Protokoll der Sitzung vom 08.11.2001

Meine Damen und Herren, gegen diese Grundlage des Zusammenwirkens ist in der Tat verstoßen worden. Ich sage es an dieser Stelle noch einmal ganz offen, die SPD-Fraktion ist fassungslos, in welchem Umfang und mit welcher Arroganz und Unverfrorenheit leitende Beamte der Wirtschaftsbehörde parlamentarische Gremien falsch oder gar nicht informiert haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, diese Kritik richtet sich auch gegen die Geschäftsführung von Gesellschaften, für die der Senator für Wirtschaft und Häfen die Fachaufsicht ausübt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

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Es ist völlig unakzeptabel, wenn solch eine Geheimhaltungspraxis gegenüber dem Parlament auch noch mit Vertrauenspflichten gegenüber Dritten gerechtfertigt werden soll, wenn Abgeordnete ihr Recht auf Akteneinsicht nur unter Strafandrohung wahrnehmen können, Herr Kollege Eckhoff.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Abgeordnete wirken in und für die Öffentlichkeit, und sie können es sich nicht gefallen lassen, Einblick in eine Akte, die sie für ihre politische Arbeit und Beurteilung brauchen, nur dann nehmen zu dürfen, wenn sie vorher unterschrieben haben, dass sie einige tausend Mark Vertragsstrafe bezahlen werden, wenn sie darüber reden. Meine Damen und Herren, das geht nicht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, es darf auch nicht sein, dass Beschlüsse parlamentarischer Gremien von der Verwaltung und von staatlichen Gesellschaften ignoriert oder eigenmächtig verändert werden. So geht es nicht, so darf es nicht weitergehen! Das Parlament ist ebenso wie der Senat ein höchst vertrauenswürdiges Verfassungsorgan, und, lassen Sie mich das in Bezug auf eine Formulierung von Herrn Senator Hattig sagen, das Parlament ist kein schwarzes Brett, dem man sensible und vertrauliche Informationen tunlichst vorenthält.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es kann auch nicht hingenommen werden, wenn das Wirtschaftsressort an einem Donnerstag vor Parlamentariern versichern lässt, beim Musical sei alles in Ordnung, und drei Tage später der Untergang des Projektes unmittelbar bevorsteht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es kann auch nicht hingenommen werden, wenn ohne Rückkopplung mit den Parlamentariern, die über die Bewilligung von Geldern zu entscheiden haben, bei einem privaten Unternehmer der Eindruck zugelassen wird, sein unternehmerisches Risiko beim Betreiben des Musicals werde mit einem Millionenaufwand minimiert.

Meine Damen und Herren, das alles waren Fehler, und ich finde, Fehler dürfen auch als solche benannt werden, ohne daraus die Konsequenz zu ziehen, dem Senator persönlich parlamentarisch das Misstrauen auszusprechen. Wir sehen in Senator Hattig auch künftig einen Mann, der überregional

großes Ansehen genießt, größtes Ansehen genießt, und seine Reputation erfolgreich in den Dienst des Landes Bremen stellt. Der Vorzeigeunternehmer Josef Hattig hat mit seinem Eintritt in den Senat wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Bremer Landesregierung auch im Unternehmerlager großer Akzeptanz und positiver Resonanz erfreut. Wir alle profitieren davon, dass Senator Hattig republikweit als Garant einer verlässlichen und effizienten Wirtschaftspolitik gilt. Für den Erfolg unseres Sanierungskurses sind die große wirtschaftliche Kompetenz und das hohe persönliche Ansehen Josef Hattigs nicht hoch genug zu bewerten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Zu- ruf der Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bünd- nis 90/Die Grünen])

Frau Dr. Trüpel, es gibt immer ein Sowohl-als-auch und nicht nur eine Farbe!

Meine Damen und Herren, als in der Führung betrieblicher Hierarchien erfahrener Unternehmer hat Senator Hattig möglicherweise die Eigendynamik einer großen Behörde unterschätzt. Wer jahrzehntelang Entscheidungen getroffen hat, deren Verbindlichkeit außer Frage stand, wird zudem die Vielschichtigkeit politischer Abstimmungsprozesse nicht immer als ausreichend effizient empfinden. Auch wir haben einen Kollegen in unseren Reihen, den Unternehmer Andreas Kottisch, dem es mitunter ähnlich geht, wie ich es eben formuliert habe.

