Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

In Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge hat jetzt die Kommission noch einmal eine sehr gute und differenzierte Stellungnahme vorgelegt, wo sie sagt, die Regionen und die Länder sollen selbst festlegen, was öffentliche Daseinsvorsorge ist. Sie sollen selbst die Form festlegen, wie es gemacht wird, privat oder staatlich. Sie können aber nicht erwarten, dass die Kommission aufgrund ihres Auftrages nicht sieht, ob dadurch Wettbewerbsregeln verletzt werden.

Sie sind ja genau wie der bayerische Fraktionsvize Protzner, der uns hier Märchen auftischen will, jetzt nicht nur auf CD, sondern in der Bürgerschaft, was die Kommission alles vorhat. Herr Protzner hat hier im Parkhotel erzählt, auf Einladung von Karin Jöns, dass Brüssel an unsere Krankenhäuser heran will. Ich meine, da kann man doch nur lachen! Wenn Sie jetzt alles aufzählen, was Brüssel will: Die Kommissionsmitteilung sagt klipp und klar, dass Einrichtungen, die keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgen und stattdessen kulturelle Zwecke verfolgen,

sowieso außen vor sind und dass nur Einrichtungen, die grenzüberschreitend überhaupt wettbewerbsrelevant sind, in Frage kommen für Beihilfekontrollen. Also, das steht alles darin, und ich lese Ihnen einmal vor, was der Rat in Nizza mit den Stimmen Deutschlands und unter Begleitung der Ländervertreter beschlossen hat:

„In diesem Zusammenhang“ – ich darf zitieren – „ist die neue überarbeitete Mitteilung der Kommission über die Leistungen der Daseinsvorsorge sehr positiv aufgenommen worden.“ Da ist genau diese politische Arbeitsteilung dargelegt, und darüber, glaube ich, werden Sie wirklich nicht hinauskommen. Es hat auch keinen Zweck, wenn Sie da weiterhin diese Märchen auftischen, was Brüssel und die „Bürokratie“ alles wollen.

Mit der WestLB! Ich wiederhole das noch einmal. In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage haben Sie noch einmal wirklich auf zwei bis drei Stellen hinter dem Komma gesagt, es muss alles ganz genauso bleiben, wie wir das hatten über 30 Jahre. Es waren noch keine zwei Wochen vergangen, als die WestLB selbst gesagt hat, jawohl, um diesen Streit zu beenden, teilen wir uns auf in einen öffentlich-rechtlichen Teil und einen privaten Teil, und zwar macht das die WestLB unter Begleitung und Federführung der sozialdemokratisch geführten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen.

Da macht das doch keinen Sinn, wenn Sie sich hier noch hinstellen wollen und das alles bis auf das Komma verteidigen! Das finde ich unproduktiv und nicht mehr an der Sache orientiert, sondern fundamentalistisch, und wenn hier irgendwo ein Fundamentalist ist in dieser Frage, dann nicht dort, sondern dort!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was die Frage der Kompetenz angeht, darüber brauchen wir uns gar nicht zu streiten. Die Bürgerschaft hat auf Grundlage eines Vorschlags, den die grüne Fraktion eingebracht hat im Dezember 1999, erklärt: Wir erwarten, dass die nächsten Schritte auch eine klare Abgrenzung der Kompetenz bringen.

Wir haben erstens aber nicht das in Verbindung gebracht wie einige Länderchefs mit der Erweiterung der EU, die wollten ein Veto daraus machen. Gott sei Dank konnten sie nicht dabei bleiben. Wir haben zweitens keine Töne darin gehabt, die von vornherein diese Kompetenzabgrenzung mit einer Kompetenzbeschränkung der europäischen Ebene verbinden. Das ist doch das, wogegen wir uns gewehrt haben, dass diese Diskussion gleich immer nur in die Richtung geht, Kompetenzabgrenzung gleich Kompetenzbeschränkung, mehr haben wir gar nicht gewollt. Sie haben das immer gemacht mit untergründigen polemischen Bezeichnungen über die Brüsseler Eurokratie und so weiter.

