Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch dies ist jetzt wieder eine Europadebatte, und sie knüpft unmittelbar an das an, was wir am gestrigen Vormittag hier diskutiert haben, und zwar der ländliche Raum als Fallbeispiel. Das betrifft immerhin 37 Prozent der Landesfläche, und es geht dabei um Landwirtschaft und Naturschutz in Bremen, nachhaltige Entwicklung im Europa der Regionen.
Anlass für unsere Große Anfrage ist der Plan des Landes Bremen zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Dieser ist für die Jahre 2000 bis 2006 Grundlage für Maßnahmen und Kofinanzierungen seitens der Europäischen Union. Dort können im Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft maximal 10,5 Millionen Euro von Bremen eingeworben werden. Der Plan befindet sich zurzeit zwecks Notifizierung, also verbindlicher Abstimmung, bei der Europäischen Kommission. Die Europäische Kommission wird ihn aber nicht blind so, wie er vorliegt, absegnen, sondern hat bereits eine Reihe von Fragen, die unter anderem die Kohärenz und Übereinstimmung mit anderen Gemeinschaftspolitiken betrifft. Soweit zum Hintergrund!
Zunächst zum Inhaltlichen: Bremen zeichnet sich durch einen engen Zusammenhang von städtischen Strukturen und ländlichem Raum aus. Für eine nachhaltige Entwicklung kommt dem unbesiedelten Bereich eine besondere Bedeutung zu. Naturschutz in Bremen ist überwiegend gleichzusetzen mit Schutz der Kultur- und Erholungslandschaft.
Diese Landschaft verdankt ihre Entstehung der Landwirtschaft, und nur mit der Landwirtschaft kann sie erhalten werden. Primäres Ziel dieses Wirtschaftszweiges ist die Produktion von Nahrungsmitteln. Mit dem Strukturwandel und der Reform der EU-Agrarpolitik ergibt sich jedoch auch die Notwendigkeit und die Chance, Arbeitsplätze in diesem Sektor zu erhalten und stärker mit umwelt-, gesundheitsund tourismuspolitischen Zielen zu verknüpfen.
leider muss ich das in diesem Haus wiederholen — getroffener europäischer Verabredungen auf die Landesebene. Dabei ist wichtig, dass Landwirtschaft, gesunde Umwelt, gesunde Ernährung und sanfter Tourismus untrennbar miteinander verknüpft sind. Durch Nutzung ihrer Synergieeffekte bieten sie zudem ein erhebliches ökonomisches Potential. So weit, so gut, man könnte meinen, alles ist prima. Bremen bekommt Geld von der EU, und dessen Benutzung ist an ökologische und soziale Kriterien gebunden. Dass dem nicht so ist, hat uns gestern die große Koalition vorgeführt. Konkretisiert wird dies nämlich durch die Politik des Senats, und die spiegelt sich in der Antwort zu unserer Großen Anfrage auch wider. Die Antworten sind bis auf einige Daten nicht besonders aussagekräftig, daher beziehe ich mich jetzt in der Debatte auch auf den Plan zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Wenn man sich den nämlich etwas genauer anschaut, merkt man, dass das Engagement der großen Koalition zur Stabilisierung und Entwicklung des Zusammenhangs von Landwirtschaft, Naturschutz, gesunder Ernährung und Erholung eher zurückhaltend ist. Ich greife hier als Beispiel die Förderung der Verarbeitung und Vermarktung ökologisch oder regional erzeugter Produkte heraus. Hier sind im Plan zur Entwicklung des ländlichen Raumes sage und schreibe 12 000 DM für das Jahr 2000 eingestellt. Mit Beträgen in dieser Höhe können sicherlich kaum neue Produktvermarktungen aufgebaut werden, wie beispielsweise von der Wümme-Fleisch GbR beabsichtigt. Nicht nur angesichts der BSE-Problematik brauchen wir gesunde, artgerecht produzierte Lebensmittel.
Das ist die eine Seite. Ohne extensive Landwirtschaft aber ist auch der ökologisch wertvolle Bremer Feuchtgrünlandring nicht zu erhalten. Die Landwirtschaft, wie sie hier in Bremen betrieben wird, erbringt erhebliche Umweltleistungen. Wir Grünen wünschen uns daher, dass sich der Bremer Senat aktiv um die bessere Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte aus der Region kümmert. Was aber findet stattdessen statt? Stattdessen riskiert er EU-Mittel, und vor allen Dingen — und es ist schade, dass Herr Scherf jetzt gegangen ist, ich gehe trotzdem darauf ein — hört sich Herr Scherf woanders ganz anders an. Am Wochenende beispielsweise beim Kongress der Deutsch-Polnischen Gesellschaft hat Herr Scherf die Bedeutung eines Europas der Einheit in Vielfalt hervorgehoben. Vor zehn Jahren übrigens haben wir Grünen das bereits unter dem Begriff „Europa der Regionen“ formuliert. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass es in dieser Entwicklung wichtig ist, demokratische Strukturen zu schaffen, die möglichst viele Beteiligungen erlauben. Damals wurden wir im Übrigen als europafeindlich klassifiziert.
Ich komme aber jetzt wieder zur Landespolitik. Was bedeutet Vielfalt? Vielfalt bedeutet für die Landespolitik, dass man die standortspezifischen Besonderheiten und die Stärken der Region entwickelt, und Einheit impliziert, denn wie sollte sie anders herzustellen sein, dass man die gesetzliche Rahmenkompetenz der Europäischen Union akzeptiert und entsprechend handelt.
