Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fange einmal mit dem Antrag der Grünen an, weil Herr Pietrzok damit eben auch aufgehört hat und ich mir von der gestrigen Debatte aufgeschrieben habe, dass die Grünen gesagt haben, es wären dämliche Fragen gestellt worden. Ich glaube, Sie haben das meiner Fraktion vorgeworfen, wenn ich mich recht erinnere. Da habe ich mir den Antrag herausgenommen und habe gedacht, wenn das dämliche Fragen sind, die wir gestellt haben, dann ist das ein dämlicher Antrag, den Sie uns vorgelegt haben. Das muss ich einmal deutlich sagen!

(Beifall bei der CDU)

Herr Pietrzok hat es eben schon ansatzweise deutlich gemacht, und ich will es noch einmal auf den Punkt bringen, Frau Stahmann! Da haben Sie irgendetwas nicht begriffen. Das ist eine ganz klare Vermischung von Landes- und Kommunalangelegenheiten. Wir sind hier aber im Landesparlament! Ich weiß nicht, ob Ihre Bremerhavener Kollegen das begriffen haben, aber meine hauen mir etwas um die Ohren, wenn ich mich in Bremerhaven in kommunale Angelegenheiten einmische und sage, wie sie ihr Geld auszugeben haben, denn das.

(Zuruf der Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen])

Doch, das schreiben Sie hier! Ich sage Ihnen das einmal, das steht ja wirklich im ersten Absatz. Es ist ja teilweise nicht falsch, was Sie geschrieben haben, dass das Ortsgesetz der Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven Näheres regelt. Völlig richtig! Das steht übrigens auch im Gesetz, ist also abgeschrieben, und das ist völlig in Ordnung. Dann aber sagen Sie: „Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf zur weiteren Umsetzung der Vorschläge des Wibera-Gutachtens.“ Ja, aber das Wibera-Gutachten ist nicht in Bremerhaven entstanden, das ist eine kommunale Angelegenheit. Die Bremerhavener husten uns etwas, wenn wir bei denen das Wibera-Gutachten par ordre du mufti umsetzen wollen. Deswegen geht das so nicht, das kann man nicht alles miteinander vermischen.

Dann wundere ich mich schon, ich erinnere mich ja an die Debatten und Diskussionen im Jugendhilfeausschuss und in der Deputation. Es wird sich per

manent beklagt, dass wir irgendwelche Aufträge an Externe vergeben, wo etwas untersucht werden soll und etwas erforscht werden soll, und jetzt wollen die Grünen selbst ein Gutachten. Das scheint mir nun doch etwas sehr merkwürdig. Wir haben da entsprechende Unterlagen, lang und breit aus den letzten Jahren. Die muss man sich nur heraussuchen, dort muss man nachschauen, es steht alles da.

Auch die Elternbefragung, Frau Stahmann, hat die Bremische Evangelische Kirche mit ihren Kindergärten schon vor längerer Zeit gemacht. Es ist alles dokumentiert, wir müssen uns das nur anschauen. Die sind nämlich inzwischen schon zwei oder drei Schritte weiter mit dem, was sie an Untersuchungen anstellen, um zu schauen, was müssen wir eigentlich an Kindergärten anbieten, weil sie wissen, dass da ein Markt auf sie zukommt und sie sich auf den Markt vorbereiten möchten oder müssen. Das zu Ihrem Antrag! Daraus wird, glaube ich, schlüssig, dass wir diesen Antrag so nicht akzeptieren und nicht mitmachen können und ihn deswegen ablehnen.

Ich möchte aber etwas zu der Neufassung des Dritten Gesetzes zur Ausführung des SGB VIII sagen, was sich so sehr abstrakt anhört, denn wir haben einen entsprechenden zeitlichen Vorläufer dazu gehabt. Wir hatten Übergangsregelungen, die bis zum 1. 1. 1999 galten. Um diese Übergangsregelungen hatten wir schon fachlich politisch miteinander gefochten, und als dann diese Übergangsregelungen langsam auszulaufen drohten, haben wir immer wieder unterschiedlich gemahnt, dass wir jetzt ein richtiges Gesetz brauchen, damit wir auch den Rechtsanspruch entsprechend festlegen.