Meine Damen und Herren, die nächsten Wochen, in denen es um Aufklärung in der Deputation und um Konzepte für die Zukunft wie etwa des auch vom Kollegen Eckhoff angesprochenen Standortmarketings gehen muss, werden Gelegenheit geben, durch transparente Beteiligung und frühzeitige und umfassende Informationspolitik das notwendige Vertrauen in das Wirtschaftsressort wieder herzustellen. Das ist ein Angebot an den Wirtschaftsenator und seine Behörde. Wir gehen fest davon aus, dass Senator Hattig dieses Angebot versteht und annimmt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch für die Medien, aber nicht nur für die Medien, ist Senator Hattig ein Garant, ein Meilenstein des Misserfolges, und irgendwie erinnern mich die Skandale an das Märchen Rumpelstilzchen: Ach wie gut, dass keiner weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß. Jeder, aber auch jeder Verantwortliche um das Musical „Hair“ schiebt die Schuld auf andere Verantwortliche ab, und der verantwortliche Senator weist jegliche Schuld,

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jegliche Fehlentscheidungen, wie immer, weit von sich.

Aber ganz so leicht können Sie es sich nicht machen, Herr Senator, denn die Skandale im Land Bremen sind sehr eng mit den politischen Fehlentscheidungen des Herrn Senator Hattig verknüpft! Insofern scheint mir, dass der Herr Senator Hattig als politischer Neuling mit seinen Aufgaben sehr überfordert ist. Demzufolge ist dieser Misstrauensantrag auch schon längst überfällig.

Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, wenn ich als noch, ich betone noch, Einzelabgeordneter die parlamentarische Möglichkeit gehabt hätte, einen Misstrauensantrag zu stellen, hätte ich schon nach dem Desaster um das Musical „Jekyll and Hyde“ im Namen der Deutschen Volksunion einen Misstrauensantrag gegen den verantwortlichen Senator gestellt. Wir wissen doch nicht erst seit gestern, dass Bremen nun einmal kein Musicalstandort ist. Sie alle haben trotzdem auf Kosten der Steuerzahler Millionen DM und Abermillionen DM sinnlos verschleudert, indem Sie sie in von vornherein gescheiterte Projekte investiert haben. Insofern erwarte ich in Kürze von der so genannten Opposition noch weitere Misstrauensanträge gegen weitere Senatoren des Senats.

Meine Damen und Herren, haben die damaligen Verantwortlichen in ihrer Kurzsichtigkeit denn wirklich geglaubt, dass dieselbe Mannschaft, die schon damals das Musical „Jekyll and Hyde“ nicht vermarkten konnte, nun auf einmal „Hair“ besser vermarkten könne? Das glauben Sie doch selbst nicht! Die Schuld für ein wahrscheinliches Scheitern des Musicals „Hair“ liegt darin, dass die politisch Verantwortlichen nichts aus der Vergangenheit gelernt haben.

Dafür trägt Herr Senator Hattig nicht die alleinige Schuld, auch die jeweiligen Entscheidungsträger aller Parteien in den jeweiligen politischen Gremien sind dafür mitverantwortlich. Daher sind sie für mich auch politisch unfähige Traumtänzer. Politisch Verantwortliche, die solche Skandale auf Kosten und zu Lasten der hart arbeitenden Steuerzahler zu verantworten haben, gehören schnellstens zur Verantwortung gezogen. Sie haben es nicht verdient, vom Volk jemals wiedergewählt zu werden. Die Deutsche Volksunion wird trotz des Totschweigens durch die hiesige Medienmafia immer und zu jeder Zeit dafür sorgen, dass Skandale aufgedeckt und öffentlich gemacht werden.

