Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

Es ist, glaube ich, ein bisschen schwierig, wenn jemand wirklich aus gehobenen Verhältnissen kommt, mit dem goldenen Löffel im Munde geboren ist,

(Widerspruch bei der CDU)

in seinem Leben keine Probleme hatte, wenn er dann über die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen aus diesen nicht gehobenen Verhältnissen redet und im Grunde genommen nur versucht, seine eigenen Privilegien zu verteidigen.

(Beifall bei der SPD – Abg. E c k h o f f [CDU]: Nicht, dass Sie jetzt gleich noch die Internationale singen!)

Und ich hoffe, dass Sie nicht anfangen, ganz andere Lieder hier anzustimmen!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Welche denn, Frau Kollegin?)

Ich werde das jetzt hier lieber nicht sagen!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Nennen Sie einmal welche!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie die Antwort des Senats nach der gestellten Frage des sozialen Status betrachten, wo sind eigentlich in der Mehrzahl Hauptschüler, wo sind eigentlich in der Mehrzahl Gymnasialschüler, und darauf geht der Senat ja nur ganz vorsichtig ein, kann man doch genau sehen, dass in den Gebieten, die sozial benachteiligt sind, der Anteil der Hauptschüler besonders hoch ist und dass in besonderen bürgerlichen Wohngegenden der Anteil der Gymnasialschüler besonders hoch ist.

(Abg. J ä g e r [CDU]: Rückwärts ge- wandt ist das!)

Das hat mit rückwärts gewandt nichts zu tun. Sie können doch die Realität in dieser Stadt, in diesem Land nicht als rückwärts gewandt bezeichnen!

(Beifall bei der SPD)

Die Einzigen, meine lieben Damen und Herren von der CDU, die wirklich rückwärts gewandt in der Bildungspolitik sind, sind Sie,

(Beifall bei der SPD)

weil Sie nämlich an dem gegliederten Schulsystem mit Privilegien und Benachteiligungen gern festhalten wollen!

(Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Mützelburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich rätselte schon die ganze Zeit, warum die CDU – die SPD hat sich dem ja dann mit der Anfrage angeschlossen – diese Debatte vom Zaun gebrochen hat, wohin das eigentlich führen soll. Wenn ich den Kollegen Rohmeyer richtig verstanden habe, geht es ihm im Grunde nur darum, hier zu sagen, was Herr Bürger uns eigentlich seit 20 Jahren erzählt, wir brauchen wieder ein gegliedertes Schulsystem! Punkt! Wir brauchen wieder ein gegliedertes Schulsystem! Wir brauchen wieder ein gegliedertes Schulsystem!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Und im Hintergrund hört man das monotone Ge- räusch der Bartaufwickelmaschine!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Danke, Frau Hövelmann! Ich kann das nicht so flüssig sagen, wie Sie das können! (Zurufe von der SPD und von der CDU)

Meine Damen und Herren, Herr Rohmeyer, Sie haben ja im letzten Beitrag dazu dann auch eine theoretische Begründung gebracht, nämlich die, es gibt unterschiedliche Begabungen. Da will ich Ihnen gar nicht widersprechen, aber Sie kommen auch auf die merkwürdige Idee, dass eine bestimmte Form von Begabung, die Sie praktische Begabung nennen, auch einer bestimmten Schulform, nämlich der Hauptschule, zuzuordnen ist. Das ist der Quatsch bei dieser Theorie. Das ist nämlich die Sortiermaschine!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich unterhalte mich gern über Inhalte und manchmal weniger gern über Schulformen, aber an dem Punkt muss man sagen, wenn das die Begründung für das gegliederte Schulsystem ist, sozusagen jeder Schulart ordne ich eine Begabung zu, dann frage ich Sie: Wohin gehört eigentlich die Hälfte der ausländischen Schüler und Schülerinnen, die heute in der Hauptschule sind? Die sind nicht alle praktisch begabt in Ihrem Sinne, die guten Kfz-Handwerker und Fensterputzer oder was Sie darunter verstehen! Da sind querbeet durch die Gesellschaft alle verschiedenen Begabungen. Die sind dort aufgrund der Herkunft, auch aufgrund ihrer sozialen Stellung in der Gesellschaft, aufgrund bestimmter Ausgrenzungsmechanismen, die hier sind, und dann wieder auch aufgrund von Zusammenschlüssen, wie Ausländer sich zusammentun und dann auch wieder zusammenbleiben in dieser Gesellschaft. Deshalb sind sie heute da, wo sie sind. Das hat etwas mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit und weniger mit den einzelnen Begabungen zu tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deshalb wehre ich mich so gegen diese Art von Gliederungsprinzip. Das muss man sich dabei klar machen! Sonst können wir gern über Schulformen, Gesamtschulen und Schulzentren streiten, aber nicht auf diese Weise. Punkt!

Dann frage ich noch einmal: Wozu haben wir diese Debatte geführt? Ich habe versucht, Ihnen zu sagen, mir geht es um die Abschlüsse. Mir geht es nicht darum, die Hauptschule zu stärken, sondern den Teil der Kinder und Jugendlichen, der heute aus dem Bildungssystem mehr oder weniger herausfällt. Der Kollege Brumma hat mich zu Recht korrigiert, dass ich vorhin ein bisschen vollmundig gesagt habe, 32 Prozent der Schülerinnen und Schüler fallen im handwerklichen Beruf durch die Prüfung. Das ist

nicht in allen handwerklichen Berufen so, sondern nur bei einem Teil der Berufe. Wenn man den Durchschnitt ansieht, dann sind wir bei etwas über 20 Prozent, aber auch das ist viel. Dazu kommen ja die, die keine Lehre antreten, die, die ihre Lehre abbrechen.