Wir waren da auch auf gutem Wege, und wie ich fand, hatten wir auch das erste Mal richtige Beteiligungsprozesse mit den Elternvertretern, mit den freien Trägern organisiert. Wir haben sehr kleinräumig versucht, alle auf dem Wege mitzunehmen. Wir waren schon ziemlich weit, aber leider mussten wir dann, sozusagen kurz vor Toresschluss, das ganze Verfahren abbrechen, weil wir uns dann nicht mehr einigen konnten auf das, was wir vorlegen wollten. Das war ungefähr Ende 1998, da hätten wir das eigentlich hier beschließen sollen und wollen, denn da standen die Wahlen vor der Tür, und dann gab es keine Möglichkeit mehr, sich zu einigen.

Das habe ich damals sehr bedauert. Dadurch hat es einen Stillstand gegeben, und wir haben jetzt ein sehr abgespecktes Gesetz vor uns liegen, das will ich gern einräumen. Das ist ein Minimalkonsens und auch ein Mindeststandard, den wir damit beschrieben haben.

Wir haben auch nicht noch einmal das ganze Procedere mit der Beteiligung aller Betroffenen gemacht, weil sich substantiell nichts Wesentliches geändert hat. Im Gegenteil, wir konnten natürlich – und das war dann wieder ein Vorteil, manchmal hat es ja auch Vorteile, wenn etwas ein bisschen länger

liegen bleibt – die Erkenntnisse aus dem WiberaGutachten mit aufnehmen, zumindest insofern, dass wir manche Dinge nicht mehr so strikt formuliert haben. Wir haben sozusagen Öffnungsklauseln in den Formulierungen, so dass wir jetzt die verschiedenen Modelle, die eben angesprochen wurden und die diskutiert werden, meines Erachtens in diesem jetzigen Gesetzestext unterbringen und nicht noch einmal eine weitere gesetzliche Veränderung vornehmen müssen.

Ebenso ist natürlich die verlässliche Grundschule in dieses Gesetz eingeflossen. Auch das war vor zwei Jahren so noch nicht absehbar, dass sie erstens kommt und zweitens, dass sie so schnell kommt und dann auch flächendeckend. Von daher hat das natürlich Auswirkungen auf den Hort und spiegelt sich auch hier in diesem Gesetz wider.

Ich kann mit diesem Gesetz gut leben, weil es eine Ausgangsbasis ist, die uns viele Möglichkeiten eröffnet. Ich kann nur sagen, der Ideenwettbewerb, Frau Stahmann, ist angesagt, ist ausgebrochen. Ein paar Ideen sind auf dem Markt, und auf Ihre Ideen warten wir noch, denn ich denke und hoffe, dass die Grünen mehr zu bieten haben als nur die Forderung nach sechs Stunden und ein bisschen mehr pädagogischer Spielerei. Insofern bin ich sehr gespannt, welche Ideen Sie beizutragen haben.

Wir haben ja in der Vergangenheit Modellversuche für Orte für Kinder und deren Familien gehabt. Wir haben eine ganze Menge aus diesen Versuchen und Modellen gelernt, die wir in Bremen gehabt haben, so dass wir uns eigentlich überall nur das heraussuchen müssen, was wir hier in Bremen am besten brauchen können, aber vor allem auch, was wir finanzieren können. Die Ressourcen, das will ich deutlich sagen, sind begrenzt, und gerade weil sie begrenzt sind wie so oft in unserem Ressort, müssen wir sie auch effektiver einsetzen. Wir haben versucht, mit unserem Vorschlag darauf hinzuwirken, dass sie effektiver eingesetzt werden können.

Nach wie vor finde ich es etwas bedauerlich, dass wir den rechtlichen Bedenken der freien Träger noch nicht haben Rechnung tragen können, was die Umstellung auf Entgeltfinanzierung angeht. Ich bin allerdings ziemlich sicher, dass das in einem der nächsten Schritte dann auch erfolgen wird, weil ich auch da glaube, dass wir nicht mehr Geld dafür brauchen, sondern alle Beteiligten dann nur zielgerichteter damit umgehen.