Dann möchte ich noch eines zu mehreren Beiträgen sagen, weil das genau das ist, woran Europa krankt. Sowohl Herr Neumeyer wie auch der Bürgermeister haben erklärt, jawohl, das mit den Mehrheitsentscheidungen geht ihnen nicht weit genug. Im gleichen Atemzug, praktisch im gleichen Satz haben sie dann die Punkte genannt, wo sie auch meinen, ja, das darf man allerdings auf gar keinen Fall hineinbringen. Die Länder haben ja weiß Gott sehr weitgehend klipp und klar gesagt, was alles nicht in die Mehrheitsentscheidung darf, die hatten einen kleinen Katalog von zwölf Punkten, der nicht mehr einstimmig sein darf, alles andere sollte einstimmig bleiben. Das war die Position der Länder. Kaum einer hatte eine so weitgehende Bremserposition formuliert, was den Übergang zum Mehrheitsprinzip angeht.

Deswegen finde ich es ein bisschen neben der Sache, wenn Sie heute sagen, ich freue mich, wenn Sie das sagen, Sie hätten gern mehr Mehrheitsentscheidungen, aber die Position der Länder und die Vorbereitung der Konferenz durch die Länder war nicht so.

Letzter Satz, das gehört in die gleiche Richtung, Herr Neumeyer, das mit den deutschen Interessen! Man kann nicht beklagen, dass in Nizza zu wenig europäisch gedacht und gehandelt worden ist und im gleichen Atemzug sagen, aber die deutschen Interessen werden nicht ausreichend berücksichtigt. Ich finde, es ist im größten deutschen Interesse, dass an der Frage, ob Deutschland oder Frankreich ein paar Sitze mehr oder weniger hat, nicht irgendetwas in die Brüche geht. Das, finde ich, ist weiß Gott erstens europäischer gedacht, förderlicher und zweitens auch im deutschen Interesse. Man muss auch einfach zur Kenntnis nehmen, dass in bestimmten Ländern Westeuropas die Frage des Verhältnisses zu Deutschland historisch noch mit so viel Symbolwert belastet ist, dass das dort sehr hochrangig gesehen wird.

Wir müssen das Gott sei Dank nicht, ich finde, das ist ein sehr kluger Kompromiss, Deutschland hat ausreichend Gewicht, und durch diese Gewichtung, durch die doppelte und dreifache Mehrheitsprozedur jetzt im Rat besteht wirklich nicht das Risiko, dass ausgerechnet Deutschland im europäischen Prozess untergebuttert würde. Der Kanzler und der Außenminister haben sich da klug verhalten, keineswegs die deutschen Interessen verletzt, sondern klugerweise die deutschen mit den europäischen Interessen verbunden, und insoweit bin ich auch einverstanden, wenn ich auch einige Punkte Ihrer negativen Bilanz durchaus teile. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 15/521, auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.

Staatsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde abschließen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21. November 2000 (Drucksache 15/537)

Wir verbinden hiermit:

Staatsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde abschließen

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD vom 12. Dezember 2000 (Drucksache 15/564)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält Herr Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich an dieser Stelle nicht nur für einen Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen sprechen kann, sondern für einen Antrag, der von allen drei Fraktionen hier im Hause eingebracht worden ist. Für das Protokoll: Selbstverständlich ziehen wir den Antrag der Grünen, den wir ursprünglich eingebracht hatten, an dieser Stelle zurück.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Lassen Sie mich kurz noch einmal eingehen auf die Vorgeschichte und worum es in dieser Frage überhaupt geht! Zwölf der 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland haben bisher einen Staatsvertrag mit den jeweiligen Jüdischen Gemeinden des Landes abgeschlossen. Auch in Bremen gab es diese Diskussion, und die Jüdische Gemeinde hat schon sehr früh den Senat darum gebeten, auch einen Staatsvertrag abschließen zu können. Bereits im März 1996 hat die Jüdische Gemeinde dem Senat einen ersten Entwurf für einen solchen Staatsvertrag vorgelegt, und es gab danach eine ganze Reihe von Gesprächen. Allerdings, das mussten wir leider hier im Hause anlässlich mehrerer Debatten in diesem Jahr feststellen, ist aus diesen Gesprächen nichts geworden, und zwischenzeitlich war die Idee Staats––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

vertrag schon für eine ganze Weile auf Eis gelegt und kam nicht voran.

