Protokoll der Sitzung vom 26.09.2001

Herr Senator, Ihren Entwurf der Richtlinien für die gymnasiale Oberstufe mit richtigen Ansätzen und Vorhaben – weil auch viele unserer Forderungen dort aufgenommen worden sind, werden wir Sie auch bei der Umsetzung tatkräftig unterstützen – müssen Sie aber schon ohne Abstriche umsetzen, denn Abstriche verträgt dieser Richtlinienentwurf nicht, denn sonst, das sage ich Ihnen ganz deutlich, würden Sie, Herr Senator, als Löwe springen und dann als Bettvorleger landen,

(Beifall bei der CDU)

denn die Kritik, Herr Senator, die dort geäußert wurde, ist so massiv, dass Sie daran nicht vorbeikommen. Es heißt in einem Papier aus Ihrem Hause auch: „Bremen hat anders als eine Reihe anderer Bundesländer seit Einführung der NGO mehrmals lediglich Einzelelemente des Kurssystems korrigiert, wenn diese wegen der KMK-Vereinbarung nötig waren.“

Daraus wird deutlich, meine Damen und Herren, dass endlich eine umfassende Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe durchgeführt werden muss. Daraus wird aber auch deutlich, dass unser Koalitionspartner immer nur in kleinen Trippelschritten zu Änderungen im Bildungsbereich bereit ist, immer nur dann, wenn es sich gar nicht mehr umgehen lässt.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Da fehlt das Gesamtkonzept!)

Wir fürchten auch, meine Damen und Herren von der SPD, dass bei diesen guten Ansätzen, die in diesem Entwurf der Richtlinie für die gymnasiale Oberstufe enthalten sind, der eine oder andere Punkt dennoch wieder zerredet werden könnte.

(Abg. Frau J a n s e n [SPD]: Diskussion ist Zerreden?)

Ich möchte für die CDU einige Standpunkte deutlich machen. Herr Mützelburg, wenn Sie auch der Meinung sind, dass das nicht im Parlament geschehen sollte, wir sind schon der Auffassung, dass das hier der richtige Ort ist. Die Varianten, die Sie angesprochen haben, sind im Richtlinienentwurf enthalten. Es gibt drei Varianten zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe. Darin ist auch die Variante Vegesack enthalten, darin sind aber auch Elemente aus Baden-Württemberg enthalten, was wir sehr begrüßen, und es gibt eine dritte Möglichkeit, die dann aus der Erfahrung vieler Oberstufen zusammengesetzt wird. Lassen Sie mich das an einigen Punkten deutlich machen, meine Damen und Herren! Erstens: Es gibt den finanziellen Aspekt. Wir sind der Auffassung, dass es eine gerechte Verteilung der Ressourcen geben muss. Bei dem vorhandenen Kurssystem gibt es nicht akzeptable unterschiedliche Kursgrößen und damit große Unterschiede in den Arbeits- und Lernbedingungen für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Lehrer, das muss man gerechterweise sagen. Die Strukturveränderungen müssen zu größerer Effizienz beim Lehrereinsatz führen und zum Ziel haben, dass auch kleinere Oberstufen ohne zusätzliche Personalausstattung, darauf legen wir großen Wert, auskommen werden, aber ein genauso attraktives Angebot machen wie die größeren Oberstufen. Deshalb sagen wir Ja zu einer ProfilOberstufe, behalten uns aber weitere Überlegungen und Forderungen zur Ausgestaltung vor.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens: Lassen Sie mich zu den inhaltlichen Aspekten einer gymnasialen Oberstufenreform und zu den Problemen der Qualitätssicherung kommen! Wenn die Rahmenvorgaben für die gymnasiale Oberstufe endlich stärker auf die Ziele, ich zitiere, „allgemeine Studierfähigkeit und Berufsfähigkeit“ – wenn das so deutlich in dem Entwurf steht, zeigt das ja, dass es dort Defizite gibt – „ausgerichtet werden, muss die Individualisierung, das heißt die Wahlfreiheit, die der einzelne Schüler bisher hatte, zugunsten der Obligatorik, das heißt Sicherung einer fachlichen Breite und verlässlichen Grundbildung, verschoben werden“. Auch hierbei, Herr Senator, werden wir Sie unterstützen. Da sind wir konträr zu den Grünen, aber das werden wir dann auch verkraften, Herr Mützelburg. Die Schüler können in Bremen zwischen 23 Leistungs- und 42 Grundkursangeboten wählen. Meine

