Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Meine Damen und Herren, die außerordentliche Entwicklung der Philosophie, der Wissenschaft insgesamt, der Kultur seit dem achtzehnten Jahrhundert bis heute wäre in unserem Land ohne die großartigen Beiträge jüdischer Mitbürger nicht möglich gewesen. Die Namen Moses Mendelsohn, Ludwig Börne, Heinrich Heine, Kurt Tucholsky, Lion Feuchtwanger, Martin Buber, Leonard Cohen oder Walter Rathenau mögen nur stellvertretend für viele genannt sein. Wir wollen und müssen alles tun, damit diese Kultur ihren Reichtum auch in Zukunft weiter und wieder entfalten kann. Alle Tendenzen von Antisemitismus, Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz gegenüber Menschen, Minderheiten, müssen wir mit deutlichem Protest

hier in diesem Hause, aber auch in unserem Lande, zurückweisen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Angriff auf jüdische Einrichtungen, meine Damen und Herren, zielt nicht nur auf die hier lebenden Mitbürger, er zielt nicht nur auf die Minderheit der deutschen jüdischen Bürger, er zielt auf uns alle! Wir alle müssen wissen, die Grundsätze der Demokratie, meine Damen und Herren, werden nicht vererbt, nein, sie müssen von jeder Generation neu erlernt werden! Wir müssen gerade auch mit dem Blick auf die jungen Menschen in unserem Land vermitteln, dass niemand vor menschlicher Vielfalt Angst haben muss, wohl aber vor menschlicher Einfalt!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es geht nicht darum, Taten zu ächten, sondern wir müssen auch das Gedankengut ächten und bekämpfen, das in solche Taten wie Anschläge auf Synagogen mündet! Nur da, wo Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass im Denken vorhanden sind, kommt es doch zu solchen Taten. Denken und Handeln bilden im Zusammenhang, vor allem bei Rechtsextremen, solche Agitationen. Deswegen müssen wir all dies zugleich bekämpfen, das ist meine volle Überzeugung!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist wichtig, geistigen Entwurzelungen durch geistige Orientierung zu begegnen. Deswegen müssen wir all die Gemeinschaften stärken, in denen demokratische Werte und zivile Handlungen eingeübt werden sowie Unwissen und Vorurteile abgebaut werden. Ich meine die Familien, die Schulen, die Ausbildungsstätten, die Jugendeinrichtungen und eben auch die Glaubensgemeinschaften. Ich bitte, aber ich kann es auch für die Mehrheit des Hauses sagen, wir bitten die jüdischen Mitbürger, trotz aller Verunsicherung die Taten Einzelner und kleiner Gruppen nicht für die Einstellung unserer Gesellschaft zu halten! Die überwältigende Mehrheit unserer Mitbürger will das Zusammenleben mit Bürgern jüdischen Glaubens. Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Glaubens, meine Damen und Herren, muss in unserer Gesellschaft endlich als selbstverständlich gelten!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der religiöse Dialog zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften kann meines Erachtens

auch dazu beitragen, dass Toleranz, Achtung und Wertschätzung wachsen.

Die CDU-Fraktion stimmt mit denjenigen überein, die sagen, es müssen überzeugende Zeichen gesetzt werden, dass die Mehrheit der Gesellschaft Schulter an Schulter steht mit den jüdischen Gemeinden. Mit dem Abschluss eines Staatsvertrages zwischen dem Land Bremen und der Jüdischen Gemeinde, so wie es Herr Dr. Güldner ausgeführt hat, setzen auch wir ein Zeichen der staatlichen Anerkennung und stellen die Arbeit der Jüdischen Gemeinde im Land Bremen auf eine langfristige, verlässliche Basis.

Lassen Sie mich bitte zum Abschluss noch eine Anmerkung machen! Ich glaube, nach Abschluss eines Staatsvertrages mit der Jüdischen Gemeinde sollten wir dem Senat auch empfehlen, Gespräche mit der katholischen und evangelischen Gemeinde aufzunehmen, um auch mit diesen Kirchengemeinden einen Staatsvertrag abzuschließen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Böhrnsen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann mich den Ausführungen meiner Vorredner anschließen, danke insbesondere Herrn Ravens für seine Ausführungen und will mich auf wenige ergänzende Worte beschränken.

Ich glaube, man darf sagen, es gibt keinen Zweifel, dass die Freie Hansestadt Bremen und ihre Bürgerinnen und Bürger schon bisher mit großer Verlässlichkeit zur Jüdischen Gemeinde stehen, und wir können ja seit einiger Zeit mit Freude sagen, zu den Jüdischen Gemeinden stehen und selbstverständlich auch weiterhin stehen werden.

