Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Frau Dr. Mathes, ich habe meinem dreijährigen Sohn schon beigebracht, dass es keine falschen Fragen gibt. Ich verstehe nicht, weshalb Sie der CDU sagen, sie hätte hier falsche Fragen gestellt. Es gibt auch in der Wissenschaft keine falschen Fragen –

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Doch!)

Herr Dr. Kuhn, Sie sind Wissenschaftspolitiker –, es gibt nur unsachliche Auseinandersetzungen, und dazu haben Sie, Frau Dr. Mathes, heute beigetragen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das wa- ren einfach dämliche Fragen!)

Dafür, dass dämliche Fragen gestellt worden sind, sind, das hat Frau Dr. Mathes ja schon gesagt, recht kluge Antworten gekommen! Ich höre von Ihnen ja nicht einmal dämliche Fragen zu diesem Bereich!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, außer ihren wissenschaftlichen Bedenken, die sie schon in den achtziger Jahren an der Universität geäußert und heute wiederholt hat, hat Frau Dr. Mathes auch noch gesagt, man müsse dann auch genau bei den Chancen hinschauen, der neue Markt der Gentechnik wäre so risikobehaftet, und wir müssten aufpassen, nicht wieder in eine Defizitspirale zu kommen. Meine Damen und Herren, wer sich einmal mit dem Markt für Biotechnologie befasst und sich anschaut, welche Erfahrungen die Länder haben, die sich bereits in den frühen neunziger Jahren, 1993 und 1995, damit befasst haben, im Bereich der Biotechnologie jungen Existenzgründern Anreize zu geben, sich selbständig zu machen, auf dem Gebiet tätig zu sein, der wird sehen, dass zum Beispiel in Martinsried bei München die, glaube ich, mittlerweile sechste Ausbaustufe für ein Biotechnologiezentrum im Bereich der Medizintechnik errichtet worden ist. Damit wird den Menschen doch nicht geschadet, Frau Dr. Mathes, das ist medizinischer Fortschritt, der da finanziert und gefördert wird.

(Beifall bei der CDU)

Das nützt den Menschen im Lande und schafft Arbeitsplätze! Wie Sie davon reden können, es gäbe da eine große Bedrohung durch eine Defizitspirale, lässt sich wirklich nur durch grüne ideologische Ideen hier erklären.

Meine Damen und Herren, ich wollte eigentlich gar nicht so viel zu den grundsätzlichen Fragen sagen –

(Zuruf der Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/Die Grünen])

das haben Sie selbst in den Händen gehabt, indem nicht Sie selbst geredet haben, Frau Dr. Trüpel, ich glaube, das wäre eine sachlichere Auseinandersetzung mit dem Thema gewesen –, sondern ich wollte eigentlich dazu reden, in welcher konkreten Weise wir als Land jetzt die Chancen, die sich aus diesem

neuen Markt der Biotechnologie bieten, für unser Land nutzen mit der Finanzierung des Biotechnologiezentrums mit dem Schwerpunkt Lebensmittelwirtschaft. Im Übrigen auch ohne jede ethische Bedenken, ob Sie es nun, Frau Dr. Mathes, in der Terminologie die sanfte, die weiche, die blaue, die grüne, die bunte Technologie nennen! Für mich ist das Biotechnologie, die ethisch verantwortbar ist, und deswegen machen wir ein Projekt in diesem Bereich.

(Beifall bei der CDU)

Mit dem Schwerpunkt Lebensmittelwirtschaft helfen wir auch den Menschen, leisten wir einen entscheidenden Beitrag zum Strukturwandel in Bremerhaven, aber ich denke, auch im Land Bremen. Wir finden zwar mit dieser Maßnahme keinen Anschluss an die High-Tech-Regionen wie Hamburg, Berlin oder insbesondere München, die bereits seit Jahren in den Bereich der so genannten Life Sciences Millionenförderbeträge stecken, nicht um den Menschen zu schaden und Menschen zu klonen, sondern um Chancen für neue Märkte und Arbeitsplätze und für Fortschritt zu schaffen, deswegen machen die Menschen das, mit großem Erfolg. Da werden wir den Anschluss leider nicht finden können.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Hat ja auch lange gedauert!)

