Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Reform der bremischen Juristenausbildung, ein Thema, das in diesem Haus nicht ganz unbekannt ist. In den siebziger Jahren war das hier ein Dauerbrenner. Bremen vorn, was die Reform der Juristenausbildung anbelangt!
Überhaupt ist dies ein Thema, solange es Juristenausbildung gibt. Es wurde auch immer wieder über die Reform derselben diskutiert. Selbst Bismarck war immer schon sehr unzufrieden mit der damaligen Ausbildung, wie man das nachlesen kann.
Es gab im Grunde genommen nie einen Zeitpunkt, zu dem man sagte, das sei es, sondern man war an sich immer der Auffassung, dieser Bereich müsse fortentwickelt werden, was an sich auch selbstverständlich ist, denn das Recht ist nun einmal dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen. Dann gilt das natürlich auch für die Ausbildung, dies heute vielleicht mehr, als es in früheren Zeiten der Fall war.
Zurzeit wird auf Bundesebene eine große Juristenausbildungsreform diskutiert. Wir hatten das in der vorletzten Sitzung, wenn ich mich richtig erinnere, aufgrund einer Großen Anfrage der Grünen auch schon einmal hier diskutiert. Da wird zum großen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Wurf angesetzt: Fortfall der Referendarausbildung und ähnlich gravierende Eingriffe. Ich denke, da schauen wir einmal, was daraus wird. Heute geht es darum, ein aktuelles Problem in Bremen aufzugreifen, ein Problem, das uns mit großer Sorge erfüllt und das uns zwingt zu handeln. Es geht darum, dass seit einigen Jahren die Durchfallquote der Absolventen der bremischen Universität in der Juristenausbildung im zweiten Examen sehr hoch ist beziehungsweise zum Ergebnis hat, was so nicht mehr hinzunehmen ist.
Um Ihnen einmal Zahlen zu nennen: So haben von 1996 bis 1999 von 265 Referendaren 58 das zweite Examen nicht bestanden, das sind über 21 Prozent, Ausbildungen, die aus Bremen gekommen sind, in Bremen auch ihre Referendarzeit vollzogen haben. Wenn man die niedersächsischen Zahlen nimmt, Examen in Niedersachsen, von Studierenden, die in Bremen studiert haben, liegt die Zahl sogar bei 25 Prozent Durchfallquote.
Das ist nicht mehr lustig, zumal man auch sehen muss, dass es hier um das Schicksal von jungen Menschen geht, die nach einer Ausbildungszeit von sechs, sieben oder vielleicht sogar acht Jahren plötzlich vor einem Scherbenhaufen ihres lebenswichtigsten Lebensabschnitts stehen und überhaupt nicht wissen, was sie dann noch machen sollen. Ein durchgefallener Jurist ist nichts.
Na ja, er wird vielleicht sicherlich in der Wirtschaft noch Arbeit finden, da haben Sie Recht, aber er hat nicht das Ziel erreicht, nämlich die Befähigung zum Richteramt, das an sich erforderlich ist, um zum Beispiel in den Staatsdienst einzutreten, um Rechtsanwalt oder Notar zu werden oder auch, um als Jurist anerkannt zu sein. Da ist Handlungsbedarf!
Der Senat hat das lange diskutiert. Der Gesetzentwurf, den wir hier heute haben, hat einen langen Diskussionsverlauf mit der Universität, auch mit dem Wissenschaftssenator. Das Ergebnis liegt uns heute vor. Ich darf das vielleicht einmal kurz zusammenfassen:
Uns wird vorgeschlagen, insbesondere die Anforderungen an die Klausuren zu erhöhen. Der Hintergrund ist, dass man einen Kausalzusammenhang sieht mit dem Klausurenschreiben in der Universitätsausbildung, nach Auffassung des Senats, insbesondere aber auch wohl nach Auffassung des Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts, der zugleich Präsident des Prüfungsamts ist, und anderer namhafter Juristen innerhalb und außerhalb der Universität in Bremen. Das möchte ich ausdrücklich betonen, dass es hier erhebliche Mängel gibt, die zu beseitigen sind, weil sie ursächlich sind oder zumindest mit ursächlich sind für diese hohe Durchfallquote.
Aus diesem Grund schlägt der Senat vor, die Zahl der Klausuren von drei auf vier zu erhöhen. Er schlägt auch vor, bei der Hausarbeit anzusetzen. Es gibt in Bremen nach wie vor die so genannte Themenhausarbeit im Gegensatz zur fallbezogenen Hausarbeit. Die Erstere soll wegfallen, stattdessen soll nur noch eine Fallhausarbeit zugelassen werden. Die Gesamtgewichtung der Noten soll auch verändert werden zugunsten der Klausuren und zu Lasten der Hausarbeit. Übungsklausuren sollen zur Pflicht gemacht werden, um nur einmal die wichtigsten Punkte zu nennen. Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass die Hausarbeitszeit von sechs Wochen auf vier Wochen verkürzt werden soll.
