Wir haben deshalb in unserer Anfrage nach der Sicherstellung eines gesamtbremischen Therapiekonzeptes gefragt. Dazu gehören für uns zum Beispiel auch die Arbeitstherapie, die Reit- und Musiktherapie, doch die Antwort des Senats lautete, es handele sich hier um zusätzliche Maßnahmen.
Diese Auffassung teilen wir nicht. Es muss sichergestellt werden, dass zum Beispiel arbeitstherapeutische Angebote in der Region vorgehalten werden, denn das ist das Ziel, ein individuelles Hilfeangebot für die Betroffenen in regionaler Erreichbarkeit zu schaffen und nicht nach dem Motto, was haben wir denn da und wer passt dort hinein. Deshalb ist es auch notwendig, die Kooperation mit dem Land Niedersachsen zu intensivieren. Beide Städte, Bremen und Bremerhaven, halten Versorgungsstrukturen auch für das Umland bereit. Auch das ist eine Form von Regionalisierung.
Die senatorische Behörde sieht besonderen Handlungsbedarf in der Vereinbarung zwischen den überörtlichen Kostenträgern. Diese Verhandlungen sind nicht immer leicht zu führen, müssen aber unbedingt geführt werden. Der Hilfebedarf des Einzelnen darf nicht im Gestrüpp von Kostenträgern hängen bleiben. Dies trifft besonders auf die Gruppe chronisch kranker Menschen zu. Bei diesen Patienten sind oft verschiedene Kostenträger beteiligt. Sie müssen ebenfalls in das Hilfesystem eingegliedert werden.
Zur Optimierung ist es unbedingt notwendig, dass neben den niedergelassenen Ärzten auch die übrigen regionalen Leistungsanbieter von vornherein in die Planungen einbezogen werden. Das wird auch in der Beantwortung der Großen Anfrage deutlich, jedoch wird nur beschrieben, dass darauf zu achten sei. Der Zeitpunkt ist mir nicht klar, und die Planungen laufen seit Jahren, meine Damen und Herren.
In Bremerhaven sind die psychiatrischen Versorgungsstrukturen zu verbessern. Die Versorgungsdefizite wurden letzte Woche erneut auf einer Fachtagung der Psychiatrie in Bremerhaven klar benannt, ebenso die fehlende Krisenintervention für psychisch kranke Menschen. Die institutionellen Abgrenzungen sind abzubauen, und besonders die Reintegration psychisch Kranker ist voranzutreiben.
Das Gutachten über Teilbereiche der psychiatrischen Versorgung in der Stadt Bremerhaven, das vom Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend
und Soziales und vom Magistrat der Stadt Bremerhaven in Auftrag gegeben wurde, wird, denke ich, eine Planungsgrundlage sein, um diese Defizite zu beheben.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal etwas unterstreichen! Es ist für uns wichtig, dass dieser Prozess der Regionalisierung unbedingt dynamisch sein muss, und da er über Jahre laufen wird, ist es nicht nur wichtig, die finanzielle Seite im Auge zu behalten. Auch die Qualität der Versorgung ist zu benennen. Das gilt für alle betroffenen Gruppen, aber auch besonders für die drogenabhängigen Menschen, denn die beschlossenen Kürzungen, die Sie hier vor zwei Tagen beschlossen haben, können zu kostspieligen Auswirkungen in der stationären Behandlung führen. Auch ist für mich der Regionalisierungsgedanke im Bereich der Drogenabhängigen nicht ganz gelungen, wenn man bedenkt, dass die Klinik Dr. Heines und das ZKH Bremen-Ost nur einige paar hundert Meter auseinander liegen. Demnach wird auch hier die Regionalisierung weiterentwickelt werden müssen.
Meine Damen und Herren, vielleicht sollten wir nach dem Ende der Ausstellung des „Blauen Reiters“ hier ein blaues Pferd in Bremen behalten als immer wiederkehrende Erinnerung, dass dieser Prozess dynamisch ist und dass wir fortwährend die Weichen für eine zielorientierte Patientenversorgung zu stellen haben. — Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Regionalisierung der Psychiatrie, die wir hier heute debattieren, ist nur die Regionalisierung der stationären Psychiatrie. Sie haben wir momentan auf unserer Agenda. Frau Linnert schaut mich da gerade an wegen dieser ziemlich unendlichen Geschichte. Wir waren gemeinsam im Wahlkampf, und da hatten Sie, Frau Linnert, erwähnt, Sie glaubten nicht mehr an eine Realisierung der Regionalisierung, und deshalb bin ich froh, dass wir jetzt doch einen großen Schritt vorangekommen sind. Frau Hoch hat das ja eben auch schon erwähnt.
