Protokoll der Sitzung vom 23.02.2000

Die Kommission betrachtet die Lehrerausbildung als berufsbiografischen Prozess. Das ist richtig, und dieser Prozess beginnt mit dem ersten Tag der Ausbildung. Dazu gehören ein umfangreiches Praktikum während der ersten Phase, in dem sich der Lehramtsstudent selbst prüfen kann, und eine von Praxis und Theorie geprägte zweite Phase. Aber die erste und die zweite Phase müssen nach dem Kommissionsbericht viel enger von den Inhalten, den Institutionen und den Einrichtungen und den Ausbildern verknüpft werden.

Die Inhalte, Herr Senator, stehen heute in den einzelnen Phasen häufig neben- oder hintereinander und erfahren überhaupt gar keine Verknüpfung. Auch das ist ein weiterer Kritikpunkt der Kommission. Die Verknüpfung könnte durchaus dazu beitragen, dass der Praxisschock für viele junge Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie denn in den Schuldienst eintreten, vermieden wird.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Hatten wir schon lange nicht mehr!)

Wir stellen auch hin und wieder Lehrer ein, Herr Zachau, so ist das ja nun nicht!

Dieser Prozess der ersten und zweiten Phase muss in einen lebenslangen Entwicklungs- und Selbstlernprozess übergehen, in ein lebenslanges Lernen in Form von Weiter- und Fortbildung, und sie kommen mir, meine Damen und Herren, Herr Senator Lemke, in der Antwort des Senats viel zu kurz!

Es ist kaum darauf eingegangen worden, obwohl der Kommissionsbericht darin gute Ansätze formuliert hat. Lehrer gehen mit einem umfangreichen Wissen um, dürften beziehungsweise dürfen eigentlich nie ausgelernt haben, so sollte doch gerade Lehrern die kurze Halbwertzeit des Wissens bekannt

sein. Die Computer, meine Damen und Herren, Frau Kauertz hatte das angesprochen, lösen das Problem im Grunde genommen nicht. Sie machen es vielleicht mehr als deutlich. Die Aktualität von Wissen, meine Damen und Herren, spielt gerade für Lehrer eine große und wesentliche Rolle. Deshalb muss es eine systematische Fort- und Weiterbildung in festen Zyklen und vorbildhaft organisiert geben. Der Bereich der Wirtschaft ist da erheblich weiter.

Ein Letztes, meine Damen und Herren! Das Thema Lehrerausbildung kann hier nur, Herr Mützelburg hatte das ebenfalls angedeutet, in einigen Punkten aufgegriffen, diskutiert werden. Es wird notwendig sein, die Umsetzung des Kommissionsberichts im Einzelnen und zu gegebener Zeit in der Deputation zu besprechen und zu prüfen, welche der von der Kommission vorgeschlagenen Punkte einer Änderung zugeführt werden sollten und welche nicht, Herr Mützelburg, auch die wird es natürlich geben, naturgemäß! — Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Käse.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt, da Herr Mützelburg vorhin keine Zwischenfrage akzeptierte, von dieser Stelle die Möglichkeit nutzen, einen doch, denke ich, falschen Eindruck zu korrigieren, der insbesondere in seinem Beitrag im Raum hängen geblieben ist, den aber leider auch der Kollege Bürger durch seinen Beitrag etwas bestätigt hat.

Das bezieht sich auf die Ausstattung der Fachdidaktiken an der Universität. Sie haben beide davon gesprochen, Herr Mützelburg allerdings in wesentlich stärkerem Maße, dass das, ich nenne das jetzt einmal so, unterbelichtet sei.

(Abg. B ü r g e r [CDU]: Was auch stimmt!)

Nein, das stimmt nicht! In der Gründungsphase der Universität Bremen stand die Lehrerausbildung an erster Stelle. Sie hat durchaus immer noch einen sehr hohen Stellenwert trotz allem Umbau, den die Universität in den letzten Jahren und Jahrzehnten erfahren hat. Sie können selbst aus der Antwort des Senats entnehmen, dass die Hochschulentwicklungsplanung, in diesem Sinne auch der Hochschulgesamtplan, mehr als zehn Prozent sämtlicher Hochschullehrerstellen für die Fachdidaktik vorsieht. Das ist eine Zahl für den Sollzustand. Der Istzustand ist so, dass wir eben aus dieser Tradition einer ursprünglich für den Schwerpunkt der Lehrerausbildung konzipierten Universität noch weit mehr Fachdidaktikstellen an der Universität haben.