Wir wissen, und Herr Ravens hat davon gesprochen, um die besondere historische, politische und moralische Verantwortung für unsere jüdischen Mitbürger und für die Jüdischen Gemeinden. Ein Staatsvertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und den Jüdischen Gemeinden kann ein weiterer, ein zusätzlicher Ausdruck für diese Verlässlichkeit und für diese Verbundenheit sein.

Wir wollen – Herr Dr. Güldner hat auf den möglichen Inhalt eines solchen Staatsvertrages hingewiesen – die Jüdischen Gemeinden dauerhaft sichern. Wir wollen sie unterstützen bei ihren religiösen, sozialen und kulturellen Aufgaben. Ich kann deswegen auch für die SPD-Fraktion sagen, wir unterstützen nachdrücklich, dass entsprechende Gespräche mit den Jüdischen Gemeinden geführt werden, und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wir hoffen, dass es sehr bald zum Abschluss eines Staatsvertrags kommen kann. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herzlichen Dank für diese drei bewegenden Reden! Es geht uns im Senat genauso. Wir geben uns Mühe, das schon Begonnene zu Ende zu bringen. Ich gehe davon aus, dass wir schon ab dem nächsten Monat den konkreten Vertragsentwurf verhandeln können, und wenn es dann gut geht, kann Ihnen das im nächsten Jahr auch vorgelegt werden.

Herr Ravens hat eben gesagt, wir sollten so etwas Ähnliches mit den beiden großen christlichen Kirchen verhandeln. Auch das läuft schon seit langem, gerade mit der evangelischen Kirche, mit vielen Formulierungsvorschlägen.

Dahinter verbirgt sich immer die Hoffnung, dass wir mehr für die Religionsgemeinschaften ausgeben können, als wir gegenwärtig ausgeben. Sie sind also nicht einfach nur dankbar, wenn wir einen schönen, sympathischen Vertrag machen, sondern sie wollen auch in ihren finanziellen Zuwendungen jedenfalls eine Sicherheit haben und auf keinen Fall Kürzungen. Da der Haushalt von uns gemeinsam beraten und gemeinsam verantwortet wird, darf man diese Delikatesse nicht übersehen.

Natürlich erklären wir uns für die Jüdische Gemeinde, und natürlich wollen wir den Vertrag und natürlich auch für die beiden großen Kirchen. Wahrscheinlich kommen demnächst dann auch noch die Muslime. Aber all diesen lieben und hoch geschätzten Religionsgemeinschaften müssen wir sagen, dass wir nicht Krösus sind und Geld zu verteilen haben, sondern dass das alles leider nur auf einem sehr, sehr schmalen und sehr kostenbewussten Niveau geht.

Ich hoffe trotzdem, dass das geht, dass das nicht in erster Linie ein finanzielles und haushaltsrechtliches Problem, sondern in erster Linie ein die Kultur und die Minderheiten schützendes und verlässliche Arbeit in diesem Lande möglich machendes verfassungsrechtliches Arbeiten wird, was wir da vor uns haben. Wir müssen aber bitte auch die Kraft aufbringen, unseren Freunden und Partnern zu sagen, dass wir so etwas nicht aus der Fülle angehen können, sondern nur aus ganz knapp bemessenen Ressourcen.

Ich will bei dieser Gelegenheit sagen, dass es eine richtig beglückende Erfahrung gewesen ist, dass wir in Bremerhaven die Synagoge eingeweiht haben. Da war ich dabei, einige von Ihnen auch. So stelle

ich mir das vor! Das ist die richtige Antwort auf all das, was in den letzten Monaten und Jahren die Leute verunsichert hat. Nicht nur die in den Jüdischen Gemeinden Lebenden, sondern auch viele Gutwillige im Lande haben gefragt: Was ist eigentlich mit diesem Land los? Wenn man dann merkt, wie wir uns alle um eine lebendige jüdische Gemeinde stellen können, die dann am Schluss singt „Wir leben ewig, wir sind da“, dann ist das richtig. So soll es auch in Zukunft bleiben! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/537 inzwischen zurückgezogen ist, lasse ich über den Antrag mit der Drucksachen-Nummer 15/564 abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD mit der DrucksachenNummer 15/564 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU und Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Abg. T i t t m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

BSE: Verbraucherschutz stärken, ökologische Landwirtschaft fördern

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 7. Dezember 2000 (Drucksache 15/558)

Wir verbinden hiermit:

Gesetz zur Änderung der Bremischen Kostenordnung

Mitteilung des Senats vom 5. Dezember 2000 (Drucksache 15/560) 1. Lesung 2. Lesung

Aufhebung des Verfütterungsverbotes für Fischmehl und Fischöl

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 12. Dezember 2000 (Drucksache 15/566)

Umgehend Maßnahmen zum Schutz vor BSE ergreifen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 12. Dezember 2000 (Drucksache 15/567)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Adolf.

Wir kommen zur ersten Lesung des Gesetzes.