Aber wir werden uns auf das wissenschaftliche Know-how konzentrieren können, das wir in Bremen und Bremerhaven bereits jetzt mit dem AlfredWegener-Institut, mit dem Bremerhavener Institut für Lebensmitteltechnologie und Bioverfahrenstechnik, mit den Instituten an der Universität in Bremen verfügbar haben.

Wir verbinden hier dieses hochspezialisierte wissenschaftliche Know-how, das wir in unserem Lande haben, mit einer großen praktischen Kompetenz durch die ortsansässigen Betriebe. Wir haben nämlich in Bremen und Bremerhaven einen hohen Anteil an Betrieben, die sich mit der Lebensmittelwirtschaft befassen, und ich kann nur hoffen, dass wir durch das Biotechnologiezentrum in Bremerhaven die Verbindung zwischen der ansässigen Wirtschaft und unserem hochspezialisierten wissenschaftlichen Know-how schaffen. Deswegen war es richtig, dass wir bereits 1999, im Übrigen auf Drängen der Fraktionen von CDU und SPD, in den Wirtschaftsförderungsausschüssen die Grundlage dafür geschaffen haben, dass wir heute die Finanzierung des Biotechnologieinstituts in Bremerhaven darstellen können.

Dazu möchte ich anmerken: Der Königsweg, den Sie hier beschrieben haben, Frau Dr. Mathes, das ist nur der Königsweg der Grünen. Sie müssen versuchen, zwischen Ihren Zweiflern und Befürwortern einen vertretbaren Weg zu finden, und den bezeichnen Sie hier als Königsweg. Den Weg haben Sie im

Übrigen auch in der Beratung in den Wirtschaftsförderungsausschüssen und im Haushaltsausschuss beschritten. Während Sie in den Wirtschaftsförderungsausschüssen fachlich begeistert waren, haben Ihre Haushälter hinterher das Geld nicht zur Verfügung gestellt. Meine Damen und Herren, eine solche Zwitterleistung ist auch tatsächlich nur beim Bündnis 90/Die Grünen möglich.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir schaffen mit der seit 1999 – dann aber sehr intensiv und für unsere Ansicht viel zu zeitintensiv – geschaffenen Planungsphase ein Konzept, das den Interessen der örtlichen Wirtschaft, aber insbesondere auch den räumlichen Erfordernissen an Existenzgründungen in diesem Bereich gerecht wird. Wir investieren 24,4 Millionen DM in ein Biotechnologiezentrum in der unmittelbaren Nähe zur Lebensmittelwirtschaft in Bremerhaven. Aus Sicht der CDU handelt es sich dabei um ein wirklich gelungenes Konzept. Wir werden in einem zentralen Technikum, vom Bremerhavener Institut für Lebensmittelwirtschaft und Biotechnologie gemietet und betrieben, mit von allen gewerblichen Mietern und interessierten Außenstehenden zu nutzenden Anlagen, hochwertigen technischen Anlagen, mit Lagerräumen, für das Technikum eine hervorragende Infrastruktur schaffen. Wir werden zehn komplett ausgerüstete Labore nach Biotechnologiestandard zur Verfügung stellen, die sowohl den Existenzgründern als auch den örtlichen Betrieben zur Verfügung stehen. Meine Damen und Herren, mit diesem Biotechnologiezentrum in Bremerhaven schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass wir auf dem Bereich der Entwicklung marktfähiger Produkte im Bereich der Lebensmitteltechnologie entscheidend vorankommen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass es sich hierbei aus Sicht der CDU nicht um ein Bremerhavener Projekt handelt, sondern es ist ein Projekt des Landes Bremen, das sich in Bremerhaven befinden wird. Ich erwarte, dass sowohl die wissenschaftliche Unterstützung, aber auch insbesondere die Akzeptanz in der Wirtschaft auch durch die Bremer Betriebe geleistet wird. Wer sich anschaut, wie andere Existenzgründerzentren versuchen, bereits in frühen Phasen die gewerbliche Wirtschaft einzubeziehen, kann von deren Erfolg auch nur lernen.

