Für die CDU-Fraktion, Frau Senatorin, begrüße ich sehr, dass Sie gemeinsam mit den Pflegekassen und einem Träger die Planung eines Alzheimerzen
trums Bremen vorantreiben. Neben der voll- und teilstationären Versorgung von Demenzkranken sollen dem AZB auch ein Fortbildungszentrum mit integriertem ärztlichen Dienst und ergänzenden Angeboten für Angehörige angegliedert werden. Von einer solchen Einrichtung, so steht es im Bericht des Senats, sind sowohl für den Einzelfall als auch für die Versorgungsstruktur qualitative Verbesserungen zu erwarten.
Da haben wir es ja, wenn es dann eingerichtet ist, das Kompetenzzentrum in Sachen Demenz, das sich die Koalitionäre in der Frage eins gewünscht haben. Mit der geriatrischen Abteilung der Krankenhäuser als Kern lagen wir da wohl falsch, aber darauf wird vermutlich meine medizinisch bessere oder vertrautere Kollegin Hammerström in ihrem Debattenbeitrag eingehen.
Mit Sicherheit wird von einem solchen Kompetenzzentrum, einem Alzheimerzentrum Bremen, ein Wissensschub für all die anderen Einrichtungen in Bremen und Bremerhaven ausgehen. Das ist es, was wir in diesem Land im Interesse der Betroffenen benötigen. Ich bin sehr begeistert über diese Ankündigung und sehr gespannt darauf, Frau Senatorin, ob Sie in Ihrem Redebeitrag näher auf das Projekt eingehen werden oder sogar schon Genaueres dazu ausführen können.
Meine Damen und Herren, für die Fachkräfte in der Pflege scheint das Angebot während der Ausund Fortbildung zum Thema Demenz ausreichend zu sein. Dass in die Lehrpläne neues Wissen und neue Erkenntnisse ständig einfließen, das halte ich für eine Selbstverständlichkeit, das setze ich voraus.
In der komplexen Frage drei erkundigen die Koalitionäre sich nach den parallelen Angeboten für Angehörige. Die Fragestellungen lauten: Gibt es genügend Angebote für pflegende Angehörige, werden diese Angebote angenommen, und sind diese Angebote möglicherweise noch verbesserungsfähig? Das Angebot an Informationsmöglichkeiten ist groß und sehr unterschiedlicher Natur. Bedauerlich finde ich nur, dass die Kostenträger, die Pflegekassen, kein Angebot für pflegende Angehörige von Demenzkranken anbieten. Hier muss vielleicht noch mehr geschehen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang sicher, noch einmal deutlich zu sagen, dass die Angehörigen nicht zu Profis oder Pseudoprofis gemacht werden sollen. Die Fachkraft ist so nicht zu ersetzen, höchstens zu ergänzen. Sie kann durch den geschulten Angehörigen zum Wohl des Betroffenen ergänzt werden, und ich drücke das einmal ein bisschen locker aus: Der geschulte Angehörige kann den Teil leisten, der vielleicht mit „umtüdeln“ beschrieben werden könnte. Teil dieser Angebote muss aber auch sein, dem Helfer klar zu machen: Hier ist die Grenze meiner Möglichkeiten, hier benötige ich professionelle Hilfe, hier muss ich auch an meine Gesundheit denken, hier muss ich mich schützen!
An dieser Stelle ist es wieder einmal Zeit, den Dienstleistungszentren und den Selbsthilfegruppen Respekt zu zollen,
den Dienstleistungszentren, weil sie durch ihre ergänzende Angebotspalette häusliche Pflege in schwierigen Situationen erst ermöglichen, und den Selbsthilfegruppen, weil sie den Betroffenen nicht nur mit Rat und Tat zur Seite stehen, sondern ihnen auch den Mut geben, das, was sie machen, die Arbeit, die sie in der Familie und im Freundeskreis verrichten, auch durchzuhalten.
Bei den Antworten zur Inanspruchnahme zeigt sich ein Defizit. Angebote ja, Inanspruchnahme, da habe ich einmal ein Fragezeichen gesetzt. Schuldgefühle, den Partner allein zu lassen, ihm Zeit zu stehlen, das Fehlen einer Aushilfe sind oft Gründe, aus denen die Einbindung in eine Gruppe nur zögerlich verläuft. Hat der Hilfesuchende den Nutzen der Beratung aber erst einmal erkannt, so verfestigt sich sein Nachfrageverhalten, und das ist, glaube ich, ganz vernünftig.
