Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Richtig!)

Ihr Kollege Pletz hat ihn begründet, das hat mir ein sozialdemokratisches Mitglied dieses Stadtparlaments erst gestern Abend noch einmal erzählt, den ich, weil wir hier heute diskutieren wollten, gefragt habe. Wenn er mich falsch informiert hat, dann stelle ich das hier auch im Parlament klar, aber für mich bleibt erst einmal stehen, Sie haben dort so zugestimmt!

(Abg. Frau D r. M a t h e s [Bündnis 90/ Die Grünen] meldet sich zu einer Zwischen- frage – Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das bringt doch nichts! Sie fragt mich, ob das wirklich stimmt, und ich sage, meiner Meinung nach ja, und dann sind wir wieder da, wo wir vorher waren.

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Frau Dr. Mathes, ich frage nach in Bremerhaven, ob das wirklich, endgültig und gesichert so stimmt, und wenn ich mich geirrt habe, nehme ich das hier vor Ihnen zurück.

Herr Kollege Schramm, Sie sind schon sehr lange in der Fischereihafendeputation. Ihnen muss doch so langsam der Unterschied zwischen der Beifangregel und Fischdampfern, die nur losfahren, um Fisch zu fangen und ihn zu Fischmehl zu verarbeiten, klar sein. Wenn Ihnen das allerdings bis heute noch nicht klar ist, dann tut es mir Leid, dann kann ich Ihnen das auch zukünftig nicht mehr klarmachen.

(Beifall bei der CDU)

Das sind zwei grundverschiedene Schuhe. In Deutschland wird diese Fischerei nicht betrieben, die Dänen machen es, das ist die einzige Nation in der EU, von der ich das zurzeit weiß. Die Isländer mit ihrer Lodde sind nicht in der Europäischen Union. Herr Schramm, wir waren auf Island und haben zugeschaut.

(Heiterkeit)

Die Behauptung, es wäre ein Anreiz, die so genannte Gammelfischerei zu betreiben, wenn es erlaubt wäre, Fischabfälle zu Fischmehl zu verarbeiten, ist falsch. Ich erkläre Ihnen das vielleicht doch noch einmal! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das war eine lange Debatte, und sie spiegelt das wider, was in den letzten Wochen ja auch heftig zum Thema BSE und Themen, die sich darum herum ranken, debattiert worden ist. Ich stelle für mich zunächst einmal hier fest, dass ich mich freue, dass wir offensichtlich hier im Hause eine große Verständigung darüber haben, wie wir mit dem Thema BSE insgesamt für Bremen umgehen und was wir an Handlungsbedarfen sehen. Ich sehe da einmal vom Thema Fischmehl ab, dazu ist vieles gesagt worden, da gibt es gegensätzliche Standpunkte. Ich weiß auch nur von einstimmigen Beschlüssen in der Fischereihafendeputation und in der Stadtverordnetenversammlung, aber es wird sich ja aufklären lassen.

Abgesehen vom Thema Fischmehl ist aber der Antrag der großen Koalition mittlerweile auch von den Grünen so mit beeinflusst worden, dass er jetzt für alle Fraktionen offensichtlich zustimmungsfähig ist. Darüber freue ich mich sehr, weil ich glaube, dass gerade zu einem sehr schwierigen Thema wie BSE, das ja auch mit vielen Ängsten einhergeht, bei jedem von uns, auch bei Verbrauchern und Verbraucherinnen, das sind wir auch, große Ängste da sind und wir uns vornehmen müssten, diese Ängste nicht noch zu schüren durch Debatten, die wir führen. Ich freue mich, dass wir da einer Meinung sind und in Bremen gemeinsam einen Weg finden wollen, wie wir mit diesem Thema umgehen. Ich will deswegen auch ganz ausdrücklich hier die einzelnen Punkte des Beschlusses noch einmal ansprechen, um auch klarzustellen, was jetzt passieren soll.

