Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Es hat eine massive Senkung des Ernährungsmehrbedarfes im Rahmen der Sozialhilfe gegeben, also für Menschen, die besonders hohe Aufwendungen in ihrem Lebensunterhalt für Ernährung haben. Es gibt die rabiate Weigerung aus dem Sozialressort, genossenschaftliche Wohnmodelle behinderter Menschen zu fördern. Es gibt das Abschaffen des Rechtsanspruchs auf Integrationshilfe für von Behinderung bedrohte Kinder im Kindergarten. Das sehe ich auch ganz anders als Herr Oppermann. Die Integration ist gefährdet in Bremen. Da müssen wir höllisch aufpassen, dass dort nicht Sachen passieren, die einen massiven Rückschritt bedeuten.

Dem Landespflegegeld droht nun endgültig die Abschaffung. Auch das ist ziemlich bedrohlich. Es droht weiterhin, das hat Frau Senatorin Adolf noch einmal gesagt, dass sie davon nicht ablassen will, dass Wohneinrichtungen für behinderte Menschen in Pflegeeinrichtungen umgewandelt werden. Es ist in den letzten Jahren zu einem ziemlich dramatischen Absenken des Betreuungsschlüssels in Wohneinrichtungen für behinderte Menschen gekommen, übrigens Blankenburg-Nachfolge, den Standard haben wir nicht gehalten. Das bleibt einem dann irgendwie ein bisschen im Halse stecken, wenn man jetzt die großen Erfolge der Vergangenheit feiert.

Diese Politik, die maßgeblich von der großen Koalition zu verantworten ist, trifft die Schwächsten. Uns war es wichtig, dass in dem Bereich nicht nur schöne Vorhaben und Einschätzungen dargelegt werden, sondern auch ein bisschen geschaut wird, wie eigentlich die Fakten sind. Da geht es dann leider in den meisten Punkten um das liebe Geld. Ich

denke schon, dass wir Ihnen auch nachweisen können, dass Sie auch massiv Finanzmittel eingespart haben. Tun Sie ja nicht so, als würden die behinderten Menschen das nicht in ihrem Alltag auch merken!

Trotzdem kann der Bericht dazu beitragen, das Thema „Rechte und Lebenschancen behinderter Menschen“ wieder ein bisschen mehr in das Blickfeld der großen Politik zu rücken. Das Landespflegegeld sollten Sie, während dieser Bericht erstellt wird, aus unserer Sicht zumindest möglichst nicht abschaffen. Das macht einen ziemlich schlechten Eindruck.

Wir glauben, dass man dem Versprechen von Herrn Riester, dass noch in dieser Legislaturperiode auf Bundesebene ein Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen vorgelegt wird, vertrauen sollte. Wir sollten alles tun aus Bremer Sicht, um das zu fördern, weil uns das sehr helfen würde, jetzt nicht in den Verdacht zu geraten, dass hier wieder irgendwelche besonderen Bremensien durchgesetzt werden, sondern wir könnten dann sehen, wie die Bundesvorgaben sind, was wir hier für Bremen umsetzen und gebrauchen könnten und wie wir das machen. Das wäre, glaube ich, eine große Erleichterung für alle Sozialpolitiker, wenn wir uns daran orientieren könnten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht unnötig verlängern. Die vielen Facetten dieses Themas sind hier umfangreich angesprochen worden. Ich nehme diesen Berichtsauftrag gern entgegen. Wir werden dann im Juni/Juli vermutlich Gelegenheit haben, hier noch ausführlicher auch auf der Grundlage von Zahlen zu debattieren.

Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Frist verlängert haben. Ich wäre Ihnen auch dankbar, wenn Sie sich vielleicht darauf verständigen könnten, dass diese Berichte, die wir dann zukünftig alle zwei Jahre vorlegen sollen, nicht in Prosaform abgefasst werden müssen, sondern in standardisierter Form erfolgen können. Wenn Sie dieses Wort noch in Ihren Antrag aufnehmen könnten – ich sehe überall Nicken –, würde uns das auch sehr in der Bearbeitung helfen, weil die Personalkapazitäten auch in einem Ressort endlich sind und die Aufgaben gerade in diesem Bereich immer mehr zunehmen sollen, damit wir inhaltlich auch vorankommen. Wenn Sie das dann noch machen würden, wäre ich sehr begeistert von diesem Antrag und nehme ihn gern mit im Gepäck, um ihn zu bearbeiten. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, stelle ich Einverständnis fest, dass das Wort „standardisieren“, von dem Frau Senatorin Adolf gesprochen hat, aufgenommen ist. Es erhebt sich kein Widerspruch.