Wir haben im Augenblick ungefähr 330 Professorinnen und Professoren an der Universität, und wenn Sie davon zehn Prozent nehmen, sind das 33, und meines Wissens, und ich habe lange genug Zeit an dieser Universität verbracht, ist jedes Fach mit mindestens einem Didaktiker, die meisten Fächer mit zwei Fachdidaktikern ausgestattet. Das gibt eine Summe von rund 50 Fachdidaktikstellen im Augenblick, und das ist wirklich nicht wenig.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie hier aus der Antwort des Senats zitiert haben, sind acht Hochschullehrer, die in den letzten Jahren neu eingestellt wurden, Neueinstellungen, das heißt frei werdende Stellen, die neu besetzt wurden, nichts anderes. Wenn die Universität insgesamt nur acht Fachdidaktiker hätte, dann wäre das wirklich ein Armutszeugnis, aber ich kann Ihnen versichern, zum Glück ist es nicht so. — Danke!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Mützelburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wenn der Herr Kollege Bürger hier über den biographischen Weg der Lehrer und was im Kommissionsgutachten dazu steht reflektiert hat, ich will jetzt nicht über meine eigene Biographie reden, sondern nur auf drei Punkte — —.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Schade, wir hatten uns schon gefreut!)

Ich bin leider oder glücklicherweise, je nachdem, wie Sie es betrachten, auch kein Lehrer.

Ich wollte auf drei Punkte der Debatte eingehen. Erstens, Herr Kollege Käse, hier beruht das einfach auf einem Missverständnis. Sie rechnen alle Hochschullehrer für Erziehungswissenschaften und Fachdidaktik zusammen. Das ist aber ein Unterschied. Ich habe vorhin versucht zu erklären, was Fachdidaktik ist. Es gibt eine Menge Erziehungswissenschaftler an der Universität, die Zahl nimmt ab. Der Hochschulgesamtplan schreibt fest, was wieder neu besetzt werden soll, gerade jetzt bei der Altersumschichtung, und das ist in den Bereichen leider nicht so toll. Insofern hat Herr Bürger vollständig Recht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist das eine! _______

) Vom Redner nicht überprüft.

Das Zweite ist, ich will noch zwei Dinge nachtragen, die ich vorhin aus Zeitmangel nicht sagen konnte. Es ist richtig, was Herr Bürger gesagt hat, dass in den Prüfungsordnungen eine ganze Menge Sachen für das Lehrerstudium modernisiert worden sind. Das ändert aber jetzt erst einmal überhaupt nichts daran, dass dies in der Praxis, in den Inhalten der Ausbildung im Moment nicht repräsentiert ist, weil es dafür keine ausreichenden Konzeptionen gibt.

Herr Senator Lemke weist selbst in seiner Antwort in einigen Punkten darauf hin, dass etwas entwickelt werden soll, nämlich bilinguale Ausbildung, künftige Berufsausbildung und die ganze Frage der modernen Kommunikationstechnologien. Da steht „weiterentwickeln“, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, im Text. Da ist im Augenblick ein Defizit, weil es nicht einfach darum geht, dass das, was jetzt gemacht wird, ausgebaut oder weitergemacht wird, sondern hier geht es tatsächlich um Konzepte, die auch im Jahre 2010 noch tragfähig sind, und um Ausbildung, die dann noch halbwegs tragfähig ist.

Wenn wir nicht gleich sagen, wir erledigen alles durch Fortbildung, dann können wir die Ausbildung auch kräftig zusammenstreichen! Dann müssen Sie auch ehrlich sein. Es gibt schon bestimmte Grundkompetenzen, die jetzt gelegt werden müssen. Das, finde ich, ist in dem Zusammenhang wichtig.

In dem Zusammenhang wäre es vielleicht auch noch einmal sinnvoll, das betrifft jetzt die dritte Phase, die verbindliche Fortbildung, die Lehrer in den Schulen tatsächlich durch ein Konzept der Betreuung und Beratung in der Eingangsphase zu stärken. Das geht nur, wenn man die Arbeitszeit nicht weiter verdichtet.

Frau Kollegin Hövelmann, Herr Kollege Bürger und alle anderen Bildungsdeputierten haben ja diese dicken Papiere des Bildungssenators gelesen, in denen steht, dass immerhin durchschnittlich in Bremen eine Lehrerin und ein Lehrer, egal, wie alt sie sind, egal, was sie machen, 24,8 Stunden vor der Klasse unterrichten. Das ist Spitze in der Bundesrepublik, das ist aber auch Spitze in der Arbeitszeitverdichtung. In Bayern kommt man da gerade auf 22,8 Stunden, zwei Stunden weniger in der Woche. Das ist ganz viel.

