Protokoll der Sitzung vom 06.06.2000

Bürgerschaftliches Engagement zu fördern über Selbsthilfe ist nach vorn gerichtet und nicht nach hinten. Das mag für manche zynisch klingen vor Kürzungsrunden, wie Sie das empfinden, aber ich merke, wenn ich mit vielen, vielen Menschen in dieser Stadt, in diesem Land spreche, dass diese sehr offene Ohren dafür haben und sehr wohl begreifen,

dass wir uns umorganisieren müssen, und dazu auch bereit sind und auch bereit sind anzuerkennen, dass staatliche Leistungen ein Stück zurückgefahren werden, um durch Engagement der Bürger und Bürgerinnen ersetzt zu werden. Es ist der Weg, auf dem wir gehen, und es wird zu diesem Weg aus meiner Sicht auch wenig Alternativen geben. Ich finde ihn auch sozialpolitisch verantwortbar, denn wenn wir sehen, wie viele Menschen sich ihrer Verantwortung entziehen, Eltern, andere, die Verantwortung für Personen eigentlich haben, wie wenig in dieser Gesellschaft noch bereit sind, in ihrem ureigensten Bereich Verantwortung selbst in vollem Umfang zu tragen, dann spricht doch vieles dafür, dass wir sozialpolitisch geradezu aufgerufen und aufgefordert sind, das zu stützen, zu stärken, die Leute wieder mehr in diese Verantwortung hineinzubringen. Das tun wir nicht, indem wir ihnen die Verantwortung abnehmen, sondern wir müssen organisieren, dass sie lernen, selbst wieder diese Verantwortung übernehmen zu können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielleicht noch ein paar Worte zu dem Vorwurf, wir würden uns selbst als Ressort in diesem Zusammenhang schonen und besser behandeln, als wir die freien Träger und alle, die Zuwendungen von uns bekommen, behandeln!

(Abg. Frau S t r i e z e l [CDU]: Daran arbeiten wir jetzt!)

Ich kann diesen Vorwurf so auch nicht akzeptieren. Ich will vielleicht zum Hintergrund einmal sagen, dass wir uns überhaupt nicht schonen, was die Umstrukturierung unserer eigenen Arbeit angeht. Das ist vielleicht vielen noch gar nicht aufgefallen und gar nicht bewusst, aber wir fusionieren hier im Moment gerade zwei Ressorts, die mit zwölf Abteilungen aufeinander geprallt sind. Wir versuchen das und sind eigentlich auch schon, was die Abteilungsstruktur angeht, im Mitbestimmungsverfahren. Wir bringen also dieses große Haus auf fünf Abteilungen.

(Abg. Frau S t r i e z e l [CDU]: Das hat mit den Bürgern nichts zu tun!)

Das hat mit dem Bürger sehr viel zu tun, weil wir dadurch die Arbeit ganz anders strukturieren und weil Sie auch selbst wissen, welche Anforderungen ein solcher Prozess auch an die Verwaltung, für die Behörden mit sich bringt.

(Abg. Frau S t r i e z e l [CDU]: Verwal- tungsintern!)

Das ist aber, was nachher den Output angeht, auch effektiver, auch darüber können wir uns unterhal

ten, wenn wir es dann hinter uns gebracht haben. Wir steuern um, operativ strategisch. Es werden 80 Menschen aus der Behörde, aus dem Ressort, in das Amt für Soziale Dienste gehen, also an die operative Front, wie man das so nennt, und für Dienstleistungen zur Verfügung stehen für den Bürger.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir steuern um im Bereich Hilfen zur Arbeit, Werkstatt Bremen wird hier morgen Thema sein, um auch da effektivere Strukturen zu schaffen, um näher an die Menschen heranzukommen.

Nun werden Sie vielleicht sagen, das haben andere Ressorts schon alles hinter sich, und Sie sind da ein bisschen langsam, aber wir müssen diesen Weg gehen, und wir gehen ihn. Er stellt unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor sehr große Herausforderungen, und ich bin denen sehr dankbar, dass neben all dem, was wir da jetzt organisatorisch in unserem eigenen Hause machen, das, was wir nach draußen zu vermitteln haben, nämlich die Kürzungen, die Haushaltssituation und der Weg bis 2005, mit diesem hohen Engagement in meinem Hause bearbeitet und vermittelt wird nach draußen.

