Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

Die Länder Niedersachsen, Bremen und Hamburg machen den Vorschlag, die Transrapidstrecke Amsterdam—Hamburg zu untersuchen. Die niedersächsische Landesregierung hat mit der niederländischen Regierung Gespräche geführt. Das niederländische Kabinett hat im Frühjahr definitiv beschlossen, Groningen mit einer Hochgeschwindigkeitsbahn an Amsterdam anzubinden. Ende dieses Jahres will das niederländische Kabinett darüber entscheiden, mit welcher Technik die Verbindung Amsterdam—Groningen realisiert werden soll. Das heißt, die niederländische Regierung hat ein großes Interesse, den Norden der niederländischen Region aus strukturpolitischen Gründen an die Region Amsterdam zu binden. Deswegen gibt es ein Programm, das sogar bis zum Jahr 2030 geht, und ein wesentlicher Baustein ist diese Bahnverbindung zwischen Groningen und Amsterdam.

Aus den Gesprächen wissen wir, dass die Tendenz mehr dahin geht, dort eine Transrapidstrecke zu bauen, und wenn diese Transrapidstrecke in Holland gebaut wird, dann ist es sinnvoll, dass das, was wir in Deutschland entwickelt haben, nicht nur in Holland gebaut und realisiert wird, sondern bei uns auch. Eine solche Transrapidstrecke Amsterdam— Hamburg ist von ihrer Eigenschaft her, große Entfernungen, Zentren kostengünstig zu verbinden, natürlich gut geeignet, besser geeignet als die Nahverkehrsstrecken, die die anderen Länder hier vorgeschlagen haben. Insofern haben wir, glaube ich, bei den Untersuchungen dazu eine gute Chance, denn

bis Ende des Jahres sollen zwei von diesen fünf vorgeschlagenen Transrapidstrecken ausgewählt und dann vertieft untersucht werden. Wir haben eine gute Chance, bei diesen beiden Transrapidstrecken dabei zu sein.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen setzen wir uns sehr dafür ein, dass dies weiterverfolgt wird. Dieses Thema wird auch Gegenstand der gemeinsamen Sitzung der Kabinette von Niedersachsen und Bremen sein, die am 16. Mai tagen. In dieser gemeinsamen Kabinettsitzung soll dann auch beschlossen werden, dass ein entsprechender Kostenanteil der Länder übernommen wird. Es ist ja so, dass die gesamten Untersuchungen dieser fünf verschiedenen Alternativen 3,5 Millionen DM kosten. Die Bahn trägt davon 50 Prozent, der Bund 40 und die beteiligten Länder zehn Prozent. Insofern entfallen auf diese Transrapidstrecke 700.000 DM, und davon müssen jetzt 70.000 DM bereitgestellt werden, und das wird in Kürze geschehen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Hinausgeworfenes Geld!)

Insofern wird hier jetzt untersucht, inwieweit hier eine Chance für diese Transrapidstrecke besteht. Sie ist deswegen auch von einem besonderen Vorteil, weil sie die norddeutsche Region gerade in diesem Bereich im Nordwesten Deutschlands stärkt, die sowieso unter Strukturschwäche leidet. Diese Region würde insgesamt über Amsterdam an die Hochgeschwindigkeitsstrecken nach Brüssel, Paris und London angebunden werden. Ich sage es einmal so, aus Bremer Sicht ist dies eine Sichtweise, wenn wir an diese Hochgeschwindigkeitsstrecken direkt angebunden werden, die sehr attraktiv ist. Insofern sollten wir sehr intensiv die Frage dieser Transrapidstrecke zwischen Amsterdam und Hamburg verfolgen.

