Integration ist eine bedeutende gesellschaftliche und staatliche Aufgabe. Es klang heute Morgen schon an, dass die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit ein wichtiges Element einer umfassenden Strategie zur Bekämpfung von Rechtextremismus ist. Deswegen ist es von zentraler Bedeutung, dass wir mit diesem Integrationskonzept deutlich machen, dass die Zuwanderinnen und Zuwanderer in Bremen und Bremerhaven zu uns gehören und dass wir die Aufnahme in unsere Gemeinde wollen,
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen — Vizepräsident D r. K u h n übernimmt den Vorsitz.)
wobei wir Aufnahme in die Gemeinde nicht als einseitigen Prozess verstehen! Wir erwarten nicht nur den Beitrag von Zuwanderinnen und Zuwanderern, sondern Aufnahme in die Gemeinde ist ein beidseitiger Prozess. Auch wir, die wir hier geboren sind und schon längere Zeit hier leben als die Zuwanderinnen und Zuwanderer, müssen unseren Beitrag bringen, damit die Aufnahme in die Gemeinde gelingt.
Ungefähr jeder sechste Einwohner Bremens und Bremerhavens ist von außerhalb Deutschlands eingereist oder wurde als Familienmitglied hier geboren. Die meisten Ausländer und Ausländerinnen leben schon seit vielen Jahren in Bremen und Bremerhaven. Sie sind überwiegend als Arbeitskräfte, häufig mit ihren Familienangehörigen, zu uns gekommen oder werden als Asylberechtigte oder im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen als auf Dauer aufgenommene Flüchtlinge auch künftig hier bleiben. Hinzu kommen Flüchtlinge, die voraussichtlich nach einer gewissen Zeit wieder in ihre Heimatländer zurückkehren werden.
Die Teilnahme und Teilhabe am öffentlichen Leben als Indiz für gelungene Integration ist für viele Zugewanderten bereits Alltag. Andererseits können wir auch feststellen, und das ist unverkennbar, dass wir nach wie vor in einigen Bereichen Integrationsprobleme haben. Ich will zwei Beispiele nennen: Ein
Beispiel ist der sinkende Anteil ausländischer Jugendlicher in der Berufsausbildung. Zweites Beispiel ist die Arbeitslosigkeit unter den Zugewanderten, sie liegt deutlich über dem Gesamtdurchschnitt. Allein diese zwei Beispiele zeigen, vor welchen Aufgaben und Problemen wir mit unserer Integrationspolitik stehen.
Wir versuchen, mit dieser Integrationspolitik zukunftsweisende Aufgaben mit konkreten Handlungsfeldern für diese Legislaturperiode aufzuzeigen. Wir gehen dabei von einem Paradigmenwechsel aus. Wir verabschieden uns von einem bloßen Ausgleich von Benachteiligung, den wir nicht in den Vordergrund stellen. Wir verabschieden uns auch von einem rein sozialfürsorgerischen Ansatz, sondern wir stellen die Mobilisierung von Selbsthilfepotential der Zuwanderinnen und Zuwanderer in den Vordergrund. Wir wollen den aktiven Staat auch im Zusammenhang mit der Aufnahme von Zuwanderinnen und Zuwanderern in unserer Gemeinde.
Die in Bremen und Bremerhaven seit Jahren praktizierte Integrationspolitik wollen wir ergänzen durch einen stärker differenzierenden, auf die unterschiedlichen individuellen Lebenslagen der Zuwanderinnen und Zuwanderer eingehenden Ansatz. Wir wollen nach dem Prinzip des aktivierenden Staates, um das noch einmal zu wiederholen, weil es für uns deutlich ist, Angebote entwickeln, wobei uns klar ist, dass in vielen Fällen zunächst die staatliche Hilfe die Aktivierung in Gang setzen muss. Aber zu den staatlichen Angeboten muss auch der eigenverantwortliche, der eigene Beitrag aller Zugewanderten kommen, damit diese Integration, die Aufnahme in die Gemeinde gelingt.
Dabei machen wir vom Grundsatz her keinen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Statusgruppen. Wir differenzieren nicht nach der Herkunft, nach der Kultur, nach der Religion oder nach der Weltanschauung. Wir differenzieren unser Angebot, unsere staatlichen Hilfen, weil nur differenzierte Angebote auch dem Integrationsauftrag gerecht werden, denn nicht alle Zugewanderten brauchen umfassende oder gezielte staatliche Integrationshilfen und -angebote.