Damen und Herren, das ist einzigartig im Ländervergleich! Das treibt aber auch die Personalkosten in die Höhe. Der Output ist aber trotz allen Aufwandes wenig erfreulich. Dazu heißt es, dass die Lernerträge, ich zitiere, „bei zu vielen Schüler nicht verlässlich genug sind“. Wir haben das seit einigen Jahren kritisiert, Frau Hövelmann. Sie wollten das nie wahrhaben.

Wenn höhere Lernerträge, wie es in dem Entwurf heißt, in Kernkompetenzen – Deutsch, Fremdsprachen, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte –, ich zitiere, „verlässlicher als bisher erreicht werden sollen“, dann macht das erhebliche Defizite in den schulischen Leistungen deutlich. Auf die Mittelstufenproblematik ist Herr Mützelburg bereits eingegangen, das erspare ich mir. Da stellt sich erneut die Frage, Herr Senator, nach den Lehrplaninhalten, der Verbindlichkeit der Umsetzung, der Kontrolle, das heißt nach einer Schulaufsicht.

In einem Papier des Stufenteams gymnasiale Oberstufe heißt es, ich zitiere: „Die Bremer Lehrpläne machen nur geringe inhaltliche Vorgaben und erfordern vielfältige innerschulische und schulübergreifende Absprachen über Anforderungen und Ziele, Inhalte und Methoden und über die Weiterentwicklung des Unterrichts.“ Dann heißt es interessanterweise weiter, Zitat: „Die Fachberatungen der Schulen erfüllen in der Regel diesen Auftrag bisher nicht.“ Herr Senator, hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben mehrfach bekundet, dass Sie mit den Abiturergebnissen nicht zufrieden sind. Sie beklagen gleichzeitig die Heterogenität, die natürlich eine Folge der großen Vielfalt und der Offenheit der Strukturen ist.

Das heißt, es ist letztlich im System begründet, und da, das stelle ich noch einmal fest, sind Sie nicht bereit, etwas zu verändern. Die Bildungsbehörde hat festgestellt, wie heterogen die Abituraufgabenstellungen, wie heterogen die Bewertungen von Prüfungsleistungen sind und wie heterogen die mündlichen Abiturprüfungen durchgeführt werden. Meine Damen und Herren, daraus können und sollten Sie, Herr Senator, nur eine Schlussfolgerung ziehen, nämlich die Einführung des Zentralabiturs!

(Beifall bei der CDU)

Wir halten es dringend für erforderlich, dass durch eine Verpflichtung zur Wahl von Prüfungsfächern aus dem Fächerspektrum Deutsch, Fremdsprachen, Mathematik, Naturwissenschaften und Geschichte die Kernkompetenzen eine entsprechende Gewichtung erhalten sollten. Das ist im Übrigen auch eine Forderung der OECD-Bildungsminister vom April dieses Jahres.

Wenn Sie die besondere Lernleistung, zum Beispiel „Jugend forscht“, die Facharbeit, beide sind bisher wenig angenommen worden – Frau Hövelmann, auch das sollte Ihnen zu denken geben – und die Erwartungen in die Lernleistung haben sich nur unzureichend erfüllt, oder ein fünftes Prüfungsfach zur Verpflichtung machen, werden wir Sie auch dabei unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Wir halten das für ganz wichtige Elemente. Stichwort Belegungspflicht: Nach einem Gespräch mit Vertretern der Fachbereiche Kunst und Musik, das wir geführt haben, sollten wir noch einmal überdenken, ob nicht diese Fächer oder zumindest eines auch in den Jahrgangsstufen elf und zwölf und nicht nur im verkürzten dreizehnten Bildungsjahrgang verpflichtend sein sollten. Was Religionskunde angeht, Herr Senator und meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion: Bremen ist das einzige Bundesland, das sich der KMK-Regelung eines zwei- bis dreistündigen Wahlpflichtangebotes nicht angeschlossen hat. Auch darüber, meine ich, sollten wir in der weiteren Diskussion nachdenken.