Für mich ist dies keine Alternative zum Ausbau des Schienennetzes im Gegensatz zur Strecke Berlin—Hamburg, denn dort wäre es so gewesen, dass man eine Transrapidstrecke gebaut und gleichzeitig eine Bahnverbindung gehabt hätte. Hier ist es so, auf der Strecke zwischen Hamburg und Bremen gibt es natürlich eine Alternative, nämlich die Bahn, aber zwischen Bremen und Groningen und dann weiter nach Amsterdam gibt es eben keine Bahnverbindung in dem Sinn,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich bin doch schon dahin gefah- ren!)

mit der Geschwindigkeit natürlich, das ist doch völlig klar. Insofern, glaube ich, ist das eine hervorragende Planung, die da verfolgt wird.

Ich will zum Transrapid doch noch einmal etwas sagen, weil der eine oder andere immer nur über diesen Transrapid redet, aber im Grunde genommen gar nicht weiß, welche Vorteile dieses Bahnsystem hat.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Danach suchen wir schon lange!)

Bei der konventionellen Bahn übernehmen Rad und Schiene das Tragen, Führen, Beschleunigen und Bremsen. Beim Transrapid werden die Funktionen von Rad und Schiene durch ein berühungsfreies elektromagnetisches Trag-, Führungs- und Antriebssystem ersetzt. Als Antrieb dient ein in den Fahrweg integrierter so genannter Langstator-Linearmotor. Im Gegensatz zur Stromversorgung bei der Eisenbahn, die das gesamte Oberleitungsnetz ständig unter Spannung halten muss, werden beim Magnetbahnsystem Energieverluste vermieden. Je nach Bedarf lassen sich bis zu zehn Sektionen des Transrapid zu einem Transrapidzug mit maximal 1060 Sitzplätzen koppeln. In der Auslegung als Containerfahrzeug können pro Sektion bis zu 17 Tonnen Fracht befördert werden. Auch dies ist etwas, was in der Diskussion hier und da untergeht. Der Transrapid benötigt bei einer Geschwindigkeit von 400 Kilometern einen Radius von lediglich 4000 Metern. Die Bahn braucht für Hochgeschwindigkeitsstrecken Radien bis zu 7000 Meter. Die Steigungsfähigkeit des Transrapid liegt bei maximal zehn Prozent, die der Eisenbahn zwischen 1,7 und maximal 4 Prozent. Auch hier wird deutlich, wie leistungsfähig der Transrapid ist. Darüber hinaus ist es so, dass die Magnetschnellbahn ohne zusätzlichen Raumbedarf auch auf vorhandenen Bahntrassen in Innenstädten und Bahnhöfen geführt werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Die Magnetschwebebahn benötigt zum Erreichen hoher Geschwindigkeiten im Vergleich zu Hochgeschwindigkeitszügen des Rad-Schiene-Systems nur einen kurzen Beschleunigungsweg. Die Geschwindigkeit von 300 Kilometern erreicht der Transrapid nach fünf Kilometern, der ICE erst nach 30 Kilometern. Der Primärverbrauch des Transrapid liegt bei gleicher Geschwindigkeit 30 Prozent unter dem des ICE. Das bedeutet, dass bei gleichem Energieeinsatz die Leistung der Magnetschnellbahn um etwa ein Drittel höher liegt als die im Vergleich zu anderen Land- oder Luftfahrzeugen ohnehin schon sparsamen Eisenbahnen. Gerade auch im Hinblick auf die Grünen, die ja immer wieder den Transrapid problematisieren, muss man doch zur Kenntnis nehmen, wie umweltschonend hier der Transrapid ist.

(Beifall bei der CDU — Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Und die Kröten können darunter durch! — Glocke)

Wenn ich die Lärmbelästigung nehme, ist es so, dass der TÜV Rheinland festgestellt hat, dass die Schallemission des Transrapid bei einer Geschwindigkeit von bis zu 250 Kilometern deutlich unter der eines ICE mit gleicher Geschwindigkeit liegt. Daran erkennen Sie, was den Energieverbrauch und die Lärmbelastung anbetrifft, dass dies ein Transportmittel ist, das wirklich auch auf Dauer Zukunft hat. Es ist in Deutschland entwickelt worden, und wenn wir es nicht in Betrieb nehmen, glaube ich, dass es auf Dauer leider keine Zukunftschance hat. Deswegen sollte man hier versuchen, so weit wie möglich diese Transrapidstrecke Amsterdam—Hamburg auf den Weg zu bringen.