Wir wollen uns auf Bundesratsebene dafür einsetzen, und das erkläre ich auch für den Senat, dass wir das tun werden, weil nur das Sinn macht, dass auf EU-Ebene dieser befristete Beschluss des Tiermehlverfütterungsverbotes – das ist ja da zunächst nur für ein halbes Jahr beschlossen worden – unbefristet gestaltet wird entsprechend der deutschen Regelung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Für mich ist dieser Beschluss auf EU-Ebene auch ein Beleg dafür, dass es überhaupt keinen Sinn macht, Alleingänge auf nationaler Ebene oder sogar auf Bundeslandsebene zu machen, sondern dass wir Beschlüsse, Regelungen brauchen, die EU-weit gelten, damit wir einheitlich in diesem Europa ein Maximum an Sicherheit und die Möglichkeit von Repressalien, aber auch von Prävention haben und nicht zu unterschiedlichen Regelungen und damit zu unterschiedlichen Ängsten oder Situationen in den einzelnen Ländern kommen. Vor dem Hintergrund, sage ich dann noch einmal, würde ich auch Fischmehl vielleicht etwas anders beurteilen, weil da die deutsche Regelung weiter geht als die EU

Regelung. Auch Herr Schramm hat davon gesprochen, dass wir einheitliche Regelungen anstreben sollten. In diesem Zusammenhang würde ich also auch Bewegungsnotwendigkeit in Richtung einheitlicher europäischer Regelungen sehen.

Wir werden uns auf Bundesebene für die Entwicklung von Testverfahren auf BSE-Erreger auch an lebenden Tieren einsetzen. Bisher können wir nur an toten Tieren testen. Wir sind da sehr eingeschränkt und können das deshalb auch nur an Schlachthöfen realisieren oder bei Tieren, die auf andere Weise als im Schlachthof verenden oder notgeschlachtet werden müssen. Wir brauchen da Testverfahren – die muss die Wissenschaft uns liefern –, die auch Tests an lebenden Tieren ermöglichen, darauf müssen wir, auch EU-weit, hinarbeiten.

Wir wollen, und das machen wir bereits, Tiere ab einem Alter testen, ab dem eine wissenschaftliche Aussage über das Vorhandensein von BSE möglich ist. Wir testen bereits länger, als es auf Bundesebene zwingend vorgegeben ist. Ich kann die Zahlen für die erste Testwoche nennen, wobei Sie berücksichtigen müssen, dass die Schlachtzahlen wegen der BSE-Diskussion zurückgegangen sind. Sie haben vielleicht auch gelesen, dass inzwischen ja von hier aus auf niederländische Schlachthöfe ausgewichen wird. Auch das spricht für mich ganz eindeutig dafür, dass wir einheitliche Regelungen auf EUEbene brauchen, sonst nützt uns unsere ganze nationale Regelung nichts.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir haben in der ersten Testwoche 215 Tiere an bremischen Schlachthöfen, also in Bremen, BremenNord und Bremerhaven, getestet, die älter waren als 30 Monate. Wir haben keinen Fall von BSE gefunden. Das vielleicht hier als kurzer Sachstandsbericht!

Da greift dann auch das, was eben am Schluss noch angesprochen worden ist, nämlich die Kostenordnung, die wir hier heute vorlegen. Wir brauchen eine Regelung, die die Kosten für diese Tests auch denen auferlegt, die diese Kosten zu tragen haben. Das kann nicht der Staat sein, sondern das muss aus meiner Sicht – und so regeln das wohl auch die norddeutschen Länder, wir sind da im Einklang – über die Schlachthöfe organisiert werden und wird sich dann am Ende an der Ladentheke wiederfinden. Ich glaube aber, wir sind uns ja alle einig, dass wir den mündigen Verbraucher wollen, und dann muss der Verbraucher auch solche Dinge in sein Verhalten einbeziehen, und solche Kosten, die sich dann auf Preise auswirken, sind dann eben auch mit zu tragen.

Wir werden uns in Brüssel für eine sofortige europaweite obligatorische Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischprodukten in Bezug auf Geburts-, Mast-, Schlacht- und Zerlegungsort des Rindes ein

setzen. Das werden wir über die Bundesebene machen müssen, werden das aber tun, weil nur das dann dem vorbeugt, was Frau Tuczek angesprochen hat, nämlich dass wir als Verbraucher und Verbraucherinnen nicht genau wissen, was wir denn da eigentlich kaufen und was wir dann auch verzehren.

