Protokoll der Sitzung vom 26.09.2001

Punkt drei: Wir müssen den Ansatz des projektund fächerübergreifenden Arbeitens stärken. Ich finde es sehr gut, dass in der Behörde dahingehend gedacht wird. Es gibt Beispiele, bei denen das passiert. Ich wünsche mir, dass das auf die gesamten gymnasialen Oberstufen ausgeweitet wird, und ich sage dazu: Projektarbeit muss mehr sein, als dass man drei Fächer obligatorisch aneinander bindet, sondern es muss einen logischen Zusammenhang zwischen den Fächern geben, in denen dort zusammengearbeitet wird. Es muss eine Planung geben, bei der nicht nur die gleichen Schüler in den gleichen drei Kursen sitzen, sondern bei der die Inhalte miteinander verflochten werden und bei der man gemeinsame Arbeitsansätze findet.

(Beifall bei der SPD)

Viertens: Ich finde es richtig, und ich sehe auch kein Problem darin, dass man über den Ressourceneinsatz nachdenkt und versucht, diesen effizienter, effektiver zu gestalten, damit die Mittel nämlich auch bei den Schülerinnen und Schülern ankommen. Die Lösung, jeder bietet so ein bisschen alles an, und wir schauen einmal, was dabei zustande kommt, und hinterher ist die Hälfte des Geldes weg, ohne dass die Schülerinnen und Schüler etwas davon haben, ist auch nicht im Interesse der Schülerinnen und Schüler. Insofern: Effizienter Mitteleinsatz ja, aber nicht um die Qualität zu verschlechtern, sondern um sie zu verbessern!

(Beifall bei der SPD)

Da möchte ich dann noch kurz auf die Frage der Qualität eingehen. Auch da, finde ich, agiert die CDU ein bisschen schlicht. Alle Welt redet über Qualitätssicherung, und der CDU fällt immer eine Antwort ein: Zentralabitur.

(Abg. B ü r g e r [CDU]: Ja! – Abg. R o h - m e y e r [CDU]: Das ist ein Qualitätsbe- griff!)

Das ist nicht die Lösung! Das ist eine ganz simplifizierte Ansage. Wir müssen uns über Standards Gedanken machen, aber wir müssen uns nicht Gedanken darüber machen, dass alle Schüler über das gleiche Gebiet von Goethe in ihrem Deutsch-LK ein Abitur schreiben,

(Beifall bei der SPD)

sondern wir müssen uns darüber Gedanken machen, dass wir von einheitlichen Standards ausgehen. Wir wollen Gleichwertigkeit, aber nicht Gleichförmigkeit, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Abschließend möchte ich den Senator noch bitten, bei der Reform der gymnasialen Oberstufe darauf zu achten: In der Ausgabe des „Focus“ vom 20. August dieses Jahres wird darauf hingewiesen, dass die Bremer Schülerinnen und Schüler auf die Frage, wie sie sich denn für das Leben, für den Beruf vorbereitet fühlen durch die Bremer Schulen, zu 39 Prozent sagen, sehr gut oder gut. Damit liegt Bremen zusammen mit Sachsen und dem Saarland, wo ebenfalls 39 Prozent erreicht werden, an der Spitze. Das sind immer noch weniger als die Hälfte, aber es sind immerhin bundesweit die meisten. Herr Senator, ich bitte Sie: Führen Sie eine Reform durch, bei der beim nächsten Mal herauskommt, es sind mehr und nicht weniger! – Danke schön, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Mützelburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Ehmke, ich glaube, wir sind im Ziel nicht weit auseinander, wenn wir uns tatsächlich darüber verständigen können, dass es oberste Aufgabe dieses Bildungssystems im Land Bremen, in der Stadtgemeinde Bremen und in Bremerhaven ist, die Qualität und die Quantität in der Bildungsbeteiligung und im Bildungsangebot zu verbessern und zu erhöhen. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir die 40 Prozent Abiturienten, die wir im Jahr 1990 hatten, wieder erreichen und nicht – insofern, Herr Bürger, korrigiere ich mich jetzt – 33 Prozent. Ich habe leider der „Welt“ geglaubt und ihrer Ausführung der amtlichen Statistik und nicht der Statistik selbst.

