Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

Wenn hier das Thema Körperschaftsteuer angesprochen wird, meine Damen und Herren, ist darauf hinzuweisen, dass im letzten Jahr bei uns in Bremen das Aufkommen der Körperschaftsteuer um 89,9 Prozent zurückgegangen ist, um 89,9 Prozent! Dies ausschließlich als Ergebnis der Steuerreform, die im Grunde genommen die Möglichkeit geschaffen hat, Veräußerungen von Gesellschaftsanteilen steuerlich abzusetzen! Mein Kollege Steinbrück in NRW musste bei Körperschaftsteuereinnahmen von etwas über 16 Milliarden DM fast 19 Milliarden DM zurückzahlen und hatte mehr Verlustvorträge als Einnahmen in der Körperschaftsteuer. Bei uns waren es wie gesagt 89,9 Prozent, also praktisch 90 Prozent Einbruch.

Die Körperschaftsteuer zahlt nicht der kleine Angestellte und nicht der kleine Arbeitnehmer. Dies ist ein so dramatisch weitgehendes Entgegenkommen gewesen, das uns in ganz besonderer Weise betrifft. Hier möchte ich auf einen Sachverhalt hinweisen, der nicht diskutiert worden ist. Als 1970 das Wohnsitzprinzip für die Lohn- und Einkommensteuer festgelegt worden ist und damit auch diese Pendlerproblematik der Stadtstaaten geschaffen worden ist, waren die Einnahmen aus der Einkommen- und Lohnsteuer genauso hoch wie die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer. Im letzten Jahr hatte ich etwa 1,3 Milliarden DM Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer und noch 20 Millionen DM aus der Körperschaftsteuer. Heute sind die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer noch nicht einmal ein Prozent im Verhältnis zu der Lohn- und Einkommensteuer.

Dies bedeutet, dass der Arbeitsplatzschaffende im Grunde genommen eher bestraft als belohnt wird und dass derjenige, der eine einwohnerbezogene Schlafstadtpolitik macht, über die Einwohnerzuwächse in diesem Steuersystem doppelt und dreifach honoriert wird. Deshalb werden wir über das Steuersystem streiten müssen. Wir brauchen eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, damit zumindest jeder einen bestimmten Grundsatz an Steuern zahlt. Wenn wir das nicht haben, dann werden die Einnahmen von Jahr zu Jahr willkürlich springen.

Wir hatten eine Zeit lang die Situation, da brach uns die Einkommensteuer weg, teilweise über 50 bis 60 Prozent. Jetzt ist es die Körperschaftsteuer. Es zeigt sich immer, wenn ich in einem System einzelne Gruppen begünstigen will, dann geht das meistens nach dem Motto: Wenn man den kleinen Finger gibt, nimmt derjenige die Hand bis zum Ellbogen. Die Möglichkeiten der Ausschöpfung haben sich hier bei der Körperschaftsteuer sehr deutlich gezeigt.

Letzter Punkt: der Länderfinanzausgleich! Der Länderfinanzausgleich gleicht Mindereinnahmen aus,

aber keine Mindereinnahmen, die alle treffen. Wenn alle Länder Einbrüche bei der Körperschaftsteuer haben, dann gleicht der Länderfinanzausgleich das natürlich nicht mehr aus, weil er es nur proportional ausgleicht, wenn der eine drastische und der andere weniger drastische Mindereinnahmen hat. Das heißt, NRW wird erheblich höhere überdurchschnittliche Mindereinnahmen haben als Bremen.

Beim LFA haben wir Gott sei Dank im letzten Jahr eine Änderung insofern erreicht, als der Selbstbehalt, Frau Schwarz, erhöht worden ist. Wir hätten nach der bisherigen Regelung, wenn wir eine Million DM mehr einnehmen, nur 1,1 Prozent als Selbstbehalt. Das andere geht sozusagen in die Verrechnung mit dem Länderfinanzausgleich, das heißt, weil wir Empfängerland sind, wenn ich eine Million DM im Durchschnitt mehr erwirtschafte, bekomme ich eben knapp eine Million DM weniger aus dem Länderfinanzausgleich. Hier haben wir jetzt einen Selbstbehalt, der, wenn man es in den wesentlichen Steuerarten durchrechnet, etwa bei 17 Prozent liegt. Das bedeutet, dass es sich mit einem solchen Satz von 17 Prozent natürlich lohnt, auf mehr Steuerkraft zu setzen.

