Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Aber, lieber Kollege Hattig, beziehungsweise hier vertreten durch Herrn Dr. Färber, wer es mit Strukturwandel und Innovation ernst meint, der muss auch Prioritäten setzen können. Wenn Sie in Ihrer Behörde mit dem derzeitigen Umstrukturierungsprozess lahm gelegt sind oder vielleicht zu viele Mitarbeiter in touristischen Großprojekten gebunden sind, dann müssen Sie auch in dieser Situation es noch schaffen, innovative Projekte voranzutreiben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ein weiteres Beispiel ist, dass Herr Senator Hattig zum Beispiel bei der Verleihung des Gründerpreises in Bremerhaven an ein junges Biotechnologieunternehmen es wohl nicht für notwendig erachtet hat, dort teilzunehmen. Auch das verfestigt bei mir eindeutig den Eindruck, dass die Themen Innovation und Biotechnologie im Hause offenbar nur zweitrangig behandelt werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Bei uns Sozialdemokraten steht das Thema Innovation an erster Stelle, und es bleibt aber auch weiterhin fest verknüpft mit dem Anspruch eines verantwortungsbewussten Einsatzes der neuen Technologien. Ich fordere Sie deshalb auf, diesen Weg mitzugehen und dementsprechend dem Antrag, den die Koalition hier zur Förderung der Biotechnologie vorgelegt hat, der genau diese Handschrift trägt, zuzustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Anbetracht dessen, dass bei der Großen Anfrage der CDU und der SPD die falschen Begriffe verwendet wurden und die falschen Fragen gestellt wurden, finden wir Grüne, dass der Senat ganz passabel geantwortet hat.

(Beifall bei der SPD)

Genauso unklar, und ich werde es Ihnen auch gleich erklären, war letztendlich auch Ihr Vortrag, Herr Eckhoff, wenn man nämlich so mit Begrifflichkeiten umgeht, kann man keine vernünftige Bewertung hinsichtlich Chancen und Risiken hinbekommen. Warum die falschen Fragen? Das ist schon aus

dem Titel zu ersehen! „Biotechnologie – Chancen für Bremen und Bremerhaven“!

Herr Käse hat darauf hingewiesen, wenn man eine richtige Entscheidung treffen will, dann muss man Chancen und Risiken abwägen. Meine Damen und Herren von der CDU, da war Ihre alte Bundesregierung in der Tat schon weiter. Sie hatte nämlich ein Programm aufgelegt und einen Rat für Forschung, Technologie und Innovation eingerichtet zum Thema, jetzt hören Sie gut zu, „Biotechnologie, Gentechnik und wirtschaftliche Innovation – Chancen nutzen und verantwortlich gestalten“, also ein ganz anderer Tenor, als ich ihn hier aus dieser Großen Anfrage der CDU und SPD wahrnehme. Risiken wurden nämlich nicht insofern ausgeklammert, weil erkannt wurde, dass sie einer verantwortlichen Gestaltung bedürfen. Ob dies nun prinzipiell möglich ist, das hängt vom Anwendungsbereich ab. Es ist in bestimmten Fällen zu bezweifeln.

Ich möchte hier einmal mit den Worten von Hans Jonas sprechen, die Gentechnik reißt nämlich dort eine Verantwortbarkeitslücke auf. Das ist der entscheidende Punkt, den ich wichtig finde, wenn wir überhaupt eine vernünftige Debatte über Risiken und Chancen führen wollen. Der entscheidende Punkt ist, Bio- und Gentechnologie sind nicht gleichzusetzen. Biotechnologie ist der Oberbegriff, Gentechnik ist lediglich ein spezieller Bereich der Biotechnologie. Sie ist da, wo es um die Manipulation von Leben geht, wo es sich um die Herstellung neuer Lebewesen handelt, mit hohen Risiken verbunden und prinzipiell nicht verantwortbar.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Biotechnologie dagegen allgemein ist nichts anderes als die Anwendung von Erkenntnissen der Biowissenschaften in der Technik, also hier ganz allgemein, egal, welche Erkenntnisse der Biowissenschaften, diese anzuwenden im Sinne bestimmter Zielerreichungen, die für das Gemeinwohl sind, die die Gesellschaft voranbringen.

Gestatten Sie mir eine Anmerkung, nachher kommt wahrscheinlich wieder die Aussage, die Grünen sind technikfeindlich!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Nicht alle!)

Kurz bevor ich das Mandat hier angenommen habe, habe ich an der Universität ein biotechnologisches Forschungsprojekt initiiert und geleitet. Das war am UFT angesiedelt. In der Antwort des Senats kommt ja häufig das UFT vor. Es war zu 100 Prozent finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, und es wurde zusammen mit einer Firma durchgeführt, alles das, was man sich im Prinzip letztendlich für Bremen wünscht. Es hatte aber nichts, rein gar nichts mit irgendwelcher Gentechnik zu tun, sondern schlicht und ergreifend ging es

darum, mittels dem, was wir an Potentialen in der Natur haben, und dem, was wir an Wissen haben, das Ziel, das wir brauchen, zu erreichen. Es ging speziell darum, mittels Simulationsmodellen Verfahren zu unterstützen, wie man Chemikalien im Boden abbauen kann. Also auch hier Bioinformatik! Da würde ich Ihnen, Herr Eckhoff, auch zustimmen, Bioinformatik ist ein ganz wichtiger Teil sicherlich im Rahmen der Biotechnologie. Wie man das natürlich dann ausbildungsmäßig strukturiert, darauf wird Herr Kuhn vielleicht auch noch einmal eingehen.