Wir können sehr froh sein, dass viele Zugewanderte die Integration bereits vollendet haben, dass sie mit eigener Kraft den Weg zu uns und auch in unsere Gesellschaft gefunden haben und dass sie wie selbstverständlich dazugehören. Wir beziehen alle ein, stufen aber das entsprechende Angebot je nach der Lebenslage ab. Entscheidend ist also nicht der Status, sondern entscheidend ist die jeweilige Problemlage und die Notwendigkeit der Maßnahme.
Ausländer und Ausländerinnen, die beispielsweise über kein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügen, nehmen ebenfalls an unseren Fördermaßnahmen teil, wenn und soweit dies für eine sozialverträgli
che Teilnahme am Alltagsleben erforderlich ist. Man kann das sehr deutlich machen an der Asylbewerberfamilie mit kleinen Kindern. Es ist selbstverständlich, dass wir für die Kinder natürlich Kindergartenangebote und Versorgung im Kindergarten anbieten. Es ist ganz selbstverständlich, dass wir schulische Hilfen anbieten. Es ist auch ganz selbstverständlich, dass wir auch für die Erwachsenen, soweit dies für ihren Aufenthalt, für ihre Teilnahme am Alltagsleben erforderlich und notwendig ist, Hilfe anbieten.
Das übergeordnete Integrationsziel unseres Konzeptes ist es, Chancengleichheit zur Teilhabe am gesellschaftlichen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Leben im Land Bremen zu ermöglichen. Die Fortentwicklung unserer Integrationspolitik steht dabei unter folgenden Gesichtspunkten: die Selbständigkeit und die Eigenverantwortung zu fördern und zu fordern.
Wir gehen von dem Grundverständnis aus, dass bei den Potentialen und Stärken der betroffenen Menschen angesetzt werden muss. Dazu gehört nicht nur eine entsprechende Berücksichtigung von Leistungen, die von den Zugewanderten in Gremien, Vereinen und Initiativen erbracht werden. Nein, dazu gehört auch die stärkere Berücksichtigung von Zugewanderten bei Einstellung in den öffentlichen Dienst! Ich bin sehr froh, dass gerade gestern der Finanzsenator deutlich gemacht hat, dass dies unser gemeinsames Ziel ist, mit verstärkter Einstellung in den öffentlichen Dienst auch Zugewanderte mit ihrem bikulturellen Hintergrund aufzunehmen. Wenn man sich die Entwicklung der Zahlen allein bei den Bewerbungen und den Einstellungen im Auszubildendenbereich anschaut, sind wir hier auf einem guten Weg. Ich sage, wir sind auf einem guten Weg, aber wir haben das Ziel noch nicht erreicht.
Eine Schlüsselqualifikation für die Integration, auch dies sagen wir in unserem Konzept deutlich, sind Deutschkenntnisse. Deshalb wollen wir für alle Zugewanderten bedarfsgerechte und erreichbare Sprachförderung anbieten. Wir wollen neue Angebotsformen entwickeln, wie zum Beispiel durch die besondere Einbeziehung von Müttern während des Kindergarten- oder Schulbesuchs die Kinder noch mehr von Zuwandererinnen und Zuwanderern für das Deutsch Lernen motiviert werden.
Auch die Nutzung bereits bestehender öffentlicher Infrastruktur, zum Beispiel der Sozial-, Jugend- und Gesundheitspolitik, und die Teilhabe an deren Angeboten wollen wir verbessern. Wir müssen diese Angebote stärker bekannt machen, und wir müssen mit entsprechenden Schritten auf die Zugewanderten zugehen, damit sie diese Angebote auch wahrnehmen können.
Wir wollen mit konkreten Integrationsschritten die Zugewanderten konkret auf den Weg in den Arbeitsmarkt auf allen Stationen begleiten. Das, was wir mit sehr hoffnungsvollen Projekten noch zur Zeit von Senator Beckmeyer mit dem Projekt MiBoP, mit dem Projekt BQN, mit der Qualifizierung von ausländischen Jugendlichen begonnen haben, wird weiter ein Schwerpunkt unserer Integrationspolitik bleiben, um ausländischen Jugendlichen einen wirklichen, gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Wir verstehen die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, fremdenfeindlichen Einstellungen und Diskriminierung als eine Querschnittsaufgabe, an der sich alle Ressorts des Senats beteiligen. Ich bin sehr froh, dass wir mit diesem Integrationskonzept auch ein Grundverständnis unter allen Ressorts herbeiführen konnten. Dieses Integrationskonzept ist der verbindliche Rahmen, der für den gesamten Senat, für alle senatorischen Dienststellen, für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gleichermaßen verbindlich ist. Wir haben dem Senat erklärt, dass dieser Prozess keineswegs eine Eintagsfliege ist, sondern dass dieser Prozess sich über die nächsten drei Jahre dieser Legislaturperiode erstrecken wird. Wir haben 50 konkrete Handlungsschwerpunkte definiert. Diese Handlungsschwerpunkte werden wir mit ganz konkreten Schritten, mit ganz konkreten Projekten und Maßnahmen in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. Insofern ist der Vorwurf oder die teilweise Kritik, die geäußert wurde an diesem Integrationskonzept, es sei ein wunderschön geschriebenes, aber letztlich unverbindliches Papier, zu kurz gegriffen. Dies ist erst der Einstieg in unsere konkrete Integrationsarbeit, und Sie werden uns an unseren Taten in den nächsten Jahren messen können, meine Damen und Herren!