Für den Einstieg in die Beratung scheint es noch Handlungsbedarf zu geben. Das muss dann auch das Ziel einer möglichen Verbesserung sein, den Einstieg in die Beratung – also die Schwelle, ich begebe mich irgendwohin und frage zu Dingen nach, bei denen ich im Unklaren bin oder mich fachlich verbessern kann – zu erleichtern. Hier wird auf Literatur verwiesen. Literatur, mit der die Probleme verständlich und nicht in wissenschaftlicher Sprache aufgezeigt werden, kann da möglicherweise ein Einstieg sein, wenn sie so aufgearbeitet wird, dass sie verständlich, einfach zu lesen ist und nicht mit großen wissenschaftlichen Phrasen denjenigen, der einen Rat sucht, erst einmal verschreckt und diese Broschüre oder diese Literatur zunächst wieder zur Seite legen lässt. Ich mache hier erst einmal eine Zäsur, Herr Präsident, und melde mich nachher noch einmal.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder Fünfte in Deutschland ist über 60 Jahre alt. In 30 Jahren ist der Anteil der älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger auf über 30 Prozent gewachsen.
Für immer mehr ältere Menschen hat die höhere Lebenserwartung aber auch eine dunkle Kehrseite. Die Statistiken zeigen, dass mit dem höheren Lebensalter auch die Möglichkeit einer Demenzerkrankung zunimmt. Die Zahl der erkrankten Personen ist in den letzten Jahren stark gestiegen, so dass wir
nicht mehr von einer Randerscheinung unter den Alterserkrankungen sprechen können. Die Experten gehen davon aus, dass die Betreuung demenzkranker Menschen schon bald zum Thema Nummer eins in der pflegerischen Versorgung wird.
In der Öffentlichkeit bleibt die Problematik dieser Entwicklung bisher weitgehend unbeachtet. Wir alle müssen dazu beitragen, dass Informationen über die Krankheit und das Leben mit dieser Krankheit weiter in die Öffentlichkeit getragen werden. Das vom Bremer Forum Demenz geplante Handbuch für Bremen ist ein großer Schritt in diese Richtung.
Wenn wir uns also mit Demenz beschäftigen, so tun wir alle etwas, und das müssen wir uns ganz klar vor Augen führen, auch für unsere Zukunft.
Die wichtigsten Fragen, die es zu beantworten gilt, um verbesserte Hilfen für Demenzkranke im Lande Bremen zu organisieren, lauten: Wo liegen die Probleme, und was muss getan werden? Eine erfolgreiche Therapie im Sinne einer Heilung ist nach derzeitigem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht möglich, aber durch eine frühzeitige Behandlung der Demenz ist der Verlauf manchmal zu stoppen oder zumindest zu bremsen und damit der Pflegezeitpunkt hinauszuschieben. Dies bedeutet eine wesentliche Erhöhung der Lebensqualität für die Menschen.
Die Sensibilisierung von Ärzten zur Früherkennung von Demenzpatienten muss durch entsprechende Aus-, Weiter- und Fortbildungsangebote verbessert werden. Dies gilt insbesondere für Hausärzte, die als erste Ansprechperson die Diagnose stellen müssen und für die weitere Behandlung der Patienten verantwortlich sind.
Als Kompetenzzentrum, das unter anderem die Hausärzte in ihren Aufgaben unterstützt, sollte eine Memoryklinik für Bremen aufgebaut werden. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Ambulanz für Gedächtnisstörungen. Von diesem Kompetenzzentrum aus könnten dann für Bremen und natürlich auch für das Umland unter anderem folgende Aufgaben wahrgenommen werden: die Einrichtung von Memorysprechstunden, Errichtung eines Netzwerkes Demenz, Kooperation aller auf dem Gebiet der Betreuung von Demenzkranken wirkenden Personen und Organisationen und natürlich die Aus- und Weiterbildung. Eine bessere Hilfe für Demenzkranke muss mit einer verbesserten Demenzforschung einhergehen. Auch dies muss die Aufgabe eines hier beschriebenen Zentrums sein.
zentrums für Bremen geführt werden. Das Zentrum soll primär als Pflegezentrum gegründet werden und erst darüber hinaus weitere Dienstleistungen auf dem Gebiet Demenz erbringen. Dies entspricht nicht ganz unseren Vorstellungen von einem Kompetenzzentrum. Dennoch bittet die SPD-Fraktion die Sozialsenatorin, alles zu unternehmen, damit die Verhandlungen mit den Krankenkassen und dem Träger erfolgreich verlaufen und somit ein erster Schritt in Richtung Demenzzentrum gemacht werden kann.