Wir haben hier im Hause anlässlich der grässlichen antisemitischen Ausschreitungen und Ereignisse eine gemeinsame Resolution zur Bekämpfung des Antisemitismus gefasst und gemeinsam verabschiedet, und in diesem Rahmen haben wir Grünen noch einmal darauf hingewiesen, dass ein, allerdings nur ein Element in der Frage der Bekämpfung des Antisemitismus in unserem Land sein kann, einen solchen Staatsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde abzuschließen. Es gibt allerdings auch noch eine ganze Menge mehr Gründe, um einen solchen Staatsvertrag abzuschließen. Ich werde einige nennen.

Wir haben daraufhin noch einmal die Initiative ergriffen, und ich bin, wie gesagt, sehr dankbar und glücklich, dass das heute von allen drei Fraktionen hier im Haus mitgetragen wird. Ich finde auch, dass das ein Thema ist, das sich am allerwenigsten für parteipolitische Polemik oder Auseinandersetzungen eignet, sondern ein Thema, bei dem wir an einem Strang ziehen sollten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Lassen Sie mich noch einmal kurz, weil das ja nicht allen geläufig ist, zum Zweck eines solchen Staatsvertrages ein paar Worte sagen! Es geht zunächst darum, das gegenseitige Verhältnis zwischen der Jüdischen Gemeinde des Landes und dem Land Bremen, der Freien Hansestadt Bremen, zu regeln, das ist der eine Aspekt. Der zweite Aspekt, und das steht wieder im Kontext dieser Debatte um diese grässlichen Ereignisse, die wir hier leider zu beklagen haben, es ist natürlich auch ein Zeichen der speziellen Anerkennung in einer bestimmten Zeit, also auch ein sehr symbolischer und demonstrativer Akt, der, glaube ich, sehr positive Wirkungen haben wird, wenn wir dies in der nächsten Zeit hier tun.

Lassen Sie mich einfach, damit Sie noch einmal eine Vorstellung davon bekommen, worum es bei einem solchen Staatsvertrag geht, weil wir auch mit der Frage konfrontiert waren, warum man einen solchen Staatsvertrag braucht und was darin stehen soll, kurz mit Genehmigung des Präsidenten aus dem Entwurf zitieren, den die Jüdische Gemeinde im Jahre 1996 bereits dem Senat vorgelegt hatte! In der Präambel dieses Entwurfs zu einem solchen Staatsvertrag heißt es unter anderem:

„Im Einklang mit der historischen, politischen und moralischen Verantwortung des deutschen Volkes für seine jüdischen Mitbürger und die Jüdischen Gemeinden fühlt sich Bremen der Gemeinde auf besondere Weise verbunden. Es ist deshalb der Wunsch Bremens, unter Beibehaltung des Grundsatzes der Trennung von Staat und Kirche und unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes im Verhältnis zu anderen Religionsgemeinschaften“ – das

ist sicher ein wichtiger Punkt im Lande Bremen – „die Stellung der Jüdischen Gemeinde als Nachfolgerin eines ehemals blühenden jüdischen Glaubens im Lande Bremen, die in der Zeit von Gewaltherrschaft und Rassenwahn vernichtet wurde, dauerhaft zu sichern und die Gemeinde bei der Erfüllung ihrer traditionellen, gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben zu unterstützen. Bremen und die Gemeinde lassen sich beim Abschluss dieses Vertrages auch vom Wunsch und dem Bedürfnis leiten, das freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Land und der Gemeinde zu fördern und zu festigen.“

Das ist der Grundgedanke, wie er in diesem Entwurf in der Präambel festgehalten ist. Ich glaube, das ist ein Grundgedanke, den, vielleicht bis auf einen Abgeordneten hier im Hause, zumindest die übergroße Mehrheit des Hauses sicher mittragen kann, und diesen Geist wollen wir auch durch diesen Antrag fördern.