Drittens zu einem pädagogisch-erzieherischen Aspekt: Es ist die Schaffung tragfähiger sozialer Bezüge angestrebt. Es freut uns, dass das aufgenommen worden ist. Wir haben mehrmals darauf hingewiesen, dass ein verstärkter Klassenunterricht stattfinden sollte. Jetzt ist geplant, dass zwei Drittel des Stundenumfangs in festen Lerngruppen durchgeführt werden sollte. Wir halten das für einen richtigen Ansatz, meine Damen und Herren.

Viertens: Neben der Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe müssten die doppelqualifizierenden Bildungsgänge ausgebaut werden, ebenso die beruflichen Gymnasien, wobei noch zu klären sein wird, welche Fachrichtung und welche Standorte es sein werden. Hier sage ich ganz deutlich für die CDUFraktion, Herr Senator: Es darf keine Verzettelung geben, denn das können wir uns finanziell nicht leisten.

(Glocke)

Ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident!

Fünftens: Was die Entwicklung von Schulstandorten angeht – Herr Mützelburg hatte das angesprochen –, die Gesamtschulen mit Oberstufen auszustatten, sagen wir ganz deutlich, meine Damen und Herren, eine Ausweitung der Oberstufenstandorte kann es nicht geben, denn zu der Profil-Oberstufe, das wissen Sie, wenn Sie den Entwurf gelesen haben, gehört eine Schülerbandbreite von mindestens 90 Schülern, bei 150 Schülern lässt sich das Profil gut umsetzen. Wenn Sie diese Zahlen zugrunde legen, Herr Senator, müssen Sie eingestehen, dass Sie eigentlich zwei bis drei Standorte zu viel haben.

Der letzte Punkt, was die Qualitätsverbesserung und Leistungssteigerung angeht: Auch hier werden wir Sie unterstützen. Wir sind allerdings der Auffassung, dass Ihre Behörde an die Arbeit gehen muss, verbindliche Kriterien, die klar formuliert sind, was Qualitätssicherung angeht, gemeinsam mit der Oberstufenrichtlinie zu verabschieden. Wir meinen, dass eine solche Formulierung, eine Ausarbeitung zur exakten schulischen Leistungsevaluierung gehört.

(Glocke)

Meine Damen und Herren, im Sinne von Schülerinnen und Schülern meine ich, sollten wir diese Reform angehen, und die guten Ansätze – wir hoffen, dass sie nicht zerredet werden – werden wir dabei tatkräftig unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Ehmke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bildungspolitische Debatten in diesem Haus haben immer eine gewisse Berechenbarkeit, finde ich. Das Thema ist eigentlich egal, die CDU ist immer schnell bei ihrem Leitmotto „Vorwärts in die Vergangenheit“.

(Beifall bei der SPD)

Es ist eigentlich egal, worüber wir genau reden, Grundschule, gymnasiale Oberstufe oder was auch immer, erst einmal bekommt die Stufenschule etwas auf die Nase. Danach geht es noch ein bisschen gegen die Gesamtschulen, und dann schauen wir uns noch einmal an, was die CDU alles nicht mag, und das wird noch einmal kurz abgerattert, und dann sind wir erst einmal so weit, dass wir möglicherweise beim Thema ankommen können.

(Beifall bei der SPD – Abg. B ü r g e r [CDU]: Dann haben Sie wohl nicht zuge- hört!)