Aber es ändert nichts daran: Die Zahlen sind drastisch gesunken. Wenn wir dieses Ziel erreichen, die Bildungsbeteiligung zu steigern, weil wir das meiner Meinung nach müssen – Herr Bürger, und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie dazu auch einmal ein Wort sagen würden, denn das klammern Sie immer aus –, dann ist die Frage weiterer gymnasialer Oberstufen nicht mehr das Problem. Wenn wir mehr Schüler haben werden, die bis zum Abitur gehen, dann müssen wir auch mehr Angebote haben. Genau in dem Zusammenhang, um auch mehr Schüler zu gewinnen, steht der Vorschlag der engeren Zusammenarbeit zwischen Sekundarstufe I und Sekundarstufe II und der Angliederung von gymnasi––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

alen Oberstufen an bestehende Schulzentren oder Gesamtschulen.

Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie einmal aufhören würden mit diesem: Gesamtschulen kommen nun wirklich nicht in Frage! Herr Bürger, das ist auch Ideologie, was Sie hier in dieser Frage vertreten.

(Abg. B ü r g e r [CDU]: Das habe ich doch gar nicht gesagt! Das ist doch Quatsch!)

Ich will Ihnen dazu einmal ein einfaches Beispiel nennen. Es gibt in Bremen eine sehr erfolgreiche Gesamtschule im naturwissenschaftlichen Bereich mit „Jugend-forscht“-Erfolgen und so weiter. Die Schülerinnen und Schüler, die naturwissenschaftlich sehr interessiert sind, sind ziemlich geschlossen an eine gymnasiale Oberstufe gewechselt und haben dort einen Leistungskurs Physik belegt. Das ist ganz ungewöhnlich, da müssten wir uns alle freuen: 20 Schülerinnen und Schüler von einer Schule. Nach einer Woche waren nur noch acht übrig von Schülern, die vorher in „Jugend forscht“ gearbeitet hatten, die schon Bundespreise erreicht haben. Und warum waren sie das? Weil das, was sie bisher an projektorientiertem Unterricht gewöhnt waren, plötzlich schlichte Mathematikaufgaben an der Tafel geworden waren im Physikunterricht. Das sagt auch etwas über Qualität von einzelnen Gymnasien. Das ist Abschreckungs- und nicht Gewinnungspolitik, und deshalb bin ich sehr dafür, dass es eine enge Zusammenarbeit zwischen Sekundarstufe I, vor allem denen, die schon methodisch und didaktisch gut arbeiten, und der Oberstufe gibt, weil auch die Gymnasien davon etwas lernen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich plädiere sehr dafür, dass wir den Schülerinnen und Schülern in der Oberstufe, die zum Teil auch gesetzlich schon volljährig sind und die, wenn es nach den Grünen ginge, so wie in Niedersachsen auch mit 16 Jahren schon kommunalwahlberechtigt wären, Entscheidungsfreiheiten und Wahlmöglichkeiten geben und sie nicht einfach wieder, wie es in meiner Schulzeit war, den größten Teil des Schullebens in einer Klasse zusammenfassen. Die sozialen Gründe, die Sie anführen, das gebe ich zu, gelten für einen Teil der Schüler, aber für genauso viele gilt, dass sie sagen, ich bin jetzt heilfroh, endlich aus diesem Klassenverband mit der festgelegten Hierarchie herauszukommen, in dem die Lehrer schon wissen, wer gut und schlecht ist, und in dem ich auch schon weiß, an wem ich mich orientiere, und ich bin froh, wenn sich das Ganze neu sortiert.

(Abg. B ü r g e r [CDU]: Das sind doch Vorurteile!)

Hören Sie sich die Schülerinnen und Schüler an, Herr Bürger!

(Zurufe von der CDU)

Die Menschen sind unterschiedlich, auch die Schülerinnen und Schüler sind unterschiedlich. Das hat auch etwas mit Elternhäusern, sozialer Herkunft, Vergangenheit, Erfahrung, Sozialisation oder wie Sie das nennen mögen, zu tun, und deshalb brauchen wir eine Vielfalt auch in der Oberstufe und keine Einfalt. Das finde ich schon!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. R o h m e y e r [CDU]: Hat niemand be- hauptet!)

Alles, was immer darauf hinausläuft zu sagen, die Schüler gehen den Weg des geringsten Widerstandes: Natürlich gibt es das auch, aber das gibt es nicht nur in der Schule, das gibt es auch im Berufsleben.

(Zurufe: Hier auch!)