Von der praktischen Seite her, denn das Ganze soll natürlich nicht nur den Geist der Freundschaft und der Beziehung beleben, sondern hat auch eine praktische Seite, nenne ich nur ein paar Stichworte: Es geht um die allgemeine Förderung der Gemeinde, der religiösen, kulturellen, sozialen Betreuung ihrer Mitglieder. Es geht zum Beispiel auch, das ist ein wichtiges Thema für die Jüdische Gemeinde, um die Pflege der jüdischen Friedhöfe, deren Erhalt und deren weiteren Ausbau. Es geht um den Erhalt der Gebäude, der Synagoge und der Anlagen der Gemeinde, und es geht nicht zuletzt, da die Gemeinde in den letzten zehn Jahren ja um das Zehnfache in ihrer Mitgliederzahl durch den Zuzug von jüdischen Menschen aus Osteuropa angewachsen ist, auch um die Erfüllung der sozialen und wohlfahrtsrechtlichen Aufgaben der Gemeinde.

Ich hatte an dieser Stelle schon mehrfach geschildert, dass ja vom Kindergarten über den Hort, die Jugendclubs bis zu den Seniorenclubs die Gemeinde heute ein ganz breites Spektrum von sozialen Aufgaben erfüllt. Das ist in etwa der Rahmen, den ein solcher Staatsvertrag abstecken kann. Die Beispiele aus den anderen Bundesländern liegen vor und gehen im Wesentlichen in eine ähnliche Richtung, das heißt, dass wir uns hier auch an dem Vorbild anderer Staatsverträge orientieren können.

Wie gesagt, ich begrüße sehr, dass wir dies heute gemeinsam hier verabschieden wollen. Es hat leider in den letzten Wochen im Rahmen der Beratung über diesen Staatsvertrag einige Misstöne gegeben, die ich etwas überflüssig fand. Es wurde kolportiert, es wäre gar nicht das Problem der staatlichen Instanzen, sondern das Problem der Jüdischen Gemeinde gewesen, warum die Verhandlungen über diesen Staatsvertrag gestockt hätten, vor allen Dingen ein Problem zwischen Bremen und Bremerhaven bei den Jüdischen Gemeinden.