Für diesen Ansatz hat sich in der Scientific Community der Begriff sanfte Biotechnologie etabliert. Es ist im Prinzip auch der Schwerpunktansatz im Biotechnologiezentrum Bremerhaven, der dort verfolgt wird. Es ist der Königsweg. Wir begrüßen ausdrücklich sowohl das Biotechnologiezentrum als auch diesen Kompetenzknoten „Blaue“ Biotechnologie.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. S c h r a m m [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist sozusagen ein grünes Projekt!)

Ja, aber in der richtigen Form! Ein ganz wichtiges Anliegen ist mir, dass wir hier eine Versachlichung in die Debatte bekommen. Diese können wir nur hineinbekommen, wenn wir auch die richtigen Begriffe verwenden. Es handelt sich einfach um verschiedene Dinge.

Ebenfalls positiv bewerten wir den internationalen Studiengang für technische und angewandte Biologie. Dagegen hat Bremen im Bereich der „Roten“ und „Grünen“ Gentechnik, das heißt in dem Bereich, wo letztendlich ethische Fragen im Vordergrund stehen, wo es um die Manipulation von Lebewesen geht, Gott sei Dank nichts zu bieten. Herr Eckhoff, die Antwort des Senats ist an der Stelle richtig, da gibt es nämlich auch nichts, und das ist auch gut so. Wir begrüßen das.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weiterhin muss man natürlich bei gentechnischen Anwendungen, die wir hier haben in der Bremer Forschungslandschaft, auch hinsichtlich der Bewertung, unterscheiden, neben diesem Bereich Mensch oder andere Organismen, ob es sich hier um diagnostische, analytische Anwendungen handelt oder eben um die Manipulation von Lebewesen. Sie haben völlig unterschiedliche Risikopotentiale und sind, wie gesagt, hinsichtlich der ethischen Implikationen nicht vergleichbar. Falsche Fragen wurden also gestellt, weil alles in einen Topf geworfen wurde, weil Begriffe nicht sauber verwendet wurden, weil Birnen mit Äpfeln verglichen wurden.

Hier müssen wir zusammenfassend feststellen, dass die erforderliche differenzierte Beurteilungsgrundlage bisher nicht vorliegt. Sowohl die Chan

cen als auch die Risiken in ökologischer wie auch ökonomischer Hinsicht hängen davon ab, ob es sich um naturangepasste sanfte Biotechnologie oder Gentechnik handelt. Auch innerhalb der Gentechnik muss differenziert werden, und zwar nach dem Anwendungsbereich Mensch einerseits, Tier, Pflanze, Mikroorganismus andererseits. Weiterhin müssen Sie unterscheiden, ob es sich um Analytik, Diagnostik handelt oder um die Manipulation von Lebewesen. Soweit hoffe ich, vielleicht einmal zu einer Klärung beizutragen, die dann weitergeführt werden kann.

Nun die entscheidende Frage zum Ausbau der Biotechnologie in Bremen und Bremerhaven! Der Senat geht davon aus, dass in den Unternehmen der Gentechnologie in Bremen zirka 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt werden, weniger als da in der Forschung arbeiten. Hier ist ein ganz krasses Missverhältnis von Fördersumme und Return zu beobachten. Es besteht hier in der Tat ein sehr hohes Risiko, dass der Senat eine Investitionsblase ernährt, die sich nicht mit verkaufbaren Produkten wird ausweisen können. Dem entspricht außerdem die Hochrisikosituation, wie sie sich im Moment auch börsenpraktisch allgemein darstellt.

Wir können davon ausgehen, dass auf dem neuen Markt der Gentechnik zwar einige Firmen überleben werden, auch Geld verdienen, aber dieser Bereich ist heute, wie auch der Presse zu entnehmen ist, wenn Sie verschiedene einschlägige Zeitungen lesen, weit, weit überinvestiert. In wirtschaftlicher Hinsicht läuft also der Senat wieder einmal Gefahr, sich wie bei dem Musicalmarkt in eine weitere Defizitspirale zu begeben und ein neues selbst organisiertes Haushaltsdefizit zu organisieren.

Wir Grüne begrüßen andererseits, dass der Senat die Risiko- und Chancendiskussion führen will. Wir fordern den Senat aber auf, hierfür eine differenzierte Betrachtung unter den dargelegten erforderlichen Unterscheidungen anzustellen und einen breiten öffentlichen Diskurs zu organisieren. Die Notwendigkeit hierfür belegt die Tatsache, dass offensichtlich nicht einmal die CDU-Abgeordneten in der Lage sind, die richtigen Begriffe hier einzuführen und entsprechend die Bewertungen vorzunehmen. Es entspricht aber auch der gesamtgesellschaftlichen Situation, denn nur ein bis zwei Prozent der Bevölkerung wissen genug über Gentechnik, deren Risiken und eventuellen Chancen.