Dann lasse ich über den Antrag mit der Ergänzung abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 15/633, Neufassung der Drucksache 15/595, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Gesetz zur Änderung des Bremischen Polizeigesetzes

Mitteilung des Senats vom 23. Januar 2001 (Drucksache 15/599) 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Schulte.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kleen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind manchmal etwas schneller, als der Senat nachkommt.

(Beifall bei der SPD – Abg. S c h r a m m [Bündnis 90/Die Grünen]: Als die Polizei er- laubt! – Heiterkeit)

Dafür machen wir ein neues Polizeigesetz!

Vor rund einem Jahr sind in der Öffentlichkeit erstmals Debatten über die in der Koalitionsvereinbarung verabredete Erneuerung des Bremischen Polizeigesetzes wahrnehmbar geworden. Wir haben anschließend viele Gespräche mit externen Experten geführt, viele Debatten der Koalitionäre untereinander, auch viele interne Diskussionen und haben damit das Thema weitergetrieben. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Es ist gerade einmal zwei Monate her, nämlich Dezember, als wir uns an dieser Stelle zum Thema Polizeigesetzreform einen weiteren munteren Schlagabtausch geliefert haben. Heute legt die Koalition einen nicht gerade schmalen Entwurf zur Reform des Bremischen Polizeigesetzes vor. Man mag der überaus geschätzten Opposition oder auch einigen Redaktionen die Lust daran nicht abstreiten, die Stimmung zu verbreiten, dass die Koalition in ihrer zweiten Legislaturperiode mit mehr Geräusch und weniger Gekuschel arbeitet als in der ersten Auflage dieser Koalition.

Das mag stimmen, dazu will ich nichts sagen. Es tut aber den Ergebnissen dieser Koalition keinen Abbruch, denn wie ein früherer, schon fast vergessener Kanzler einmal sagte, kommt es auf das Ende an, und am Ende legt die Koalition ein Gesetz vor. Die Koalition beweist wieder einmal Handlungsfähigkeit. Wir haben uns trotz einiger durchaus erheblicher inhaltlicher Differenzen in einzelnen Fragen geeinigt. Einigkeit in der Koalition ist natürlich kein Selbstzweck, sondern es kommt auf das Produkt an. Dieses Produkt, nämlich das neue Bremische Polizeigesetz, kann sich sehen lassen. Wir haben uns geeinigt, aber wir haben keine faulen Kompromisse geschlossen.

Mit dem Datenschutzteil 36 a bis 37 j des neuen Polizeigesetzes sind wir dem Bundesverfassungsgericht nachgekommen und haben die uns gestellte Aufgabe in einer Form erfüllt, wie sie auch in anderen Ländern vergleichbar erfüllt wurde. Manchem Polizeibeamten wird beim Lesen dieser datenschutzrechtlichen Bestimmungen etwas mulmig, weil sie sich vielleicht etwas kompliziert anhören. Ich denke aber, dass sie sich in Bremen genauso schnell an diese neuen Regelungen gewöhnen, wie das in anderen Ländern passiert ist. Wichtig ist, dass wir damit auch in dem Datenschutzteil ein modernes Gesetz bekommen haben und manche Dinge, die ja heute getan werden, nicht mehr auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden müssen, sondern auf eine Spezialregelung. Das ist moderner Standard.

Mit der Grundannahme in Paragraph 1, nämlich dass die Polizei der Kriminalität nicht nur hinterherlaufen soll, sondern vorbeugen und Straftaten verhüten soll, kommen wir nicht nur dem gesunden Menschenverstand der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande entgegen, sondern wir setzen eine Tradition fort, die auch schon im alten Polizeigesetz im Paragraphen 64 verankert war. Wir rücken diese Aufgabe nun an die Spitze des Gesetzes.

Zur Gefahrenabwehr und zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung gehört auch das Instrumentarium der besonderen Form der polizeilichen Datenerhebung, also die zunächst für den Betroffenen nicht offene Datenerhebung. Die SPD-Fraktion hat sich in mehreren Gesprächsrunden mit der Führung der Polizeien in Bremen und Bremerhaven, mit der Gewerkschaft der Polizei – der Landesvorsitzende ver

folgt unsere Debatte hier – und mit den Vertretern der Personalräte ein Bild darüber verschafft, welche Anforderungen die Praxis an die gesetzlichen Voraussetzungen stellt.