(Glocke)

Auf die Frage des Eisenbahn- oder Schienennetzes muss ich mich dann im nächsten Beitrag konzentrieren. — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Töpfer.

(Unruhe auf dem Besucherrang — Glocke)

Ich unterbreche die Sitzung für einige Minuten.

(Unterbrechung der Sitzung 15.57 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 16.02 Uhr.

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Töpfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist doch nachdenkenswert, wenn man sich die Rede von Herrn Pflugradt angehört hat, wie viel Zeit er sich mit dem Transrapid beschäftigt hat, mit einem System, das meines Erachtens tot ist und das keiner mehr will,

(Zurufe von der CDU: Was?)

um das hier auch noch einmal deutlich anzusprechen, denn dieses System ist nicht finanzierbar, das wissen alle Leute in der Bundesrepublik Deutschland.

(Zurufe von der CDU)

Ich komme nachher noch einmal darauf zu sprechen.

(Zurufe von der CDU: Aber Sie wissen, was der Senat am 16. macht? — Abg. F o c k e [CDU]: Aber du willst auch nicht wieder auf die Dampflok?)

Der Senat ist der Senat, wir sind das Parlament, und hier kann man doch auch Meinungen aus dem Parlament zum Ausdruck bringen!

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Abgeordneter!

Herr Kollege Töpfer, bei den Vorteilen, die Herr Pflugradt gerade erläutert hat: Halten Sie es denn politisch für richtig, dass nach Ihrer Einschätzung oder nach Ihrer Aussage der Transrapid politisch tot sei?

Ja, ich halte diese Position nach wie vor aufrecht. Man muss nur die bundesweite Presselandschaft einmal verfolgen, nachdem die Strecke Hamburg—Berlin gestorben ist, und welche Diskussionen darüber eingesetzt haben. Wir haben ganz andere verkehrspolitische Notwendigkeiten, und die möchte ich auch gern erläutern, Herr Eckhoff.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir brauchen leistungsfähige Hinterlandverbindungen, da sind wir nicht auseinander. Wir brauchen leistungsfähige Schienenanbindungen, gerade für unsere beiden Hafengruppen Bremen und Bremerhaven. Wir sind doch eigentlich die Eisenbahnhäfen. Wenn ich Herrn Senator Hattig richtig verstanden habe, hat er gerade in einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Klimmt darauf hingewiesen, dass in Nordwestdeutschland gerade im Schienenverkehr ein Nachholbedarf besteht, und wir sind da an seiner Seite. Wir wollen nicht bei der Eisenbahn benachteiligt werden. Sie wissen, Herr Kastendiek, welche Überlegungen der Westhäfen es gibt mit dem „Eisernen Rhein“, mit der Betuwe-Linie, und wir möchten, dass Bremen und Bremerhaven über ein Eisenbahnnetz besser an das Hinterland angeschlossen werden. Wir haben Sorge, dass diese Region abgekoppelt wird. Ich komme gleich auf konkrete Sorgen zu sprechen.

Ich finde es auch bedauerlich, dass Herr Mehdorn, ein, ich glaube, für heute angesagtes Gespräch bei

Bürgermeister Scherf abgesagt hat, weil ich denke, dass es wichtig gewesen wäre, in einem solchen Gespräch bremische Positionen zu vermitteln, so wie Bürgermeister Runde das getan hat und auch Ministerpräsident Gabriel kürzlich bei Herrn Mehdorn, um auf bestimmte Eisenbahnnotwendigkeiten in ihren Regionen hinzuweisen. Ich sagte, wir haben Sorgen, lassen Sie mich einmal die Beispiele nennen, und darauf sollte sich die Politik konzentrieren, dies gemeinsam zu verfolgen!

