Darüber hinaus kann es nicht richtig sein, dass der Polizei Jedermannsrechte zur Verfügung stehen sollen, die durch klare polizeirechtliche Regelungen abgelöst werden müssen, sondern auch gerichtliche und disziplinarische Nachspiele für die ohnehin psychisch stark belasteten Beamten nach einem solchen Schusswaffengebrauch haben.
Alle Bundesländer, wie gesagt, haben Regelungen als Spezialnorm für polizeiliches Handeln. Dabei unterscheiden sich die Länder durch Regelungen, die den Schusswaffengebrauch mit voraussichtlich tödlicher Wirkung und Einschränkung des Grundrechts auf Leben oder ausschließlich die Einschränkung des Grundrechts auf Leben festgelegt haben. Letzteres hat auch Niedersachsen in einem Gesetz geregelt.
Meine Damen und Herren, ich gestehe, ich kann nicht nachvollziehen, wenn einerseits der finale Rettungsschuss unter subsidiärer Anwendung von Jedermannsrechten – entsprechend Paragraph 32 folgende des Strafgesetzbuches – zugelassen werden soll, wobei Rechtswissenschaftler sich öffentlich darüber streiten, ob Polizeibeamte, da in einem besonderen Rechtsverhältnis stehend, Notstandsparagraphen in Anspruch nehmen können, und andererseits
eine klare, eindeutige Spezialregelung im Bremischen Polizeigesetz hier zurzeit durch die SPD versagt wird. Warum nicht deutlich regeln, was zugestanden wird: Rettungsschuss als Ultima Ratio!
Ich habe bereits 1998 in der Debatte auf die begründete Forderung der Polizei in Bremen nach einer solchen Polizeigesetznorm hingewiesen. Ich will es heute nicht wiederholen, allerdings deutlich sagen, dass die Bremer Polizei und auch die Gewerkschaften uns unisono auffordern, eine spezialgesetzliche Regelung in das bremische Gesetz aufzunehmen. Dahinter steht sicher auch die Mehrheit der Bevölkerung, und selbst SPD-Mitglieder, weiß ich, sind dieser Auffassung.
Meine Damen und Herren, insbesondere in Fällen von Geiselnahme, wie zum Beispiel die Gladbeck-Geiselnahme, muss bei geschlossenem Einsatz von PSK, also Präzisionsschützenkommando, oder SEK, Sondereinsatzkommando, ein Polizeiführer einen solchen gezielten Schuss als Ultima Ratio anordnen oder freigeben dürfen. Im letzteren Fall, im Freigabefall, liegt dann die Verantwortung für den Zeitpunkt bei dem jeweiligen Beamten.
Aufgrund einer Zeitungsmeldung, die ein paar Tage zurück liegt, in der eine Professorin sich zu Wort meldete, weise ich hier darauf hin: Polizeibeamte werden zu keiner Zeit zum Töten ausgebildet! Sie werden im Schießvermeidungstraining, in der Genauigkeit des Schusses und zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger an der Waffe ausgebildet.
Darüber hinaus gibt es dann lediglich die speziell ausgebildeten Einheiten PSK und SEK, die intensiv für eine solche Situation – wie man im Polizeideutsch sagt, eine solche Lage – vorbereitet und trainiert werden.
Genau da lassen sich aber die realitätsfernen, fachunkundigen Auffassungen erkennen. Aus weiter Ferne beurteilen zu wollen, wie Geiseln zumute ist, wenn sie Schwerstkriminellen ausgeliefert sind und Hilfe nicht stattfindet, weil es möglicherweise an rechtlichem Rahmen fehlt, das, meine ich, kann man nicht hinnehmen!
Meine Damen und Herren, anlassbezogen habe ich mich in den Untersuchungsausschussbericht des Gladbeck-Geiseldramas eingelesen.
Ich kann nur sagen, die Probleme und Fehler der Polizei einmal unberücksichtigt gelassen, hier hätte eine eindeutige Regelung im Polizeigesetz mit Sicherheit Schlimmes verhindert.
(Abg. Frau J a n s e n [SPD]: Wie denn? – Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Haben Sie den Bericht wirklich gelesen? Haben Sie mit Pe- ter Kudella gesprochen?)
Den Abschlussbericht, nicht die Minderheitenvoten! Ich empfehle jedem, der sich mit den Fragen Polizeigesetz und hier finaler Rettungsschuss befasst, die Seiten 248 folgende des Abschlussberichts zu lesen. Ich habe ihn da liegen, das kann ich Ihnen auch gleich geben.