Mit der „Blauen“ Biotechnologie, ohne die Manipulation von Lebewesen, marinen Naturstoffen sowie der gentechnischen Risikoforschung und der Analytik als integraler Bestandteil solcher Forschungsausrichtungen hat das Land Bremen hervorragende Potentiale, die es auszubauen gilt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir Grüne im Land Bremen wollen einen Kompetenzknoten für sanfte Biotechnologie, und, wie Herr Dr. Käse das ja auch dargestellt hat, ein Ausbau, wie er ja jetzt auch auf den Weg gebracht wurde, ist klug, mit den wenigen Mitteln, die Bremen ja auch hat, umzugehen. Von der Gentechnik, der Manipulation von Organismen, sollte Bremen tunlichst die Finger lassen. Hier ist es vielmehr erforderlich, das Wissen, die ethischen Probleme und die Risiken in die Gesellschaft zu vermitteln. Bremen darf keinesfalls auf einen Zug aufspringen, der mit überhöhtem Tempo gegen die Wand rast. Davor warnen wir eindringlich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Abschluss! Bevor hier wieder die Standardargumente hinsichtlich Diffamierungen und Vorurteile den Grünen gegenüber kommen, bitte ich wirklich einmal eindringlich: Sehen Sie sich einmal die Geschichte der Chemieindustrie an, sehen Sie sich die einmal ernsthaft an! Sehen Sie auch an, mit genau welchen Argumenten das eingeführt worden ist! Chemikalien – und das ist jetzt der entscheidende Punkt – sind prinzipiell, wenn manchmal auch nur über lange Zeiträume, abbaubar. Organismen, neu hergestellte Organismen vermehren sich, da ist nichts mehr mit Abbau. Sie vermehren sich auch dann, wenn sie gefährlich sind, und das ist eine neue Dimension der Verantwortung, unabhängig von den großen ethischen Fragen, denen wir uns stellen müssen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Mathes, Sie haben Ihrem Ruf als, sage ich einmal, abfallbewusste Politikerin wieder einmal alle Ehre gemacht! Die Rede, die Sie hier gehalten haben, war das beste Beispiel für Redenrecycling aus den achtziger Jahren. Das sind genau die Argumente, mit denen sich die Grünen schon in den achtziger Jahren zu Fragen der Gentechnik befasst haben.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn Sie davon reden, Sie wollen Chancen und Risiken vernünftig gegeneinander abwägen, dann verstehe ich nicht, warum in einer solchen Debatte, die sachlich geführt werden kann, Frau Mathes zu 98 Prozent nur über die Bedenken und die Risiken ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

redet und nicht ein Wort zu den Chancen für die Menschen in diesem Land sagt.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, es gibt ja hin und wieder einmal Überlegungen, ob die Grünen nicht doch ein geeigneter Regierungspartner auch für andere Parteien als die Sozialdemokraten sind. Ich muss sagen, solange solche Reden gehalten werden und Sie sich der Zukunft mit solchen Argumenten verweigern, kann ich dem nichts abgewinnen.

(Beifall bei der CDU)

In das gleiche Horn hat ja auch ungefähr Herr Dr. Käse von der vierten Fraktion dieses Hauses gestoßen,

(Heiterkeit bei der CDU)

indem er uns sozusagen wieder nachgelegt hat, wir als CDU würden nur kommerzielle Interessen verfolgen, wir würden Menschen klonen und Patente auf geklonte Menschen wollen. Herr Dr. Käse, ein bisschen mehr gründliche Beschäftigung hätte dem Thema, denke ich, gedient. Sie wissen genau, dass das nicht die Politik der CDU ist. Im Übrigen lasse ich mir auch als Mitglied einer Partei, die dem christlichen Menschenbild verpflichtet ist, von Ihnen nicht vorschreiben, in welcher Weise wir über ethische Grundsätze diskutieren, Herr Dr. Käse!

(Beifall bei der CDU)

Die CDU hat während der gesamten Zeit der Diskussion über die Gentechnik ausreichend Gelegenheit genommen und macht es heute noch auf Kongressen, über diese ethischen Fragen grundsätzlich nachzudenken. Selbstverständlich spielt das bei uns eine Rolle! Wir reden heute in diesem Parlament aber auf unsere Initiative hin über die Chancen, die uns die Biotechnologie bietet. Dabei verkennen wir nicht die Risiken, die dabei vorhanden sind, aber wir reden nicht nur über die Risiken, sondern wir erkennen im Interesse der Menschen in diesem Lande auch, dass diese Technologien Chancen bieten.

(Beifall bei der CDU)

Frau Dr. Mathes, ich habe meinem dreijährigen Sohn schon beigebracht, dass es keine falschen Fragen gibt. Ich verstehe nicht, weshalb Sie der CDU sagen, sie hätte hier falsche Fragen gestellt. Es gibt auch in der Wissenschaft keine falschen Fragen –