Protokoll der Sitzung vom 16.05.2001

Fraktion trägt die Politik des Senats in vollem Umfang mit, wenn es darum geht, soziale Härten in Bremen und Bremerhaven und daraus resultierende Ausgrenzung aus der Gesellschaft zu vermeiden.

Meine Damen und Herren, diese Koalition, das scheinen einige von Ihnen vergessen zu haben, hat sich gemeinsam für die Umsteuerung in der Sozialpolitik auf den Weg gemacht. Wir wollen weg vom reinen versorgenden Sozialstaat, wollen die Hilfeempfänger dazu aktivieren, selbst an der Verbesserung ihrer Situation mitzuarbeiten. Deswegen haben wir gemeinsam in der Koalition erfolgreiche Programme wie U 26 und andere aufgelegt. Wir haben Empfänger von staatlichen Transferleistungen schon zu lange nur verwaltet, ihnen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten genommen und nicht ihr Selbsthilfepotential geweckt und gefördert.

(Beifall bei der CDU)

Noch einmal zum Eingangssatz: Von Wohlstand und von Arbeit ist da die Rede, genau das ist richtig! Gelingt es uns, die Menschen in Arbeit zu bekommen, dann holen wir sie in eine Welt der Teilhabe am öffentlichen Leben wieder zurück. Dann sind sie nicht nur wohlhabend, vielleicht auch nur in bescheidenem Maße, haben aber ihre Chancen verbessert. Eine Definition von Armut habe ich bei meinen Recherchen auch gefunden, die mich beeindruckt hat. Sie beinhaltet die Aussage: Armut ist die Vorenthaltung von Arbeit.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Kummer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Oppermann, Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass es keine einheitliche Definition von Armut gibt. Das ist richtig. Von Reichtum gibt es erst recht keine, und was Sie als Reichtum definiert haben, finde ich doch, mit Verlaub, ein bisschen platt, was am Abend übrig bleibt, ist Reichtum.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Karl Uwe O p p e r m a n n [CDU])

Ihre Sozialneiddebatte finde ich an der Stelle auch unpassend.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Unsere?)

Es geht weniger darum, wer hier nun wirklich wie arm und wie reich ist. Wir können uns hier auch nicht ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

mit Leuten aus Indien oder aus der Sahara vergleichen. Es geht um Verteilungsgerechtigkeit. Das ist das, worüber Herr Käse geredet hat, und das ist das, worüber wir reden wollen.

(Beifall bei der SPD)

Auf Herrn Tittmann gehe ich gar nicht ein, das ist nicht mein Niveau. Das hat Herr Oppermann auch nicht gemacht. Das ist völlig richtig.

Dr. Käse hat eben über die Notwendigkeit einer regelmäßigen Berichterstattung zur Entwicklung von Armut und Reichtum in Bremen gesprochen. Lassen Sie mich nun einiges sagen zu den Möglichkeiten, die wir hier in Bremen haben, was Verteilungsgerechtigkeit angeht! Zeitgleich zu unserer Anfrage ist ja der entsprechende Bundesbericht vorgelegt worden. Ich möchte darauf noch einmal kurz zurückkommen.

Der Bericht stellt zusammenfassend fest, dass die Einkommensungleichheit kontinuierlich weiter zugenommen hat, dagegen hat die Vermögensungleichheit eher abgenommen, was auch durch eine breitere Verteilung von Immobilieneigentum begründet ist, das haben Sie gesagt. Das ist gut so, das begrüßen wir, und wir machen da ja auch mit, indem wir Wohnungsbauförderprogramme auflegen, und das wollen wir in breiterem Umfang machen. Die Mittelschicht mag breiter geworden sein, leider nimmt die Zahl der Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger immer weiter zu, zum Schluss hat sie abgenommen, was, glaube ich, auch der Politik der Bundesregierung zu verdanken ist.

Die Antwort des Senats lässt zumindest den Schluss zu, dass es insgesamt in Bremen auch nicht anders ist, weder im Positiven noch im Negativen. Es stellt sich die Frage, ob wir hier in Bremen an der Verteilungspolitik etwas ändern können oder wollen. Wir Sozialdemokraten jedenfalls wollen an der derzeitigen Verteilung schon etwas ändern, denn, ich zitiere aus der Antwort des Senats: Die Verteilung des Vermögens in der Gesellschaft ist sicher eine der Ursachen für unterschiedliche Start- und Entwicklungschancen des Einzelnen. Wenn schon allein die Geburt eines Kindes, was ja eigentlich eine wünschenswerte Sache ist, ein Armutsrisiko darstellt, Herr Käse sagte das auch schon, wenn zunehmend mehr Kinder von Sozialhilfe leben müssen, ist das auf keinen Fall etwas, was wir unter Chancengleichheit verstehen.

