Ich frage auch den Senator, ob es nicht stimmt, dass eine vorgesehene Vereinbarung auf Behördenebene zu dieser Frage mit dem Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales bis heute nicht unterzeichnet worden ist, weil es noch gewisse Vorbehalte und Abstimmungsprobleme in der Behörde des Senators für Soziales gibt.
Ich möchte auch gern wissen, ob es stimmt, dass der schulärztliche Dienst sich ausdrücklich von der Zusammenarbeit ausnimmt, weil er meint, das gehöre nicht zu seinen Pflichtaufgaben, und er habe nicht genug Stellen. Ich würde auch gern wissen, ob es stimmt, dass in der Innenbehörde insbesondere die Polizei, die Kontaktbereichsbeamten vor Ort, ja gern mitmachen würde, aber sagt, mit dem Personal, das wir jetzt haben, können wir diese zusätzliche Arbeit, die eigentlich nicht zu unseren Pflichtaufgaben gehört, nämlich festzustellen, wo diese Kinder sich herumtreiben, nicht ohne weiteres leisten.
Wenn das alles stimmt und wenn es stimmt, dass es auf Personalknappheit zurückzuführen ist, Herr Senator Lemke, dann denke ich manchmal, nur ganz heimlich, wenn ich an die Debatten über die Terrorismusbekämpfung denke, wenn ich mir die Vorlagen vor Augen führe, die ich im Haushaltsausschuss gesehen habe, wie das Fünf-Millionen-DM-Paket umgesetzt worden ist, das die Bürgerschaft zur Terrorismusbekämpfung beschlossen hat, wer davon profitiert, einmal näher, einmal weiter weg von der Terrorismusbekämpfung, fast hätte ich mir gewünscht, Sie wären auch auf diesen Zug aufgesprungen, denn so viel, wie wir hier für Terrorismusbekämpfung an
derenorts angeblich beschlossen haben, so erfolgreich und sinnvoll wäre in dem Zusammenhang sicherlich auch die Arbeit an Schulvermeidung und Schulverweigerung.
Nun gut! Manche Sachen haben Konjunktur, andere Sachen haben offensichtlich noch nicht so viel Konjunktur. Vielleicht trägt diese Debatte dazu bei, dass in allen Ressorts die Frage der Schulvermeidung und Schulverweigerung als ein Zusammenhang angesehen wird, der bearbeitet werden muss. Es ist nicht nur ein Problem aller Ressorts, es ist auch eines speziell des Bildungsressorts, denn um das geht es heute.
Leider, das muss ich noch einmal deutlich sagen, obwohl wir das hier ausführlich debattiert haben, ist die Grundschule nach wie vor nicht hinreichend in den Blickpunkt gekommen. Jede Grundschullehrerin, jeder Grundschullehrer sieht und weiß, dass die Frage der Schulverweigerung längst in den Grundschulen erkennbar ist. Dort werden die Wurzeln gelegt. In den Grundschulen werden viele Kinder durchgeschleppt. Die Lehrer schauen gern weg, sie bekommen es noch irgendwie hin, und wenn die Kinder dann in die Orientierungsstufe kommen, platzt die Sache plötzlich und fliegt auf. Dann ist es aber letztlich zu spät. Prävention muss in der Grundschule anfangen.
Meine Damen und Herren, da wünsche ich mir auch im Bildungsressort sehr viel mehr Engagement. Es nützt auch nicht, Herr Senator Lemke, was Sie gelegentlich tun, darauf zu verweisen, die Eltern und die Familien müssten sich sehr viel mehr darum kümmern. Das ist zwar erstens korrekt, aber zweitens in den vielen Fällen, um die es geht, wahrscheinlich völlig ergebnislos, weil viele dieser Kinder aus Familienverhältnissen kommen, die sozial, familiär, beziehungsmäßig und oft auch pekuniär ziemlich zerrüttet sind und bei denen der Appell an die Eltern nichts bewirkt. Das stößt auf taube Ohren. Wir haben keine Instrumente, uns um die Eltern zu kümmern, so gut es auch wäre, das zu können.