Meine Damen und Herren, Sie behaupten großspurig, es werde keine zusätzlichen, man achte auf das Wort „zusätzlichen“, Steuermittel an die „Hair“Produktion geben. Gleichzeitig erhöhen Sie den Etat für das Stadtmarketing Bremen im nächsten und übernächsten Jahr von sage und schreibe fünf Millionen DM auf 15 Millionen DM! Mit diesen zusätzlichen Millionen sollen nun BMG und HVG für Bre

mens touristische Attraktionen werben. Laut Aussage von Herrn Neumann in der „Bild“-Zeitung, Herr Präsident, ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren: „Damit sind Universum, Space-Park und ausdrücklich auch das Musical ,Hair‘ gemeint.“ Das bedeutet für mich ganz klar und deutlich, dass das Musical „Hair“ letztlich doch Gelder aus dem Steuertopf erhält!

Ich frage mich ganz besorgt: Für wie blöde halten Sie eigentlich unsere Bürger? Mit solch faulem Kompromiss wollen Sie doch nur aus reinem Selbsterhaltungstrieb, aus Machtgier um Positionen und Posten Ihre große Koalition retten und sonst gar nichts! Aber das sage ich Ihnen gleich, solch einen schwarzroten Filz macht die Deutsche Volksunion nicht mit! Ich werde im Namen der Deutschen Volksunion weiterhin rigoros im Interesse der hart arbeitenden Steuerzahler vehement dafür kämpfen, dass das Musical „Hair“ nicht weiterhin mit Millionen DM künstlich beatmet wird.

Meine Damen und Herren, Bremen ist keine und wird auch keine Musicalstadt werden, weil die politisch Verantwortlichen weiterhin schlafen werden und das Stadtmarketing weiterhin völlig versagen wird. Deshalb hat Bremen auch nicht einmal einen schlechten Ruf, Bremen hat überhaupt keinen Ruf. Das ist noch viel schlimmer!

Glauben Sie nicht, indem die Stadt Bremerhaven durch diese Maßnahmen zusätzlich Geld für touristische Attraktionen erhält, dass dadurch das skandalöse politische Fehlverhalten um die gescheiterte Fähransiedlung in Bremerhaven schnell vergessen wird! Meine Damen und Herren, die Deutsche Volksunion wird schon dafür sorgen, dass dieses Desaster in Bremerhaven niemals vergessen wird, denn der wirtschaftliche und finanzielle Schaden für die Stadt Bremerhaven, für seine Bevölkerung ist unermesslich. Nach eigenen Angaben der dänischen Reederei hätten jährlich zirka 40 000 Engländer Bremerhaven besucht. Das, meine Damen und Herren, sind nur englische Besucher, von den zahlreichen Besuchern anderer Nationen ganz zu schweigen!

Durch diese Tatsachen sind Restaurants, Kneipen, Hotels, Taxifahrer, Museen und der Einzelhandel die wahren Opfer Ihrer verfehlten und gescheiterten Bremer Ansiedlungspolitik. Herr Senator Hattig, ich werde im Namen der Deutschen Volksunion dafür sorgen, dass Sie niemals vergessen werden, dass Sie als Senator für Häfen und Wirtschaft auch zum Wohle und im Interesse der Stadt Bremerhaven politische Verantwortung tragen, nicht nur für die Stadt Bremen!

Des Weiteren werde ich im Namen der Deutschen Volksunion dafür sorgen und vehement dafür kämpfen, dass die Stadt Bremerhaven nicht weiterhin durch eine verfehlte Bremer Senatspolitik wirtschaftlich und finanziell durch Bremen geknechtet wird. Die Stadt Bremerhaven und die Bürger haben es

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nicht verdient, durch Ihre verfehlte Politik weiterhin leiden zu müssen und durch Bremen ungerecht behandelt zu werden. Ich habe absolut keinen Grund, an der Aussage der Geschäftsführerin der dänischen Reederei, Frau Wald, zu zweifeln, die laut Aussage in der „Nordsee-Zeitung“ den Wechsel nach Cuxhaven damit begründet, dass sich Niedersachsen mehr um die Fährlinie bemüht habe als das Land Bremen. Das war wieder einmal Bremer Politik auf Kosten und zu Lasten Bremerhavens und seiner Bürger!

