Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

alle gemeinsam einschlagen, denn die Leute müssen sich auch orientieren können, und wir müssen sagen, wo es langgeht.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Herr Bürgermeister Perschau.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte ist sehr ruhig geführt worden, aber sie ist sicherlich eine der wichtigsten überhaupt, wenn es um das Gesamtfeld der Sanierung Bremens geht. Jeder, der sich mit dem Problem befasst, wie wir es denn hinbekommen, ein Defizit von über 800 Millionen DM bis zum Jahre 2005 aus dem konsumtiven Bereich abzubauen, und hier ist eine ganze Reihe von Zahlen genannt worden, der weiß erstens, dass das nicht mit dem Rasenmäher geht, zweitens, dass wir nicht beliebig Zeit haben und drittens, dass tiefe Einschnitte erforderlich sind. Dazu gehört auch, dass wir bei der Untersuchung eigentlich möglichst nichts auslassen.

Wir haben eine Riesenchance, Verwaltung zu modernisieren, sie neuen Technologien anzupassen, neue Technologien anzuwenden, die Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung zu verstärken, eine Dienstleistung aus einer Hand durch neue Bürgerzentren und Dienstleistungszentren anzubieten, den Bürger nicht nur von Pontius zu Pilatus zu schicken, sondern zu straffen, wo wir die Bürgerdienstleistungen tatsächlich für den Bürger in geschlossenen Abläufen insgesamt anbieten können.

Das Kriterium für die Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung muss sein, dass wir mit weniger Personal die Dienstleistung am Bürger insgesamt verbessern, indem wir uns auf die Kernverwaltung im hoheitlichen Bereich konzentrieren und die Dienstleistung, sozusagen das operative Geschäft, aus der Verwaltung in Zentren, in Gesellschaften zusammenfassen, komprimieren und den Bürger sozusagen als den zentralen Zensor für diese Dienstleistung betrachten, die wir in der öffentlichen Hand anbieten. Dabei geht es zum einen um die Bürgerkommune, das heißt um die Beteiligung der Bürger an Entscheidungen, und zum anderen geht es darum, dass wir Bürgerämter schaffen, in denen sozusagen die Dienstleistung vom Bürger abgefragt wird.

Meine Damen und Herren, dies bedeutet zunächst einmal, dass wir bis zum Jahre 2004 1600 Planstellen abbauen werden. Das ist kein einfacher Prozess. Dies bedeutet auch, wenn wir uns nur auf den konsumtiven Bereich in der jetzigen Struktur beschränken wollten, wir das Defizit im konsumtiven Bereich linear abbauen wollen, dann müssten wir in den so genannten bisherigen konsumtiven Bereichen 34 ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Prozent abbauen. Das ist völlig ausgeschlossen! Das heißt, wenn wir bei der derzeitigen Struktur bleiben, dann setzen wir uns ein Ziel, das dem Bürger nicht zumutbar ist, das der Sache nicht gerecht wird und mit dem wir von vornherein die Sanierung nicht schaffen können. Das heißt, wir müssen, wenn wir von dieser Messlatte der 34 Prozent, die es numerisch bezogen auf die jetzigen Strukturen ausmacht, herunter wollen, die Strukturen verändern. Wir müssen Personal- und Sachkosten einsparen.

Es ist hier zu Recht erwähnt worden, dass wir gerade im Sozialressort neue Wege gehen. Ich nehme das sehr dankbar auf. Ich begrüße auch sehr, was dort geschieht. Wenn Sie die Dienstleistung näher an den Bürger bringen und mehrere soziale Dienstleistungszentren in verschiedenen Stadtteilen machen, dann kommen Sie natürlich nicht nur näher an den Bürger heran, sondern dann stellen Sie auch fest, wo Sie zu Recht und wo sie zu Unrecht helfen. Sie stellen auch fest, wo denn Fälle sind, in denen wir Menschen schneller aus der Sozialhilfe in den ersten Arbeitsmarkt bringen können und in denen das schwieriger ist. Ich kann natürlich den Schwerpunkt setzen und sagen, die und die Leute kenne ich jetzt, deren Schicksale, deren Vita, deren Arbeitsmarktvergangenheit, und mit denen komme ich schneller wieder in den ersten Arbeitsmarkt.

Wir haben in den vergangenen Jahren, meine Damen und Herren, mit fünf Prozent Steigerungsraten in der Sozialhilfe per anno kalkuliert. Wir gehen jetzt nicht auf null, sondern wir bilden Rücklagen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wegen der guten Politik der Bun- desregierung!)