Hier helfen auch nicht solche populistischen Vorschläge, wie Sie sie einmal im Sommer auf einer Veranstaltung gemacht haben: Streicht den Eltern doch einfach das Kindergeld, die ihre Kinder nicht zur Schule bringen! Ich schätze, abgesehen davon, dass das rechtlich problematisch ist, dass das völlig die Wirkung verfehlen würde. Wir müssen bei den Kindern ansetzen. Es nützt nichts mehr, alles auf die Eltern abzuschieben. Bei den Kindern anzusetzen heißt, das wiederhole ich noch einmal, vernetzt zu handeln, Sozialarbeit, Jugendhilfe, Bildungspolitik, Bildungslehrer in den Schulen, auch Schulsozialar
Ich bin bei meinem letzten Satz! Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist aber auch erforderlich. Wenn wir das alles auf den Weg bringen wollen, brauchen wir mehr als nur diesen Bericht, der heute vorliegt, und auch mehr Initiativen, meine Damen und Herren.
Wir, Bündnis 90/Die Grünen, haben einen Antrag gestellt. Wir sind noch nicht zufrieden mit der Abarbeitung, aber wir finden, Sie haben wesentliche Punkte erfüllt. Wir werden diesen Antrag hier heute zurückziehen und beobachten, ob es weitergeht. Wenn wieder der Stillstand der vergangenen Jahre in dieser Frage eintritt, werden wir dieses Parlament erneut beschäftigen müssen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Mützelburg, es mag merkwürdig klingen, aber bei 99 Prozent Ihrer Ausführungen kann ich Ihnen voll zustimmen.
Meine Damen und Herren, vor einem Jahr haben wir hier am 13. September 2000 lange und ausführlich das Thema Schulverweigerung diskutiert. In dem Zusammenhang darf ich auch daran erinnern, dass wir im Mai 2000 auch das Thema Gewalt an Schulen hier sehr ausführlich im Landtag diskutiert haben. Nun bekommen wir nach über einem Jahr die Antwort des Senats mit der Vorlage 15/826. Ich kann es etwas flapsig sagen, das erscheint mir dann doch etwas mehr als Arbeitsverweigerung, was Sie hier zum Thema Schulverweigerung vorlegen, Herr Senator Lemke.
Ich will das auch etwas deutlicher formulieren, als es der Kollege Mützelburg gemacht hat, weil es mich wirklich ärgert. Es ärgert mich, Frau Hövelmann, dass hier die Ansätze, die wir als Parlamentarier gegeben haben, die aus der Praxis kamen und die im Laufe des Jahres hier gegeben wurden, nicht umgesetzt werden und dass hier insbesondere auch unter Leitung des Senators für Bildung die Arbeitsgruppe nach über einem Jahr nur eine sehr dürftige und mangelhafte bis unzureichende Vorlage abliefert.
Das Thema ist viel zu ernst, als dass ich hier nur schimpfen möchte. Ich will Ihnen aber schon deutlich sagen, dass wir sehr unzufrieden damit sind, dass hier zum Beispiel in dieser Vorlage immer noch eine Veranstaltung angekündigt wird, die vor fast einem halben Jahr stattgefunden hat, meine Damen und Herren. Da hat man sich noch nicht einmal die Arbeit gemacht, die Vorlage zu aktualisieren. Diese Vorlage ist wortgetreu aus einer Deputationsvorlage übernommen worden, die damals selbst schon veraltet war. Ich kann nicht verstehen, wie Sie hier den Landtag mit so einer dürftigen Vorlage begrüßen können.
Es ist eine Arbeitsgruppe von Senatoren unter der Leitung des Senators für Bildung eingerichtet worden, Herr Mützelburg hat es angesprochen. Das federführende Ressort ist das Bildungsressort. Die Senatorin für Jugend scheint in ihrem Ressort noch nicht vorangekommen zu sein.