Das sind natürlich Eingriffe auch unmittelbar in die universitäre Ausbildung. Wenn wir das so beschließen sollten, wie das hier vorgeschlagen wird, dann hat das zwangsläufig Rückwirkungen auf die Ausbildungsinhalte und vor allen Dingen auch Schwerpunkte innerhalb der Universität, was gewünscht ist, weil man hier insbesondere die Mängel sieht.
Ich will aber nicht verschweigen, deswegen sprach ich vorhin von „mit ursächlich“, dass natürlich Ursachen auch in der derzeitigen Referendarausbildung zu sehen sind. Auch hier besteht ein erheblicher Nachbesserungsbedarf, was die Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen anbelangt, auch hinsichtlich der Anforderungen, Klausuren zu schreiben, und zwar erfolgreich zu schreiben.
Allerdings muss man sehen, dass die Referendarzeit relativ kurz ist, wenn man einmal rechnet, so sind das zwar zwei Jahre, aber es kommen an sich dafür nur 20 Monate effektiv in Betracht. Die Zeit ist einfach zu kurz, um die Mängel der universitären Ausbildung zu heilen. Insofern muss man tatsächlich im ersten Ausbildungsgang ansetzen.
Ich sage es ganz offen, ich halte das einfach für besser, dem Studierenden frühestmöglich zu sagen, dass er die falsche Ausbildung gewählt hat und sich umorientieren soll, so dass er noch die Chance hat als junger Mensch, etwas anderes zu beginnen, als ihm das erst zu sagen, wenn er fast 30 Jahre alt ist, schon Familie hat und vor einer persönlichen Katastrophe steht.
Deswegen handeln wir hier in Verantwortung für die jungen Menschen und nicht etwa, um sie hier zu ärgern oder uns gar mit der Universität anzulegen. Ich sagte das schon, es gibt hier starke Kräfte auch in der Universität bei den Professoren, die erwarten, dass wir hier entsprechend handeln.
Der Entwurf, den uns der Senat vorgelegt hat, ist ein Kompromiss aus den Verhandlungen zwischen Justiz und Wissenschaft. Ich kenne auch den ersten Entwurf und mache keinen Hehl aus meiner Auf
fassung, dass ich diesen in den entscheidenden Punkten für stringenter gehalten habe und für besser, insbesondere was die Klausuren anbelangt, die Auswahl der Klausuren und auch die Gewichtung der Gesamtnoten. Da war vorgeschlagen worden, 25 Prozent Hausarbeit zu werten, 25 Prozent mündliche Prüfung und 50 Prozent bei den Klausuren.
Wir werden darüber noch einmal zu diskutieren haben. Heute geht es nur um die Grundsatzaussprache. Für meine Fraktion kann ich hier erklären, wir begrüßen diesen Entwurf und werden dann im Folgenden in das weitere Beratungsverfahren eintreten. Wir haben hier schon angekündigt, das ist auch unstreitig zwischen den Fraktionen hier im Hause, dass der Rechtsausschuss federführend für die weitere Beratung zuständig sein wird. Wir sind auch dafür, dass dieser Gesetzentwurf an die Wissenschaftsdeputation überwiesen wird.
Der Rechtsausschuss wird in der nächsten Woche bereits ein Anhörungsverfahren durchführen und Experten, die bereits die Einladung haben, dazu anhören, zusammen mit den Wissenschaftsdeputierten, um dann in der zweiten Lesung, die voraussichtlich im Juli stattfinden wird, ein endgültiges Votum hier im Haus zu erreichen. — Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bündnis 90/Die Grünen begrüßt diesen Gesetzentwurf nicht. Wir haben im Februar hier diskutiert über die Zukunft der Juristenausbildung. Von der Richtung her habe ich eher den Eindruck, dass wir mit diesem Gesetzentwurf über die Vergangenheit der Juristenausbildung reden.