Ja, Frau Linnert, lassen Sie mich einmal reden! Die Grünen sind ja herzlich eingeladen, Alternativen dazu vorzulegen. Das haben Sie bisher nicht gemacht. Sie haben Schlaumeiereien abgeliefert und ein bisschen Kritikasterei, aber Alternativen habe ich nicht gehört.

(Beifall bei der CDU)

Nun ist es ja so, wenn wir nicht näher an den Bürger herangehen, dann bekommen wir nicht mehr Kompetenz über die Sachverhalte. Das heißt, je mehr ich Verwaltung an den grünen Tisch verlagere, desto teurer, bürgerferner und sachfremder werden die Entscheidungen. Deshalb spricht ja vieles dafür, dass wir gerade die positiven Erfahrungen nutzen und diese Dienstleistung aus einer Hand anbieten.

Lassen Sie mich auch zur Richtigstellung sagen, hier ist zu dem Bereich der Immobilien etwas gesagt worden, auch was McKinsey und Roland Berger angeht, wo wir jetzt landen. In Zukunft ist das so, dass für die gewerblich genutzten Immobilien die BIG zuständig ist und für die öffentlich-rechtlich ge

nutzten Immobilien die GBI. So ist das sortiert. Das war nur als Frage eingebracht, und so soll es auch in Zukunft sein, dass der gewerbliche Bereich bei Wirtschaft und der öffentliche Bereich bei Finanzen liegt. Ich denke, dass das sinnvoll und nachvollziehbar ist.

Der Verteidigungsminister Scharping hat vor einiger Zeit eine Immobiliengesellschaft gegründet, um die Immobilien der Bundeswehr zu verwalten. Das macht meine frühere Kollegin Frau FugmannHesing. Meine Damen und Herren, Herr Scharping hat das vor kurzem gerade sehr gut vorgetragen. Wenn man sich das im Einzelnen ansieht, stellt man fest, die sind jetzt mit der Bundeswehr da, wo wir Anfang des Jahres 1995 waren. Ich bin ganz froh, dass wir nicht mehr da sind, wo wir Anfang des Jahres 1995 waren, sondern dass wir in diesem Prozess große Fortschritte gemacht haben. Nun helfen mir auch die Schlaumeiereien gar nichts, dass McKinsey an verschiedenen Stellen den großen Durchbruch nicht bewirkt hat, weil er natürlich in seinen Strukturen viel zu grob und auch noch zu undifferenziert war. Das arbeiten wir jetzt mit Roland Berger intensiver nach. Ich denke, dass wir hier zu guten Strukturen kommen.

Ich glaube, dass es nicht einfach sein wird, in allen Bereichen alle mitzubekommen. Hier ist richtig gesagt worden, nicht nur die Sozialdemokraten und die Christdemokraten, auch der Senat hat ein großes Interesse daran, alle mitzubekommen. Nun will ich Ihnen dazu, ich will ja nicht um die Probleme herumreden, gern etwas sagen: Wenn wir uns nur auf die Gewerkschaften und Personalräte stützen würden, dann hätten wir möglicherweise ein Dynamikproblem, weil wir dann natürlich in den Prozessen nicht schnell genug vorwärts kommen.

Ich will das einmal am Beispiel Stadtamt sagen. Ich will das Stadtamt nicht in die Pfanne hauen, aber das ist sicherlich eine Behörde, die einen gehörigen Reformbedarf hat. Wir hätten dies beim Stadtamt niemals hinbekommen, wenn nicht über 100 Mitarbeiter des Stadtamtes ihrerseits Verbesserungsvorschläge gemacht hätten. Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern, die wir in den einzelnen Behörden ja ganz intensiv nutzen, um diese Prozesse voranzubringen, ist eine der ganz besonders positiven Erfahrungen, die wir in der Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung haben. Ich würde mich freuen, wenn die organisierten Vertreter dieser Mitarbeiter sozusagen dieselbe Dynamik, dasselbe Interesse, im Grunde genommen auch denselben Gestaltungswillen und auch dieselbe Offenheit mitbringen würden für diesen Prozess, zu dem es offensichtlich kaum Alternativen gibt, weil sie auch in der Öffentlichkeit nicht diskutiert werden.

