verlangen von Ihnen, dass Sie dieses Ehrenwort hier und heute kritisieren und sich zu einer wirklich republikanischen Gesinnung bekennen!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Haben Sie mei- ner Rede zugehört, Frau Dr. Trüpel?)

Ja, ich bin deswegen extra da gewesen, um mir das anzuhören, weil es mich auch interessiert hat.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Nein, ich habe gar nicht geredet im Park Hotel! Ich habe heute geredet!)

Ich habe heute der Rede zugehört, und ich möchte noch einmal sagen, in unserem Land mit der Geschichte, die wir haben, kann man nichts anderes tun, als die Verfassung über alle anderen Erwägungen zu stellen. Deswegen ist es auch erschreckend, wenn so viele Menschen im Park Hotel Herrn Kohl, wenn er dieses Ehrenwort über die Verfassung stellt, zustimmen. Es waren in der Tat nicht alle, es hat auch leise Kritik gegeben, aber die große Mehrzahl derjenigen, die da gewesen sind, hat das gutgeheißen. Das ist ein politisches Problem. Das lässt tief blicken, das heißt nämlich, dass Ehrenworte von Einzelnen über die Verfassung gestellt werden. In unserem Land zeugt das davon, dass es immer noch ein Denken gibt, das sich nur auf Personen, auf Gemeinschaften und auf Cliquen bezieht und das sich nicht so weit wirklich demokratisiert und modernisiert hat, dass man die Grundlagen eines Verfassungsstaates für unantastbar hält.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)