Dann will ich noch einmal auf die Elternvertretung eingehen. Frau Stahmann hat das gesagt, das, was wir jetzt in dem Landesgesetz stehen haben, lässt viele Möglichkeiten offen, und es wird das erste Mal jedenfalls die Arbeitsgemeinschaft erwähnt. Das ist meines Erachtens schon ein riesiger Fortschritt. Ich kann mir aber auch eine größere Elternbeteiligung vorstellen, allerdings nicht nur eine Mitbestimmung, sondern auch eine Mitverantwortung,

denn Mitbestimmung hat für mich immer etwas mit Mitverantwortung zu tun. Ich gehe davon aus, dass wir das in unserem Ortsgesetz dann auch miteinander, Seite an Seite für die Elternvertretungen erstreiten. Dass jetzt bei Aufnahme der Kinder die Stichtagsregelungen, auch die mehreren Stichtage, die wir bisher hatten, wegfallen, ist für alle klar, glaube ich. Insofern haben wir da auch schon Übung, weil wir ja nun ein bisschen über die Zeit sind mit dem endgültigen Rechtsanspruch und der endgültigen Einführung und Umsetzung. Das soll in der ersten Runde genug sein. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bisher hat die große Koalition weitreichende Schritte unternommen, um die Qualität der Kindertagesheimbetreuung zu mindern. So kann ich das einmal kurz und knapp festhalten. Es hat einen Personalabbau gegeben, es sind 500 Ganztagsplätze abgebaut worden. Das ist für mich keine Weiterentwicklung der Angebote der Kindertagesbetreuung in Bremen! Eine Weiterentwicklung der Angebote, liebe Frau Striezel, ist meiner Meinung nach nur möglich, wenn man weiß, was Kinder brauchen. Deswegen halte ich eine Beschreibung des Lebens der Kinder in einer Großstadt für wichtig, um zu wissen, wie sie heute aufwachsen, um darauf auch pädagogisch reagieren und ein gutes Angebot dafür präsentieren zu können. Wir müssen auch wissen, wie die Eltern leben, was sie brauchen und wo sie Unterstützung brauchen. Das ist wichtig! Wir Grünen wollen auch mehr Angebote für unter Dreijährige und mehr Angebote für Hortkinder. Wir sind auch für kleinere Gruppen von 15 bis 18 Kindern und auch für zwei Betreuungskräfte statt einer. Den Personalschlüssel halten wir für zu niedrig. Im Gesetz steht, dass Sie ein bedarfsgerechtes Angebot vorhalten wollen, aber Sie wissen gar nicht, wie die Bedarfe sind, meine Damen und Herren! Noch einmal zur Finanzierung, Herr Pietrzok! Ich finde, es kommt darauf an, wo man Schwerpunkte setzt. Den Schwerpunkt bei der Kindertagesbetreuung hat die große Koalition eindeutig nicht gesetzt! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Staatsrat Dr. Hoppensack.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin dankbar, dass ich hier

heute auftreten kann, weil ich am Ende meiner Dienstfahrt bin und dieses Gesetz sozusagen zu den letzten Früchten gehört, die ich transportieren durfte. Es ist etwas ungewöhnlich, wenn die Senatorin da ist, dass ein Staatsrat hier auftreten kann, aber ich danke meiner Senatorin, die auch in dieser Frage sehr großzügig ist.

Zur Sache zunächst: Die Debatte hat gezeigt, dass dieses Gesetz, so wie es vorliegt, eigentlich nicht so furchtbar aufregend ist. Die Aufregung könnte allenfalls über die Dinge entstehen, die nicht in dem Gesetz enthalten sind. Dazu ist nun einiges gesagt worden. Es handelt sich um ein Landesgesetz, das Rahmen setzt und auf die Aufgabenverteilung im Land aufbaut, dass nämlich das Wesentliche die Kommunen machen und die Kommunen an dieser Stelle ein nicht ganz kleines Problem haben. Das hängt sicherlich im Wesentlichen mit den Finanzen zusammen.

Das Sanierungssicherstellungsgesetz, das Sie im Haus hier vorgegeben haben, ist für die Verwaltung eine weitere Grenze. Deswegen stehen darin viele Dinge nicht, womit nicht gesagt ist, dass diese Dinge nicht wichtig wären und dass wir uns nicht darum zu bemühen hätten. Deswegen will ich hier auch ganz deutlich unterstreichen, dass es Aufgabe der Verwaltung sein wird, die Debatte um das Notwendige weiterzuführen!

Um gleich auf den grünen Antrag zu sprechen zu kommen: Schon im Januar soll es eine Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses in der Stadt Bremen geben. Dort soll berichtet werden aus der Werkstatt der Veränderungsüberlegungen zum WiberaGutachten, zu dem vielbeschriebenen „CafeteriaModell“ oder auch zu den Angebotsformen, die mit der so genannten Kita-Card zusammenhängen.