Ich erwarte, dass am Biotechnologiezentrum in Bremerhaven ein Beirat gegründet wird, der nicht nur aus Wissenschaftlern, sondern auch aus Praktikern besteht, und zwar nicht nur aus Praktikern, die aus der Stadtgemeinde Bremerhaven kommen, sondern ich kann mir auch vorstellen, dass große Industriebetriebe aus der Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft hier in Bremen sich an dem Bremerhavener Institut beteiligen können und dieses beraten

können. Letztendlich machen wir es ja nicht nur für die Existenzgründer, nicht nur für die Wissenschaftler, sondern auch für die, die hinterher die Arbeitsplätze am Markt schaffen.

Meine Damen und Herren, um es kurz zu sagen, das Biotechnologiezentrum Bremerhaven ist eine runde Sache. Wir haben die Finanzierung kurzfristig sichergestellt, es ist eine große Leistung der großen Koalition für den Strukturwandel im Land Bremen, am Orte Bremerhaven, und dafür, dass wir zumindest als große Koalition diesem wichtigen Projekt die Zustimmung erteilt haben, darf ich mich insbesondere auch bei den Bremer Kollegen bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Wir können, denke ich, zumindest was diesen Bereich betrifft, von unseren bayerischen Kollegen sehr viel lernen. Edmund Stoiber hat im Rahmen seiner Regierungserklärung vor über einem Jahr schon zur High-Tech-Offensive des Landes Bayern gesagt: „Mit unserem bayerischen Weg der Verbindung von Tradition und Fortschritt, der Symbiose von Gestalten und Bewahren haben wir die Weichen für eine gute Zukunft unseres Landes und seiner Menschen im neuen Jahrtausend gestellt.“ Ich glaube, dass wir mit einem wesentlich kleineren Weg, aber mit dem bremischen Weg auch diese Weichen für den Strukturwandel in unserem Lande gestellt haben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Käse.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Welche Frak- tion? – Abg. F o c k e [CDU]: Jetzt kommt Crossover!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt doch gern noch einmal auf zwei Punkte eingehen, die von den Vorrednerinnen und Vorrednern angesprochen wurden und die, meine ich, so im Hause nicht stehen bleiben können. Ich möchte mit dem Beitrag von Frau Dr. Mathes, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, beginnen.

Sie haben deutlich gemacht, dass es Ihnen als Fraktion sehr wichtig ist, eine klare, eine scharfe Abgrenzung der Gentechnologie von der Biotechnologie vorzunehmen, Gentechnologie verstanden als die Technologie, mit Hilfe derer Leben manipuliert wird und die aus diesem Grunde für Sie nicht verantwortbar ist, und Biotechnologie als Verfahren, die biologische Systeme nutzen, aber eben keine Manipulationen vornehmen. Gut, wir können uns gern ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wissenschaftstheoretisch – an anderer Stelle würde das vermutlich prickelnder sein – darüber unterhalten, ob das die richtige Abgrenzung ist oder nicht und ob es hier in diesem Hause notwendig ist, das in dieser Schärfe zu tun.

Ich frage mich nur: Wenn Sie das so klar definieren und sagen, Gentechnik in diesem Sinne kommt für Sie nicht in Frage, dann erschließt sich mir überhaupt nicht, warum Sie eben dem Biotechnologiezentrum in Bremerhaven zugestimmt haben. Ich hoffe, Sie haben die Vorlage aus den Wirtschaftsförderungsausschüssen gelesen. Dieses Zentrum sieht sehr wohl ein Forschungslabor nach der Sicherheitsstufe S1 vor. Zumindest wir aus dem Fach wissen, das bedeutet, es erlaubt gentechnische Arbeiten. Das ist eindeutig in dieser Vorlage festgehalten. Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, kann ich dann nur sagen: Passen Sie besser auf!