Wenn man unter diesen Bedingungen Lehrern das am Anfang ihrer Berufsphase noch oben darauf tut, dann ist das eben genau nicht die Einführung, sondern dann ist das immer nur weitere Verdichtung der Arbeitszeit. Das führt nicht zu Qualität, sondern eher zu Dequalifizierung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte darauf noch einmal aufmerksam machen, dass man auch ein solches Konzept nicht einfach aus der Schublade zieht, sondern noch einmal genau überlegt, was in den Schulen, und zwar in

den unterschiedlichen Schularten, möglich ist. Da gibt es dann natürlich in den Schulen selbst, damit das mit dem Unterricht gleichmäßiger verteilt wird, noch eine ganze Menge Entlastungsmöglichkeiten. Ich will jetzt nicht noch einmal über EDV reden, aber es gibt zum Beispiel an größeren Schulen vielleicht auch eine sinnvolle Möglichkeit, das, was Lehrer nun wirklich, wenigstens die meisten, nicht so gut können, nämlich das Management, das Verwalten, gerade in der autonomen Schule, noch einmal anders abzudecken und Fachkräfte heranzuziehen, die nicht alle mit dem Gehalt eines Oberstudiendirektors finanziert werden müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu einer Reihe der angesprochenen Punkte möchte ich Stellung beziehen, obwohl es sehr schwer ist zu diesem sehr, sehr umfangreichen Papier, das über Monate, ich glaube, Jahre von der KMK erarbeitet worden ist und über dessen Zustandekommen wir auf Bundesebene insgesamt ja sehr zufrieden sein können, dass es darüber eine so einheitliche Meinung gegeben hat.

Ich möchte dennoch auf einige Punkte eingehen und natürlich zu Ihnen als erstem, Herr Kollege Mützelburg. Wir wollen immer gern Spitze sein. Wenn ich sagen kann, dass wir die fleißigsten Lehrer in unserem Land haben, dann bin besonders stolz. Das meine ich mit vollem Ernst.

(Beifall bei der SPD)

Ich schäme mich dann auch nicht. Wir sind immerhin, wie Sie ja auch wissen, ein Nehmerland. Wenn ich zur KMK, noch dazu als Präsident, gehen und sagen kann, Moment einmal, wir bekommen von euch Geld, aber unsere, zum Beispiel, Lehrerinnen und Lehrer sind an dieser Stelle spitze, dann schäme ich mich nicht dafür, sondern dann sage ich das auch draußen mit Fug und Recht mit Stolz.

Ich sage Ihnen zu den von Ihnen angesprochenen Punkten des Weiteren Folgendes: Es ist schon verwunderlich, wie sehr Sie von uns jetzt den Personalmix einfordern. Ich begrüße das außerordentlich. In einer früheren Debatte, erinnere ich mich, als es um die verlässliche Grundschule ging, da habe ich aber gerade von Ihrer Fraktion gehört, dass der Personalmix eine ganz gefährliche und ganz schlimme Sache für die Schulen sein kann. Ich erinnere mich daran. Ich renne im Augenblick fast täglich durch derartige Veranstaltungen und kann Ihnen sagen, lieber Herr Mützelburg, ich nehme den Ball dan_______

) Vom Redner nicht überprüft.

kend auf, und ich finde es auch genau richtig, dass wir demnächst wieder verstärkt mit Personalmix insgesamt an unseren Schulen arbeiten müssen. Ich sage Ihnen dazu auch ein paar Beispiele.

Ich höre diese sich überschlagenden Meldungen von der Deutschen Telekom, AOL haben wir gestern gehört, gern. Ich höre das deshalb gern, weil es uns Millionenausgaben erspart, bin aber nicht so blauäugig, dass ich nun glaube, dass das nun alles die herrlichsten Weihnachtsgeschenke sind. Das sind sehr, sehr schöne Marketingstrategien dieser Firmen um die zukünftigen Kunden.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Aber Sie wis- sen, das ist mit Herrn Schröder vereinbart in Norderstedt!)

Ja, natürlich ist das verabredet, das ist ja auch in Ordnung. Wenn wir nur für das kleine Bundesland Bremen hiermit Millionen sparen können, dann ist das eine positive Sache, und dann bemäkele ich das nicht.

(Beifall bei der SPD — Abg. P f l u g - r a d t [CDU]: Das klang so ein bisschen!)

Nein! Nur, ganz so blauäugig sind wir dann auch nicht, dass wir nun nur danken, sondern wir wissen auch ganz genau, dass das auch eine sehr schlaue Marketinggeschichte ist, denn sonst hätte AOL mit Sicherheit auch gestern nicht so schnell reagiert.

Personalmix in diesem Zusammenhang, lieber Herr Mützelburg, bedeutet für mich, dass wir in Kürze überlegen müssen, was wir mit der technischen Wartung der Geräte machen, mit denen wir jetzt Schule für Schule ausstatten. Das geht nicht an, dass wir da die Lehrerinnen und Lehrer allein lassen, sondern wir müssen ihnen eine technische Assistenz über PC-Assistenten liefern. Das ist ohne Wenn und Aber richtig und viel günstiger, als das von Lehrern machen zu lassen.

(Beifall bei der SPD)