Wir werden in Bremen die Einhaltung der bereits geltenden Vorschriften zum Schutz vor BSE bei der Bremer Futtermittelindustrie überprüfen und dauerhaft sicherstellen, das ist selbstverständlich. Wir werden gewährleisten, dass ab sofort bei der Lieferung von Futtermitteln eine offene Deklaration der verarbeiteten Einzelkomponenten schriftlich beigefügt wird. Wir sind alle darauf angewiesen, nicht nur wir in Bremen, sondern europaweit, vielleicht weltweit, dass verstärkt über die Ursachen des bislang nicht auszuschließenden Zusammenhangs zwischen BSE-Erregern und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit geforscht wird sowie nach Behandlungsmöglichkeiten, die wir für die Menschen dringend brauchen, die diesem Krankheitsbild zum Opfer fallen.

All das werden wir von hier aus tun. Ich bin froh, dass dieses Haus uns auf diesem Weg offensichtlich ein einstimmiges Votum mitgeben wird, damit wir wirklich auch diese Debatte und diese schlimme Tatsache BSE, die nun da ist, für die Zukunft nutzen können für eine verbesserte Verbraucherinformation, für verbesserten Verbraucherschutz und für die Entwicklung von Gegenmaßnahmen, wenn denn der schlimmste Fall eingetreten ist, nämlich das Krankheitsbild aufgetreten ist. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste erhält das Wort Frau Staatsrätin Winther.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir tragen das Problem Fischmehl beziehungsweise die Folgen aus der nationalen und europäischen Gesetzgebung, was das Tiermehl angeht, auf zwei Schultern, insofern habe ich mich hier heute auch noch einmal zu Wort gemeldet.

Selten ist in den letzten Jahren ein Gesetz, das zugleich die landwirtschaftlichen Betriebe, das Wirtschaftszweige wie zum Beispiel die Fischereiindustrie und den Handelsstandort, insbesondere Bremen, betrifft, so hektisch auf den Weg gebracht worden. Ohne jeglichen Zweifel, und darin sind wir alle uns hier einig, war ein schnelles Verbot von Tiermehl zum Schutz vor BSE dringend notwendig. Nur, man kann auch des Guten zuviel tun.

Zu diesem Zuviel gehört nach unserer Einschätzung und auch nach meiner Einschätzung und nach dem Stand der Wissenschaft das Verbot von Fischmehl und Fischöl. Das sehen wir mit dem Gesundheitsressort gleichermaßen. Herr Hoyer hat die Si

tuation dargestellt, hat auch die Kontrollmechanismen dargestellt, die es gibt. Das sieht auch die überwiegende Zahl der europäischen Länder so. Dieses Zuviel ist nach meiner Überzeugung entstanden, weil die allgemeine Hektik im Verfahren für eine ideologische Debatte genutzt wurde, und das haben Sie letztendlich, Frau Mathes und Herr Schramm, auch bestätigt.

Fragen der Überfischung der Meere haben innerhalb der BSE-Diskussion nichts zu suchen. Vieles hat Frau Adolf bereits gesagt, auch dass wir nur mit einer einheitlichen EU-weiten Regelung den Verbraucher wirklich werden schützen können. Die Alleingangspolitik der Bundesregierung, besonders im Hinblick auf das Fischmehl, ist in Nizza auf deutliche Kritik gestoßen. Dennoch wird der Fehler nicht korrigiert und für Fischmehl keine Ausnahmegenehmigung zugelassen. Bremen wird sich daher weiter für die Aufhebung des Fischmehlverbotes einsetzen, für das, ich kann das nur wiederholen, nach wissenschaftlicher Meinung keine Grundlage besteht.