Danke! Die große Koalition weiß das, sie hat genug Hinterbänkler in den eigenen Reihen, die sich vor wichtigen Sachen drücken!

(Abg. E n g e l m a n n [SPD]: Na, na!)

Sie waren nicht gemeint, Herr Engelmann, das ist doch klar!

(Abg. G a g e l m a n n [CDU]: Du sitzt doch selbst in der letzten Reihe!)

Herr Teiser hat dazu schon einmal das Entsprechende gesagt.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Genau! Dann braucht das keiner zu ergänzen!)

Das ist genau richtig, Sie fallen sonst genauso auf die Schnauze wie Herr Teiser damals!

Meine Damen und Herren, wir brauchen Wahlfreiheit auch in der Oberstufe, weil es sich um erwachsene Menschen handelt und weil es im künftigen Berufs- und Studienweg der Schülerinnen und Schüler auch nötig ist.

Ich meine auch, so lange Sie uns nicht nachweisen, dass ein zentral gesteuertes Zentralabitur wirklich zu irgendwelchen besseren Ergebnissen kommt – –.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Dann müss- ten Sie Ihre Denkblockaden ablegen! Sie sind doch von vornherein dagegen!)

Ich bin nicht von vornherein gegen zentral festgelegte Prüfungsaufgaben, wenn wir vorher ein System haben, das den Schülern auch tatsächlich ermöglicht, durch eine interne und externe Qualitätssicherung in der Schule ihren Leistungsstand, ihre Leistungsmöglichkeiten zu überprüfen. Aber Überfallprüfungen, die irgendwann dann hinten aufgesetzt werden, das ist genau nicht das System von fächerübergreifendem, projektförmigem und qualitätssicherndem Lernen.

Meine Damen und Herren, es mag ja sein, dass Sie der Wahlerfolg der Schill-Partei in Hamburg erschreckt oder beruhigt hat,

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Was hat das denn hiermit zu tun? Das ist unsachlich!)

aber eine Schillisierung des Schulwesens brauchen wir überhaupt nicht. Es muss da nicht mehr Recht und Ordnung, sondern es muss mehr Vielfalt und Qualität einkehren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Senator, wenn Sie das Wort wünschen, würde ich es Ihnen erteilen. – Bitte schön, dann haben Sie das Wort!

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind seit etwa einem Jahr dabei, die Qualität unserer gymnasialen Oberstufe zu analysieren. Wir sind in einem engen Diskussionsprozess mit allen beteiligten Gruppen dabei, zu den notwendigen Konsequenzen zu kommen, um in der gymnasialen Oberstufe die vorhandenen inhaltlichen und organisatorischen Defizite zu beseitigen.

Wenn ich der Diskussion jetzt hier gefolgt bin, stelle ich fest, dass niemand, auch die Grünen nicht, Herr Mützelburg, hier widersprochen hat, dass ein Handlungsbedarf vorhanden ist. Ich begrüße, dass Sie die Initiative der großen Koalition aufnehmen und sagen: Jawohl, wir haben hier einen Handlungsbedarf!

Wenn ich diesen Prozess ausdrücklich mit allen Betroffenen sehr intensiv führe, dann entspricht das meinem Verständnis vom Umgang mit den beteiligten Institutionen und den beteiligten Menschen. Anzuordnen, etwas umzusetzen in diesem sehr sensiblen Bereich, das halte ich für absolut falsch!

(Beifall bei der SPD)

Das ist absolut kontraproduktiv! Wir müssen mit den Menschen etwas neu gestalten, und deshalb ist der enge Dialog und der enge Schulterschluss so wichtig. Deshalb nehme ich mir auch lieber noch einige Monate mehr Zeit, um zu einem guten, akzeptablen Ergebnis zu kommen.

Zur Analyse! Wir haben das Problem, dass wir aufgrund einer Haushaltssanierung nicht beliebig mit den uns zur Verfügung stehenden Haushaltsgeldern umgehen können. Wir müssen sehr genau schauen, was wir für unsere gymnasiale Oberstufe und was zum Beispiel vergleichbare Geberländer für die Organisation ihres Unterrichts in der gymnasialen Oberstufe ausgeben. Da sage ich Ihnen, die entsprechenden Zahlen sprechen nicht für uns. Wir machen es leider nicht effizient genug.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Liegt das am Kurssystem?)