Protokoll der Sitzung vom 30.08.2001

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zur Überforderung der Angehörigen hat Frau Arnold-Cramer hier schon deutliche Worte gefunden. Ich teile die Ansicht, dass wir uns viel stärker damit auseinander setzen müssen, wie man es hinbekommen kann, sich der Probleme der Menschen anzunehmen, die demente Angehörige zu Hause pflegen. Das sind in aller Regel Frauen. Wie gesagt, die Veränderungen am Pflegeversicherungsgesetz, die die Bundesregierung vornimmt, werden eine Verbesserung nach sich ziehen, aber auch der öffentliche Diskurs wird etwas verbessern.

Ausdrücklich loben will ich auch das Modellprogramm zur Qualifizierung der Mitarbeiter in den Dienstleistungszentren. Das ist der richtige Weg, um zu zeigen, wir organisieren die Hilfe im Stadtteil. Dass Sie von einem weiteren Ausbau der Tagespflege in Bremen ausgehen, unterstützen die Grünen ausdrücklich. Das bietet dementen älteren Menschen die Möglichkeit, das zu tun, was in aller Re

gel ihr Wunsch ist, nämlich so lang wie möglich in ihren eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben. Wir hoffen, dass die ganze Debatte über die Konzeption der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im Zusammenhang mit dementen Menschen auch positive Auswirkungen auf den Umgang mit älteren Menschen insgesamt hat.

Jetzt wird zum Beispiel gesagt, man muss in den Pflegeeinrichtungen, wenn es denn ambulant nicht mehr geht oder gewollt ist, dafür sorgen, dass beispielsweise kleinere Gruppen geschaffen werden, damit die älteren dementen Menschen mehr Teilhabe am Tagesablauf in ihren Pflegeeinrichtungen haben, und man muss in der Einrichtung Orientierungen schaffen. Ich will noch einmal sagen, das ist nicht nur für demente Menschen wichtig, das ist für alle alten Menschen in den Altenpflegeeinrichtungen wichtig. Ich glaube, dass diese Debatte insgesamt für die Altenpflegeeinrichtungen befruchtend sein kann und wir uns darüber klar werden, dass entmündigende Heimstrukturen eben allen Menschen schaden, sie in ihrer eigenen Kompetenz eher beraubt werden und wir da noch einen weiten Weg vor uns haben.

Eher distanziert sehen die Grünen das geplante Alzheimerzentrum. Wir werden aber vorurteilsfrei das Konzept, das es ja noch nicht gibt, prüfen. Wir sagen, dass man möglichst wenig aussondernde Dauerangebote schaffen soll, um sicherzustellen, dass es eben keine Abstemplung und Kategorisierung von Menschen gibt, sondern der Zusammenhalt weiter gefördert wird. Gesellschaft ist vielfältig, und möglichst wenig Aussonderung nützt allen. In den Angeboten, wie wir sie von Frau Arnold-Cramer vorgestellt bekommen haben, Memoryangebote, die ambulant sind, sehen wir überhaupt kein Problem, aber zu sagen, wir schaffen jetzt eine neue große Einrichtung, und die ist dann das Alzheimerzentrum, da melde ich erst einmal einige Bedenken an.

Zwei Punkte sind für die Grünen noch wichtig. Vor allem muss man sich darüber klar werden, dass besonders alleinstehende und isoliert lebende ältere Menschen altersdemenzgefährdet sind. Das ist auch eigentlich ganz logisch. Es ist nicht richtig, Altersverwirrtheit auf einen rein physiologischen, also körperlichen Zustand im Kopf zu beziehen. Es hängt auch immer davon ab, wie viele soziale Kontakte ich eigentlich habe, wie sehr ich noch im Leben stehe, wie sehr ich gefordert werde, wie ich es schaffe, im sozialen Kontakt mit anderen im Stadtteil immer wieder zu überprüfen, was eigentlich die Realität ist. Wir müssen also, weil die demographische Entwicklung der Gesellschaft so ist, wie sie ist, und weil die Anzahl der alleinstehenden älteren Menschen in den nächsten Jahren steigen wird, mit einer steigenden Anzahl von altersverwirrten Menschen rechnen und sehen, dass es da aber auch einen Zusammenhang mit dem sozialen Leben im Stadtteil gibt. Hier, finde

ich, greift eine reine sozial- und gesundheitspolitische Sichtweise zu kurz.

