Protokoll der Sitzung vom 07.06.2000

Ich hoffe, dass diese Debatte uns auf dem Weg gegen häusliche Beziehungsgewalt wieder ein Stück weiter gebracht hat. Es ist kein Tabuthema mehr, und wir wollen sensibilisieren, dass betroffene Frauen und Kinder entsprechende Hilfen erhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Den Dringlichkeitsantrag der Grünen möchten wir an den Parlamentsausschuss für die Gleichberechtigung der Frau überweisen und bitten hier um Ihre Zustimmung. — Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen heute den Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe Häusliche Beziehungsgewalt vorstellen, der deutlich macht, Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich wird in Zukunft in Bremen noch intensiver bekämpft, denn noch immer wird Gewalt gegen Frauen in familiären Zusammenhängen von der Gesellschaft nicht genügend geächtet. Täter und Opfer werden häufig nicht als solche benannt.

Das Ausmaß dieses Problems, das ist hier schon angesprochen worden, wird unter anderem dadurch deutlich, dass im letzten Jahr von der Staatsanwaltschaft zirka 800 Fälle häuslicher Beziehungsgewalt bearbeitet werden mussten, und das ist tatsächlich nur die Zahl im so genannten Hellfeld. Viele der misshandelten Frauen empfinden aufgrund ihrer Sozialisation, aufgrund ihrer Biografie Schuld- und Schamgefühle, wenn sie Gewalt erleben, und scheuen sich deshalb, die Polizei rechtzeitig zu Hilfe zu rufen oder selbst Anzeige zu erstatten, so dass man in Fachkreisen davon ausgeht, dass die Zahl der nicht bekannt gewordenen Fälle doppelt so hoch ist wie die Zahl der bekannten Fälle.

Am 23. November 1999, das ist auch bereits erwähnt worden, wurde unter Federführung der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau vom Senat eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt, bestehend aus meinem Ressort sowie den Ressorts Bildung, Wissenschaft, Justiz und Verfassung, Inneres, Kultur und Sport. Um hier auch gleich Irritationen vorzubeugen, Bildung hat sich keinesfalls aus der Arbeitsgruppe zurückgezogen, sondern wird sich natürlich in dieser Arbeitsgruppe, die auch weiter tagen wird und auch weiter an der Entwicklung von Maßnahmen und von Konzeptionsbestandteilen arbeiten wird, weiter beteiligen.

Die Arbeitsgruppe hatte vom Senat den Auftrag, bis zum Frühjahr ein Konzept zur Prävention vorzulegen. Auch die Bürgerschaft hat hier im Januar diesen Auftrag so erteilt, bis zum Frühjahr dem Parlament ein Präventionskonzept zur Beratung vorzulegen.

Zur Kritik der Grünen! Ich bin da mit der Landesfrauenbeauftragten, die ja federführend für diese ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Arbeitsgruppe war, sehr einig, dass die Kritik, es wäre hier nur eine Darstellung von dem, was eigentlich schon da ist, nichts Konkretes, nichts Fassbares und eigentlich viel zu wenig, zurückzuweisen ist. Wir sind in Bremen sicherlich schon sehr weit auf diesem Feld. Es gibt viele Aktivitäten, die hier auch berichtet worden sind, die sich die Arbeitsgruppe zunächst einmal in einer Art Bestandsaufnahme noch einmal vor Augen geführt hat, die sicherlich stellenweise besser vernetzt werden können. Aber es ist eine Vielzahl von konkreten Maßnahmen in diesem Bericht beschrieben. Ich kann Ihnen nur sagen, es war der Auftrag, ein Konzept zu schreiben. Ich empfinde auch diesen Bericht als Konzept, und mir ist noch relativ egal, was oben darüber steht.

Die Hauptsache ist, dass die Maßnahmen, die beschrieben sind, greifen. Die Maßnahmen werden in Gang gesetzt, und die Vernetzung klappt und führt zu dem Erfolg, den wir wollen, nämlich wirklich präventiv im Sinne der betroffenen Frauen zu helfen, und dann kann darüber stehen, was will.

