Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Wirtschaft sehen, wird häufig als Grundlage das Jurastudium erfolgreich absolviert, auch mit beiden Examina, um sich dann auch anderen Tätigkeiten zuzuwenden.

Der Hinweis, Herr Dr. Kuhn, auf die Autonomie der Universität darf nicht dazu führen, dass Professoren mit dem sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst glauben, Experimente mit dem Leben junger Menschen in der Form machen zu dürfen, dass die Ausbildung nicht erkennen lässt, welcher Abschluss erzielt wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, Herr Dr. Kuhn, zu Ihrem Hinweis auf die Hanse Law School, ich darf noch einmal auf meinen seinerzeitigen Beitrag zurückkommen, und daran hat sich nichts geändert: Es kann nicht angehen, dass wir in Bremen eine Ausbildung anbieten, von der wir heute nicht sagen können, wie diese jungen Menschen, die diese Ausbildung wählen, ihren Abschluss erzielen werden. Es tut mir Leid, Hanse Law School ist ein ausgesprochen spannendes, interessantes Studium, nur muss man den jungen Menschen, die es ergreifen, auch heute schon sagen können, mit welchem Abschluss sie in das Berufsleben entlassen werden. Irgendwo, meine ich, muss Experimentierfreude eingeschränkt werden.

(Beifall bei der CDU)

Wohin dies führen kann, zeige ich auf! Ich möchte mit Genehmigung des Präsidenten aus dem Leserbrief eines bremischen Richters zitieren. Gegen diese Tendenzen, die dort zum Ausdruck kommen, müssten wir, die wir Politik machen, nicht aus Not, sondern aus Engagement, auch einmal diskutieren im Zusammenhang mit dem, was da an jungen Juristen produziert wird. Ich darf zitieren: „Dabei steht über allem das sicherlich hehre Ziel der Sanierung der Staatsfinanzen der Freien Hansestadt Bremen. Dessen konsequente Verfolgung lässt befürchten, dass am Ende aller Bemühungen eine Justiz steht, die nur fragmentarisch den Anschein von Rechtsstaatlichkeit garantiert.“

Meine Damen und Herren, das aus der Feder eines bremischen Richters! Auf Deutsch der Hinweis, wenn ihr von der Politik es nicht so richtet, wie wir es wollen, dann werden wir euch den Anschein der Rechtsstaatlichkeit in Form von Fragmenten bieten. Daran muss man sich gewöhnen, denn im Satz zuvor heißt es:

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Können Sie einmal irgendwie ver- ständlich machen, was Sie wollen?)

„Vielmehr droht der ohnehin schon kräftig angenagten Dame Justitia in den kommenden zwei Jahren

ein Aderlass von knapp zehn Prozent ihrer Mitarbeiter, wobei diesmal die Richter die Zeche zahlen, die die Politik hinterlassen hat.“

Meine Damen und Herren, wenn Sie das richtig verstehen und sich richtig auf der Zunge zergehen lassen, bedeutet dies auf Deutsch, dass es in der bremischen Richterschaft einen Herrn gibt, der offenbar meint, auf eine verminderte Rechtsstaatlichkeit bei schlechterer Ausbildung hinweisen zu sollen. Ich finde, das ist eine etwas schwierige Situation. — Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Herr Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir greifen hier eine Initiative auf, die vom gemeinsamen Justizprüfungsamt ausgeht, und da muss man aufpassen, denn die entscheiden ja bis auf weiteres über die berufliche Qualifikation der Volljuristen in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Bisher sind wir gut damit gefahren, dass wir da nicht ausgeschieden sind. Mit dieser Legitimation kann man sich bundesweit und auch darüber hinaus bewerben. Die Universität muss es aushalten, dass dieser Teil der Berufsqualifikation der entscheidende Berufseinstieg für die Absolventen ist. Wenn die Prüfer sagen, ihr habt da ein Problem, dann können wir nicht sagen, wir lassen das noch einmal ein paar Jahre laufen. Das sind Biographien, die dann in die Sackgasse gelaufen sind. Das würde ich für kein gutes Argument halten, dass man so ein Signal nicht aufnimmt.

Es ist beileibe nicht so, dass die juristische Fakultät in dieser Sache eine gemeinsame Meinung hat, sondern die streiten wie die Kesselflicker.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Es gibt eine klare Mehrheit!)

Herr Kuhn stützt sich da auf die Kriminologen, und wir stützen uns auf die, die Zivilrecht und öffentliches Recht machen, also das machen, was man nachher im Beruf braucht. Darum bin ich so entschlossen, hier nicht wegzuschauen, sondern das wirklich praxisorientiert aufzugreifen.

Man muss da übrigens nicht die Eingangsphase problematisieren, Herr Kuhn. Da soll das so weit und so gut und reformorientiert an der Universität gemacht werden, aber es muss am Schluss dazu führen, dass unsere Absolventen eine reelle, vergleichbare Chance haben, das Assessor-Examen zu bestehen, denn erst dann werden sie Anwälte, erst dann werden sie Richter, erst dann können sie eigentlich ihre Berufskarriere anfangen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wenn man sie davor scheitern lässt, das haben Horst Isola und eben auch Frank Lutz richtig gesagt, ist das ziemlich bitter. In meinem zweiten Examen habe ich neben einem gesessen, der vier Kinder hatte, einige von denen standen vor der Tür, der fiel in meiner Gegenwart das zweite Mal durch. Er war über 30, das war eine große Katastrophe. Wenn ein Grund, möglicherweise nicht der einzige, aber ein Grund dafür ist, dass die speziellen Anforderungen dieses Examens unterschiedlich in der Vorbereitung angenommen worden sind, dann muss man korrigieren, oder man lässt diese Leute ein Stück schutzlos.

