Protokoll der Sitzung vom 23.02.2000

Trotzdem: Steuerhinterziehung ist deswegen noch kein Kavaliersdelikt irgendwelcher Ehrenmänner, sondern eine kriminelle Handlung!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Steuerhinterziehung ist letztlich nichts anderes als Diebstahl an den vielen ehrlichen Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen, mit deren Steuern dann die entgangenen Einnahmen ausgeglichen werden müssen. Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft haben ergeben — und ich nenne jetzt die Zahlen, Herr Mützelburg hat nur gesagt, dass es viele sind —, dass jährlich 120 Milliarden DM durch Steuerhinterziehung verloren gehen. Die legalen Schlupflöcher sind da noch gar nicht mitgerechnet.

Sicher kann man die Summe nicht völlig eintreiben, denn dann müsste man hinter jeder Mark eine Steuerfahnderin oder einen Steuerfahnder hinterherschicken. Aber gut ein Drittel davon könnte man schon erreichen, wenn man endlich das Personal der Steuerfahndung aufstockte — dass sich das allemal lohnt, zeigt auch die Antwort des Senats — oder das Bankgeheimnis lockerte. Über Sparpakete und Haushaltsnotlagen bräuchten wir dann möglicherweise nicht mehr so viel zu reden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn wir über Steuergerechtigkeit reden, brauchen wir das nicht nur anhand der Vermögensteuer zu tun. Es würde schon reichen, Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Un

ternehmen wenigstens annähernd gleich und zeitnah zu behandeln. Wir, die wir Gehalt und Einkommen beziehen, werden ja jedes Jahr besteuert. Eine Untersuchung der Arbeiterkammer Bremen aus 1999 hat ergeben, dass zum Beispiel Mittelbetriebe in Bremen alle achteinhalb Jahre geprüft werden und in Thüringen alle 17 Jahre. Das heißt also, dass in Thüringen noch nie ein Mittelbetrieb geprüft worden ist seit 1990.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Die gibt es ja auch noch nicht seit 17 Jahren! — Präsident We b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ja, eben! Zum Glück steht Bremen im Ländervergleich nicht allzu schlecht da, meine Vorrednerinnen haben schon darauf hingewiesen, alles andere wäre in der Tat auch fatal gewesen. Trotzdem ist für mich die Antwort des Senats an einigen Stellen etwas unbefriedigend ausgefallen. Zum Beispiel kann ich mir nicht vorstellen, wie die aufgelaufenen Fälle bei der Steuerfahndung allein durch Amtshilfe abgearbeitet werden sollen. Das heißt doch am Ende nichts anderes, als dass die Arbeit woanders liegen bleibt! Auch hätte ich mir in der Frage, wie der Senat sich für eine bundesweite Einhaltung beziehungsweise Erreichung der selbst gesetzten Standards einsetzen will, etwas mehr Engagement gewünscht. Es reicht doch am Ende nun wirklich nicht, unter den Blinden als Einäugiger König zu sein!

(Beifall bei der SPD)

Alle Länder würden sich bemühen, die Standards einzuhalten, heißt es in der Antwort des Senats. Wenn in meinem Zeugnis steht, die Kollegin hat sich immer bemüht, heißt das soviel wie durchgefallen, und kein vernünftiger Mensch würde mich noch einstellen. Meine Damen und Herren, wir haben uns selbst vor einiger Zeit ein Sanierungssicherstellungsgesetz verordnet. Da können wir, denke ich, vom Finanzsenator erwarten, dass er sich auch in dieser Frage mehr als bemüht, um seinen Beitrag zur Sanierung Bremens und des Bundes zu leisten.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort Staatsrat Metz.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mir jetzt eindringlich sagen, dass wir keine Steuerdebatte führen wollen, und deswegen will ich das auch nicht anfangen. Aber Lust hätte ich gehabt!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Machen Sie doch ruhig! Jetzt dürfen Sie doch!)

Ich will gleich mit dem Stichwort Steuerfahnder beginnen, weil hier ja der einzige Punkt zu sein scheint, wo wir uns in der an sich ja relativ großen Einigkeit nicht völlig einig sind. Wir haben, das ist schon gesagt worden, in der Bundesrepublik Deutschland 1500 Steuerfahnder. Der Bundeskanzler verfügt übrigens über kein Fahndungspersonal, sondern nur die Länder, wenn ich das noch einmal eben sagen darf.

Bremen repräsentiert etwa ein Prozent der Wirtschaftskraft der Bundesrepublik Deutschland. Wenn ich das jetzt auf Fahnder umrechnete, wären wir bei gut einem Prozent, also bei 15 Fahndern. Wir haben 28 Fahnder, wir sind praktisch bei zwei Prozent, und ich gebe zu, das ist zwar nur das kleine Einmaleins, aber mit solchen einfachen Bildern kann man manchmal die Problematik deutlicher darstellen als durch allgemeine Reden. Deswegen sage ich, wir liegen auch bei der Zahl der Fahnder außerordentlich gut.