Ich finde sehr schade, dass das in Umlauf gesetzt worden ist, weil die Jüdische Gemeinde Bremen gerade die Jüdische Gemeinde Bremerhaven sehr massiv unterstützt hat bei dem Aufbau einer eigenen kommunalen Gemeinde und weil die Jüdische Gemeinde durch Vorlage dieses Entwurfs eines Staatsvertrages bereits im März 1996 ja ihre Hausaufgaben gemacht hatte. Von daher sollte man sich sicherlich nicht in Schuldzuweisungen an die Jüdische Gemeinde ergehen, sondern man sollte jetzt zügig verhandeln, das sagt auch dieser Antrag. Ich weiß, dass Gespräche aufgenommen worden sind. Ich bin guter Hoffnung, dass dadurch, dass die Gespräche wieder aufgenommen worden sind, der Schub aus diesem Hause noch einmal kommt, auch mit diesem Antrag, aber auch mit vielen anderen Initiativen aus den verschiedenen Fraktionen, dass wir in der ersten Hälfte nächsten Jahres zu einem Abschluss eines solchen Staatsvertrages kommen, und ich würde mich freuen, wenn wir uns alle noch vor der Sommerpause 2001 bei der feierlichen Unterzeichnung eines solchen Staatsvertrages wiedersehen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Ravens.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Güldner, Sie haben ja zum Verfahren, zum bisherigen Ablauf im Vorfeld des Staatsvertrages einige Ausführungen gemacht. Lassen Sie mich zum Geist oder zum Inhalt eines solchen Staatsvertrages einiges sagen! Sie haben schon gesagt, wie bedeutend dieser Staatsvertrag jedenfalls für die drei großen Fraktionen in diesem Hause ist, also für 99 Abgeordnete, dem pflichte ich bei! Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zurückkommen auf die Geschichte, warum ich den Abschluss eines Staatsvertrages für so wichtig halte! Sie alle wissen, es ist nicht viel mehr als ein halbes Jahrhundert her, dass sich durch die Verbrechen des Holocaust und die Vernichtung der europäischen Juden Ungeheuerliches mit dem deutschen Namen verbunden hat. Zugleich ist der immense kulturelle Beitrag, mit dem jüdische Bürger unser Land bereichert haben, weitgehend verloren gegangen. Beides, meine Damen und Herren, ist uns Mahnung und legt uns zugleich eine dauerhafte Verpflichtung auf! Leo Baeck hat nach seiner Befreiung aus dem Getto von Theresienstadt noch bitter feststellen müssen, dass die Epoche jüdischen Lebens in Deutschland ein für alle Mal vorbei ist. Heute wissen wir, dass er nicht Recht behalten sollte, und wir sind froh darüber, dass es doch anders gekommen ist!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, neues jüdisches Leben ist in Deutschland entstanden und meines Erachtens wieder ein unverzichtbarer Teil unserer Kultur geworden. In den vergangenen Jahren ist in Deutschland eine Vielzahl jüdischer Gemeinden entstanden. Dies ist Ausdruck des Vertrauens in unsere Demokratie und vor allem in die jungen Generationen. Das Entstehen und Wachsen jüdischer Gemeinden ist für unser Land eine große Bereicherung. Meines Erachtens werden zugleich neue Chancen eröffnet, in einem vereinten Deutschland gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

Ich darf daran erinnern, am 27. November konnte die Jüdische Gemeinde in Bremerhaven ihre Synagoge einweihen, Herr Dr. Güldner hat darauf hingewiesen. Ich glaube, dass das ganze Haus zu diesem Ereignis gratulieren darf, und ich glaube, wir sollten es mit dem Wunsch verbinden, dass auch in Bremerhaven eine möglichst lebendige und große Gemeinde entstehen möge! Das sollen und müssen wir fördern, dies ist uns ein großes Anliegen!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, wir müssen alle Bemühungen unterstützen, die dazu beitragen, dass jene Männer und Frauen jüdischen Glaubens, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland, nach Bremen zurückgekehrt sind und hier wieder ihre Heimat gefunden haben, sich in ihrer Entscheidung bestätigt fühlen können! Wir müssen und werden alles tun, damit dieses Vertrauen nicht enttäuscht wird! Nirgendwo, so eine Studie des Jüdischen Weltkongresses aus dem Jahre 1998, wachsen die jüdischen Gemeinden so schnell wie in Deutschland. Immer mehr auch nichtjüdische Mitbürger interessieren sich für die jüdische Kultur, und ich finde, dies ist eine positive Entwicklung.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, die außerordentliche Entwicklung der Philosophie, der Wissenschaft insgesamt, der Kultur seit dem achtzehnten Jahrhundert bis heute wäre in unserem Land ohne die großartigen Beiträge jüdischer Mitbürger nicht möglich gewesen. Die Namen Moses Mendelsohn, Ludwig Börne, Heinrich Heine, Kurt Tucholsky, Lion Feuchtwanger, Martin Buber, Leonard Cohen oder Walter Rathenau mögen nur stellvertretend für viele genannt sein. Wir wollen und müssen alles tun, damit diese Kultur ihren Reichtum auch in Zukunft weiter und wieder entfalten kann. Alle Tendenzen von Antisemitismus, Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz gegenüber Menschen, Minderheiten, müssen wir mit deutlichem Protest