Meine Damen und Herren, allein die Tatsache, dass die Abgeordneten vom Bündnis 90/Die Grünen hier leider nur wegen der Bremer „Hair“-Pleite, aber nicht wegen der Bremerhavener Fähransiedlungspleite hier einen Misstrauensantrag gestellt haben, zeigt mir als Bremerhavener ganz deutlich, dass den Abgeordneten vom Bündnis 90/Die Grünen die Sorgen und Interessen der Bremerhavener Bürger und der Stadt Bremerhaven völlig egal und nebensächlich sind. Dafür sollten sich gerade die Bremerhavener Abgeordneten zutiefst schämen.

Das, meine Damen und Herren, ist ein weiterer Skandal Ihrer verfehlten Politik gegenüber der Stadt Bremerhaven. Dagegen werde ich als Bremerhavener Landtagsabgeordneter immer und zu jeder Zeit lauthals das Wort ergreifen. Ich werde im Gegensatz zu Ihnen niemals meine politische Verantwortung gegenüber der Stadt Bremerhaven und ihren Bürgern vergessen. Das bin ich der Stadt Bremerhaven und ihren Bürgern schuldig.

Dass Sie Ihre Verantwortung gegenüber der Stadt Bremerhaven niemals, aber auch niemals vergessen werden, dafür werde ich im Namen der Deutschen Volksunion hier in der Bremischen Bürgerschaft auch weiterhin lauthals sorgen. Dafür bin ich von vielen Bremerhavener Bürgern gewählt worden, und ich kann Ihnen jetzt schon einmal versprechen: Ich halte meine Versprechen immer und zu jeder Zeit, auch – im Gegensatz zu Ihnen – nach den Wahlen!

Meine Damen und Herren vom Bündnis 90/Die Grünen, Sie haben diesen Misstrauensantrag doch nur eingebracht, um sich der SPD als zukünftiger Koalitionspartner anzubiedern. Ihnen geht es wahrscheinlich gar nicht um die Sache, Ihnen geht es nur darum, als wahrscheinlicher Koalitionspartner der SPD heute schon die Grünen-Kooperation mit ihren Posten und Pöstchen für eine rotgrüne Filzpolitik zu sichern und um sonst gar nichts. Wie ernst Sie das mit Ihrem Misstrauensantrag meinen, können Sie in der nächsten Sitzung beweisen. Ich werde in dieser Woche noch einen Antrag einbringen, und ich hoffe auf Ihre Zustimmung. Dann können Sie beweisen, wie ernst Sie das mit Ihrem Misstrauensantrag meinen. – Ich bedanke mich!

Herr Abgeordneter Tittmann, Sie haben in Ihrer Rede das Wort „Medienmafia“ benutzt. Dafür rufe ich Sie zur Ordnung auf. Sie ha

ben damit eine Berufsgruppe der Kriminalisierung ausgesetzt.

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe sehr genau hingehört, als die drei Sprecher sich mit der gegenwärtigen Antragslage auseinander gesetzt haben. Frau Trüpel wird es nicht wundern, wenn ich mit ihr anfange.

Frau Trüpel, ich habe den Eindruck, Ihnen passt die ganze Richtung nicht. Sie wollen eigentlich sagen: Nun hört endlich auf mit all dem, was ihr da gemacht habt!

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Nein, mit dem Universum sollt ihr weitermachen!)

Sie sagen, Sie hätten eine große Zustimmung in der Bevölkerung dafür gefunden. Zugleich ärgern Sie sich über die große Mehrheit, die die große Koalition hat. Irgendetwas müssen wir beide da falsch gemacht haben: Entweder haben wir eine große Mehrheit, dann haben wir die Wähler hinter uns, oder wir haben sie nicht. Das müssen Sie doch erklären.

(Zuruf der Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/Die Grünen])

Frau Trüpel, Sie können doch nicht der großen Koalition vorwerfen, dass sie vor zwei Jahren so einen tollen Wahlerfolg gehabt hat, und sagen: Ich weiß es besser, weil ich die Leute besser kenne! Verstehen Sie, was ich meine?