Die Herausforderung für die Stadtplanung für die nächsten Jahre wird sein, die Stadtteile so zu entwickeln, dass hier ältere Menschen leben können, soziale Kontakte möglich sind, sie noch den Weg zum Bäcker finden und nicht nur noch einkaufen können, wenn sie Autos haben. Wird es eine Stadtgestaltung geben, die die Bedürfnisse einer älter werdenden Gesellschaft nach Selbstbestimmung, Mobilität und Selbständigkeit berücksichtigt, oder wird die Stadtplanung weiterhin so tun, als bestünde die Bevölkerung nur aus jungen Männern zwischen 20 und 60 Jahren, die mit dem Auto durch die Gegend brausen und ihre Angelegenheiten auf diese Art und Weise erledigen können?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Der letzte Punkt bezieht sich auf ein Defizit, das hier bisher noch nicht angesprochen wurde. Darüber müssen wir uns, glaube ich, in den nächsten Wochen und Monaten noch ein paar Gedanken machen, vielleicht auch in der Sozial- oder Gesundheitsdeputation, die sich auf die mangelnde Kooperation zwischen den gesundheitlichen und sozialen Sichtweisen und dem, was im Justizressort im Zusammenhang mit der Betreuung von dementen alten Menschen passiert, beziehen. Es ist so, dass dort jetzt durch das ehemalige Vormundschaftsgericht bei Menschen, die über ihre gesundheitliche Situation, finanzielle Lage und ihren Aufenthalt nicht mehr selbst bestimmen können, Betreuer eingesetzt werden, das sind oft auch Angehörige. Man kann in der letzten Zeit beobachten – dazu gab es auch ein paar Artikel in der Zeitung –, dass dort der Trend hin zu vielen stationären Aufenthalten und möglichst auf der sicheren Seite sein, sehr stark anhält.

Man muss sich darüber klar sein, dass wir das unter sozialpolitischen und gesundheitspolitischen Gesichtspunkten sehr genau betrachten müssen. Wir geraten in eine Situation, in der der Aspekt der größtmöglichen Sicherheit – also auf jeden Fall stationär versorgen, damit bestimmt niemand einmal im Bademantel auf die Straße läuft – das Selbstbestimmungsrecht der Menschen dominiert, die in ihrer Altersdemenz vielleicht wirklich nicht mehr äußern können, was sie wollen, die aber vorher einen Willen hatten. Man kann davon ausgehen, dass dieser Wille auch nach wie vor gilt. Es bedarf größerer Sensibilität, mehr Mutes, die Menschenwürde auch dieser Menschen in ihrer Selbstbestimmung zu achten, als wir das wahrnehmen, als es die Praxis bei der Justizbehörde ist.

Vielleicht können wir uns in der Deputation noch einmal darüber verständigen, ob man nicht gemeinsam mit dem Vormundschaftsgericht noch einmal schaut, wie die unterschiedlichen Sichtweisen auf

das Problem der Altersdemenz und der Betreuung sind und ob da nicht vielleicht Aufklärung und Unterstützung auch die Praxis der Justiz in Bremen positiv verändern könnten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Karl Uwe Oppermann.

Schade, Frau Linnert, dass wir auch noch an Ihrem Geburtstag ein bisschen streiten müssen! Dass Ihre Kritik an der Pflegeversicherung kommen würde, war mir klar.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie loben die ja auch immer!)