Wie handelt aber der Senat? Das zeigt der Plan zur Entwicklung des ländlichen Raumes, der, wie bereits erwähnt, 37 Prozent unserer Landesfläche umfasst. Grundlage für diesen Plan müssten unter anderem die Flora-Fauna-Habitat-Gebiete sein. Gewählt wurden von der Verwaltung die Vogelschutzgebiete, weil man sich zu diesem Zeitpunkt im Senat bezüglich der Meldung noch nicht geeinigt hatte. Wie Sie wissen, sieht die Wirklichkeit noch einmal anders aus. Es ist nämlich noch weniger gemeldet worden als die Vogelschutzgebiete, denn nicht einmal das Hollerland ist ja angemeldet. Voraussetzung für die Notifizierung des Planes und damit natürlich auch für die Einwerbung von europäischen Mitteln ist die Kohärenz mit anderen Gemeinschaftspolitiken wie eben der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie. Die EU hakt hier nach, und ich bin gespannt, wie sich dann der Senat verhalten wird.
Das ist noch nicht alles. Besonders ärgerlich, muss ich sagen, fand ich gestern, wie die CDU den europaweiten Naturschutz populistisch gegen die EU wendet. Wenn Herr Neumeyer gestern davon sprach, dass man sich nichts dirigistisch von der EU vorschreiben lasse, dann hat er es wirklich nicht verstanden.
Er weiß offensichtlich nicht, wie europäische Richtlinien zustande kommen, in nationales Recht umgesetzt werden, wie dies demokratisch legitimiert ist und dass daran Gremien, die demokratisch legitimiert sind, wie nämlich der Ministerrat und das Europäische Parlament, beteiligt sind. Vielleicht sollten Sie ein bisschen langfristiger denken und die Struktur Europas wahrnehmen, dann würden Sie auch entsprechend politisch handeln und im Vorfeld in Ihrer Partei im Meinungsbildungsprozess und bei Ihren Europapolitikern entsprechend tätig werden.
Ein anderer Aspekt: Sie produzieren ein Chaos — ich habe versucht, es anhand eines Beispiels zu verdeutlichen — mit einem Plan, der jetzt auf einer Grundlage erstellt wird, die nicht existent ist. Ich muss ehrlich einmal sagen, mir tut da Verwaltung verdammt Leid,
Ich komme nun zur Vielfalt, und hier zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Vorlage der Deputation für Umwelt und Energie vom 4. Mai 2000:
„Selbst unter ansiedlungspolitischem Blickwinkel kann die gute Durchgrünung der Stadt mit den stadtnahen Erholungsflächen im Feuchtgrünlandring als wesentlicher Standortvorteil dargestellt werden. Insgesamt wird vom Senator für Bau und Umwelt empfohlen, die gute Durchgrünung und die durch extensive und weitgehend naturverträgliche landwirtschaftliche Nutzung des Bremer Feuchtgrünlandrings deutlicher als Standortvorteil mit Naturerlebnis und Naherholungsqualität im Nahbereich der Großstadt herauszustellen.“
Meine Damen und Herren, wir Grüne ziehen daraus den Schluss, dass Vielfalt in Europa bedeutet, diese Einmaligkeit Bremens zu erhalten und auszubauen.
Doch was macht der Senat? Er kopiert Großprojekte aus anderen Gegenden und leitet die Zerstörung des Feuchtgrünlandrings ein. Der Flächenverlust stellt auch für die Landwirtschaft ein gravierendes Problem dar, und die Anzahl der Betriebe hat in Bremen in den letzten Jahren überdurchschnittlich abgenommen. Ein „weiter so“ darf es nicht geben, und wir Grüne werden dafür streiten.
Meine Damen und Herren von der großen Koalition, Gott sei Dank sind wir nicht allein, wir haben nämlich die Europäische Union hinter uns.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! So europamäßig habe ich mir diese Debatte gar nicht vorgestellt. Ich finde auch, das war ein bisschen am Thema vorbei. Wenn es um Naturschutz und Landwirtschaft geht, soll man sich doch ein bisschen an dem aufrichten, was wir hier in Bremen haben.
weil ich finde, dies ist eine so hervorragende Vorlage, und das meine ich überhaupt nicht ironisch, sondern aus vollem Herzen. Deswegen hatte ich Ihnen, Frau Kollegin, ja gestern auch angeboten, dass wir dazu eine Fünf-Minuten-Debatte machen. Ich habe gedacht, hier könnten wir uns wirklich einmal in dem ganzen Thema einig sein, denn das, was in diesem Papier steht, ist ziemlich konfliktlos zwischen dem Umwelt- und dem Wirtschaftsressort erstellt worden. Ich fand, das war eine ganz tolle Sache, und deshalb habe ich immer überlegt, warum die Grünen eine große Debatte beantragt haben. Vielleicht hätten die Damen und Herren aus dem Ammerland — sie sind ja inzwischen bei Kaffee und Kuchen — auch gelacht, dass wir das Thema Naturschutz und Landund Forstwirtschaft hier in Bremen doch relativ hoch hängen.
Es gibt 300 landwirtschaftliche Betriebe in dieser Stadt, was ich immer wieder ganz erstaunlich finde. 300 land- und forstwirtschaftliche Betriebe in einem so kleinen Städtestaat finde ich eigentlich eine ganz gute Sache, und das dürfte wahrscheinlich den meisten Bremerinnen und Bremern auch relativ unbekannt sein.