(Beifall bei SPD und bei der CDU)

Der Bericht, den ich Ihnen hier also heute vorlege, ist in Zusammenarbeit mit den genannten Ressorts, aber auch nach Anhörung der so genannten Nichtregierungsorganisationen, also der Verbände, Beratungsinstitutionen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, erstellt worden. Er trennt auch nicht, wie die Opposition das vorhin angeführt hat, die sexuelle Gewalt, die sich im häuslichen Bereich natürlich auch ereignet, ab von dem, was wir hier unter häuslicher Beziehungsgewalt verstehen. Sexuelle Gewalt ist ein Bestandteil von Gewalt im häuslichen Bereich, und die wird hier sehr wohl mit bearbeitet bei allen Maßnahmen, die wir haben. Man kann das in diesem engen häuslichen Feld gar nicht trennen.

Es gab bei der Anhörung die Kritik, dass das Thema sexueller Missbrauch von Mädchen in diesem Bericht nicht eindeutig genug thematisiert würde. Mit diesem Thema befassen wir uns in vielen anderen Arbeitszusammenhängen. Wir haben dafür Beratungseinrichtungen. Das ist hier kein Schwerpunkt, das ist richtig, aber gleichwohl bitte ich, den Begriff häusliche Beziehungsgewalt als einen umfassenden zu betrachten und nicht davon auszugehen, dass hier eine besondere Form von Gewalt abgespalten werden soll.

Die Maßnahmen, die wir vorschlagen, die in der Arbeitsgruppe erarbeitet wurden, die zum Teil auch schon existieren, sollen dazu dienen, einerseits das Tabu zu brechen, das über dem Bereich der häuslichen Beziehungsgewalt leider immer noch liegt, und andererseits ein schnelleres Eingreifen zum Schutz der Opfer und zeitnahe Reaktionen gegenüber den Tätern zu ermöglichen.

Ein wesentliches Element dieses Konzeptes ist die verstärkte Aufnahme des Themas häusliche Beziehungsgewalt in die Aus- und Fortbildung aller Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit häuslicher Beziehungsgewalt konfrontiert sind. Das gilt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schulen, in Kindergärten und in der Jugendarbeit, bei den sozialen Diensten, in den Krankenhäusern und bei der Polizei. Wenn wir das hinbekommen, dann sind wir einen großen Schritt weiter, denn wir wollen sie in die Lage versetzen, frühzeitig Anzeichen von häuslicher Gewalt zu erkennen und auch anzusprechen, was der zweite, schwierige Punkt ist, nicht nur sensibel dafür zu sein, was könnte sich ereignen, sondern sich dann auch über das Tabu, es anzusprechen, hinwegzusetzen.

Kinder und Jugendliche sollen dadurch die Chance erhalten, über ihre häusliche Situation zu reden, und den misshandelten Frauen selbst soll die Möglichkeit gegeben werden, sich über angebotene Hilfsmaßnahmen, die wir vielfältig haben, zu informieren, um damit dann hoffentlich den ersten Schritt zur Veränderung ihrer ganz persönlichen Situation tun zu können.

Besonders wichtig ist mir außerdem, dass in meinem Ressort, genauer gesagt im Amt für Soziale Dienste, eine Anlaufstelle auf Stadtteilebene zur Verfügung stehen wird, die als Erstkontakt für Opfer Hilfe und Beratung anbietet. Diese Stelle soll dann auch im Sinne aufsuchender Sozialarbeit Hinweisen Dritter auf das Vorliegen häuslicher Beziehungsgewalt nachgehen.