Ich habe gerade Ihre Rede gehört, Herr Bürger! Ich möchte mich an dieser Stelle gar nicht darauf einlassen, dass Herr Bürger ja auch gerade schon angekündigt hat, unser Koalitionspartner sei doof. Ich sage jetzt nicht, unser auch.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich denke, das können wir uns an der Stelle auch wirklich ein Stück weit sparen. Ich möchte jetzt einfach ganz kurz zu dem Punkt kommen, über den ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wir reden. Wir haben eine Große Anfrage vom Bündnis 90/Die Grünen. Wir haben eine Antwort des Senats, und es gibt Planungen und einen Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen. Herr Mützelburg hat darauf hingewiesen, wir müssen heute, das finde ich auch richtig, dem Senator eine Richtung mitgeben. Das tun wir, glaube ich, auch, indem wir hier unsere Position vertreten. Als Erstes möchte ich aber auch begrüßen, dass wir dem Senator hier eine Linie mitgeben, aber nicht einen determinierenden Beschluss über den Ausgang eines Diskussionsprozesses, der auf einer Breite angestoßen worden ist mit den Schulen, mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern, wie das nicht immer üblich war. Das finde ich sehr gut, und das möchte ich hier ausdrücklich begrüßen,

(Beifall bei der SPD)

dass mit den Betroffenen geredet wird. Vor dem Hintergrund wird es sowieso nicht überraschen, dass wir den Antrag der Grünen heute ablehnen werden,

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das ist ja einmal etwas ganz Neues!)

aber ich finde es auch richtig zu sagen, wir machen einen ehrlichen Diskussionsprozess mit den Betroffenen, und wir diskutieren. Es gibt ja nicht nur ein Modell seitens der Behörde, sondern es gibt verschiedene angedachte Möglichkeiten, und die werden jetzt im Detail abgearbeitet.

(Beifall bei der SPD – Abg. R o h m e y e r [CDU]: Welches Konzept hat die SPD?)

Ich möchte zu dem Punkt vier Aspekte nennen, die mir wichtig sind, unter denen ich Sie bitte, dass Sie die Debatte begleiten. Das ist zum Ersten: Wir müssen die Bildungsbeteiligung erhöhen. Wir brauchen mehr qualifizierte Abschlüsse, qualifizierte Ausbildungen. Das muss das Ziel sein einer jeden Reform der gymnasialen Oberstufe.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Weiterhin müssen wir individuelle Schwerpunktsetzungen auch in der gymnasialen Oberstufe zulassen und ermöglichen.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Noch indi- vidueller?)

Hören Sie doch zu, Herr Rohmeyer: individuelle Schwerpunktsetzungen ermöglichen und zulassen! Ich will nicht, dass hinterher herauskommt, dass jeder, der in der gymnasialen Oberstufe ankommt, das Gleiche machen muss. Das ist der falsche Weg, und ich glaube auch nicht, dass das die Planungen der

Behörde sind. Ich denke, dass wir uns da auf einem Weg befinden können, auf dem wir das hinbekommen, wo wir ein System der gymnasialen Oberstufe aufstellen, in dem Schülerinnen und Schüler ihre individuellen Schwerpunkte in dem System setzen können.

Punkt drei: Wir müssen den Ansatz des projektund fächerübergreifenden Arbeitens stärken. Ich finde es sehr gut, dass in der Behörde dahingehend gedacht wird. Es gibt Beispiele, bei denen das passiert. Ich wünsche mir, dass das auf die gesamten gymnasialen Oberstufen ausgeweitet wird, und ich sage dazu: Projektarbeit muss mehr sein, als dass man drei Fächer obligatorisch aneinander bindet, sondern es muss einen logischen Zusammenhang zwischen den Fächern geben, in denen dort zusammengearbeitet wird. Es muss eine Planung geben, bei der nicht nur die gleichen Schüler in den gleichen drei Kursen sitzen, sondern bei der die Inhalte miteinander verflochten werden und bei der man gemeinsame Arbeitsansätze findet.