Die Zahlen für Bremen zeigen sehr deutlich, dass über zwei Drittel der an Demenz erkrankten Mitbürgerinnen und Mitbürger zu Hause wohnen. Dies dokumentiert deutlich, dass die erkrankten Personen so lange wie möglich ein selbständiges Leben führen möchten. Das heißt für mich, dass nicht die Pflege im Mittelpunkt der angebotenen Hilfen stehen kann, sondern die rehabilitativen Angebote zur Aufrechterhaltung beziehungsweise zur Wiedereingliederung in eine selbständige Lebensführung.
Wir dürfen hier nicht die Frage stellen, welche Einrichtungen wir brauchen, sondern welche Hilfe die erkrankten Menschen und vor allen Dingen ihre Familien brauchen.
Standardangebote darf es hier nicht geben. Deswegen benötigen die Patienten eine gute Information über die verschiedenen Angebote und eine gute Erreichbarkeit der Hilfen. Wenn die Mobilität nicht mehr gegeben ist, muss eine Hausförderung stattfinden.
Des Weiteren ist es wichtig, dass die verschiedenen Anbieter eng zusammenarbeiten und genau voneinander wissen, was wer leistet. Hier kann es sich nicht nur um Pflege im eigentlichen Sinn oder um hauswirtschaftliche Unterstützung handeln. Vielmehr müssen unter anderem auch Krankengymnasten, Psychologen, Ergotherapeuten zum Einsatz kommen. Damit fordern wir eine Verbundlösung. Wir können auch sagen, wir wünschen uns ein Team, das die Patientinnen und Patienten auffängt und individuelle Hilfe vermittelt.
Dort, wo das vielleicht nicht möglich, aber vielleicht auch nicht gewünscht ist, kann eine regelmäßige Tagesbetreuung in einer Gruppe für die Patientinnen und Patienten eine gute Möglichkeit sein, rehabilitative Hilfen zu erreichen.
Eine besondere Unterstützung brauchen die Angehörigen der Demenzkranken. Alte Menschen zu betreuen stellt an ihre Helfer täglich neue Anforderungen. Neue Ängste und Probleme sind zu bewältigen. Die Gefahr der Vereinsamung, der Abhängigkeit und der Überforderung nimmt zu. Für viele Menschen ist es überhaupt sehr schwierig, Hilfen anzunehmen. Obwohl die Angebote in diesem jungen Dienstleistungsbereich stark gestiegen sind, ist es immer noch eine Minderheit, die diese Hilfen nachfragt. Dies dokumentieren die Zahlen der Pflegeversicherung. Die Diskrepanz zwischen der Inanspruchnahme von Geld- und Sachleistungen ist einfach noch zu groß. Die Hemmschwelle, Hilfen abzufordern, muss durch niedrigschwellige Angebote überwunden werden. Zur Tagespflege ist die Bundesregierung schon initiativ geworden. Die Regelungen sehen vor, dass Demenzkranke einmal wöchentlich Tagespflege in Anspruch nehmen können, ohne dass die dadurch entstehenden Aufwendungen mit der Pflegeleistung verrechnet werden. Diese Leistungsverbesserungen sind geeignet, auf diesem Gebiet Veränderungen herbeizuführen. Wohnortnahe Tagespflegekonzepte müssen in Bremen weiterentwickelt werden und so den Angehörigen, die bisher fremde Hilfe nicht so gern in Anspruch genommen haben, nach und nach diese Hemmschwelle überwinden helfen. Der Antwort des Senats ist zu entnehmen, dass heute nur etwa vier Prozent aller zu Hause lebenden Erkrankten von dieser Möglichkeit der Tagespflege Gebrauch machen. Die Tagespflege kann nur ein Einstieg für ein Hilfsangebot sein, mehr aber nicht. Was ist abends, was ist in der Nacht, am Wochenende, oder was ist in den Ferien? Diese Frage richtet sich aber auch an die Pflegedienste. Sie bieten die Dienstleistung Pflege zwar in ausreichendem Umfang an, da viele demente Menschen aber nicht pflegebedürftig, sondern betreuungsbedürftig sind, finden Angehörige, die hier Hilfe nachfragen, nicht das richtige Angebot. Eine Betreuung zu individuell vereinbarten Zeiten von einem kleinen sich nicht verändernden Betreuungsteam muss zukünftig zu den Standardangeboten gehören. Eine bessere Versorgung Demenzkranker in Bremen muss deswegen mit einer verbesserten Ansprache und Versorgung der Angehörigen einhergehen, da sie die Hauptarbeit leisten.
Deswegen muss der Senat die familienentlastenden Dienste verstärkt unterstützen und auch finanzielle Mittel für die Betroffenen dafür bereitstellen, dass sie diese Dienste in Anspruch nehmen. Dies ist nicht nur aus menschlichen Gründen eine richtige Entscheidung. Durch die Schaffung neuer, sehr qualifizierter Arbeitsplätze ist dies auch die richtige und notwendige Investition in den Standort Bremen.