Ich will nur deutlich machen: Der finale Rettungsschuss hätte damals abgegeben werden können und müssen, insbesondere hier, wenn die rechtliche Grundlage da gewesen wäre, wenn die Geiselnehmer handlungsunfähig gestellt werden sollten. Das ist Voraussetzung in einer solchen Situation, die Geisel nicht zu gefährden. Der damalige Leiter der hannoverschen PSK-Gruppe hat eindeutig festgestellt, dass die Situation es erlaubt hätte, Schusswaffen zum finalen Rettungsschuss anzuwenden und so die Geiseln unversehrt zu befreien.
Im Wortprotokoll hat er erklärt, dass danach getötete Personen noch leben könnten, wenn die Schüsse auf die zwei Geiselgangster angeordnet oder freigegeben worden wären,
doch fehlende Rechtsgrundlage und Klarheit hätten den Zugriff verhindert. An anderer Stelle des Untersuchungsausschussberichts heißt es, dass diese Aussage, die dieser PSK-Führer gemacht hat, im Grund auch nicht zur Kenntnis genommen zu werden brauchte, denn die Rechtslage hätte den Schuss nicht zugelassen, Seite 259 des Berichts!
Meine Damen und Herren, um es noch einmal deutlich zu sagen: Der finale Rettungsschuss ist das allerletzte Mittel, um Lagen von Geiselnahme zu bewältigen! Vorgeschickt werden Verhandlungsgruppen und andere polizeiliche Maßnahmen, die den Versuch starten, ohne Schusswaffengebrauch diese Situation zu lösen, was durchaus richtig und in jedem Fall wünschenswert ist. Aber es gibt auch Situationen, bei denen auch eine solche rechtliche Möglichkeit gegeben sein muss, um diese Leute entsprechend handlungsunfähig zu machen. Ein Beispiel ist in Huckelriede, wo man weiß, dass das
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen nur einmal eine Passage in Auszügen zitieren. Es hat eine Debatte im saarländischen Landtag gegeben, die ist noch nicht lange her, nämlich im Mai 2000. Da hat der Landtag unter anderem genau diesen finalen Rettungsschuss beschlossen. Der Abgeordnete Joost von den Sozialdemokraten hat dort folgende Ausführungen gemacht:
„Trotz dieser Kritik,“ – nämlich der Kritik an anderen Positionen – „meine Damen und Herren, gibt es einen Punkt im Rahmen der Gesetzesdiskussion, den wir wirklich ernst nehmen. Wir nehmen im Interesse der potentiellen Opfer und im Interesse der Kolleginnen und Kollegen der Polizei die Regelung zum finalen Rettungsschuss ernst. Es geht uns um mehr Rechtssicherheit für die handelnden Personen. Es geht uns um mehr Rechtssicherheit und Schutzsicherheit für die potentiellen Opfer, beispielsweise auch für die Geiseln, die in dieser Frage in gleichwertigem Zusammenhang zu sehen sind. Es geht uns aber auch darum, eine Handlungspraxis abzusichern, die für die einzelnen Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei eine Optimierung darstellt. Ziel ist es, sowohl die Polizeibeamtinnen und -beamten als auch die Geiseln in den entscheidenden Situationen nicht allein zu lassen, um orientiert am Einsatz taktisch und rechtlich saubere und in der extremen Gefährdungslage bessere Lösungen herbeiführen zu können.“
Herr Präsident, ich komme erst einmal zum Schluss. Ich käme dann zu den verdachtsunabhängigen Kontrollen, das spare ich mir für nachher auf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht darf ich die, mit Verlaub, als knapp zu bezeichnende Antwort des Senats doch hier noch einmal vorlesen, weil Herr Dr. Schulte sich das erspart hat: „Der Senat wird den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bremischen Polizeigesetzes der Bürgerschaft zuleiten, sobald die erforderlichen Ressort- und Fraktionsabstimmungen über offene Fragen des Entwurfs abgeschlossen sind.“ ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Das ist die Antwort des Senats. Es verwundert doch ein bisschen, dass die CDU-Fraktion auf einer Polizeigesetzdebatte am heutigen Tag bestanden hat. Viel Neues haben wir ja nicht gehört!
Herr Senator, was fällt einem unbefangenen Beobachter ein, wenn die CDU eine Große Anfrage stellt, der Senat darauf eine Nichtantwort gibt und der erste Redner der CDU eine halbe Stunde dazu redet? Mir fällt dazu nur ein: Wer Parteifreunde hat, braucht keine Feinde mehr!