Herr Senator Hattig hat hier im Januar auf eine Frage des Kollegen Schildt und mir zum Ausdruck gebracht, dass es nach der Expo wieder eine Intercity-Express-Verbindung von Bremerhaven Richtung Südwestdeutschland geben wird. Letzte Pressemitteilungen stellen dies wieder in Zweifel.

Ein weiterer Punkt: Wir haben marode Strecken, über die wir doch einmal reden müssen, auch in unserem Raum, nicht nur von Bremerhaven nach Cuxhaven, von Bremen nach Nordenham, von Langwedel nach Uelzen, von Delmenhorst nach Osnabrück. Die stehen auf der Abschussliste, und ich finde, da ist es richtig, wenn sich hier der Senat und die niedersächsische Landesregierung gemeinsam darauf konzentrieren und sagen, das sind unsere Forderungen. Wir wollen ein intaktes Schienennetz in und um Bremen herum haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meines Erachtens soll es auch noch einen internen Katalog bei der Bahn geben, was noch alles weiter auf der Abschussliste steht und welche Strecken stillgelegt werden. Fahren Sie doch einmal mit dem Zug, fahren Sie von Bremen nach Bremerhaven! Dann stellen Sie plötzlich fest, wie viele Langsamfahrstellen es mittlerweile gibt. Ich kenne nun alle Eisenbahnsignale, und man spürt das ja selbst, wenn man mit dem Zug fährt. Teilweise gibt es in einigen Bereichen auf zehn Stundenkilometer begrenzte Langsamfahrstrecken, in denen wochenlang nichts an Sanierungen geschieht.

Wir haben einen immensen Abbau von Dienststellen und Einrichtungen der Deutschen Bahn AG im Lande Bremen mit einem massiven Personalabbau, obwohl wir Eisenbahnhäfen sind. Der Bahn droht das Geld auszugehen. Ich nenne nur das Beispiel der Sanierung des Bahnhofs Lehe in Bremerhaven. Sie wird wieder auf die lange Bank geschoben. Wir müssen selbst hier in Bremen aufpassen, dass wir Knotenpunkt bleiben. Schauen Sie sich doch einmal die überregionale Presse an! Da sind wir zwar eingezeichnet, aber Nord-Süd-Verbindungen über Hannover fehlen in der bundesweiten Berichterstattung. Thema: „Aus Deutschland“, da kommt Bremen vor, aber nur mit einer ICE-Anbindung nach Hamburg und Westdeutschland, nicht mehr nach Süden.

Was sehr aktuell ist, Herr Senator Hattig! Ich habe Informationen, wonach die Bahn den Fischverkehr sowie den Frucht- und Bananenverkehr von Bremerhaven ausdünnen will. Gerade der Nachtsprungverkehr mit frischen Seefischen ist sehr wichtig für den Fischereihafen. Das gilt auch für den Fruchtund Bananenstandort. Das kennen Sie in Bremerhaven selbst. Diese Beispiele lassen sich fortführen, meine Damen und Herren. Jeder von Ihnen kann das. Deswegen finde ich, wir müssen vom Senat einmal eine Gesamtbestandsaufnahme fordern, was noch vorhanden ist an Bahndienststellen und Personal, welche Forderungen der Senat selbst zur Verbesserung der Struktur hier im Lande Bremen und darüber hinaus hat, dass wir daraus Notwendigkeiten für unsere Region ableiten.

Eine Notwendigkeit ist zum Beispiel, dass wir dringend den Ausbau der Strecke nach Uelzen brauchen, das sagt der Senat zu Recht. Das ist ein Wettbewerbsvorteil für den Hamburger Hafen, weil die Lücke von Uelzen nach Stendal und Berlin mittlerweile geschlossen ist. Auf solche Sachen müssen wir uns konzentrieren und nicht auf eine Transrapid-Diskussion!