Demenz ist kein Problem älterer Menschen und auch kein Problem unserer Gesellschaft. Es ist ein Thema, über das wir öffentlich sprechen müssen und das uns alle angeht. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Debatte um Altersdemenz sind, glaube ich, die Meinungen zwischen den politischen Parteien und Fraktionen nicht besonders kontrovers. Es lässt sich daraus auch schwer politischer Streit konstruieren. Ich teile das, was Frau Arnold-Cramer gesagt hat, dass es trotzdem wichtig ist, auch in der Öffentlichkeit darüber zu reden, damit die betroffenen Menschen den Mut bekommen, offen über ihre Situation zu sprechen und sich Hilfe zu holen. Politische Kontroversen gibt es an diesem Punkt eher weniger.
Ich will deshalb hier in der Debatte das, was meine Vorredner, Frau Arnold-Cramer und Herr Oppermann, gesagt haben, nicht wiederholen. Ich will nur ein paar Punkte aus der Sicht der Grünen sagen, die uns in diesem Zusammenhang besonders wichtig sind.
Eine kleine Kritik an Ihnen, Herr Oppermann, kann ich Ihnen dann doch nicht ersparen. Sie müssen sich nun schon entscheiden: War die Pflegeversicherung nun gut, oder war sie schlecht? Erst wurde sie unbedingt durchgesetzt, obwohl alle Fachleute gesagt haben, dass man Menschen, so wie die Pflegeversicherung das tut, nicht auf körperliche Verrichtungen wie Haare kämmen, füttern und sauber halten reduzieren kann. Wir haben immer gesagt, so darf man das nicht machen, man muss den ganzen Menschen sehen. Dann haben Sie hier in diesem Haus erzählt, na ja, es handelte sich ja sowieso nur um eine Teilkaskoversicherung, und heute sagen Sie, man hätte das gar nicht durchsetzen können, wenn man damals schon ein anderes Konzept gewählt hätte.
Die Kritik der Grünen an der Pflegeversicherung war einfach richtig. Die rotgrüne Bundesregierung muss hier mühsam nachbessern, was im Konzept vergessen wurde. Es wurde nämlich vergessen, dass es sich um Menschen handelt, die mehr Bedürfnisse haben.
Ich finde, es ist ein Fortschritt, dass es jetzt gelingt, in das Pflegeversicherungsgesetz eine bessere Versorgung dementer alter Menschen einzubeziehen. Ich hoffe, dass das auch Auswirkungen auf ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
die gesamte Konzeption der ambulanten und stationären Hilfen in der Pflegeversicherung hat. Wir können es uns nicht leisten, so zu tun, als würde der Hilfebedarf von Menschen nur aus körperlichen Verrichtungen, die an ihnen vollbracht werden, bestehen. Es geht auch bei nichtdementen alten Menschen um Ansprache, Mut machen, ihnen zuhören und mit ihnen sprechen. Wenn man diese Pflegeversicherung so nimmt, wie sie ist, haben wir noch einen weiten Weg vor uns, hier gibt es auch in Zukunft noch mehr zu verbessern.
Der zweite Kritikpunkt, den ich an der ausführlichen und guten Mitteilung des Senats hier vorbringen möchte, ist, dass die Sozialämter nicht vorkommen. Das ist schade, weil die Sozialämter nach dem Bundessozialhilfegesetz einen klaren Auftrag im Rahmen der Altenhilfe haben. Sie haben präventive und zugehende Aufgaben. Wenn man darüber redet, dass eben die Hilfe für demente alte Menschen oft in Scham und Hilflosigkeit der Angehörigen, aber auch der Betroffenen selbst stecken bleibt, dann ist das eine umso größere Herausforderung für die Ämter für Soziale Dienste, auf die Menschen zuzugehen, im Stadtteil präsent zu sein, Bescheid zu wissen, wo ältere Menschen leben, denen es so gehen könnte, und dann von sich aus dahin zu gehen und zu fragen, was eigentlich los ist, ob Hilfe gebraucht wird, Angebote zu machen.
Papier voll schreiben ist gut. Ich finde diesen Wegweiser und die Übersicht, die Sie da planen, auch richtig, aber man muss sich darüber klar werden, dass in einer älter werdenden Gesellschaft die Ämter für Soziale Dienste mehr Funktionen im Bereich der Altenhilfe bekommen. Das hat auch etwas mit zugehender Sozialarbeit zu tun und nicht nur mit dem Sitzen und Warten, bis man vielleicht einmal etwas hört.