Richtig ist, dass wir durch die Bankenfälle einen — aber einmaligen — Arbeitsmehraufwand haben. Hier stellt sich einfach die Frage — natürlich gibt es hier immer einmal wieder Diskussionen auch mit der betreffenden Gewerkschaft —: Soll man aufgrund eines zeitlichen, aber zeitlich begrenzten Engpasses langfristige Personalaufstockung betreiben? Deswegen haben wir gesagt, im Prinzip ist die Zahl von 28 Fahndern in Bremen vernünftig, und die Engpässe werden durch die beschriebenen Maßnahmen abgearbeitet. Das ist die Position.

Aber Sie haben Recht: Natürlich erwarten die Länder und auch der Bund von Bremen, und sie können das auch erwarten, dass die Freie Hansestadt ihre originären Steuerquellen wirklich ausschöpft. Deswegen ist es eben wichtig, und ich will es auch noch einmal sagen, dass Bremen nachweisen kann, dass es die erforderlichen Prüfungsdichten erreicht. Bremen hat ja keinen Nachholbedarf, sondern gehört zur Spitzengruppe. Ich sage aber auch, da gehören wir in der Tat insbesondere hin, da müssen wir auch bleiben, und dafür werden wir auch sorgen!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Dies gilt nicht nur für die Betriebsprüfungen, sondern natürlich hat auch die Bekämpfung der Steuerkriminalität für uns einen hohen Stellenwert!

Nun will ich sagen, hier ist das Stichwort Standortpolitik gefallen. Es spielt natürlich ausgesprochen oder unausgesprochen eine gewisse Rolle in diesem Zusammenhang, wenn man nicht zu weltfremd sein will. Wir müssen als Land schon aufpassen, dass wir uns in dem verabredeten Geleitzug der Länder bewegen und nicht außerhalb dieses Geleitzuges. Natürlich müssen wir auch auf der Hut sein, dass wir, sagen wir einmal, den Menschen in Bremen und in Bremerhaven in den Betrieben nicht das Gefühl ver

mitteln, sie würden hier überproportional schlechter behandelt als beispielsweise die Menschen im Umland. Es wäre naiv, meine Damen und Herren, zu glauben, dass das überhaupt keine Rolle spielt, sondern ich sage, innerhalb des Geleitzuges bleiben, aber da Spitzenpositionen haben, das ist der Platz, an den Bremen gehört. So viel dazu!

(Beifall bei der CDU)

Steuerpolitik ist ja leicht anfällig für ideologische Betrachtungen. Ich will mich darauf nicht einlassen. Ich glaube in der Tat, dass in Deutschland zu viel Steuern bezahlt werden, dass das ein Standortnachteil für die gesamte Republik ist, dass aber, solange die Steuergesetze sind, wie sie sind, sie eingehalten werden müssen und der Staat dafür zu sorgen hat, dass sie möglichst eingehalten werden. Das ist ein Spannungsbogen. Ich finde, das ist eine vernünftige Politik.

Sie haben ja alle gesagt, dass Bremen zumindest auf dem richtigen Weg ist. Insofern bedanke ich mich bei allen, die das dem Senat attestieren, und ich bedanke mich vor allen Dingen bei den Steuerprüfern und bei den Steuerfahndern. Das ist eine Gruppe, die nicht die leichteste Aufgabe in dieser Republik zu bewältigen hat. Ich glaube, unser Dank sollte denen gewiss sein. — Herzlichen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.

Vierter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Vierter Rundfunk- änderungsstaatsvertrag)

Mitteilung des Senats vom 22. Juni 1999 (Drucksache 15/1)

Wir verbinden hiermit:

Gesetz zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften

Mitteilung des Senats vom 12. Oktober 1999 (Drucksache 15/73) 1. Lesung

Bericht und Antrag des Ausschusses für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten zum Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (Mitteilungen des Senats vom 22. Juni 1999 — Drucksache 15/1 und vom 12. Oktober 1999 — Drucksache 15/73) vom 4. Februar 2000

(Drucksache 15/195) 1. Lesung 2. Lesung Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf, ihm beigeordnet Staatsrat Professor Dr. Hoffmann. Meine Damen und Herren, der Vierte Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften vom 22. Juni 1999, Drucksache 15/1, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer zweiten Sitzung an den Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten überwiesen worden.

