Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

Allgemein haben wir gegen die Umwandlung des Beamtenverhältnisses in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis keine Einwände. Schon wegen der versicherungsrechtlichen Vorteile, aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen, die juristische Ausbildung zu entstaatlichen, sind wir dafür. Interessant ist ja, dass Sie in der Begründung hier gerade das schreiben, was Sie sonst eher verschweigen, dass nämlich faktisch eine dramatische Entstaatlichung stattgefunden hat und dass nur noch ein ganz kleiner Bruchteil der Referendare tatsächlich in Zukunft für den Staat arbeiten wird.

Hier, und das ist natürlich das Geheimnis, aber geht es um Geld, das Sie den Rechtsreferendaren weniger geben wollen. Bei Geld hört bekanntlich sogar die Beamtenideologie auf, die Freundschaft schon lange, aber sogar das heilige Beamtentum hört da auf! Sie wollen also Geld sparen — der Kollege Isola hat ja kein Hehl daraus gemacht, dass das der innere Kern dieser Gesetzesänderung ist —, und zwar erhebliches Geld. In Zukunft soll das von der Verwaltung freihändig ohne Mitwirkung des Parlaments gemacht werden können durch Verordnung.

Ich sage Ihnen, worum es da geht. Von jetzt 1893 DM sollen die Bezüge der Gerichtsreferendare auf 1630 DM sinken, und zwar ohne zusätzliche Leistungen, die bisher dabei waren. Das bedeutet selbst in diesen Steuerklassen für Verheiratete netto weit über 300 DM. Sie verweisen zur Begründung auf andere Länder, zum Beispiel Baden-Württemberg, ein so genanntes Geberland, am untersten Ende. Dahin wollen Sie auch, aber ich darf darauf hinweisen, es gibt auch Bayern als großes Geberland, das über 1700 DM liegt und noch zusätzliche Leistungen gibt, und es gibt auch das größte Geberland Nordrhein-Westfalen mit 1893 DM für die Rechtsreferendare, auch nach der Neuregelung in ein neues Ausbildungsverhältnis.

Wir wissen sehr wohl, dass Bremen in der gegenwärtigen finanziellen Situation nicht toter Mann spielen kann. Das ist auch okay, dass wir es mit dieser Änderung verbinden, dass wir uns Überlegungen über die Vergütung machen. Aber dass wir nicht in der Lage wären, dort einen mittleren Weg zu finden, der auch die Interessen und die soziale Lage der Gerichtsreferendare berücksichtigt und wahr

nimmt, der jungen Leute, die ja auf diese Ausbildungsphase nach wie vor angewiesen sind, vermag ich überhaupt nicht einzusehen, und dieses Heruntergehen auf den allerniedrigsten Level ist ein wesentlicher Grund, warum wir das nicht mitmachen werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn das Ressort großmundig darauf verweist, dass alle einen Beitrag zur Sanierung leisten müssen, frage ich mich, wo denn eigentlich der finanzielle Beitrag der übrigen Beamten ist, etwa in der Richterschaft und in der Justiz. Den richtigen finanziellen Beitrag für die Bezüge leisten ausschließlich nur diejenigen, die keine andere Wahl haben, die das machen müssen und die ohnehin am wenigsten bekommen, weil es da rechtlich möglich ist. Von einem Beitrag von allen kann überhaupt keine Rede sein. Schauen wir einmal nach Baden-Württemberg, wie das aussieht! Nach Angaben der Landesregierung selbst kommen dort nur 20 Prozent der Referendare mit dem Geld aus. Faktisch sind die Unterstützung der Eltern und Sozialhilfe das, was ihnen über die Runden hilft. Das ist nun ein klassisches Selektionsmuster, das wir eigentlich nicht wollen: dass es darauf ankommt, wer Eltern hat, die zuschießen können, muss sich um den Unterhalt nicht sorgen. Auch heute schon erhalten nach Angaben des DGB etliche Referendare mit Familien auffüllende Sozialhilfe. Das wird drastisch zunehmen. Das Wesentliche, ich sage es noch einmal, ist natürlich das Leben dieser jungen Leute selbst, können sie sich entsprechend dem, was wir selbst von ihnen erwarten, auf das zweite Examen vorbereiten. Das, glaube ich, wird mit Sicherheit eher erschwert. Der zuständige Staatsrat, der ja das Justizressort führt, Herr Mäurer, leugnet auch nicht, dass die sozialen Folgen so sein werden. Die Zahlungen sollen nach seiner erklärten Auffassung ja auch kein Unterhalt sein, sondern eine Beihilfe zum Unterhalt. Er geht also davon aus, dass man das und auch noch von irgendwo anders etwas hat. Nun wird es ganz abenteuerlich. Er hat im „Weser-Report“ im Mai erklärt, die Tätigkeit des Rechtsreferendariats sei ein, ich darf zitieren, „nicht wochenfüllender Job“. Ich habe einmal die letzten Tage genutzt, um mit einigen Leuten zu reden, die auch jetzt das Referendariat machen. Man hat es von 40 auf 20 Monate heruntergenommen. Das soll ein nicht wochenfüllender Job sein? Wer das jetzt ernsthaft behauptet und meint, die Rechtsreferendare könnten hier in großem Umfang Nebentätigkeiten machen, liegt wohl irgendwie neben der Spur.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Referendare sind nach dem Gesetz, das Sie heute verabschieden, verpflichtet, ich darf zitieren:

„Der Referendar hat sich mit voller Kraft der Ausbildung zu widmen.“ Mit voller Kraft, steht im Gesetz! Gleichzeitig wird da durch Verordnungen aufgeführt, sich Nebentätigkeiten zu erschließen. Das kann doch auch nicht richtig sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der Abgeordnete der CDU, der Kollege Borttscheller, hat in der Sitzung im Rechtsausschuss eigentlich alles Notwendige dazu gesagt, allerdings darf er das heute hier nicht öffentlich wiederholen. Der Referendar soll nach Meinung der Koalition nebenher arbeiten. Eine solche Vergütung, die ihm das möglich machen würde, ist in Bremen einfach nicht üblich. Es mag Fälle in anderen großen Städten geben, aber in Bremen ist das nicht so. Er müsste in großem Umfang versuchen, nebenher Geld zu verdienen. Das kann er nicht, ohne sein Ausbildungsziel zu gefährden. Wenn er sein Ausbildungsziel gefährdet, dann läuft all das ins Leere, was Sie eigentlich wollen, und die Kosten für Wiederholungen und so weiter werden ein Mehrfaches von dem sein, was Sie jetzt einsparen. Aber Sie nehmen es ja auch nicht bei sich, sondern bei den Referendaren!

Herr Borttscheller hat in den Beratungen auch darauf hingewiesen, dass die Bezüge bei den Rechtsreferendaren abgesenkt werden, aber nicht bei den Schulreferendaren. Er hat auch zu Recht gesagt, das könne eigentlich nicht sein, dass der sehr angesehene Beruf der Juristen schlechter bezahlt werde als der der Lehrer. Die Antwort von Herrn Mäurer war, Lehrer erbringen ja auch schon Leistung, Juristen in dieser Zeit nicht. Das kann man, glaube ich, auch ganz anders sehen, aber das ist gar nicht der Punkt. Sie werden nämlich nicht nach Leistung bezahlt. Das ist gar nicht die Absicht dieser Bezahlung. Der Punkt ist dabei, dass beide Gruppen gezwungen werden, dieses Nadelöhr der Ausbildung zu gehen. Sie haben keine andere Möglichkeit, also muss man ihnen doch die Möglichkeit zu einem Lebensunterhalt geben, der doch ein bisschen über das Sozialhilfeniveau geht. Das ist jetzt bald nicht mehr der Fall.

Herr Kollege Isola, manchmal haben ja die Debatten und die Erläuterungen, die wir hier diskutieren, einen Sinn für die spätere Gesetzesinterpretation. Ob Sie das mit Schmerzen beschließen oder nicht, das wird aber für die spätere Auslegung keine Rolle spielen. Diese Erklärung ist ein bisschen wohlfeil, Sie machen es nicht gern, aber Sie machen es, und wie ich finde, machen Sie es ohne notwendigen und triftigen Grund.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der letzte Punkt: Die Besoldung der Referendare ist ja vor einigen Jahren schon einmal abgesenkt worden. Das Geld ist das letzte Mal nicht in die verbesserte Ausbildung geflossen. Wohin geht also das

Geld, das gespart wird? Sie haben in der Ausschusssitzung angedeutet, man könnte auf Dauer ein Zehntel für die Verbesserung der Referendarausbildung verwenden. Wir sind der Auffassung, nach dem, was uns geschildert worden ist, muss es erheblich mehr sein. Wir müssen dort mehr investieren. Jetzt wollen Sie das ganz weglassen. Jetzt beschließen Sie ein Gesetz, und es ist völlig dunkel, völlig außerhalb der Diskussion, ohne Meinungsäußerung des Parlaments, was mit dem eingesparten Geld passiert. Das, finde ich, ist wirklich ein Skandal. Da wird den Referendaren das Geld weggenommen. Außer schönen Worten bekommen sie nicht einmal das dafür, dass man sich um ihre Ausbildung, und zwar verbindlich, Ihre Absichtserklärung höre ich, Herr Kollege Isola, das ist ja auch in Ordnung, aber dass man es hier ohne Willenserklärungen des Parlaments verabschiedet, das kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich sage noch einmal, wenn Sie den Festlegungen, die wir hier per Antrag vorschlagen, folgen, wenn Sie das mitmachen, dann werden wir Ihrem Gesetzesantrag zustimmen, tun Sie das nicht, werden wir das nicht. — Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Lutz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat ist es eine schwierige Geburt, was wir als Koalitionäre vorhaben. Wir möchten das Dienstverhältnis der Referendare in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis überführen. Richtig ist auch, dass die Absenkung der Referendarvergütung in Aussicht gestellt ist. Nur, um dabei zu bleiben, lieber Herr Kuhn, ich glaube, Sie gehen nach wie vor von einem falschen Ansatz aus. Es ist einfach nicht zutreffend, dass man eine Referendarzeit nicht nach zwei Jahren erfolgreich abschließen könnte. Wir hatten in den Jahren 1973 und 1974/75 eine zweijährige Referendarsausbildung für Rechtsreferendare, und es war den damaligen Referendaren, männlich und weiblich, möglich, weitere Gelder zu verdienen. Das war nichts Ungewöhnliches. Es ist durchaus leistbar, und zwar auch noch mit Erfolg.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Die können ja nicht alle in die Bürgerschaft!)