Meine Damen und Herren, Herr Herderhorst hat die Ausgangslage skizziert. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode die Debatte um ein Polizeigesetz aufgenommen, geleitet von der Erkenntnis, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen – Herr Herderhorst hat das Bundesverfassungsgerichtsurteil genannt – das rechtliche Handwerkszeug der Polizei nicht mehr aktuell ist. Bereits in dieser Diskussion mit Herrn Senator Borttscheller und Herrn Herderhorst haben wir vom finalen Rettungsschuss Abstand genommen, für den es keineswegs in allen anderen Bundesländern spezialgesetzliche Regelungen gibt.
Diese Geschäftsgrundlage, nämlich keine polizeirechtliche Befugnis für den gezielten tödlichen Schuss auf Menschen, haben wir auch in der Koalitionsvereinbarung für die Zeit bis 2003 erneuert. Deshalb gab es im Sommer von Herrn Goehler, und ich gehe doch sehr davon aus, dass das mit Herrn Senator Dr. Schulte verabredet war, einen Entwurf des Polizeigesetzes, geschickt an den innenpolitischen Sprecher der Grünen, in dem der finale Rettungsschuss fehlte. Herr Teiser hat deshalb auch in einer Debatte bei der CDU in der Neustadt sehr deutlich gesagt, dass für ihn der finale Rettungsschuss keine zentrale Norm sei, wenn wir es nur schafften, in vielen anderen Punkten zu Kompromissen zu kommen.
Meine Damen und Herren, zur Geschäftsgrundlage unserer Koalitionsvereinbarung gehört auch, dass wir in dieser Legislaturperiode das Polizeigesetz im Übrigen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts oder der Bundesverfassungsrechtsprechung anpassen. Ich finde, dass wir als große Koalition – sowohl die CDU als auch die SPD hat die Innenpolitik als einen wichtigen Schwerpunkt dieser Legislaturperiode bezeichnet – das auch hinbekommen müssen in dieser Legislaturperiode und, wenn es geht, möglichst bald.
Die SPD hat sich an die Vorgabe dieser Koalitionsvereinbarung sehr konstruktiv gehalten. Wir haben zu einem Referentenentwurf des Hauses ganz spannende und aufschlussreiche Gespräche mit den
Polizeiobersten aus Bremen und Bremerhaven, den Personalräten der Polizeien in unserem Lande, den Expertinnen der bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau und mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz geführt. Wir haben mehrfach mit der Gewerkschaft der Polizei gesprochen, und wir haben uns in einer öffentlichen Anhörung wissenschaftlichen Rates bedient. Nicht zuletzt, Herr Senator Dr. Schulte, haben wir mit Ihnen und Ihrem damaligen Vertreter, Herrn Staatsrat Goehler, konstruktive Gespräche geführt.
Leider passt es dazu am Ende nicht, dass Sie, Herr Senator, sich im Rahmen Ihres Landesparteitages haben hinreißen lassen, das Polizeigesetz zum Wahlkampfthema machen zu wollen. Sie tragen für diesen Bereich die politische Verantwortung, erklären drei Jahre vor dem nächsten Urnengang die Gespräche für beendet und sagen, wir machen das zum Wahlkampfthema. Das kann nicht richtig sein!
Herr Senator, ich bitte Sie sehr herzlich, lassen Sie uns zum ergebnisorientierten Weg zurückkehren, und versuchen Sie, davon auch Ihren Fraktionsvorsitzenden zu überzeugen! Sie wissen aus vielen Gesprächen mit mir, Jens Böhrnsen und den Vertretern des Justizressorts, dass es uns als SPD überhaupt nicht um Blockaden geht,
sondern es geht uns darum, einen modernen Ausgleich zwischen dem Instrumentarium einer effektiven Gefahrenabwehr und dem Schutz freiheitlicher Bürgerrechte zu schaffen.
Deshalb, meine Damen und Herren, hakt es ja auch bei der verdachtsunabhängigen Kontrolle, die sich eben gerade nicht, wie Herr Herderhorst es vorhin allgemein skizziert hat, an den Störer unserer Rechtsordnung wendet, sondern an jedermann, die alle betrifft. Wir brauchen dieses Instrument, das nach Schengen einen Ausgleich für den Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen sein soll, in Bremen nicht, denn Bremen ist das einzige Land, das keine innereuropäischen Grenzen verloren hat. Das sieht auch die Polizei so. Die Gewerkschaft der Polizei hat sehr nachdrücklich darum gebeten, von der Einführung dieses Instruments abzusehen. Gerade noch am Dienstag, Herr Herderhorst hat darauf hingewiesen, hat die Polizei diese Bitte sehr intensiv in einer Podiumsdiskussion noch einmal ausgesprochen.