Deshalb, meine Damen und Herren, wir haben nicht mehr Zeit als bis zum Jahr 2004 einschließlich. Wir müssen in diesem Zeitraum Ergebnisse erzie

len und nicht nur beweisen, dass wir bis dahin diskussionsfähig gewesen sind.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Bürgermeister?

Ungern, weil meine Zeit so knapp ist! Wir können uns gern danach unterhalten, Herr Dr. Güldner! Nein, wissen Sie, ich muss den Grünen nicht ausweichen. Wenn die Grünen einen konkreten Vorschlag gemacht hätten, würde ich ihn hier sofort erörtern. Es hat aber keinen einzigen konkreten Vorschlag gegeben.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Zur Verwaltungsreform?)

Deshalb sehe ich es auch nicht für nötig an, dass wir darauf im Einzelnen eingehen!

Nein, meine Damen und Herren, wir müssen aufpassen, dass wir uns mit den retardierenden Momenten, den verzögernden Momenten und den Bremsern befassen. Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung mit dem Ziel: Abbau von 1600 Stellen, Abbau von 850 Millionen DM konsumtives Defizit ist keine Geschichte, die man nach dem Motto machen kann, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Das geht auch nicht nach dem Motto, nimm dir nichts vor, dann schlägt dir nichts fehl! Wir werden hier mit einer großen Entscheidungsintensität an dieses Problemfeld auch in den nächsten Jahren herangehen müssen. Wir werden uns auch sehr kritisch mit denjenigen auseinander setzen müssen, die eigentlich nur verhindern, verzögern und uns im Grunde nur daran hindern wollen, das Sanierungsziel zeitund sachgerecht zu erreichen. Ich denke, wir haben eine große Chance.

Lassen Sie mich abschließend nur sagen, wir haben im Moment auch sehr viel Arbeitsleistung für andere zu erbringen, weil viele Kommunen hier nach Bremen kommen, um sich anzuschauen, wie Verwaltungsreform in Bremen läuft. Ich rate Ihnen einmal, ich rate das auch den Grünen, sich doch einmal in Berlin, Stuttgart oder München umzuhören, was man denn dort zur Verwaltungsmodernisierung meint, was man zur Verwaltungsmodernisierung in Bremen meint. Wir sind noch lange nicht durch mit dem Thema. Wir haben noch viele, viele Einzelprobleme zu lösen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir brauchen noch einmal 100 Gesellschaften!)

Meine Damen und Herren, wenn hier über den Konzern Bremen gesprochen wird, dann sind wir auf einem mühsamen Weg, das Konzerndenken, näm

lich das Kosten-Leistungs-Denken, in alle Teile der Verwaltung hineinzubringen, das wirtschaftliche Denken, die wirtschaftliche Plausibilität unseres eigenen Handelns zu kontrollieren, nachzuweisen und durchzusetzen, damit wir Organisationsstrukturen schaffen, in denen eben auch Kosten-Nutzen-Denken im Zentrum steht. Wobei der Nutzen natürlich in erster Linie der Bürgernutzen ist!

(Glocke)

Wenn Sie die Verwaltung daraufhin untersuchen, wo sie denn dem Bürger nützlich ist und wo nicht, dann kommen Sie auch ganz schnell an die Einsparpotentiale und die Dezentralisierungszwänge, die wir in vielen Bereichen haben. Ich glaube, dass der Blick von außen hilfreich für uns ist. Deshalb denke ich, dass Roland Berger für uns eine große Hilfe ist, dass wir diesen Blick von außen brauchen, nicht weil wir selbst nicht blicken könnten, sondern weil er eine wichtige Ergänzung zu unseren eigenen Erfahrungen ist, wobei sich am Ende vielfach herausstellt, dass unsere eigenen Erfahrungen natürlich auch dominant für die Wege in die Zukunft sind, dass aber die zusätzlichen Erfahrungen unserer Berater insgesamt für uns Zeit und Geld sparen und uns mehr Sicherheit in der Beschleunigung des Prozesses geben, in dem wir Zeitmarken haben, die wir einhalten müssen. Wir müssen im Jahr 2005 einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen. Ich habe die feste Absicht, das zu tun. Ich lasse mich ganz ungern von irgendjemandem daran hindern, diesen Modernisierungsprozess zu betreiben, der die Voraussetzung dafür ist, dass wir im Jahr 2005 einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich sehr herzlich auf der Besuchertribüne eine Gruppe aus Bremen-Blumenthal begrüßen, die sich mit dem Bunker Valentin beschäftigt und Interesse an der in unserem Haus gezeigten Ausstellung hat. Herzlich willkommen auch hier im Plenum!