Bei dem Gesetz zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften vom 12. Oktober 1999, Drucksache 15/73, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer sechsten Sitzung am 18. November 1999 die erste Lesung unterbrochen worden und das Gesetz ist ebenfalls an den Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten überwiesen worden. Dieser Ausschuss legt nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 15/195 seinen Bericht und Antrag dazu vor. Wir setzen die erste Lesung zur Drucksache 15/73 fort und kommen gleichzeitig zur ersten Lesung der Drucksache 15/195. Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet. Als Erster hat das Wort der Berichterstatter Herr Bürger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit seiner Mitteilung vom 22. Juni 1999, Drucksache 15/1, gab der Senat der Bürgerschaft (Landtag) den Entwurf des Vierten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge zur Kenntnis. Die Bürgerschaft (Land- tag) überwies den Entwurf des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags in ihrer Sitzung vom 20. Juli 1999 zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten. Nach Unterzeichnung des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags durch die Ministerpräsidenten der Länder leitete der Senat mit seiner Mitteilung vom 12. Oktober 1999, Drucksache 15/73, der Bürgerschaft (Landtag) den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften mit der Bitte um Beschlussfassung zu. Auch dieser Gesetzentwurf wurde von der Bürgerschaft (Landtag) am

18. November 1999 zur Beratung und Berichterstattung an den Medienausschuss überwiesen.

Das In-Kraft-Treten des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags ist nach Artikel 8 Absatz 2 für den 1. April 2000 vorgesehen. Dazu ist eine Ratifikation durch alle Länderparlamente bis zum 31. März 2000 notwendig.

Wichtige Änderungen betreffen die im allgemeinen Teil des Rundfunkstaatsvertrags enthaltenen Regelungen zu Werbung, Teleshopping und Sponsoring, mit denen insbesondere auch die Begriffsbildungen aus der EG-Fernsehrichtlinie und der Europakonvention über das grenzüberschreitende Fernsehen übernommen werden. Im Übrigen werden besondere Erscheinungsformen der Werbung — geteilter Bildschirm, virtuelle Werbung, „split screens“ — erstmalig geregelt. Weiterhin werden die Regelungen zum Jugendschutz einschließlich der Kennzeichnungspflicht für jugendgefährdende Sendungen neu gefasst sowie eine Bestimmung über die Ausstrahlung von Großereignissen im frei empfangbaren Fernsehen in den Rundfunkstaatsvertrag aufgenommen.

Bremen hat gemeinsam mit den Ländern Berlin, Saarland und Sachsen-Anhalt folgende Protokollerklärung zum Staatsvertrag abgegeben:

„Die Regierungschefs des Landes Berlin, der Freien Hansestadt Bremen, des Saarlandes und des Landes Sachsen-Anhalt gehen davon aus, dass in einem Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag, über dessen wesentliche Inhalte eine Verständigung anlässlich der Sonderministerpräsidentenkonferenz im Herbst dieses Jahres zu Fragen der ARD-Strukturreform sowie der Werbung und des Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erreicht werden sollte, eine Regelung gefunden wird, die eine funktionsgerechte Finanzausstattung sämtlicher bestehender Landesrundfunkanstalten auch über den 31. Dezember 2000 hinaus gewährleistet.“

Die Regierungschefs der Länder haben während ihrer Jahreskonferenz vom 10. bis 12. November 1999 in Bremen einen Beschluss zur Neugestaltung des Finanzausgleichs gefasst und dazu ergänzend folgende Protokollerklärung abgegeben:

„Die Regierungschefs der Länder gehen davon aus, dass die ARD einvernehmlich den internen Leistungs- und Gegenleistungsaustausch zu Gunsten der Funktionsfähigkeit der kleinen Anstalten gestaltet einschließlich einer Neuregelung des Fernsehvertragsschlüssels.“

Dieser soll der Abfederung der Folgen des reduzierten Finanzausgleichs für die Finanzausgleichsempfänger dienen.

Dazu haben die Freie Hansestadt Bremen und das Saarland Folgendes zu Protokoll erklärt: „Die Realisierung der vorstehenden Protokollerklärung der Regierungschefs der Länder ist für die Regierungschefs

der Saarlandes und Bremens die Geschäftsgrundlage ihrer Zustimmung zu dem Beschluss der Ministerpräsidenten.“

Die Neuregelung des Rundfunkfinanzausgleichs auf der Grundlage des Ministerpräsidentenkonferenzbeschlusses soll im Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag verankert werden, der zum 1. Januar 2001 in Kraft treten soll.

In der Mitteilung des Senats vom 12. Oktober 1999, Drucksache 15/73, ist außerdem eine Änderung des Radio-Bremen-Gesetzes enthalten mit dem Ziel, Radio Bremen die Ermächtigung zu geben, Sendeanlagen auch außerhalb des bremischen Staatsgebietes betreiben zu können. Diese Gesetzesänderung hat die Bürgerschaft (Landtag) bereits in ihrer Januar-Sitzung in erster und zweiter Lesung beschlossen, so dass der Wortlaut des Gesetzes zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften entsprechend abzuändern ist.