Es gibt viele, viele Gespräche mit vielen Gruppen, Verbänden, die sich auf den Weg einlassen, bis 2005 mit einer Planungssicherheit auch über weniger Geld zu verfügen, und trotzdem gute Arbeit machen wollen, die selbst den Anspruch an sich haben, auch mit weniger Förderung gute Arbeit zu leisten. Vor diesem Hintergrund will ich das unterstützen, was Herr Pietrzok gesagt hat, nämlich dass wir auch zum Beispiel im Bereich des Anpassungskonzepts Jugendförderung uns überhaupt nicht schonen wollen. Aber, Frau Linnert hat das vorhin mit einem Zwischenruf gesagt, wir haben eine PEPQuote im öffentlichen Dienst, und die sagt, dass wir in dem Bereich fünf Personen einzusparen haben von 50 auf 45 im Bereich der Freizeitheime, um die geht es da.

Unser Personalbudget wird in Geld umgerechnet und in das Gesamtbudget einfließen, wird dann in die Stadtteilbudgets einfließen, und dort steht alles zur Disposition, auch unsere Einrichtungen. Im schlechtesten Fall wird in den Stadtteilen entschieden, alle kommunalen Häuser sind nicht das, was wir hier wollen in unseren Stadtteilen, die wollen wir nun schließen. Dann sehen wir ein bisschen dumm aus im Moment, weil wir 45 Menschen haben. Dann wird darüber zu reden sein, welche Arbeit diese 45 Menschen in Zukunft wohl machen können.

Ich bin überzeugt, unsere Häuser sind gut und werden in den Stadtteilen auch akzeptiert und sind dort anerkannt, aber wir werden uns auf diesen Diskussionsprozess einlassen und das Ergebnis dann zu bewerten haben, wenn in den Stadtteilen darüber entschieden ist. Wir gehen offen an diesen Pro

zess heran, wir wollen Stadtteilbudgets, wir wollen, dass die Arbeit vor Ort effektiv ist und das ist, was die Jugendlichen, für die wir das letztlich ja organisieren, auch wollen, was vor Ort für gut befunden wird, für wichtig befunden wird. Dass da dann auch das eine oder andere nicht mehr so geht, wie es heute noch geht, das wissen wir alle, und diesen Prozess müssen wir gemeinsam jetzt aufnehmen.

Ich danke allen noch einmal, insbesondere auch den Finanzern, die ermöglicht haben, dass wir im Bereich Hilfen zur Arbeit für 2001 eine Vorfinanzierung organisieren konnten. Das war etwas schwieriger, aber es hilft uns sehr, dass wir das jetzt hinbekommen haben, weil dieser Bereich unverzichtbar ist, um Menschen auch wirklich aus dem Sozialhilfebezug herausbringen zu können.

Ich bin zuversichtlich, dass wir auf diesem Weg sehr viel mehr Mitstreiter und Mitstreiterinnen haben, als die Opposition hier im Hause es im Moment wahrhaben möchte. — Danke schön!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zu dem Schwerpunktthema fünf, Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, liegen weitere Wortmeldungen nicht vor.

Wir kommen dann zu dem Schwerpunkt sechs, Bau und Umwelt.

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Pflugradt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will zu dem Bereich Bau und Umwelt nur zu drei Bereichen etwas sagen. Erstens, zum Bereich der Verkehrspolitik: Wenn man sich gegenwärtig durch die Stadt bewegt, stellt man fest, dass an vielen Stellen dieser Stadt gebaut wird zur Expo.

(Abg. S c h i l d t [SPD]: Stau!)

Das eine oder andere, Herr Kollege, hätte vielleicht früher fertig sein können und sollen.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das lag an der Ampel!)

Genau, Herr Zachau! Ich komme bei dem Stichwort zu der Aussage, dass ich es mir gewünscht hätte, als 1995 der damalige Bausenator Schulte die Amtsgeschäfte übernommen hat, dass er genauso viele fertige Planungen in seiner Schublade findet wie seine Nachfolgerin.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich weiß nur, meine Damen und Herren, dass es 1995, was den Verkehrsbereich betrifft, keine einzige fertige Planung gab. Entschuldigung, ich habe mich versprochen! Es gab eine, nämlich die Linie vier. Alles andere war im Ideenstadium, aber nicht mehr!

Insofern begrüße ich das, was jetzt umgesetzt wird. Ich kann nur einen Glückwunsch aussprechen, Frau Wischer, zum Beispiel dazu, dass am Schüsselkorb so schnell umgebaut worden ist. Hervorragend, machen Sie so weiter!