Ich freue mich, dass wir für diesen Patientenkreis jetzt endlich ein Stück weiterkommen. Herr Oppermann hatte das gestern schon freundlicherweise er
wähnt, dass die Regionalisierung der stationären Psychiatrie, die wir jetzt in Gang gebracht haben, ein großes Stück Erfolgsgeschichte dieser großen Koalition ist.
Ich möchte mich noch einmal ganz ausdrücklich bei den Kollegen der CDU, die in der letzten Legislaturperiode etwas stickhaariger waren, bedanken. Frau Dreyer, wir sind nicht immer einer Meinung, aber hier haben wir an einem Strang gezogen, und ich finde, es hat sich gelohnt.
Lassen Sie mich aber noch einmal ganz kurz auf die Historie eingehen! Bereits 1975 hat die damalige SPD-geführte Bundesregierung eine Sachverständigenkommission eingesetzt mit der Aufforderung, die psychiatrische Versorgung grundlegend zu reformieren. In der anschließenden Enquete wurde die unzumutbare Realität der psychiatrischen Versorgung in der Bundesrepublik rückhaltlos dargestellt. Das größte Problem waren seinerzeit die Langzeitpatienten, die menschenunwürdig untergebracht waren. Eine Behandlung im Sinne von Rehabilitation fand nicht statt. Ausgrenzung, Verwahrung, darauf hat auch die Kollegin Hoch eben hingewiesen, standen im Vordergrund. Die Kliniken waren überfüllt, personell unterversorgt und baulich schlichtweg katastrophal. Aber auch die ambulanten Einrichtungen ähnelten Abschiebeeinrichtungen.
An dem auf fünf Jahre ausgelegten Modellprogramm Psychiatrie beteiligten sich außer Bremen leider nur Berlin, Hamburg, das Saarland und Nordrhein-Westfalen. Deshalb blieben aus den geplanten 500 Millionen DM damals für diesen Modellversuch nur 250 Millionen DM übrig. Das führte aber auch dazu, dass heute noch regional massive Unterschiede in der Unterbringung von psychisch Kranken existieren. Bremen hatte seinerzeit die Nase vorn und hat auch heute die Nase vorn. Dass Sie alles das sehen, Frau Hoch, was wir noch nicht erreicht haben, ist selbstverständlich, aber ich finde, wir können eigentlich auch ganz stolz sein mit dem bisher schon Erreichten.
1980 wurde erstmals ein ausführlicher Psychiatrieplan für Bremen vorgelegt, und ein ganzes Paket von Maßnahmen wurde innerhalb dieses Modellprojekts Psychiatrie durchgesetzt: Verbesserung der Koordinierung und Planung, Sektorisierung und Gleichverteilung der Einrichtungen auf die fünf Stadtbezirke, Ausbau eines gemeindenahen Versorgungssystems, des teilstationären Bereichs und der komplementären Einrichtungen und Dienste. Ein wichtiger Bereich war die Verstärkung der Reintegration chronisch kranker Patienten.
Sie hatten eben das blaue Pferd erwähnt! Ich muss mich korrigieren, vor 15 Jahren war es wirklich das blaue Pferd, das blaue Kamel kam dann anschließend, aber wer sich heute „Blaumeier“ ansieht oder
die „Blaue Karawane“ oder wer heute einmal „Fast Faust“ gesehen hat, weiß nicht mehr, welches die psychisch kranken Menschen sind und welches die gesunden.
1981 wurde dann in das Modellvorhaben aufgenommen der Aufbau des sozialpsychiatrischen Dienstes, die Enthospitalisierungsstation zur Vorbereitung der Unterbringung psychisch Kranker nach Auflösung von Kloster Blankenburg, Tagesstätten, dezentral organisierte Wohnheime, forensische Wohngemeinschaften, regionale allgemeine und gerontopsychiatrische Tagesklinik, die Werkstatt für psychisch Kranke. Insofern, Frau Hoch, denke ich, haben wir doch schon auch für die gemeindenahe Versorgung dieser Patienten viel erreicht.
Nach dem Ende des Modellversuchs 1988 wurde dann Kloster Blankenburg geschlossen. Meine Damen und Herren, damit konnte ein unseliges Kapitel deutscher Psychiatriegeschichte beendet werden,
nämlich die Abschiebung und die oft lebenslängliche Verwahrung geistig und mehrfach Behinderter in Psychiatrieanstalten.
Aber nach wie vor hat das Zentralkrankenhaus Ost die zentrale Versorgung dieses Patientenkreises. Für uns Sozialdemokraten war die Dezentralisierung oder Regionalisierung der stationären Psychiatrie immer das Ziel. Dies, das habe ich bereits ausgeführt, ist nun in greifbare Nähe gerückt. Wir möchten uns bei allen Beteiligten, die diesen mühevollen Weg mit uns gegangen sind, bedanken: dem Gesundheitsressort, dem Gesundheitsamt, dem ZKH Ost und ZKH Bremen-Nord, den Personalräten, den Direktionen, der Klinik Heines und den Kassen, aber auch der Finanzsenator hat seinen Part hierbei mitgespielt.