Natürlich muss jeder Ressortbeitrag in Eigenverantwortung entwickelt werden, und jedes Ressort muss auch entsprechende Schwerpunkte setzen für die Integrationsarbeit. Wir können in der augenblicklichen Haushaltslage des Landes nicht zusätzliche Mittel für Integrationsarbeit den Ressorts zur Verfügung stellen. Meine Damen und Herren, ich lade Sie herzlich dazu ein, Sie, die Sie in den Deputationen in unterschiedlichen Fachbereichen vertreten sind, begleiten Sie diesen Prozess, und setzen Sie sich ebenfalls dafür ein, dass Integrationsarbeit ein Schwerpunkt, nicht nur der Sozial-, sondern auch der Innen-, der Bildungspolitik und anderer Politikbereiche wird!
Wir werden als Sozialdeputation sehr schnell erste Zeichen setzen, und wir werden heute noch die Deputationsunterlagen Ihnen als Sozialdeputierte in die Fächer legen. Sie werden sehen, wir haben unseren Katalog konkreter Projekte und Maßnahmen bereits fertig. Sie können ersehen, es sind keine unverbindlichen Versprechungen, sondern ganz konkrete Maßnahmen, die wir ergreifen werden. Ich freue mich schon auf die Debatte am 21. September und auf weitere Debatten in anderen Deputationen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Konzeption zur Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern im Land Bremen ist bereits in Fachdeputationen, dem Magistrat Bremerhaven und der Fachöffentlichkeit vorgestellt worden. Sie hat, worüber ich sehr froh war, eine sehr breite Zustimmung gefunden. Wir müssen, davon bin ich überzeugt, Zuwanderung immer mehr als Faktum anerkennen. Wenn wir Zuwanderung als Faktum anerkennen, müssen wir auch dafür sorgen, dass dies im gesellschaftlichen Leben anerkannt und verankert wird.
Zuwanderinnen und Zuwanderer sind keine Gäste, die Bremen und Bremerhaven nach kurzem Aufenthalt wieder verlassen. Diesem Irrtum ist man bereits mit Beginn der Arbeitsmigration in den sechziger Jahren verfallen. Wir dürfen diesen Fehler nicht wiederholen, sondern Schritt für Schritt Integration als ständige Aufgabe im Prozess begreifen, um die Zugewanderten als Teil unserer Gesellschaft möglichst schnell um uns zu versammeln. — Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Staatsrat Knigge, ich fand das heute einmal eine sehr gute Übung, wenn der Senat selbst eine Konzeption hier einbringt, dass diese auch als Beginn der Debatte vom Senat selbst vorgestellt wird. Die Art und Weise, wie Sie das getan haben, war auch so, dass ich sehr vieles von dem, was Sie gesagt haben, unterschreiben kann.
Es ist nötig, glaube ich, trotzdem noch einmal deutlich zu machen, worüber wir heute nicht sprechen. Sie haben es auch schon implizit in Ihrer Rede deutlich gemacht. Wir wollen heute nicht debattieren um die Fragen Einwanderungsgesetz, Einwanderungskommission, Ausländerrecht, Asylverfahren, sondern es geht heute in dieser Debatte und angesichts der vorgelegten unterschiedlichen Konzeptionen des Senats und von Bündnis 90/Die Grünen konkret um die Verbesserung der Partnerschaftsaufgabe Integration, das heißt das Zusammenwachsen und Zusammenführen teilweise immer weiter, aber auch schon ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
länger auseinander driftender Teile unserer Gesellschaft. Das ist die Aufgabe, die wir vor uns haben, und dieser haben wir uns genauso wie der Senat gestellt.