Beim Senator für Inneres kann ich feststellen, dass die Polizisten zum Beispiel Checklisten und Argumentationshilfen haben. Das Innenressort hat die Verantwortung erkannt. Aus den vielen Schulbesuchen, die wir durchführen, und den Gesprächen mit den KOP kann ich Ihnen berichten, dass die KOP an den Schulen sehr wohl ihre Schüler kennen und sehr wohl wissen, wer etwas auf dem Kerbholz hat und um wen sie sich kümmern müssen. Dazu gibt es Checklisten, dazu gibt es Argumentationshilfen, dazu haben die Polizisten Handreichungen bekommen. Von daher kann ich auch den Innensenator in Schutz nehmen, Herr Kollege Mützelburg, weil das Innenressort seine Hausaufgaben gemacht hat. Ich würde mich freuen, wenn ich dazu irgendetwas in der Vorlage lesen würde, aber anscheinend ist das im Bildungsressort irgendwie nicht verarbeitet worden.
Meine Damen und Herren, zur Schulverweigerung gibt es viele Definitionen. Die meisten werden sich an den berühmten Streich aus der Feuerzangenbowle erinnern, bei dem man sich ein Halstuch um den Kopf bindet und sagt, man kommt vom Zahnarzt, eine Entschuldigung nachreicht und sich freut, dass man zwei Stunden Matheunterricht zum Beispiel hat ausfallen lassen. Das, meine Damen und Herren, ist nicht das Phänomen und Problem, über das wir heute reden.
Es gibt eine Reihe von Fachausdrücken für den Begriff Schulverweigerung. Charakteristisch, meine Damen und Herren, ist das Kontinuum der Nichtbeschulbarkeit, der Nichtteilnahme am Unterrichtsgeschehen, und da gibt es dann wieder verschiedene Formen. Ich will auch so deutlich darauf eingehen, weil ich glaube, dass wir hier auch noch viel
mehr machen müssen. Es gibt die Nichtteilnahme am Unterricht trotz physischer Anwesenheit. Von den Lehrern werden die meisten von ihnen als Träumer abgestempelt.
Herr Kollege Dr. Kuhn, die Teilnahme hier ist ja völlig freiwillig. In der Schule haben wir eine Schulpflicht!
Frau Jansen, Sie sind ja nicht gezwungen, wieder zu kandidieren! Meine Damen und Herren, dann gibt es noch die Totalverweigerung in Form völligen Fernbleibens vom Unterricht. Es gibt eine aktive und eine passive Form der Schulverweigerung. Die passive Form habe ich Ihnen eben mit dem Träumen im Unterricht beschrieben. Die aktive Form lässt sich noch in zwei Gruppen untergliedern. Das ist einmal das völlige Fernbleiben vom Unterricht, und die andere Gruppe zeigt ein aggressives und destruktives Verhalten in der Schule und im Unterricht. Diesen Bereich haben wir zum Beispiel auch in der Debatte über Gewalt an Schulen diskutiert, weil auch hier eine Vernetzung vorhanden ist. Von daher ärgert es mich auch wieder, dass hierzu überhaupt nichts in der Vorlage auftaucht. Wichtig ist, meine Damen und Herren, dass wir mit verschiedenen Formen von Angeboten, beginnend mit ganz niedrigschwelligen, aktiv werden. Da erkenne ich, wie Herr Mützelburg, erste Ansätze. Nur, ich sage auch ganz klar, da hätten wir nach über einem Jahr weiter sein müssen. Es ist auch gut, dass der Schulermittlungsdienst Schulvermeidung hier aufgestockt wurde. Das war eine einheitliche Forderung hier aus dem Haus, meine Damen und Herren. Ich darf daran erinnern, dass dieser Bereich vom Bildungsressort auf anderthalb Stellen vor über einem Jahr heruntergefahren wurde, und dass wir jetzt dort wieder Aufstockungen gehabt haben, trägt auf jeden Fall der Problematik Rechnung. Meine Damen und Herren, zu der Prävention gehört aber auch die Repression. Wir haben Ihnen vor über einem Jahr hier Beispiele aus Nürnberg aufgezeigt. So etwas findet auch in Bremerhaven und übrigens auch im Bremer Westen, in der Modellregion, statt. Hier sprechen Polizisten auf der Straße, im Einkaufszentrum, in der Innenstadt am Vormittag vermutliche Schüler an, warum sie denn nicht in der Schule sind. Für viele ist das dann auch erst einmal so ein kleiner „Schock“ fürs Leben, so dass sie sich ein zweites Mal überlegen, ob sie den Unterricht meiden und dann vielleicht freiwillig wieder zur Schule gehen.