Damit soll unterstrichen sein, dass das, was in der Vergangenheit, ich kann schon sagen, in den letzten Jahrzehnten, seit Verabschiedung des noch geltenden Kindergarten- und Hortgesetzes die Szene bestimmt hat – nämlich weitgehend die quantitative Frage –, ein Stück in den Hintergrund treten kann und qualitative Gesichtspunkte sehr viel stärker zu bedenken sind. Hierzu zählt all das, was Sie hier beschrieben haben, was mit behinderten Kindern oder solchen aus sozial benachteiligten Familien zu geschehen habe. Dies soll nicht vergessen sein. Wir haben uns darauf eingerichtet, all das, was Sie hier in dem Antrag angesprochen haben, schon in der Januar-Sitzung in die Debatte zu bringen. Dann geht es darum, zu konkreten Verabredungen zu kommen, wie man das im Einzelnen umsetzen kann. Damit ist der Teil des Kindertagesbetreuungsgesetzes meines Erachtens ausreichend abgehandelt. Ich will das nicht weiter verlängern.

Ich komme dann zu dem zweiten Teil, der mich selbst betrifft. Ich wollte mich herzlich für die Tatsache bedanken, dass ich hier im Haus Gast sein durf

te und als beigeordneter Vertreter des Senats doch in vielen Fällen die Unterstützung des ganzen Hauses bekommen habe, nicht immer von allen zu gleicher Zeit, aber wenn man so lange da ist und die Chance hatte, SPD-Alleinregierung, Ampelsenat und große Koalition zu erleben, kommt man nicht umhin, von allen Fraktionen auch Unterstützung bekommen zu haben, nicht nur hier, sondern ganz besonders auch hinter den Linien in der Deputation und in den Ausschüssen. Dafür also herzlichen Dank!

Ich bin immer gern hergekommen. Ich war bis zum heutigen Tag auch immer ein bisschen stolz, dass ich hier sein durfte. Ich finde, es ist eine Ehre im Land Bremen, hier sein zu dürfen, auf welcher Seite des Tisches auch immer! Ich habe immer ein bisschen Lampenfieber gehabt, weil es auch spannend ist, hier zu sein. Gelegentlich war es zugegebenermaßen lästig, wenngleich auch immer notwendig. Ich denke an Untersuchungsausschüsse, wenn darüber diskutiert wurde und man hier sitzen und zuhören musste und selbst nicht reden durfte. Das war ganz schön schwierig! Aber, wie gesagt, ich stehe nicht an zu sagen, dass es nicht notwendig gewesen wäre.

Gefragt worden bin ich manchmal, wie man das denn 21 Jahre aushielte, wo doch Politik ein schmutziges Geschäft sei. Ich bin zwar nicht im Zentrum der Politik, habe aber doch sehr viel mit Politik zu tun. Das wurde dann oft so gesagt, als sei das eine ganz neue Erfahrung, eine Nachkriegserfahrung, dass Politik unangenehm abfärbe. Da fiel mir ein Gedicht – ich liebe Gedichte, wie manche wissen – eines Landsmannes, eines Schlesiers in die Hand. Das wollte ich Ihnen zum Abschluss vortragen, und daran sehen Sie, dass die Erfahrung nicht so ganz neu ist, die da gemacht ist. Der Autor heißt Friedrich von Logau, hat von 1604 bis 1655 gelebt, und das Gedicht heißt „Heutige Weltkunst“. Es heißt da: „Anders sein und anders scheinen, / anders reden, anders meinen, / alles loben, alles tragen, / alles heucheln, stets behagen, / allem Winde Segel geben, / Bös und Gutem dienstbar leben, / alles tun und alles dichten, / bloß auf eignen Nutzen richten, / wer sich dessen will befleißen, / kann politisch heuer heißen!“

(Heiterkeit)

Ich gebe zu, dass ich Herrn von Logau auch die eine oder andere Nahrung geliefert habe, und ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen gelingt, ihn auf Dauer zu widerlegen. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Dritte Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Meine Damen und Herren, da der Senat um Behandlung und Beschlussfassung in erster und zweiter Lesung gebeten hat und dies interfraktionell vereinbart wurde, lasse ich darüber abstimmen, ob wir jetzt die zweite Lesung durchführen wollen.

Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

(Einstimmig)