Nur, wir müssen uns doch der Sache mit Vernunft nähern und sagen, S1 bedeutet ein Niveau der Gentechnik, das auch – und so würde ich Sie auch dann doch immer verstehen wollen – in Ihrem Sinne tragbar ist, und deswegen, weil eben erkennbarerweise keine Gefährdungen für Mensch und Umwelt davon ausgehen. Ich hoffe, dass Sie jetzt angesichts dieser neuen Erkenntnisse nicht von Ihrer Zusage, das Biotechnologiezentrum zu unterstützen, wieder abweichen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Herr Röwekamp, ich habe Ihnen nicht unterstellt, die CDU würde es begrüßen oder wolle Menschen klonen oder solche Dinge wie Patentierungen von Genen machen lassen, nein, das ist wirklich ein Missverständnis, das habe ich Ihnen nicht unterstellt. Ich weiß, dass es auch in Ihrer Fraktion sehr viele Kolleginnen und Kollegen und auch in Ihrer Partei sehr viele Mitglieder gibt, die es mit christlichen Werten sehr ernst nehmen und für die solche Sachen dementsprechend nicht in Frage kommen. Also, ich möchte nicht falsch verstanden worden sein!

Ich habe nur auch aufgegriffen, dass der Kollege Eckhoff hier vor wenigen Minuten auf das Beispiel der USA verwiesen hat und das Beispiel der USA, die Biotechnologie- und Gentechnologieentwicklung dort, sehr positiv dargestellt hat, sich sehr positiv darauf bezogen hat und auf den Vorsprung der USA verwiesen hat. Wenn man dort einmal genau hinschaut, muss man zur Kenntnis nehmen, dass dort zum Beispiel die Patentierung von Lebewesen und Genen eindeutig erlaubt ist und dass dort sehr offen über die so genannten Chancen der Klonierung von Säugetieren diskutiert wird. Das muss man doch zur Kenntnis nehmen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn man das als positiv hinstellt, dann müssen Sie schon in Kauf nehmen, dass man das so interpretiert.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Dann brauchen wir nur bis Frankreich zu sehen!)

Ja, in Frankreich und England ist das sehr ähnlich, ich weiß, darauf haben Sie sich aber nicht ausdrücklich bezogen. Trotzdem muss man aber doch dann bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass man das so interpretieren kann, als wenn Sie solche Wege begrüßen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn Sie das hier klarstellen möchten, würde ich das auch begrüßen.

Ich möchte jetzt auf diese Sache mit der vierten Kolonne oder der vierten Fraktion oder was Sie da noch gebracht haben, hier nicht weiter eingehen.

(Zurufe von der CDU)

Wissen Sie, wenn man fachlich nicht mithalten kann, dann sollte man nicht versuchen, sich mit Schüssen unter die Gürtellinie zu wehren. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil meine Kollegin mich gebeten beziehungsweise in ihrem Beitrag angekündigt hat, ich würde etwas sagen. Dann will ich das gern tun und die Gelegenheit nutzen, etwas zu dem Antrag der Koalition zu sagen, wie wir uns dazu verhalten.

Den Kern des Antrags sehe ich in dem Punkt drei Ihres Beschlussvorschlags, in dem Sie den Senat bitten, ein Konzept vorzulegen, mit dem dargelegt wird, wie weitere Kompetenzknoten – was immer das gegenüber früheren Kompetenzzentren ist – in Bremen und Bremerhaven gefördert werden, und zwar, so wie ich das hier lese und nach dem, was hier auch diskutiert worden ist, eindeutig in dem, was die Hauptrichtung der Entwicklung in Bremen doch jetzt auch im gemeinsamen Verständnis ist. Ich möchte das ganz umfassend die sanfte Biotechnologie nennen, sowohl die „Blaue“ als auch die in anderen Bereichen. Da soll der Senat einen Bericht vorlegen, diese Absicht unterstützen wir.