(Beifall bei der SPD)

Der Senat sagt nun in seiner Antwort, dass man eigentlich nicht mehr tun könne, als soziale Härten zu vermeiden, an der Verteilungspolitik an sich könne man als Land, als Kommune nichts ändern. Wenn man allein von Gesetzen und Steuern ausgeht, mag das sicher richtig sein, trotzdem ist es meines Erach

tens möglich, durch die Verteilung der uns zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel Schwerpunkte zu setzen.

Nur einmal ein Beispiel! Die Entwicklung des Gewerbegebietes Hemelinger Marsch hat 150 Millionen DM gekostet. Eingeschlossen in diesen Posten war Unvorhergesehenes mit 12,5 Millionen DM. Damit haben wir dann unter anderem ganz locker die Verdoppelung des Müllberges, genannt Landschaftsbauwerk, finanziert. Der Space-Park hat oder wird 300 Millionen DM kosten, wissen wir auch, ohne die Zinsen und Tilgungen, die da noch auf uns zukommen. Dagegen das Programm „Wohnen in Nachbarschaften“, das ist ja etwas, was wir alle gemeinsam wollen, lassen wir uns innerhalb von sechs Jahren 36 Millionen DM kosten.

Der Hauptteil der Mittel kommt dabei aus dem Sozial- und Arbeitsförderungsbereich, ins Handlungsfeld wirtschaftliche Effekte und regionale Ökonomie ist aus dem Wirtschaftressort noch keine müde Mark geflossen, und das, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass der Anteil der so genannten lokalen Ökonomie stetig zunehmen wird. Frau Linnert hat darauf schon hingewiesen. Dann kann man noch andere Zahlen dagegensetzen. Wenn man sieht, wie viele private Investitionen aus den öffentlichen Mitteln generiert werden, ist das beim Space-Park ungefähr eine Milliarde DM, das macht ein Verhältnis von eins zu zwei, bei Städtebauförderungsmitteln kann das bis zu eins zu sieben gehen. Das sollte man sich auch einmal durch den Kopf gehen lassen!

Ich habe jetzt ganz bewusst Äpfel mit Birnen verglichen, aber ich wollte nur einmal die Dimensionen aufzeigen, in denen wir uns bewegen. Ich will hier nicht so verstanden werden, dass wir jetzt keine Gewerbeflächenerschließungen mehr machen und keine Straßen mehr bauen sollen und nur noch Stadtteilzentren und Radwege fördern. Ich denke, es kommt doch auf die Verhältnismäßigkeit und auf die Verteilung der Mittel an.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als SPD-Fraktion haben wir zum Beispiel das Impulsprogramm inszeniert. Im Senatsbeschluss, der im Dezember gefasst worden ist, steht, dass in vier Jahren je drei Millionen DM von Großprojekten abgezwackt werden sollen. Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen, mit wie wenig Geld man vor Ort in den Beiräten und in Stadtteilen Projekte voranbringen kann, die dann große Wirkung zeigen können. Das wissen Sie alles selbst.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat auch einen weiteren Schritt unternommen, in Potsdam hat sie dazu erste Schritte getan, indem wir von der Umsteuerung des Sa

nierungskurses gesprochen haben hin zu mehr Lebensqualität in den Stadtteilen vor Ort bei den Leuten, die hier wohnen und arbeiten. Ich mache einmal einen Ausflug in eine andere Stadt, nach Hamburg. Die Kollegen da haben das offensichtlich eher und besser begriffen. Dass sie dort Riesenprojekte machen, ist ja bekannt, aber nebenbei nehmen sie auch den Rest der Stadt mit. Soziale Stadtteilentwicklung und globaler Wettbewerb sind für die dort zwei Seiten der gleichen Medaille. Ich zitiere hier Ortwin Runde: „Wir wollen über stadtteilbezogene Politik soziale Spaltung in der Stadt verhindern und Chancengleichheit herstellen.“ Sie lassen sich das jährlich 50 Millionen DM kosten. Das nur einmal zum Vergleich zu unseren sechs Millionen DM für „Wohnen in Nachbarschaften“!