Warum ist diese Aufgabe so wichtig? Im Grunde genommen muss man nicht weit ausholen oder theoretisieren, sondern wenn man durch die Großstädte läuft, kann man es im Prinzip sehen. Die Aufgabe ist wichtig, weil es die Zukunft der Großstädte im Kern berührt, ob diese Aufgabe gelingt und ob wir diese Teile der Gesellschaft auch zusammenführen können. Zum anderen haben wir heute Morgen gesehen, und Staatsrat Dr. Knigge hat es angesprochen, dass diese Aufgabe natürlich auch enorm wichtig ist, weil wir es mit den Tendenzen der Fremdenfeindlichkeit, des Rassismus und des Rechtsextremismus zu tun haben und dies nur mit positiven Zukunftskonzepten und nicht in Abwehrhaltung beantworten müssen.
Wie ich schon sagte, haben wir und hat auch der von uns vorgelegte konkrete Zehnpunktekatalog eine große Übereinstimmung in den Grundsätzen, in den gemeinsamen Werten und in den Zielen. Ich bin froh darüber, dass es im Prinzip in diesen Grundsätzen und in diesen Zielen eine neunundneunzigprozentige Übereinstimmung hier im Haus gibt. Ich glaube, dass wir darauf aufbauen können.
Aber gerade weil es diese Übereinstimmung in den Grundsätzen auf allen Seiten des Hauses gibt, scheint es mir besonders fruchtbar zu sein, in eine Debatte einzusteigen. Den Sinn, in eine Debatte einzusteigen, hat auch unser Antrag heute gerade in den Fragen um die richtigen Wege und die richtigen konkreten Umsetzungsschritte zum Erreichen dieser gemeinsamen Ziele. An dieser Debatte wollen wir uns beteiligen.
Wir haben deshalb, Dr. Knigge ist darauf eingegangen, unser Zehnpunkteprogramm vorgelegt, weil das uns zunächst hier auf dem Tisch liegende Konzept des Senats auf seinen 13 Seiten doch sehr viele Allgemeinplätze enthält, die so auch von uns unterschrieben werden können, aber das ist gleichzeitig natürlich auch die Schwäche des Konzepts, das der Senats uns hier vorgelegt hat. Etwas, das man sozusagen völlig ohne Debatte einfach so unterschreiben kann, weil es ein Allgemeinplatz ist, bringt uns auch in der konkreten Arbeit vor Ort noch nicht weiter.
Was wir brauchen, und darauf komme ich später auch zurück, ist eine verbindliche, nachvollziehbare, finanzierbare und auch in konkreten Schritten darstellbare Umsetzung einzelner ganz pragmatischer und konkreter Maßnahmen, um von der Formulierung der Ziele und der allgemeinen Werte dann auch zu einer veränderten Politik zu kommen. Es wird manchmal kritisiert, dass die Grünen auch
hier in Bremen relativ schnell sind im Kritisieren des Senats. Es wird eingefordert, dass wir uns mit eigenen Alternativen und Konzepten an dieser Debatte beteiligen. Wir haben das hier, denke ich, in dem richtigen Umfang getan.
Warum ist es überhaupt notwendig, jetzt eine solche Konzeption im Land Bremen zu beginnen? Staatsrat Dr. Knigge ist darauf nicht eingegangen. Wir haben eine solche Konzeption ja im Land Bremen vorliegen. Diese Konzeption ist allerdings aus dem Jahr 1979, und es gibt eine Fortschreibung dieser Konzeption, die von 1982 ist. Jedem wird relativ schnell auffallen, dass sich in dieser Zeit gerade in dem Bereich, über den wir heute reden, doch sehr viel getan und verändert hat.
Nur in Stichworten zu dem, was sich verändert hat: Wir haben in der Zwischenzeit natürlich sehr viel mehr Zuwanderung, allerdings auch wieder Abwanderung aus Deutschland. An dieser Stelle ist es wichtig, glaube ich, darauf hinzuweisen, dass wir im Jahr 1999, ich habe das an anderer Stelle in diesem Haus schon einmal getan, zum ersten Mal seit vielen Jahren — ja, Jahrzehnten — wieder einen negativen Wanderungssaldo, das heißt mehr Abwanderungen aus Deutschland als Zuwanderungen, hatten. In der gesamten Debatte, ob das Boot nun halb voll, voll oder sonst etwas ist, zählen ja auch die Fakten, und Faktum ist, dass wir letztes Jahr zum ersten Mal einen negativen Wanderungssaldo hatten. Das heißt, mehr Menschen haben Deutschland verlassen, als hinzugekommen sind. Das hat sich auf jeden Fall geändert!