Nein, Sie müssen genau zuhören! Ich sage durchaus, dass sie verbesserungsfähig ist.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das haben Sie immer abgestrit- ten!)

Das habe ich immer gesagt! Das habe ich nicht abgestritten! Das haben wir auch in der Debatte vor einem Vierteljahr gesagt, als wir den Bericht zu fünf Jahren Pflegeversicherung hatten. Wenn Sie diese Mitteilung des Senats dort noch einmal genau durchlesen, sehen Sie, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung diese Pflegeversicherung durchaus für eine vernünftige Sache hält. Verbesserungsfähig ist alles, es ist, glaube ich, nichts richtig perfekt. Wenn man aber etwas verbessern will, muss man es auch bezahlen können. Soweit zu Ihrer Kritik!

In der Fachfrage vier wollten die Koalitionäre alles über die Tagesangebote zur Betreuung Demenzkranker erfahren. Hier finden wir, glaube ich, ein in seinen Grundzügen sehr gutes, auch aufeinander abgestimmtes System von Tagesbetreuung und Tagespflege vor. Während die Tagesbetreuung der Entlastung von der häuslichen Pflege und auch der Entlastung der pflegenden Personen dient, ist die Tagespflege bereits zur Deckung eines Teils des täglichen Betreuungsbedarfs durch fachlich geschultes Personal angelegt, also für Arbeiten, die auch der angelernte Laie nicht selbst machen kann. Zurzeit scheinen die vorgehaltenen Plätze den Bedarf zu decken.

Wir sind uns ja alle hier im Haus einig, dass die Zunahme von Demenzkranken eine tickende Zeitbombe ist, die in den nächsten Jahren immer mehr auf uns zukommen wird. Darüber gibt es in diesem Haus ja Einigkeit. Darum ist es gut, wenn man auch über neue Formen der Unterbringung nachdenkt, zum Beispiel stationäre Wochenendunterbringung, damit Angehörige einmal wieder durchatmen können und Freiräume haben, in denen sie auch rege

nerieren können, um ihre Angehörigen in der nächsten Woche wieder betreuen zu können. Wenn der neue Altenplan vorliegen wird und das Pflegeleistungsverbesserungsgesetz beschlossene Sache ist, heißt es auch für uns Politiker, am Ball zu bleiben und zu sehen, was wir hier in Bremen noch weiter umsetzen können.

Hier muss man noch einmal auf das geplante Kompetenzzentrum, das Alzheimerzentrum, eingehen. Frau Linnert, hier, glaube ich, ist die Koalition anderer Meinung. Wenn es uns erst einmal gelingt, so ein Kompetenzzentrum in Bremen zu gründen, dann kann man das auch für die Zukunft ausbauen. Davon muss, das ist zwangsläufig, die Pflege und Betreuung von Alzheimerpatienten in Bremen einen Schub bekommen, und zwar in eine richtige Richtung. Davon werden alle profitieren, sowohl die, die betroffen sind, als auch die Angehörigen. Ich wiederhole mich, wenn ich feststelle, davon wird nicht nur die Aus-, Fort- und Weiterbildung einen Gewinn haben, alle Stufen der Betreuung werden davon zum Wohle der Betroffenen einen Gewinn erzielen.

Meine Damen und Herren, Sie kennen alle die verniedlichenden Sprüche über Alzheimerpatienten. Die Wahrheit ist aber, dass in die betroffenen Familien großes Elend mit dieser Diagnose einzieht. Frau Arnold-Cramer, einige meiner Kolleginnen hatten bei mir nachgefragt, ob das denn überhaupt heilbar ist, weil Sie über Reintegrierung sprachen. Ich glaube, da dürfen wir den Leuten nichts vormachen. Wer von Alzheimer betroffen ist, der ist nicht mehr zu heilen, das hatten Sie zu Anfang auch gesagt.

(Abg. Frau A r n o l d - C r a m e r [SPD]: Aber er kann stabilisiert werden!)