Wenn es so ist, dass ein Drittel der Hauptschüler und Hauptschülerinnen trotz der Schule nicht in einem Lehrberuf landet, liegt es nicht unbedingt an der Schule. Es kann auch an der Lehre liegen. Es ist aber auf jeden Fall ein Indiz dafür, dass mit diesem Abschluss nicht so viel anzufangen ist, wie man damit anfangen müsste.

Deshalb noch einmal die Bitte, oder nicht mehr die Bitte, sondern die Aufforderung an diejenigen, die regieren, das sind Sie, nicht wir, dafür zu sorgen, dass die Debatte um den Hauptschulabschluss, um die Qualifikation, die die Kinder erwerben, angefangen wird und dass diese blöde Debatte, kann man oder muss man das an einer selbständigen Hauptschule, an einer Hauptschule zusammengepackt mit einer Realschule, an einer Gesamtschule oder an einem Schulzentrum machen, erst einmal zurückgestellt wird und man sich mehr um die kümmert, die in der Schule sind, als um die, die die Schule organisieren wollen! Das ist meine herzliche Bitte!

Dann noch, Frau Kollegin Jansen, gehört da hinein, dass man hier vom Podium als Mitglied einer Regierungspartei nicht sagen kann, wir Sozialdemokraten haben seit 40 Jahren gefordert, dass die gesellschaftlich Schwächeren einen besseren Bildungsabschluss bekommen müssen. Verdammt noch einmal, Sie regieren hier seit 52 Jahren in dieser Stadt, tun Sie es doch!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Das Wort erhält Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Anfang der Debatte war ich noch sehr optimistisch gestimmt, dass wir zu gemeinsamen Ergebnissen kommen, die eigentlich angemessen gewesen wären. Leider hat mich das, was ich in den letzten 20 Minuten gehört habe, wieder etwas pessimistischer gestimmt. Ich will zunächst mit der Landesverfassung beginnen. Die ist, finde ich, an dieser Stelle sehr wesentlich. Darin steht, das können Sie nachlesen, sinngemäß, dass wir verpflichtet sind, allen jungen Menschen in dieser Stadt gemäß ihrer Begabung eine Ausbildung anzubieten.

Ich setze hier eine andere Zielsetzung, als ich sie jetzt bei Ihnen, Herr Rohmeyer, erfahren habe. Ich habe das, glaube ich, richtig verstanden, dass Sie sagen, es soll nicht ganz so viele Abiturienten in die

ser Stadt geben, wie es vielleicht möglich wäre. Es muss nicht jeder dahin getrieben werden. Hier habe ich eine ganz andere Meinung. Ich fände es ganz toll, wenn wir es durch gemeinsame Anstrengungen schaffen könnten, ganz, ganz vielen jungen Menschen eine möglichst hohe Qualifikation durch die Schule zu geben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Warum denn, Herr Rohmeyer? Sie wissen wie ich, wie die meisten hier im Haus, dass je höher die schulische Qualifikation, desto größer die Chance ist, den Jugendlichen anschließend eine berufliche Ausbildung anzubieten und damit eine gesicherte Arbeit zu geben. Das ist ein Hauptargument für uns.

(Beifall bei der SPD – Abg. R o h m e y e r [CDU]: Aber nicht, wenn wir die Jugendli- chen überfordern! – Abg. Frau H ö v e l - m a n n [SPD]: Das ist auch ein Standort- faktor!)

Ich will niemanden überfordern! Mein Ziel ist es aber, den jungen Menschen in unserer Stadt eine möglichst gute Ausbildung zu geben. Dabei muss ich verschiedene Wege gehen. Hier gibt es nicht einen idealen Weg, sondern verschiedene Wege.

(Abg. H e r d e r h o r s t [CDU]: Den Möglichkeiten aber angepasst!)

Jetzt gibt es aber ganz viele wissenschaftliche Untersuchungen, von welchen Faktoren die Ausbildungswege von Schülerinnen und Schülern geprägt sind. Die kennen Sie auch. Die elterliche Situation ist ein Hauptmerkmal. Nun gehe ich nicht davon aus, dass wir eine Chancengleichheit, selbst wenn wir sie fordern, erreichen können. Ich finde es aber unglaublich wichtig, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, den jungen Menschen, die nicht von Haus aus die Möglichkeiten und Chancen, die andere in anderen Familien haben, mitbekommen, die Chancen verbessern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das, glaube ich, kann ich für das ganze Haus sagen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Für die meisten Abgeordneten!)

Ich habe das eben sehr wohl gemerkt, wer applaudiert hat und wer nicht!

Wenn wir nicht einmal in solch einem ganz wichtigen Bereich einen Konsens im Haus haben, dann

stimmt mich das persönlich traurig. Sie werden aber sicherlich noch einmal im Protokoll nachlesen, was ich eben gesagt habe. Dass eine Fraktion wie die CDU, mit der wir in einer Koalition sind, nicht diesem Minimalkonsens zustimmen kann, enttäuscht mich.

(Beifall bei der SPD – Abg. E c k h o f f [CDU]: Weil wir den Blödsinn, den Sie vor- her gesagt haben, nicht teilen!)

Wenn das Blödsinn ist, was in unserer Landesverfassung steht, dann weiß ich es auch nicht ganz!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Wir meinen das, was Sie vorher gesagt haben!)

Ich habe zuvor die Landesverfassung zitiert und gesagt, dass es sehr wichtig ist, dass unsere Kinder in unserem Land, Herr Eckhoff, eine möglichst gute schulische Ausbildung bekommen, und zwar möglichst viele Kinder.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Das bestreitet hier doch gar keiner!)