Ich würde Ihnen bei der Anhörung raten, genau hinzuhören auf die unterschiedlichen Stimmen aus der Fakultät. Fragen Sie doch, warum sie unterschiedlich reden, welche Erfahrungen sie gemacht haben, welche eigenen Prüfungsleistungen sie haben. Fragen Sie die Wortführer unserer Kritiker, wie denn ihre eigene Prüfungsvorbereitung und ihre eigene Prüfungsbeteiligung ist, damit Sie das miteinander abwägen und dann ein abgewogenes Urteil über das bekommen können, was da wirklich an berufsorientierender Vorbereitung und damit entscheidend für die Betroffenen und entscheidend auch für die Gesamtgesellschaft geleistet wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Kuhn?

Bitte!

Bitte, Herr Dr. Kuhn!

Herr Bürgermeister, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass andere Länder, die genau diese Prüfungsordnungen in der ersten und zweiten Ausbildungsphase haben, wie Sie das für Bremen anstreben, in etwa jedenfalls, auch eine hohe Zahl von nicht bestandenen Prüfungen haben? Um ein Beispiel zu nennen, in Berlin haben im Jahr 1996 20 Prozent nicht bestanden. Würden Sie mir zustimmen, dass die Frage der Prüfungsordnung offensichtlich nicht das allein entscheidende Element ist und, wie man an dieser Zahl sieht, auch nicht so weit weg liegt von den Bremer Zahlen?

Herr Kuhn, wir müssen uns ja mit denen vergleichen lassen, die aus Hamburg und Schleswig-Holstein kommen, die vor dem gleichen Justizprüfungsausschuss ihr Examen machen. Den Berlinern kann man das so nicht vorwerfen. Unsere Leute müssen mit denen verglichen werden, die in Hamburg und in Schleswig-Holstein ausgebildet worden sind, und da sind sie wirklich deutlich, also nicht nur irgendwie, schlechter. Ich finde, das muss man angehen, da darf man nicht jetzt Erklärungen sammeln, sondern da muss man die An

regungen, die aus der Fachebene kommen, berücksichtigen.

Es gibt übrigens keinen Streit mehr zwischen Wissenschafts- und Justizressort, der ist ausgetragen. Wir vertreten das gemeinsam. Möglicherweise passiert es Ihnen im Rechtsausschuss noch, dass Ihnen zusätzliche Ideen kommen, das kann sein. Das ist dann aber Ihre Sache, und ich will gern aufmerksam daran teilnehmen. Ich bitte Sie nur, machen Sie daraus kein Grundsatzproblem! Wir versuchen ganz behutsam, Schritt für Schritt, ein Stück von den Fachleuten uns vorgehaltener mangelnder Prüfungsvorbereitung zu verbessern.

Ein Letztes: Sie kennen dieses Repetitoriumunwesen bei den Juristen. Die jungen Leute wissen doch ganz genau, dass und wie sie durch das Examen kommen müssen. Wenn die Universität das nicht anbietet, dann drängen Sie sie zu den Repetitoren. Das kann doch nicht, lieber Herr Kuhn, Ihr Interesse sein. Man muss wirklich darauf aufpassen, dass wir denen, die prüfen und sagen, ihr habt ein Problem, nicht einfach mit Umweg über den Repetitor antworten. Das ist keine Justizreform und schon gar keine Ausbildungsreform.

Wir müssen auch die Hochschullehrer, auch wenn sie Mühe haben, bitte daraufhin immer wieder schubsen, dass es dazu gehört, dass ihre Studenten, ihre Kandidaten die staatlichen Prüfungen bestehen. Ich stelle mir vor, ich wäre Hochschullehrer.

(Heiterkeit — Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Da gibt es Schlimmeres!)

Ich wäre dann ehrgeizig, Bücher zu schreiben. Das ist eine Sache. Ich wäre dann aber doch hoffentlich auch ehrgeizig, dass meine Studenten einen guten Abschluss machen würden. Mich würde das um den Schlaf bringen als Hochschullehrer, wenn man mir vorhält, dass von meinen Leuten die Hälfte der Studenten das Studium abbricht und von der anderen Hälfte 25 Prozent im zweiten Examen durchfallen. Das würde mich unruhig machen. Das würde mich nicht gleichgültig lassen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Darum, noch einmal, konzentrieren Sie sich bei der Anhörung auf die tatsächlichen berufsorientierenden Vorbereitungen! Wir brauchen, Herr Lutz weiß das genau, gute, überall vorzeigbare Juristen. Ohne die geht es nicht! Ich hoffe, wir kommen zu einer guten Verständigung im Rechtsausschuss!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die erste juristische Staatsprüfung und den juristischen Vorbereitungsdienst und des Vorbereitungsdienst-Zulassungsgesetzes in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU und Abg. T i t t - m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Interfraktionell wurde vereinbart, nach der ersten Lesung den Gesetzesantrag zur Beratung und Berichterstattung an den Rechtsausschuss und, ich glaube, auch an die Wissenschaftsdeputation zu überweisen.

Ich lasse jetzt über die Überweisung abstimmen.

Wer der Überweisung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die erste juristische Staatsprüfung und den juristischen Vorbereitungsdienst und des Vorbereitungsdienst-Zulassungsgesetzes zur Beratung und Berichterstattung an den Rechtsausschuss und an die Wissenschaftsdeputation seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist das Gesetz zur Beratung und Berichterstattung an den Rechtsausschuss und an die Wissenschaftsdeputation.

(Einstimmig)