Mit der Verlagerung der Borderline-Stationen, Frau Hoch ist schon darauf eingegangen, aus der Klinik Sebaldsbrück in der nächsten Zeit, dem Abbau der Stationen zur Behandlung Alkoholkranker im ZKH Ost und dem Abbau von zwei psychiatrischen Stationen im ZKH Ost zwecks Aufbau des psychiatrischen Behandlungszentrums in die Region Bremen-Nord hinein und der Schaffung von tagesklinischen Plätzen werden wir einen großen Schritt vorankommen.
Die Regionalisierung kann aber nur ein Thema sein. Für uns Sozialdemokraten steht außerdem auf der Agenda die qualitative Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgungsstrukturen in Bremerhaven, Sie haben darauf hingewiesen, die wirklich auch zu verbessern sind,
die Reintegrationsbedingungen für psychisch Kranke weiter zu verbessern und der Ausbau der Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen zwischen Klinik und SpsD, die bisher nur punktuell und einzelfallbezogen stattfindet.
Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, dass sich gerade die Beiräte in Bremen-Nord zusammengetan haben, um das Thema Regionalisierung der stationären Psychiatrie auch gemeinsam mit den niedergelassenen Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie zu begleiten und die bestehenden Planungsgruppen mit ihrem Fachwissen zu bereichern.
Die Diskussion, ob Kinder oder Jugendliche mit behandlungsbedürftigen psychischen Störungen in der stationären oder teilstationären Behandlung oder nicht besser doch in den Kinderkliniken, wie ich es jedenfalls glaube, aufgehoben sind, sollten wir in der nächsten Zeit aber mit Fachleuten noch einmal ausgiebig diskutieren.
Auch die Novellierung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten, das so genannte PsychKG, inklusive der Regelungen für den Maßregelvollzug steht für uns Sozialdemokraten ganz obenan.
Die gesetzlichen Grundlagen entsprechen längst nicht mehr den heutigen Anforderungen. Einerseits haben sich in der Zwischenzeit das Rechtsbewusstsein geändert und die Angebotsstrukturen in der psychiatrischen Versorgung weiter entwickelt. Andererseits wird heute überwiegend anerkannt, dass für beide Patientengruppen nach dem bisherigen PsychKG und dem bisherigen Maßregelvollzugsgesetz weitgehend gleiche Zielsetzungen in Behandlung, Rehabilitation und Integration verfolgt werden, weshalb eine Zusammenlegung beider Gesetze sinnvoll ist.
Meine Damen und Herren, die ersten Schritte des Umsetzungskonzepts, vor allem in Bremen-Nord, sind nur der Anfang. Wir sind froh, diesen Anfang jetzt in trockenen Tüchern zu haben, auch finanziell. Wir sind zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit dem politischen Willen der großen Koalition, aber ich denke, auch die Grünen ziehen hier mit uns an einem Strang, den Kassen, den beteiligten Krankenhäusern, dem Gesundheitsamt, dem Sozialpsychiatrischen Dienst, den Personalräten und den Ärztinnen und Ärzten und auch mit den Kassen dieses Kon
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Hoch, für die Grünen bedanken, dass Sie diese Große Anfrage zur Regionalisierung der Psychiatrie eingebracht haben, denn dieser Schritt ist eine unendliche Erfolgsgeschichte für die Patienten, für die Mitarbeiter und für die große Koalition.
(Beifall bei der CDU — Abg. Frau L i n - n e r t (Bündnis 90/Die Grünen): So weit würden wir nicht gehen!)
Meine Damen und Herren, Regionalisierung der Psychiatrie ist auch immer Reform der Psychiatrie! Wenn wir dies im Zusammenhang begreifen wollen, dann müssen wir zurückblicken auf 25 Jahre Reform der Psychiatrie,
und ich nehme hier die Gelegenheit wahr, dies zu tun und mich vor allen Dingen zu bedanken. Erstens bedanke ich mich bei den Patientinnen und Patienten, für die nach zum Teil jahrzehntelangen Aufenthalten in geschlossenen Kliniken — ich habe da gearbeitet, ich weiß, wovon ich rede — der Weg hinaus aus der Klinik eine Anstrengung und einen Mut bedeutet hat, welche die, die diese Situation nicht kennen, glaube ich, gar nicht nachvollziehen können. Diesen Patienten, die es geschafft haben, sich von den geschlossenen Abteilungen und der Überversorgung zu lösen, gilt der Dank der CDU-Fraktion.