Die Fischwirtschaft und der Hafenstandort Bremen dürfen nicht unter der kurzfristigen isolierten Politik der Bundesregierung leiden. Dazu hat der Wirtschaftssenator ein Schreiben an den Bundeslandwirtschaftsminister verfasst, an die Gesundheitsministerin und an den Bundeskanzler und hat um Aufhebung gebeten. Der Wirtschaftssenator steht im engen Kontakt sowohl mit der Fischwirtschaft als auch mit den Umschlagsbetrieben.

Welche Folgen der nationale Alleingang bei Fischmehl hat, ist, Frau Hannken, von Ihnen auch beschrieben worden. Die Auswirkungen und die finanziellen Folgen für die Fischindustrie sind heute noch gar nicht absehbar. Die Auswirkungen für den Handelsstandort kann ich Ihnen in ein paar Zahlen darstellen: 350 000 Tonnen Fischmehl gehen jährlich über Bremer Häfen, und verbunden mit diesem Umschlag sind 120 Arbeitsplätze. Schon jetzt werden Schiffe nach Rotterdam umgeleitet, und es könnte mit der Gesamtproblematik verbunden sein, dass die hier ansässigen Firmen ihre Aktivitäten in Richtung Niederlande verlagern, um ihre Geschäfte abwickeln zu können.

Ein kurzes Wort noch zum ökologischen Landbau! Frau Mathes, Sie haben Gegenmaßnahmen gefordert. Ich frage mich, Gegenmaßnahmen wogegen, denn die in Ihrem Antrag beschriebenen Strukturen gibt es in Bremen überhaupt nicht! Die bremische Landwirtschaft zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass weder eine Massentierhaltung noch eine Industrialisierung im Bereich der Landwirtschaft je stattgefunden hat oder stattfinden wird.

(Beifall bei der CDU)

Die bremische Landwirtschaft zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass eine Massentierhal

tung, dass die Flächenbewirtschaftung unter rechtlich hohen Vorgaben steht. 100 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen unterliegen dem Landschaftsschutz, zirka 1830 Hektar sind als Naturschutzgebiet ausgewiesen, davon sind 1300 Hektar mit Gewässern und Feuchtgrünland durchzogen, Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen kommen noch hinzu.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Das war unsere Debatte vom Mai!)

Die geforderten Gegensteuerungsmaßnahmen, die Landwirtschaft in Bremen flächendeckend zu extensivieren, müssen deshalb gar nicht erst eingeführt werden.

In der Vergangenheit haben wir bereits Förderprogramme im Bereich ökologischer landwirtschaftlicher Produktion durchgeführt, und durch die natürlichen Bodenverhältnisse im Land Bremen, überwiegend Grünland mit einem hohen Grabenanteil, ist es den bremischen Landwirten nicht möglich, eine intensive Landwirtschaft zu betreiben.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Das war die Rede vom Mai, die Sie hier halten! Das passt doch nicht zum Antrag!)

Natürlich passt das zu dem Antrag! Ich bin hier gefragt worden, aber Sie können gern eine Frage stellen, das nebenbei. Wir diskutieren hier über ökologischen Landbau und Landwirtschaft, und darauf komme ich jetzt sofort noch.

Wir haben Ihnen den Plan zur Entwicklung des landwirtschaftlichen Raumes vorgelegt, und dort haben wir alle Möglichkeiten und Chancen diskutiert, die gerade hier in Bremen auch für den ökologischen Bereich bestehen. Dieser Plan, den wir debattiert haben, wird mit 21 Millionen auch noch von Brüssel gefördert. Einer der ganz wichtigen Bestandteile dieses Planes besteht darin, Zuschüsse an die Landwirtschaft und den Gartenbau für den Ausbau der Direktvermarktung oder zum Einstieg in den Ökolandbau zu gewähren. Insoweit deckt es sich zum Teil mit der Debatte aus dem Sommer, aber dies sind die Ansatzpunkte im Antrag der Grünen gewesen, insofern denke ich, musste hier noch einmal gesagt werden, was wir bereits machen.

(Zuruf der Abg. Frau H a m m e r - s t r ö m [SPD])

Frau Hammerström, würden Sie bitte eine Frage stellen, wenn Sie eine Antwort von mir haben möchten? Wenn das nicht der Fall ist, bedanke ich mich für das Zuhören. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)