Herr Mützelburg, Sie haben es richtig gesagt, man muss so früh wie möglich beginnen. Wir als CDUFraktion sind strikt dagegen, Herr Senator, Sie wissen das auch, dass man zum Beispiel Bestrebungen in Ihrem Haus umsetzt, den Deutsch- und Mathematikunterricht in der Grundschule um je eine Stunde zu kürzen, weil wir glauben, dass wir gerade in diesem Bereich die Grundlagen legen müssen, damit die Schüler dann auch in der Orientierungsstufe und in anderen Schularten später dem Unterricht folgen können. Dort haben wir doch die Probleme. Wir haben Ihnen das auch gesagt, dass wir dort sehen, dass Schüler die Kernkompetenzen zum größten Teil nicht mehr richtig beherrschen. Von daher kann ich Ihnen in diesem Zusammenhang und in dieser Debatte nur noch einmal davon abraten, dass Sie die Kernkompetenzen von Deutsch und Mathematik im Grundschulunterricht kürzen wollen. Zusammenfassend möchte ich noch einmal betonen: Wir sind mit der Vorlage, Herr Senator, unzufrieden. Sie haben zwar richtige Ansätze begonnen – –.
Frau Hövelmann, wir sind mit der Vorlage zur Schulvermeidung, die hier vorliegt, unzufrieden, weil sie nicht dem Rechnung trägt, was wir auch damals im September und Mai 2000 hier gefordert haben. Herr Senator, wir werden das sehr genau weiter verfolgen und hoffen, dass Sie dann auch insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Ressort Jugend und Soziales hier schneller vorankommen, damit wir im nächsten Jahr, wenn wir nachfragen werden, eine bessere Antwort bekommen und auch erleben können, dass an Bremens Schulen im Jugendbereich auch mit diesem ernsten Problem besser umgegangen wird. – Ich darf mich bedanken!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal kann man sich über den Verlauf von Debatten nur wundern. Ich habe gedacht, wir würden hier alle gemeinsam – das ist eigentlich das, was man aus der Beratung in der Deputation für Bildung mitnehmen konnte – den Bericht begrüßen, den der Senator für Bildung uns als einen Zwischenbericht im Grunde genommen vorgelegt hat, denn in der Deputation für Bildung, Herr Rohmeyer, es tut mir Leid, habe ich von all diesen Einwänden und Beschwerden, die Sie hier vorgetragen haben, überhaupt nichts gehört.
Herr Mützelburg hatte auf einige Probleme hingewiesen, mit denen er nicht zufrieden ist, und man könnte tatsächlich den Eindruck gewinnen, wir würden in der Bildungsdeputation in der Regierung mit den Grünen sein und nicht mit der CDU. Vielleicht ist das ja auch wirklich die neue Rolle, die Sie schon einmal einüben wollen.
Ich finde es, ehrlich gesagt, auch eine Frechheit, wenn man einen derartigen Bericht vorgelegt bekommt, und die Problematik, um die wir uns hier kümmern, ist ja nicht einfach einmal eben mit Patentrezepten zu bearbeiten. Das haben wir ja in der Debatte vor einem Jahr hier auch schon gemeinsam festgestellt, dass Schulverweigerung oder Schulvermeidung viele Ursachen und Gründe hat. Hier gibt es einfach keine Patentrezepte.
Wir wissen heute, dass es viele Familien gibt, die völlig überfordert sind mit der Erziehung ihrer Kinder. Das ist gerade in der vorherigen Debatte auch noch einmal deutlich geworden, wo da anzusetzen ist. Es gibt viele Kinder, die es überhaupt nicht mehr gewohnt sind, ein Mittagessen zu bekommen, die keine Strukturen mehr in den Familien haben. Die werden in die Struktur der Schule hineingepresst. Ich jedenfalls bin froh über das, was uns hier vorgelegt worden ist, weil es ein Ansatz in die richtige Richtung ist.
Wir sagen, dass es nicht einfach ist. Schulvermeidung hat nicht irgendetwas mit Dummheit zu tun und ist auch nicht angeboren.
Es gibt Probleme, die Kinder haben, und Probleme, die entstehen in Familien, es gibt aber auch Probleme, die in Schulen entstehen.