Was hat sich noch geändert? Es sind seit 1979 neue Gruppen dazu gekommen. Denken Sie an die deutschstämmigen Aussiedler aus dem Bereich der Ex-Sowjetunion, denken Sie an jüdische Kontingentflüchtlinge, an Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien! An all das konnte man 1979 noch nicht denken. Aber auch von denen, die schon länger hier sind, den Nachkommen der so genannten Gastarbeiter, sind mehrere neue Generationen aufgewachsen. Die dritte Generation ist auf der Welt, und die vierte Generation dieser ehemaligen Gastarbeiter ist auf dem Weg.
Wir haben ein neues Ausländerrecht, wir haben ein neues Asylrecht, und wir haben seit dem 1. Januar dieses Jahres die erleichterte Einbürgerung. Wir haben eine völlig veränderte Situation im Umgang mit Religion, und die Bedeutung der Religion in der Frage, die wir heute diskutieren, hat sich in den letzten 20 Jahren vollständig verändert.
Den wichtigsten Punkt, der sich verändert hat, können wir auch, wenn wir durch unsere Stadtteile oder durch beide Städte gehen, mit Händen greifen oder mit Augen ansehen: Wir haben im Unterschied zu der relativ homogenen Gruppe von Gastarbeitern, ihren Familien und so weiter, die wir noch vor 30 und 20 Jahren hatten, heute eine ganz deutliche
Trennung zwischen so genannten Migrationsgewinnern und Migrationsverlierern. Das ist nicht nur materiell, im Geldbeutel, gemeint, sondern das umfasst solche Begriffe wie Bildungsstand und so weiter. Sie sehen praktisch, wenn Sie mit offenen Augen durch unsere Städte laufen, wie sich diejenigen, die von der Migration profitiert haben, und diejenigen, die leider zurückbleiben und wo noch viel zu tun ist, auseinander entwickelt haben. Es gibt also einen Konsens über die Notwendigkeit, den Bedarf und auch die Zielrichtung dieses Programms. Allerdings muss man sich noch einmal anschauen, was der Senat tatsächlich daraus gemacht hat, auch wenn die so genannten Planungsbögen, die Herr Dr. Knigge angekündigt hat, noch folgen. So ganz werden diese Planungsbögen das Problem, das Sie da haben, nicht lösen. Sie haben im Wesentlichen zwei politische Probleme, die man ganz einfach mit Stichworten umschreiben kann: Das erste Stichwort ist Geld. Sie schreiben und Sie sagen nämlich, Sie werden nicht in der Lage sein, auch nur eine Mark mehr für diese Projekte auszugeben, als bisher in den Budgets der Ressorts ist. Zum Zweiten haben Sie ganz erhebliche politische Differenzen in der großen Koalition, die Sie auch daran hindern, bestimmte Dinge zu konkretisieren, weiter voranzutreiben und auf den Punkt zu bringen. Wir haben Sie mit unserem Zehnpunktekatalog genau auf diese Punkte hingewiesen, an denen Sie selbst als große Koalition nicht weiter kommen.
Deswegen flüchten Sie sich in Allgemeinplätze, von denen auch draußen die Bevölkerung sehen wird, dass wir damit nicht weiter kommen. Sie sprechen immer von Ausbau der Elternbildung, Verbesserung der Sprachkenntnisse und so weiter, sagen aber in Ihrem Konzept bisher keinen Satz dazu, wie das konkret stattfinden soll, mit welchen Methoden, mit welchen Geldern, über welche Träger das laufen soll. Lassen Sie mich einige wesentliche Punkte unseres Programms hier vorstellen! Der erste Punkt, und das haben wir in die Leitsätze gepackt: Es ist ganz wichtig, und ich glaube, hier haben wir wieder eher eine Übereinstimmung, dass wir Integration so verstehen, dass beide Teile — die Aufnahmegesellschaft und die, die dazu kommen — sich aktiv und engagiert an diesem Prozess beteiligen müssen.
Es ist weder die Frage, dass hier irgendjemandem alles auf dem Silbertablett präsentiert werden soll, noch dass Integration ausschließlich eine Anstrengung der Migranten selbst sein kann. Wir haben zweitens gesagt, dass es jetzt um eine Vertiefung und Modernisierung der Integration ge
hen muss. In den letzten Jahrzehnten haben wir sehr viel über Ausländer- und Asylrecht gestritten. Langsam zeichnet sich der Konsens ab, dass wir doch ein Einwanderungsland sind.