Nein, die können nicht alle in die Bürgerschaft als Referendare, nur, wir haben ja eine Kollegin unter uns, die Gerichtsreferendarin ist, und selbstverständlich wird sie ihr Examen erfolgreich abschließen, trotz der Belastung durch die Bürgerschaft.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Genau mit der habe ich gesprochen! Als ich gesagt habe, das sei ein nicht wo- chenfüllender Job, hat sie mir den Vogel gezeigt!)

Gut, das mag ja sein, dass sich das alles verändert hat, Sie können auch sagen, dass ich älteren Semesters bin, nur, ich habe persönlich 1973/74 die Referendarzeit mit zwei Jahren gemacht, ohne Beurlaubung. Ich weiß nicht, wo da der Unterschied ist. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Ich meine ganz ehrlich, wir sollten uns ernsthaft damit befassen, weil Sie in Ihrem Antrag wieder schreiben, und dem kann ich nicht folgen, es ist in Bremen unüblich, dass Rechtsreferendare Nebentätigkeiten ausüben. Sie ist in größerem Umfang wegen der negativen Folgen für das Ausbildungsziel auch nicht anzustreben. Es gibt genug Beispiele, die das leisten konnten, und ich gehe davon aus, dass die Kollegin, die neben der Referendarsarbeit auch das Bürgerschaftsmandat wahrnimmt, das auch durchaus miteinander vereinbaren wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand seine Ausbildung wegen eines Bürgerschaftsmandats gefährdet.

Herr Kollege Kuhn, in der entscheidenden Sitzung des Rechtsausschusses sagten Sie, Sie seien damit einverstanden, dass man das Anstellungsverhältnis in ein öffentlich-rechtliches Anstellungsverhältnis überführt. Dem sind wir gefolgt. Wir haben die Passage zwei jetzt als Fraktion der CDU nicht aufrechterhalten, sondern beantragen wie die SPD die Überweisung an den Rechtsausschuss und die dortige Erledigung. Ich darf Sie also bitten, dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf in der Fassung der SPD- und CDU-Fraktion Ihre Zustimmung zu erteilen.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Mäurer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, auch wenn er hier keine Begeisterung auslöst. Ich glaube, es ist sehr deutlich geworden, dass wir uns das auch nicht leicht gemacht haben. Das ist eine Maßnahme unter vielen, die auch schmerzhaft gewesen sind.

Die Alternative ist für uns relativ einfach. Unser primäres Ziel ist, die Funktionsfähigkeit der Justiz zu erhalten. Das kann man dadurch, dass man ausreichend finanzielle Mittel bereitstellt. Leider ist das nicht der Fall. Unsere Haushalte werden von Jahr zu Jahr niedriger angesetzt, und wir müssen dennoch versuchen, die Hauptaufgabe des Ressorts zu erledigen.

Vor diesem Hintergrund bitte ich um Verständnis, dass wir Ihnen heute diese Maßnahme vorschlagen. Sie führt im Ergebnis dazu, dass das Ressort insgesamt mit einem Beitrag von über einer Million DM entlastet wird. Diese Mittel werden wir für die Verbesserung der Referendarausbildung einsetzen, und insofern stehen wir auch zu diesem Wort. Ein

Zehntel war der Vorschlag, den wir gemacht haben, und ich denke auch, dass dieser Vorschlag im Rechtsausschuss eine Zustimmung finden wird. Darüber hinaus brauchen wir das Geld dringend, um notwendige technische Investitionsmaßnahmen durchzuführen, um damit letztlich das Ziel zu erreichen, dass unsere Gerichte ihre Entscheidungen auch in passablen Zeiträumen treffen können. — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch eine Bitte zur Abstimmung äußern, dass wir unseren Antrag zuerst abstimmen, weil wir die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf selbst davon abhängig machen, und dann den Gesetzentwurf selbst.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zuerst über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/451 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Gemäß Paragraph 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich jetzt über den Änderungsantrag des Rechtsausschusses, Drucksache 15/446, abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag des Rechtsausschusses mit der Drucksachen-Nummer 15/446 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?