Ja, er kann stabilisiert werden! Das ist eine wichtige Aufgabe!

Aus falscher Scham wird in den Familien solch ein Befund ja oft auch verschwiegen und versucht, die Betroffenen zu verstecken. Das ist, finde ich, der völlig falsche Ansatz. Nicht nur in Altentagesstätten und Begegnungsstätten kann durch eine fachliche Beratung eine Akzeptanz für Erkrankte und damit eine bessere Integration erreicht werden. Die Gesellschaft muss lernen, das von der Norm abweichende Verhalten von der kranken Person als Verhalten eines Kranken zu begreifen. Daneben muss die Gesellschaft lernen, die besonderen Nöte und die Situation betroffener Familien zu begreifen. Der Verlust von scheinbar banalen Fähigkeiten macht den Betroffenen ohne das Verständnis der Gesellschaft schnell zu einem Außenseiter. Das müssen wir verhindern, meine Damen und Herren!

Als ich auf dem Weg in die Innenstadt an der Altentagesstätte Haferkamp vorbeigefahren bin, habe ich in der Vergangenheit dort sehr oft ein Schild gesehen, das Gehirnjogging anpries. Darüber habe ich zeitweilig erst einmal gelächelt, aber durch die Aus

einandersetzung mit diesem Thema, wenn man sich die Tabelle ansieht, sieht man doch, dass so etwas geeignet ist, eine zeitliche Verschiebung zu erreichen. In dem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal betonen, dass diese Begegnungsstätten wichtige Begegnungsstätten sind, um eben der Vereinsamung von alten Menschen vorzubeugen und es auch wirklich unsere Aufgabe ist, diese Begegnungsstätten mit genügend Mitteln und Mitarbeitern auszustatten, damit dort wenigstens tagsüber die Menschen nicht einsam sind, sondern Begegnungen haben, den Tag gemeinsam gestalten, plaudern oder tanzen können. Es ist ganz faszinierend, wenn Sie da vorbeifahren, was dort manchmal im Fenster hängt, welche Angebote da gemacht werden, das ganze pralle Leben, das dort widergespiegelt wird. Lassen Sie mich versuchen, die Notwendigkeiten, die sich aus der Mitteilung des Senats ergeben, noch einmal zusammenzufassen! Demenz, Alzheimer ist eine ernsthafte Erkrankung, die im zunehmenden Alter immer mehr Menschen trifft. Es wird eine zunehmende Aufgabe unserer Politik sein, da Vorsorge zu treffen. Auf die Versorgung dieser Menschen müssen wir vorbereitet sein, sowohl in medizinischfachlicher Sicht als auch bei den Unterbringungskapazitäten. Ein Bremer Alzheimerzentrum wird dazu beitragen, die Fachlichkeit der Versorgung auf allen Ebenen deutlich zu verbessern. Ein vorhandenes abgestuftes System der Versorgung mit häuslicher Pflege, Tagesbetreuung, Tagespflege und stationärer Unterbringung gilt es, den quantitativen Erfordernissen anzupassen. Dabei muss seine Qualität, und das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, einen hohen Standard einnehmen. Fachpersonal und pflegende Angehörige müssen auf dem aktuellen Stand der Pflegeerkenntnisse gehalten werden oder die Möglichkeit haben, sich zu informieren. Berührungsängste mit Betroffenen und ihren Angehörigen gilt es in geeigneter Weise abzubauen. Mit welchem Erfolg dies geschehen wird, darüber wird der Senat der Bürgerschaft fortlaufend berichten, das sagt er uns ja in dieser Antwort zu. Wenn der am Anfang zitierte Satz dann irgendwann einmal lautet: „Wir sind auf dem Weg zu umfassenden und zufrieden stellenden Lösungen für zu Hause oder im Pflegeheim lebende Erkrankte einen wichtigen Schritt nach vorn gekommen“, dann, meine Damen und Herren, hat unsere gemeinsame Debatte von heute einen Sinn gehabt. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Oppermann hat es eben gesagt: Die