Ich darf mich an dieser Stelle ganz herzlich für die überaus konstruktive Begleitung der Polizeifachleute bedanken, denen zwar schnell klar wurde, dass man sich nicht hundertprozentig wird einigen können und sich am Ende nur wird annähern können, aber dem konstruktiven Ton dieser Beratung hat das nie geschadet, dafür herzlichen Dank an die GdP, an die Personalräte, aber auch an die Polizeiführung!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will hier nicht die Normen im Einzelnen durchspielen. Sie sind in der Debatte in den vergangenen Monaten so oft durchgeknetet worden, dass hier wohl kaum noch Neues zu sagen sein wird. Den Grundsatz darf man aber noch einmal nennen, dass nämlich auf der einen Seite die Polizei ein effektives Instrumentarium für ihre Arbeit bekommt und dass auf der anderen Seite die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger geschützt werden.

Wir verlassen mit dem Polizeigesetz nicht die Ebene der Gefahrenabwehr, was am Kompromiss über die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen besonders deutlich wird. Wir haben in jedem Fall hohe rechtsstaatliche Hürden eingebaut, wie den Richtervorbehalt bei allen kribbeligen Methoden, die Anbindung der Anordnungsbefugnis an die Behördenleitung und besondere Dokumentationspflichten. Wir haben durch den Parlamentsausschuss neben den Rechtsschutz durch die Gerichte auch noch die verschärfte Kontrolle durch die Legislative gestellt.

Meine Damen und Herren, es ist uns ein besonderes Anliegen, den Schutz der in den eigenen vier Wänden von Gewalt bedrohten Frauen zu verstärken durch ein Wegweisungsrecht mit der Anweisung eines Rückkehrverbots für den Täter. Wir bedauern ausdrücklich, dass der Gesetzentwurf noch keine ausdrückliche Norm etwa durch die Weiterentwicklung des Platzverweisungsrechts enthält. Sie kennen alle die juristischen Bedenken, die von verschiedenen Seiten erhoben wurden, nicht zuletzt auch von der Gleichstellungsstelle und von anderen Juristen. Es gibt aber die feste Verabredung der Koalitionspartner, dieses Recht sofort einzuführen, wenn es auf einer sicheren zivilrechtlichen Grundlage aufbauen kann. Das ist nicht wenig. Vielleicht gelingt es uns sogar noch in diesem Gesetzgebungsverfahren, der Kollege Herderhorst hat in vielen Vorgesprächen diesen Wunsch ebenfalls unterstützt.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle auch einen kleinen, überhaupt nicht defätistisch gemeinten Hinweis! Mit dem Wegweisungsrecht im bremischen

Polizeirecht ist ein Schritt getan, aber noch nicht der Marathonlauf hin zu gerechten Verhältnissen gewonnen. Die Diskussion um das Wegweisungsrecht darf das umfassende Bündel von Maßnahmen, das nötig ist, um vor allen Dingen Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen, nicht verdrängen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wie in so vielen Fällen und in anderen Lebenssituationen auch, kann die Polizei allein solche Probleme nicht lösen. Sie kann nur etwas Luft verschaffen und den Frauen etwas Zeit zum Kräfte Sammeln garantieren. Wer mehr vom Wegweisungsrecht verlangt, gerät in Gefahr, enttäuscht zu werden. Klar ist aber auch, auch für uns, es geht nicht ohne das Wegweisungsrecht. Deshalb werden wir es so schnell wie möglich machen.

(Beifall bei der SPD)

Die Koalitionspartner sind sich auch darin einig, dass die Videoüberwachung öffentlicher Plätze modellartig ausprobiert werden soll. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Wer hier den Eindruck erwecken will, wir wollten eine flächendeckende Überwachung Bremens mit Video, wir wollten Londoner Verhältnisse, weiß selbst, dass das Quatsch ist. Lassen Sie uns in der Innendeputation einmal abwarten, welches Konzept uns der Polizeipräsident für die nächsten zwei Jahre vorlegen wird, wo er Kameras aufstellen wird und mit welchem Ziel! Dann werden wir das evaluieren. Wozu sind wir in der Innendeputation immerhin da? Wir werden uns in regelmäßigen Abständen – das kann auch die Opposition mitbestimmen – über die Erfolge und Kosten und, das interessiert die Kolleginnen und Kollegen in grünen Uniformen und bei der Wasserschutzpolizei in blauen besonders, auch über den Personaleinsatz berichten lassen. Wir haben in den Debatten doch alle die Polizei mit ihrer Skepsis vor diesem Instrumentarium gesehen. Mir ist deshalb vor der konkreten Umsetzung überhaupt nicht bange.

Meine Damen und Herren, das gilt für das gesamte neue Polizeirecht. Es vereinigt das moderne rechtliche Handwerkszeug für die Polizeiarbeit, den Schutz bürgerlicher Freiheitsrechte, und das alles getragen von dem Grundprinzip des allgegenwärtigen Verhältnismäßigkeitsprinzips. Das Gesetz ist ordentlich gelungen. Wir sollten es beschließen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Kleen hat eben schon gesagt, es ist ja noch nicht allzu lange her,