Es ist schade, dass Herr Lutz jetzt nicht vor mir spricht, aber ich will auf seine Rede im Februar zurückkommen. Der Senior und der Junior, Herr Scherf und Herr Lemke, erzählen uns bei jeder Gelegenheit, denke positiv, rede positiv, vor allem über bremische Dinge. Die Rede, sehr verehrter Kollege Lutz, die Sie das letzte Mal über die Juristenausbildung in Bremen gehalten haben, hätten wir einmal halten sollen! Dass Sie hier nach vorn kommen, eine Rede über die Juristenausbildung halten und erst einmal sagen, hier gibt es ein Buch eines Historikers, da wird noch gute Arbeit an der Universität gemacht, das zeigt, was Sie von der Juristenausbildung halten in Bremen, nämlich gar nichts! Das ist genau der Punkt, dass Sie jetzt glauben, man müsse denen einmal zeigen, wo es langgeht. Da sage ich Ihnen, da irren Sie ganz gewaltig!
men wissen sehr wohl, wo es in Richtung Zukunft der Juristenausbildung langgeht. Die Evaluation, das heißt die Auswertung durch Fachleute aus anderen Orten, hat dies bestätigt. Die Gutachter loben gerade die Bremer Besonderheiten und deren Zukunftsfähigkeit, als da sind das Schwerpunktstudium, die internationale Ausrichtung und auch die Ausbildungselemente von sozialen Kenntnissen, also zum „Fallmanager“ und nicht mehr das rein juristische Lösen von abstrakten Fällen, nämlich von sozialer Kompetenz. Wenn Anfang Juni dieser Bericht schriftlich und offiziell vorliegt, werden wir ihn jedenfalls sehr sorgfältig auswerten.
Die Absicht des Senats und der ihn hier tragenden Juristen im Haus ist es nun, die bremischen Traditionen und Profile der Juristenausbildung zu ändern, die, das sage ich jetzt in vollem Ernst, zukunftsfähiger sind als die anderer Fachbereiche. In anderen Fachbereichen rund in Deutschland wird nämlich diskutiert, was wir eigentlich abweichend von dem, was wir 200 Jahre bisher gemacht haben, machen und wie wir uns auf die Zukunft einstellen. Das ist nicht so, dass alle zufrieden wären mit dem, was heutzutage abläuft, sondern sie suchen alle nach neuen Wegen, und die Ausbildung in Bremen ist durchaus bei denen als mögliche Varianten sehr positiv in der Diskussion. Das soll jetzt egalisiert werden, und ironischerweise wollen Sie in einigen Punkten sogar noch weiter gehen als das bisher Übliche, und das alles auf der Grundlage von Ergebnissen von zwei Jahren Prüfungen.
Der Antrag des Senats sagt selbst, bis 1997 waren die Ergebnisse der Staatsprüfungen, ich zitiere, „unauffällig“. Also zwei Jahre, 1998 und 1999 sind die Jahre, in denen es tatsächlich deutlich schlechtere Ergebnisse von Bremer Absolventen gab, und da muss man in der Tat fragen, was dafür insgesamt die Ursachen sind. Man darf jedenfalls nicht so tun, als ob die eine Seite, nämlich das Klausurenexamen in Hamburg, das ewig Unveränderliche und überhaupt nicht zu Diskutierende ist, nach dem sich alles andere richtet bis hin zum Zentralabitur. Das hat Herr Senator Lemke gestern, glaube ich, richtig gesagt, dass eine Zentralisierung von Prüfungen auf einen einheitlichen Schnitt durchaus nicht für Vielfalt, Wettbewerb und Innovation ist. Ich sehe nicht ein, warum wir jetzt nur diesen einen Weg der Veränderung der Situation, die natürlich im Interesse der Betroffenen ist, gehen sollen. Da muss man, glaube ich, abwägen und verschiedene Wege diskutieren und prüfen.
Der Entwurf ist in dieser Form gegen das Votum des Wissenschaftssenators verabschiedet worden, und ich glaube, Herr Lemke hat auch tatsächlich ein Problem. Er redet in Feiertagsreden an der Universität über Autonomie, über Profilbildung, über eigene Schwerpunkte. Da ist ein Fachbereich, der macht das mit Erfolg, und dann kommt ein Gesetzentwurf, der von oben, von der zweiten Staatsprüfung über
die erste die Veränderung der Studieninhalte diktiert und gegen den Willen der Mehrheit des Fachbereichs durchgesetzt werden soll. Das ist sicherlich für die Reformatmosphäre an der Universität nicht sehr zuträglich, und wir werden das in der Anhörung ja auch hören.
Wir werden in der ersten Lesung diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil wir glauben, dass er sehr einseitig ist in der Analyse der Ursachen, eher dazu geeignet ist, Entwicklungsperspektiven zu verbauen und das auf dem traditionellen Modell alles wieder zurechtzustutzen. Wir werden in der Anhörung unter anderem folgende Fragen sehr genau stellen und versuchen, eine Antwort zu bekommen: Was gilt eigentlich mehr für den Senat, die Anforderungen der tatsächlichen Berufspraxis, die heute sehr viel vielfältiger geworden sind, oder nur das, was einmal die Kultusminister, oder leider sind es ja immer Justizminister, in der zweiten Staatsprüfung festgelegt haben? Dann wird das auch noch so begründet, es machten alle so. Ich frage mich, wozu wir dieses föderale System haben, wenn immer das erste Argument ist, das machen alle so, deswegen muss Bremen das so machen. Das leuchtet irgendwie nicht ganz ein.