Häufigkeit der Demenzerkrankung nimmt mit dem Alter zu, und weil erfreulicherweise die Menschen älter werden, steigt damit dann auch die Anzahl der an Demenz erkrankten Personen. Gegenwärtig sind rund fünf Prozent aller Personen im Alter von über 60 Jahren von unterschiedlichen Formen und Schwierigkeitsgraden dieser Erkrankung betroffen. Nach unseren Berechnungen sind das im Land Bremen über 8800 Einwohner und Einwohnerinnen, und solange die Demenz nur sehr eingeschränkt der medizinischen Behandlung zugänglich ist, müssen wir uns auf einen weiteren Anstieg der Erkrankten einstellen. Dieser Kreis der Betroffenen wird natürlich erheblich erweitert, wenn man auch die Angehörigen berücksichtigt, bei denen die mit der Krankheit verbundenen Symptome und Persönlichkeitsveränderungen häufig zu tiefgreifenden Ängsten und Nöten führen.

Es ist im Ansatz schon beschrieben worden: Am Beginn der Krankheit stehen leichte Merkstörungen, dann nimmt die Lern- und Reaktionsfähigkeit ab, im weiteren Verlauf kommt es zu schwersten Gedächtnisstörungen, zur Schwächung von Aufmerksamkeit und Konzentration, zur nachlassenden Steuerungsfähigkeit von Stimmungen und Affekten, das Zeit- und Ortsgefühl nimmt ab, nahe stehende Personen werden dann irgendwann nicht mehr erkannt. Für Angehörige ist das eine extreme Belastung und auch für die Betroffenen selbst natürlich, weil sich das ja nicht von einem Tag auf den anderen ereignet, sondern ein schleichender Prozess ist, der sehr wohl über eine lange Phase wahrgenommen wird.

Mit dieser Veränderung der eigenen Person oder eines vertrauten Angehörigen muss man erst einmal zurechtkommen, und dabei braucht man natürlich auch Hilfe. Am gravierendsten ist dann für die Betroffenen und die Angehörigen am Ende wohl der Verlust des Wissens um das eigene Selbst, um die eigene Person. Alles geht verloren.

Demenz wird dann zunächst von Haus- oder Nervenärzten diagnostiziert und medizinisch behandelt, allerdings wissen wir, medikamentöse Therapien haben nur sehr begrenzte Wirkungen und führen auf keinen Fall zur Heilung. Die Betreuung, die dann notwendig wird, die häufig sehr frühzeitig einsetzt und zum Beispiel auch in Beaufsichtigung bestehen kann, übernehmen sehr häufig die Angehörigen, die dann um soziale Dienste oder andere pflegerische Dienste ergänzt werden können.

Gegenwärtig wird im Land Bremen der weit überwiegende Teil der Demenzkranken ambulant und von Angehörigen versorgt, das sind im Land Bremen ungefähr 6000 Personen. Die Aufnahme ins Pflegeheim erfolgt meistens erst dann, wenn in der eigenen Wohnung oder bei Angehörigen das Ganze nicht mehr sichergestellt werden kann, wenn es auch droht, Gefahren für die Betroffenen selbst zu geben oder wenn Angehörige das schlicht nicht mehr leisten können.

Wir haben in den stationären Einrichtungen der Altenpflege mittlerweile rund die Hälfte aller Bewohner und Bewohnerinnen, die an Demenz erkrankt sind. Das ist eine gigantische Zahl! Sie hat sich sehr verändert im Laufe der letzten Jahre und stellt auch die Einrichtungen vor ganz neue und sehr große Herausforderungen. Deswegen ist auch der Einwand, die Kritik, die sich von Anfang an an die Pflegeversicherung gerichtet hat, dass hier der besondere Pflegebedarf der Demenzkranken nicht durch Leistungen der Pflegekasse abgesichert, sehr berechtigt.