Als weitere Maßnahmen sind unter anderem geplant beziehungsweise werden zum Teil jetzt schon umgesetzt: Die Polizei wird in jedem Fall von häuslicher Beziehungsgewalt selbst eine Strafanzeige fertigen und damit geschlagene Frauen davon entlasten, selbst gegenüber dem gewalttätigen Partner tätig werden zu müssen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Um den Gewaltkreislauf vonseiten des Täters zu stoppen, soll der Aktenlauf zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft beschleunigt werden, was sicherlich vordringlich ist und umgesetzt werden muss.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Daran haben wir alle großes Interesse. Außerdem wird die Gerichtshilfe stärker in die Ermittlungsarbeit, insbesondere auch zur Ermittlung des Hintergrunds des Täters, einbezogen. Dadurch können Hilfsmaßnahmen, zum Beispiel Sozialtraining des Beschuldigten und anderes, zügig eingeleitet werden. In diesem Training lernt dann hoffentlich der Täter, die Verantwortung für seine gewalttätigen Verhaltensweisen zu übernehmen und diese zu kontrollieren, möglicherweise auch erst ein Unrechts

bewusstsein zu entwickeln, was häufig in diesen Fällen ja auch nicht vorhanden ist. Die erfolgreiche Teilnahme an einem solchen sozialen Training kann sich dann unter Umständen im Strafverfahren bei der Strafzumessung zugunsten des Täters auswirken.

Eine verbesserte Statistik im Bereich der häuslichen Gewalt soll dazu beitragen, das Dunkelfeld um diese Straftaten aufzuhellen. Das eine ist die Information darüber, dass das Tabu auf allen Seiten zu brechen ist, das andere ist, dass wir uns auch statistisch einfach klar machen, wie wir mit diesen Delikten umgehen.

Die Bürgerschaft hatte den Senat auch gebeten zu prüfen, in welcher Form konkretere Regelungen gegen Gewalt im häuslichen Bereich festgelegt werden können, wenn denn andere Formen der Krisenintervention keinen Erfolg versprechen beziehungsweise wenn unverzügliches Handeln zwingend notwendig ist. In diese Überlegungen, auch das ist bereits angesprochen worden, sollten ausdrücklich auch die Erfahrungen aus Österreich mit der so genannten Wegweisung und einem Rückkehrverbot von gewalttätigen Partnern aus der Wohnung einbezogen werden.

(Beifall bei der SPD)

Fest steht aus Sicht der Arbeitsgruppe, dass ein polizeiliches Wegweisungsrecht dem unmittelbaren Schutz der betroffenen Frauen und zur Vorbereitung zivilrechtlicher Maßnahmen dient, um den eigentlichen Sinn des Wegweisungsrechtes, nämlich Opfer und Täter räumlich nicht nur kurzfristig zu trennen, zu erreichen. Nach der gegenwärtigen Rechtslage bestehen zivilrechtlich, abgesehen von der erleichterten Zuweisung der Ehewohnung bei Getrenntlebenden oder Trennungsabsicht, keine Regelungen, die eine unmittelbare Fortsetzung der polizeirechtlich begonnenen Wegweisung ermöglichen. Vorschläge dazu enthält aber der inzwischen vorliegende Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten.

Dieser Gesetzentwurf regelt nicht nur die erleichterte Zuweisung der ehelichen Wohnung, sondern bietet darüber hinaus eine rechtliche Möglichkeit, selbst den Hauptmieter aus seiner Wohnung zu verweisen, wenn er gegenüber einer dort mit ihm lebenden Partnerin, also nicht nur mit der Ehefrau, Gewalt ausgeübt hat. Lassen Sie mich an dieser Stelle eines ganz deutlich sagen! Ich begrüße es außerordentlich, dass damit in absehbarer Zeit eine Rechtslage geschaffen sein wird, die die direkten Folgen einer Gewalttat im häuslichen Bereich dem Täter aufbürdet und nicht mehr, wie bisher, dem Opfer.

(Beifall bei der SPD)

Ich begrüße auch die Debatte in Bremen, im Vorgriff auf diese sich ändernde Rechtslage im Zusammenhang mit der Änderung des bremischen Polizeirechts alle zulässigen Regelungsspielräume zu nutzen, um bereits jetzt ein zeitlich begrenztes Rückkehrverbot für Täter festzulegen.