Ich denke, was wir doch alle nicht wollen können, ist eine Politik, in der unsere beiden Städte am Ende aus verglasten Einkaufszentren auf der einen Seite und aufgegebenen Vierteln auf der anderen Seite bestehen. Einigermaßen gleichmäßige Lebensverhältnisse sind letztendlich auch ein Standortfaktor. Das hat eigentlich, finde ich, mit Ideologie wenig zu tun, sondern das ist, jedenfalls auch für mich, ein Grund, warum ich Politik in einer großen Koalition mache: dass wir gemeinsam unsere Verteilungspolitik so gestalten, dass es am Ende der ganzen Stadt nützt!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Karl Uwe Oppermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja schön, Frau Kummer, dass Sie das alles von 1997 als Erfolg feiern. Ich darf Sie daran erinnern, dass es da noch eine CDU/CSU/FDP-Regierung gab.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es war schon immer so, dass die, die über ein höheres Einkommen verfügten, eine höhere Steuerlast tragen mussten. Das ist Ausdruck einer Solidargemeinschaft von dem – –.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Bleiben Sie ganz ruhig! Vielleicht sind Sie gleich auch so angeheitert. Von dem, der mehr geben kann, wird auch mehr genommen. Nun kommen Sie mir nicht mit Steuerschlupflöchern, wie Sie eben gekommen sind! Auch diese Gelder schaffen in den allermeisten Fällen Einkommen und Arbeit für weitere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Nun frage ich Sie einmal: Wer von Ihnen hat denn zu Hause nicht ir

gend so ein Buch mit dem Titel „Wie spare ich Steuern?“ oder ähnlich?

(Abg. K l e e n [SPD]: Wer war das? Wir suchen das Buch nämlich!)

Ihre Kollegin in der letzten Legislaturperiode hat dies sogar hier in der Bürgerschaft hochgehalten und hat gesagt, das wäre alles ganz legal. Es gibt ja legale Möglichkeiten, und diese Steuergesetze haben doch Politiker gemacht. Ich habe noch ein Buch zu Hause, ein dreibändiges, da steht „Karl Marx“ darauf. Es kann sich jemand bei mir melden, das kann er haben. Das halte ich für überholt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Du warst der Schnellste, ich bringe es dir morgen mit! Es ist von 1971 und mit einem Nachwort von Professor Hilker, aber eine Widmung gibt es nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Weil das so ist, deshalb ist es geradezu schade, dass die Anzahl der Millionäre in Bremen und Bremerhaven abgenommen hat. Nur eine reiche Stadt, eine reiche Gesellschaft kann die Mittel aufbringen, die wir zur Verteilung und zur Erreichung von mehr Gerechtigkeit für alle benötigen.

(Beifall bei der CDU)

Abgesehen davon, meine Damen und Herren, haben vermögende Bürger unserer Städte durch Spenden und Vermächtnisse Dinge hinterlassen, auf die wir heute zu Recht alle stolz sind. Denken Sie an die Kunsthalle!

(Beifall bei der CDU)

Aber ich möchte noch ein anderes Beispiel anfügen. Erkundigen Sie sich einmal nach Daniel Schnakenberg! Ein Arbeiterkind aus der westlichen Vorstadt, das nach Amerika ging, es zu etwas gebracht hat und bei seinem Tod dieser Stadt einen ansehnlichen Betrag hinterlassen hat! Mit diesem Geld aus Unternehmergewinnen finanzieren wir heute zum Teil Freizeiten für Kinder, die sich sonst keine Freizeiten erlauben können.

(Beifall bei der CDU)

Es ist gut zu wissen, dass wir im Jahr 2004 eine Neuordnung oder Erweiterung der Sozialindikatoren bekommen werden. Erstmals können wir dann über die Kaufkraft eines Ortsteils genauere Aussagen machen, die sollten erweitert werden. Aber einmal ernsthaft die Frage: Können wir das nicht quantitativ schon heute sagen? Den Unterschied zwischen

Tenever und Horn oder anderen Stadtteilen kann man doch heute schon aus den Sozialindikatoren herauslesen, wie dort die Kaufkraft sein wird. Was die da teilweise fordern, ist doch nicht etwa ein neues Programm. Das ist doch ein Beschäftigungspapier! Die Verwaltung soll nun unsere Vorschläge umbauen, dass wir mehr Menschen in Arbeit bekommen und weniger Leute in Sozialhilfe haben, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)