Ja, wissen Sie, wir sind ja Gott sei Dank, Herr Scherf, mit der Hanse Law School auf dem Wege, uns dahin zu öffnen, dass in Europa auch ein rechtspolitischer Raum heranwächst. Das wissen Sie doch, und Sie unterstützen das ja auch richtigerweise. Europa können wir zu einem wiederkehrenden Thema machen. Ich sage Ihnen voraus, bei wem da am Ende die Pluspunkte liegen.
Zweitens muss man ganz genau schauen, welche Maßnahmen der Senat denn seit Oktober letzten Jahres ergriffen hat, nachdem in der Anhörung, die unsere Fraktion gemacht hat, eine Reihe von Mängeln gerade in der zweiten Ausbildungsphase hier in Bremen deutlich und offensichtlich geworden ist. Seitdem gibt es ja wieder einen runden Tisch „Referendarausbildung“. Da will ich doch einmal gern hören, was dort gemacht wurde, was umgesetzt wurde und mit welchem Ergebnis. Welche Veränderungen im Studium hat die Universität selbst durchgeführt, um möglicherweise erkannte Mängel auszugleichen? Was würde das für das besondere bremische Profil des Schwerpunktstudiums bedeuten, wenn die Themenhausarbeit faktisch wegfallen wird?
Es ist klar, wenn jemand nicht einmal aussuchen soll bei der Ausrichtung, dann wird die Themenhausarbeit diejenige sein, die auf der Strecke bleibt. Was heißt das für das Bremer Modell dieses Schwerpunktstudiums, das in der Evaluation sehr gelobt worden ist? Auch werden wir die Frage stellen, wa
rum der Senat andere Ideen wie etwa die Abschichtung von Klausuranforderungen innerhalb des Studiums, was überall an der Hochschule jetzt diskutiert wird, nicht aufgenommen hat. Wir werden alles tun, um das in der Diskussion von Universitätsund Studienreform mehr zu verankern, um von der Frage wegzukommen, wie bekommen wir das nun hin, dass in Bremen die Juristenausbildung ganz genau so wird, wie sie gegenwärtig überall ist, und zwar nicht überall gut ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Kuhn, Profil der Universität Bremen gern, aber bitte mit bestandenen Examina! Es ist unverantwortlich, meine Damen und Herren, wenn Sie zulassen, dass 25 Prozent der Absolventen im zweiten Examen durchfallen. Das sind Damen und Herren im Alter von zirka 28 Jahren, und das sind, ich darf Ihnen das ganz deutlich sagen, Hilfsarbeiter mit Abitur.
Es tut mir Leid, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass an die Juristenausbildung vom Ergebnis gewisse Mindestanforderungen des Marktes gestellt werden. Ich halte es nach wie vor mit meiner Fraktion, der CDU, für unverantwortlich, auf dem Rücken junger Menschen Experimente zu machen. Profilierung ja, auch daher mein Hinweis auf die Spitzenleistungen der Universität Bremen! Die CDU beobachtet sehr wohl, dass die Universität Bremen Spitzenleistungen erbringt, nur gerade der Fachbereich Rechtswissenschaft lässt das vermissen, und darum bewusst der Hinweis von mir auf die Spitzenleistungen von Hägermann/Peitgen, das darf man doch wohl einmal tun!
Daran halte ich auch fest, und ich lasse mit der gesamten Fraktion nicht zu, dass hier Experimente gemacht werden.
Das hat auch nichts mit der Diskussion der Juristenausbildung auf Bundesebene zu tun. Wir können nur nicht zulassen, dass Bremen im Vergleich mit anderen Bundesländern abfällt, und Sie wissen, das Schöne am Jurastudium ist, dass wir nicht nur auf die Berufe des Richters, des Staatsanwalts, der Beschäftigung in der Justiz, Rechtsanwälte, Notare fixiert sind, sondern die Vielfalt der Berufswelt steht uns ja offen. Wie Sie wissen, wenn Sie die beruflichen Werdegänge von Damen und Herren in der
Wirtschaft sehen, wird häufig als Grundlage das Jurastudium erfolgreich absolviert, auch mit beiden Examina, um sich dann auch anderen Tätigkeiten zuzuwenden.