Sicher brauchen Demenzkranke nicht in demselben Maße wie andere ältere Menschen Pflegeleistungen, Hilfestellungen beim Anziehen, beim Waschen und anderen Dingen. Sie brauchen aber eine ständige Betreuung, um sie auch wirklich stabil zu halten, um ein Weglaufen zu verhindern oder um Freiräume noch möglichst großzügig gestalten zu können, damit diese Personen, die häufig auch einen sehr starken Bewegungsdrang haben, sich auch bewegen können und man sie nicht nur ganz eng halten muss, was sicherlich auch nicht der Menschenwürde entspricht.

Der Aufwand, der in stationären Einrichtungen mit Demenzkranken betrieben wird – ich sage es noch einmal, es ist immerhin mittlerweile die Hälfte aller Bewohner und Bewohnerinnen –, ist sehr belastend und geht auch an die eigene Psyche, und deswegen bräuchte es da eigentlich auch eine weitergehende Absicherung. Wir kämpfen alle dafür, aber wir wissen alle, auch Nachbesserungen in einem bestehenden Leistungsgesetz sind immer sehr schwierig und sprengen häufig dann auch finanzielle Rahmen.

Die unterschiedlichen Angebote unserer Altenhilfe sind natürlich offen für Demenzerkranke. Frau Linnert, wenn Sie sagen, unsere Ämter für Soziale Dienste kommen in der Antwort des Senats nicht vor, dann ist das formal richtig, aber sie spielen natürlich im Versorgungssystem eine starke Rolle. Wenn Sie ansprechen, wir würden auch immer mehr aufsuchende Sozialarbeit machen müssen, dann ist das sicher richtig, aber ich glaube, dass wir auch in Zukunft noch mehr als bisher das brauchen, was ich im positiven Sinn einmal als soziale Kontrolle bezeichnen will. Wir brauchen also auch ein System, in dem die Menschen selbst, nicht nur die, die von Amts wegen irgendwie aktiv werden, sondern alle, eine Verantwortung fühlen gegenüber denjenigen, die in ihrer Umgebung für sie erkennbar Hilfe brauchen und dann auch öffentliche Stellen darauf aufmerksam machen, dass sie sich einmal kümmern müssten. Nur mit aufsuchender Sozialarbeit, auch wenn wir sie im Rahmen unserer Möglichkeiten noch so verstärken, werden wir das Problem nicht lösen können.

Eine Zielvorgabe der bremischen Altenpolitik ist die weitgehende Integration psychisch und demenziell erkrankter Menschen in die bestehenden Versorgungsformen für Hilfe- und Pflegebedürftige. Da

her haben wir inzwischen viele Initiativen und Träger für die Dienste und Einrichtungen ihres Zuständigkeitsbereichs gebeten, und sie haben das auch geleistet, konzeptionelle Grundlagen und Leitlinien zu entwickeln, die den Umgang mit dieser Zielgruppe festlegen. In den letzten Jahren sind so trotz enger finanzieller Rahmenbedingungen von den Trägern und Initiativen im Lande vielfältige Anstrengungen unternommen und sehr ermutigende Projekte konzipiert und umgesetzt worden, die sehr günstige Voraussetzungen für den täglichen Umgang mit Dementen schaffen. Dazu gehören zum Beispiel, ich will das hier gern noch einmal nennen, die Gründung einer Kriseninterventions- und Beratungsstelle, die von den Betroffenen und ihren Angehörigen zur Therapie oder für Entscheidungshilfen genutzt werden kann, die Förderung von Angehörigen und Selbsthilfegruppen, die Schulung von Laienhelfern, das Angebot der Wochenendversorgung als Entlastung für die Familienmitglieder, die Initiierung von Tagesbetreuungsangeboten, Schulungskurse für Sozialberaterinnen und Dienstleistungszentren.