(Beifall)

Das Wort hat der Abgeordnete Mützelburg.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Vom Gemeinwesen zum Konzern! Einer kam durch!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Perschau, es gibt mittlerweile merkwürdige Gepflo––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

genheiten im Senat. Gestern durften wir erleben, dass der Vertreter des Wirtschaftssenators der Opposition mitgeteilt hat, sie möchte doch bitte im Bundesrat vorstellig werden, das sei nicht Aufgabe eines CDU-geführten Ressorts für den Senat, obwohl im Bundesrat nur der Senat sitzt. Heute beklagen Sie, dass die Opposition nicht die Verwaltungsreformvorschläge vorlegt. Das ist nun wirklich originäre Aufgabe der Exekutive. Wir begleiten sie hier, diskutieren sie und kontrollieren zum Beispiel das, was es finanziell ausmacht. So ist das! Ich glaube, das sollte man doch einmal in den Rollenverteilungen klarstellen. Der Rest ist dann doch ziemlich polemisch.

Sie haben von den Menschen gesprochen, die betroffen sind, auch von den Menschen, die Schwierigkeiten machen, Menschen, die den Reformprozess unterstützt haben, wie im Stadtamt. Mir ist nicht bekannt, dass der Personalrat des Stadtamtes den Prozess behindert hat. Sie haben solche Andeutungen gemacht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Man sollte auch die Kirche im Dorf lassen. Natürlich haben Personalräte, auch der Gesamtpersonalrat, kritische Anmerkungen. Das ist ihre institutionelle Aufgabe. Das heißt nicht unbedingt, dass sie diejenigen vertreten, die die Verwaltung so lassen wollen, wie sie schon immer war. Das muss man, glaube ich, unterscheiden. Sie arbeiten ja auch mit den Personalräten zusammen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Andererseits muss man diesen Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitern der Verwaltung natürlich auch bestimmte Sicherheiten geben. Wenn Befürchtungen da sind, dass die Unzahl an Ausgründungen, an operativen Gesellschaften mittelfristig dazu führen wird, dass es in allen diesen Bereichen den Tarif des öffentlichen Dienstes nicht mehr gibt, dass der Konzern Bremen sich in viele eigene Tarife zersplittert, die anderweitig abgeschlossen werden, und solche Befürchtungen muss man doch als Mitarbeiter und Gewerkschafter haben, selbst wenn man Besitzstandssicherung hat, dann erwartet man auch in der Frage ein klares Wort für den Konzern Bremen. Wenn es denn schon ein einheitlicher Konzern ist, dann auch einen einheitlichen Tarif für den öffentlichen Dienst, ob privat oder öffentlich organisiert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Zusage können die Kollegen dann auch von Ihnen erwarten.

Dann, Herr Senator Perschau, würde ich nicht so ganz leichtfertig über die Kritik an McKinsey hin

weggehen. Erstens haben Sie selbst, als der McKinsey-Prozess hier vorgestellt wurde, ähnliche Reden wie heute gehalten. Das stimmt ja auch, der Anlass der Untersuchung ist ja auch der gleiche gewesen. Bremen muss in der Tat eine Menge Geld einsparen, und die Verwaltungsreform ist eine Möglichkeit dazu. Nur, wenn man die Reden von damals mit heute vergleicht, hätte ich mir doch ein paar kritische Töne erlaubt. Sie sind auch Finanzsenator, und was McKinsey gemacht hat, oder vielmehr, was aufgrund von McKinsey durchsetzbar und nicht durchsetzbar ist, hat dieses Bundesland relativ viel Geld gekostet und hat bei Mitarbeitern ziemlich viel Vertrauen in den weiteren Prozess gekostet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das sind materielle und immaterielle Kosten, die natürlich weitere Prozesse eher behindern als begünstigen. Das muss man doch auch klar sagen. Man wünscht sich doch von den politisch Verantwortlichen, das sind Sie, dass sie jetzt nicht nachträglich sagen, das war alles etwas grob gestrickt, oder wie Frau Wiedemeyer sagt, es waren nur Vorschläge. Die Vorschläge sind umgesetzt worden, oder es ist vielmehr versucht worden, sie umzusetzen, so muss man sagen, und der Senat ist nicht in allen Bereichen damit glücklich geworden.