(Beifall)

Wir haben jetzt die Möglichkeit des Platzverweises, der auch genutzt wird von der Polizei, auch im Zusammenhang mit solchen Straftaten. Wir sollten das konkretisieren bei der jetzt anstehenden Änderung des Polizeirechtes. Das Parlament wird sich damit befassen, und ich denke, dass, wenn dann die bundesgesetzlichen Regelungen da sind, man möglicherweise noch nachbessern kann im Sinne der Frauen und in Bremen auch vielleicht noch verstärkt Regelungen in das Polizeirecht aufnehmen kann, aber im Vorgriff auf das, was auf Bundesebene ansteht, würde ich es begrüßen, wenn da jetzt auch schon im Polizeirecht Regelungen getroffen würden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, dass mit diesem vorliegenden Präventionskonzept oder -bericht und seiner Umsetzung deutlich wird, dass es dem Senat sehr ernst ist mit seiner Aussage, die auch auf dem Kampagnenplakat mit dem Konterfei des Bürgermeisters zu lesen war: Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache, sondern eine Straftat, und genauso wird sie auch verfolgt.

(Beifall)

Es ist hier zum ersten Mal gelungen, für Bremen ein umfassendes Konzept gegen häusliche Gewalt an Frauen zu erarbeiten. Nach dem 1993 vorgelegten Senatsbericht zum Thema Sicherheit von Frauen, der sich überwiegend mit der Gewalt gegen Frauen im öffentlichen Raum befasst hat, wird damit ein weiterer wesentlicher Bestandteil der gesamten Gewaltproblematik an Frauen in das Blickfeld gerückt und in Angriff genommen.

Es ist ein Anfang. Es ist sicherlich daran weiter zu arbeiten. Die Arbeitsgruppe wird weiter tagen. Wir werden in zwei Jahren einen nächsten Bericht über den Stand des Konzeptes vorgelegt bekommen. Ich glaube, wir sind damit einen großen Schritt weitergekommen, um das gesellschaftliche Problem der strukturellen Gewalt gegen Frauen auch in Bremen deutlicher stoppen zu können. — Danke schön!

(Beifall)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Senatorin, ich habe sehr gern gehört, dass wir hier alle in dem Wegweisungsrecht übereinstimmen. Das finde ich sehr gut, aber ich möchte auf einige andere Punkte noch einmal eingehen.

Ich weiß, dass wir hier viele gute Maßnahmen in Bremen haben. Sie sind im Bericht aufgeführt, das habe ich auch in meiner Rede gesagt. Was uns gefehlt hat, war die Konkretisierung dieser Maßnahmen. Das heißt zum Beispiel, wenn im schulischen Bereich Beratungslehrer ausgebildet werden, muss geklärt werden, dass ihnen die Stundenkapazität zur Verfügung gestellt wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auch daran muss weiter gearbeitet werden. Das meinten wir zum Teil auch bei einigen anderen Punkten mit Konkretisierung.

Weiterhin möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass dieser Verein „Neue Wege e. V.“ nicht arbeiten kann, weil die Datenlage nicht geklärt ist. Das habe ich hier ganz deutlich gesagt. Wenn uns in zwei Jahren ein nächster Bericht vorliegen wird und wir das immer noch haben, sehe ich da ein riesiges Problem, und ich möchte Sie deshalb bitten, dies mit dem Justizressort zu klären. Ich denke, die Arbeit, die inhaltlich dort stattfindet, und die Motivation der Mitarbeiter dürfen dadurch nicht untergraben werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich denke, dass wir im Frauenausschuss an verschiedenen Bereichen weiterarbeiten können und regelmäßig von den Ressorts die Berichte einfordern werden. Ich bin deshalb mit der Überweisung einverstanden. — Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte kurz noch einmal ergänzen, dass dieses Datenschutzproblem kein Problem ist, das wir in Bremen lösen können. Es geht darum, dass die Polizei einer solchen Beratungseinrichtung, die sich dann auch der Täter annimmt, ihre Daten über solche Straftaten übermitteln soll, und das ist nach unseren Datenschutzbestimmungen so nicht möglich. Herr Güldner nickt. Er gibt zu erkennen, dass ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.