In der stationären Pflege gibt es Organisationsund Angebotsformen, die einzelne Pflegeheime praktizieren und die sich offensichtlich sehr positiv auf das psychosoziale Milieu und den Umgang mit Demenzerkranken auswirken. Dazu gehören tagesstrukturierende Gruppenaktivitäten, die Organisation in kleinen, auch sehr kleinen Wohngruppen, die auch Anteile der täglichen Versorgung selbst übernehmen, und die Schulung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in speziellen Umgangs- und Gesprächsformen. Eingeführt wurden auch gestalterische und bauliche Vorkehrungen, die Belastungen und Störungen vermindern. Wir wissen, dass es mittlerweile besondere Räume – Snoozle-Räume nennen wir sie – in vielen unserer Einrichtungen gibt, die die Sinne der Erkrankten stärken können, die da sind und gestärkt werden können, die auch zu ihrem Wohlbefinden beitragen und die Betreuung für die Beschäftigten dort erleichtern.

Ein Großteil dieser Maßnahmen konnte erst durch Landesförderung als ambulante Projektförderung umgesetzt werden, die seit Einführung der Pflegeversicherung Projekte finanziell unterstützt, die geeignet sind, die Struktur der Pflege zu verbessern. Ich bin sehr froh, dass wir diese Möglichkeiten hatten, und ich setze darauf, dass wir auch weiterhin vieles im Lande Bremen tun werden, was auch für andere Bundesländer vorbildlich sein kann.

Trotz vieler punktueller Bemühungen und fachlich anerkannter Betreuungsformen bleibt die angemessene Behandlung und Versorgung altersverwirrter und psychisch erkrankter älterer Menschen sowie die Beratung und Unterstützung der Angehörigen natürlich weiterhin eine ganz zentrale Herausforderung. Das gilt auch für die personelle Ausstattung und Qualität des Pflegepersonals in den Pfle

geheimen. Handlungsbedarf besteht vorrangig für die hohe Anzahl Pflegebedürftiger, die ambulant versorgt wird, und da haben wir natürlich auch nicht nur aus finanziellen Gründen ein großes Interesse, hier das Prinzip ambulant vor stationär auch wirklich mit Leben zu füllen, weil es für die Betroffenen selbst auch sehr wichtig ist, so lang wie möglich in vertrauter Umgebung zu bleiben.

Tagespflege ist etwas Schönes, aber wir wissen, dass eine wöchentlich einmalige Tagespflege für Demenzerkrankte eher kontraproduktiv ist, denn Demenzerkrankte leben auch sehr stark davon, dass sie eine vertraute Umgebung haben, und jedes Herausreißen aus dieser vertrauten Umgebung kann eher das Krankheitsbild verstärken als helfen. Deswegen ist diese Entlastung durch Tagespflege auch manchmal ein bisschen kritisch zu betrachten. Auch da müssen wir angemessene Wege finden, die den Betroffenen wirklich dienen und ihnen am Ende nicht auch noch Schaden zufügen.

Ich begrüße sehr, dass jetzt in der Pflegeversicherung Ergänzungen vorgesehen sind. Ich wünsche mir noch mehr, keine Frage! Diese Erweiterung ist natürlich eine Antwort auf die häufig vorgebrachte berechtigte Kritik, dass der besondere Betreuungsbedarf Demenzkranker bisher in der Pflegeversicherung unzureichend berücksichtigt worden ist. Die geplante Leistungserweiterung zielt vorrangig zunächst auf die Entlastung pflegender Angehöriger – ein ganz wichtiger Faktor, keine Frage! – und niedrig schwellige zusätzliche Betreuungsangebote im ambulanten Bereich. Die finanzielle Absicherung, die jetzt damit erfolgt, wird dann auch voraussichtlich zu einer erhöhten Inanspruchnahme von solchen Einrichtungen führen.