Punkt zwei: Ich möchte den Bereich ansprechen, der hier heute früh schon eine Rolle gespielt hat, nämlich die Frage der Erhöhung der Steuerkraft durch Einwohnerstärke. Die Grünen haben in ihrem Antrag geschrieben, ich zitiere das noch einmal mit Genehmigung des Präsidenten: „Die Höhe der originären Steuerkraft und der Finanzzuweisungen hängt von der Einwohnerstärke ab.“ Ich finde es toll, dass die Grünen erst einmal zu dieser Erkenntnis gekommen sind! Nur, wenn ich dann die Vorschläge nehme, dann weisen sie nicht ein einziges neues Wohngebiet aus.

Sie sind in ihrer Kontinuität, sie lehnen ständig neue Wohngebiete ab, aber sie wollen die Einwohnerstärke betonen und sagen, die Finanzkraft hängt davon ab. Nur, wenn ich mehr Einwohner und keine virtuellen Wohnungen will, dann muss ich irgendwo konkret bauen.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/Die Grünen]: Lückenbebauung!)

Meine Damen und Herren, es gibt so einen Spruch, der heißt, die Zitronenfalter falten keine Zitronen. So ist das auch mit den Grünen: Die Grünen bebauen auch keine grünen Flächen.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn man bauen will, muss man auch Flächen bebauen, so Leid es einem tut! Ich will noch einmal darauf hinweisen. Vielleicht führen zwei, drei Zahlen einmal zu einer anderen Erkenntnis. Wenn ich einmal Bremen und seinem Umland zum Beispiel mit Oldenburg und sein Umland vergleiche, was Bremen und Oldenburg in den letzten Jahren getan haben, dann stelle ich fest, dass Oldenburg zum Beispiel einen Zuwachs in der Bevölkerung von 1990 bis 1998 von 143 000 auf 154 000 gehabt hat, das Umland von Oldenburg im Übrigen ähnlich. Bremen hat Einwohnerverluste, 551000 auf 543 000, und das Umland von Bremen ist gestiegen von 424 000 auf 462 000.

Das macht deutlich, in allen Bereichen ist die Einwohnerzahl gestiegen, nur nicht in Bremen! Woran liegt das? Das kann man an zwei, drei Zahlen erkennen. Wenn ich die Wohngebäudefertigstellung

nehme, in Bremen müssten es ja eigentlich mehr sein, wenn ich einmal die Einwohnerzahl von 154 000 mit 543000 vergleiche, stelle ich bloß fest, in Oldenburg sind im Jahr 1998 643 Wohngebäude fertig gestellt worden und in Bremen 521.

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Wenn das so einfach wäre, dann bräuchten wir ja nur zu bauen!)

Wenn das so einfach wäre! Ich komme zu einer anderen Zahl, Frau Kollegin! Da nehme ich die Baufertigstellungen der Wohnungen und nehme da einen längerfristigen Zeitraum, was ja vielleicht auch eine Anhaltsgröße sein könnte, eine Kennziffer sein könnte. Oldenburg hat in diesem Zeitraum 11 098 Wohnungen fertig gestellt.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Herr Dr. Schulte ist gar nicht da! Er kann sich nicht einmal wehren!)

Ich komme gleich zu der Aussage, Herr Kollege! Vielleicht kommen Sie gleich nach vorn und machen in Ihrer professoralen Art wieder so einen Vortrag, aber ich wollte jetzt doch vielleicht meine Ausführungen zu Ende führen.

(Unruhe beim Bündnis 90/Die Grünen)

Oldenburg hat 11 098 Wohnungen fertig gestellt, Bremen 16 715, und das gemessen an der Einwohnerzahl! Jetzt komme ich zu der Bemerkung, die Herr Dr. Kuhn eben eingeworfen hat. Das ist kein Vorwurf an Herrn Dr. Schulte. Bis 1995 haben wir uns darüber gestritten, da ging es mit Brokhuchting nicht, da ging es mit der Osterholzer Feldmark nicht.

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Quatsch! Da sind Wohnungen fertig!)

Nein, ich weiß genau, wovon ich rede! Das ist kein Quatsch! Ich weiß nur, in der Koalitionsvereinbarung von 1995 konnten wir gerade einmal Brokhuchting durchsetzen. Im Laufe der Legislaturperiode war es erst gegen großen Widerstand möglich, die Osterholzer Feldmark durchzusetzen. Ich weiß, meine Damen und Herren, es gibt doch beides: Ich habe ein Lob gemacht und trotzdem auch eine kleine negative Anmerkung. Ich weiß nur, dass zum Beispiel, was die Osterholzer Feldmark betrifft, nach den Planungen des früheren Senators —

(Glocke)

ich komme zum Schluss! — schon im nächsten Jahr mit dem Bau begonnen werden sollte.

(Zuruf: Bleiben Sie beim Haushalt!)