Der allerletzte Punkt: Sie wissen, dass unser eigentliches Problem darin besteht, dass die Suburbanisierung uns viele Einwohner genommen hat. Bremen hat inzwischen Gott sei Dank wieder steigende Einwohnerzahlen. Folge der Abwanderung in das Umland ist, dass dort am Wohnsitz die Lohnund Einkommensteuer anfällt. Bei einer Einpendlerquote von 40 Prozent führt dies zu einer weiteren Verschärfung der Ungerechtigkeit für die Stadtstaaten im Verhältnis zu ihrem Umland. Deshalb wird gerade die Entwicklung der Körperschaftsteuer ein ganz wichtiges Thema in der bundesweiten Auseinandersetzung sein in der Frage der Steuerfestsetzung der Lohn- und Einkommensteuer ausschließlich auf den Wohnsitz bezogen.

Das kann auf Dauer nicht so sein, weil es zu immer größeren Unwuchten in der Gesamtsituation der Verteilung des Steueraufkommens auf Länder und Gemeinden führt. Die Gemeindesteuern mit Gewerbesteuer und so weiter, die ebenfalls erhebliche Einbrüche haben, werden erzwingen, dass wir in diesem und im nächsten Jahr eine Gemeindesteuerreform brauchen, die auf eine ganz neue Grundlage gestellt wird. Wir werden diese Einstiege nutzen müssen, um zu einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu kommen, aber vor allem zu einem intensiveren Anreiz für diejenigen Gemeinden, die Arbeitsplätze schaffen. Es kann doch nicht sein, dass die Gemeinden privilegiert werden, die sich nur um Einwohner kümmern, und nicht die, die auch Arbeitsplätze schaffen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb werden die Länder und die Gemeinden, der Städte- und Gemeindebund, aber auch der Landkreistag und andere Einrichtungen wie kommunale Spitzenverbände natürlich in den nächsten zwei Jahren diese Diskussion sehr intensiv führen. Ich bedanke mich, dass Sie mir das Stichwort zu dieser etwas erweiterten Debatte gegeben haben. Die Probleme liegen nicht bei der Betriebsprüfung. Die Probleme liegen im System und in den Unwuchten des Systems, und damit müssen wir politisch fertig werden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 15/1012, auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.

Sechster Staatsvertrag zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und des Mediendienste-Staatsvertrages (Sechster Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

Mitteilung des Senats vom 4. Dezember 2001 (Drucksache 15/1011)

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist die Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten vorgesehen.

Wer der Überweisung des Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages mit der Drucksachen-Nummer 15/1011 zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Meine Damen und Herren, wir kämen jetzt zum Tagesordnungspunkt 13, Gesetz zu dem Vertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und der Bremischen Evangelischen Kirche und so weiter. Da der

Präsident des Senats noch beim Neujahrsempfang der Bundeswehr im Rathaus ist, ist gebeten worden, dass wir eine Umstellung in der Tagesordnung dergestalt vornehmen, dass wir zunächst den Tagesordnungspunkt 15, Funktionsfähigkeit der Staats- und Universitätsbibliothek sichern!, vornehmen.

Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.

Dann verfahren wir so, und ich muss eben einen anderen Hut aufsetzen.

(Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Wir fahren dann mit Tagesordnungspunkt 15 fort.

Funktionsfähigkeit der Staats- und Universitätsbibliothek sichern!

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 5. Juni 2001 (Drucksache 15/739)

Wir verbinden hiermit:

Funktionsfähigkeit der Staats- und Universitätsbibliothek sichern!

Mitteilung des Senats vom 18. Dezember 2001 (Drucksache 15/1034)

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Funktionsfähigkeit der Staats- und Universitätsbibliothek sichern!“ vom 5. Juni 2001, Drucksache 15/739, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 39. Sitzung am 21. Juli 2001 an die staatliche Deputation für Wissenschaft überwiesen worden. Diese Deputation legt nunmehr mit der Drucksache 15/1034 ihren Bericht dazu vor.

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Juni des vergangenen Jahres haben wir Grünen mit unserem Antrag „Funktionsfähigkeit der Staats- und Universitätsbibliothek sichern!“ Alarm geschlagen. Es drohte damals eine große Finanzierungslücke in der Staatsbibliothek aufgrund der mehrfach diskutierten Faktoren: Preiserhöhungen für Zeitschriften, vor allen Dingen die wichtigen naturwissenschaftlichen Zeitschriften, der Dollarkurs und vor allen Dingen auch Mehrausgaben für elektronische Medien, die nebenher aufgebaut werden müssen und noch keineswegs die alten Medien ersetzen.

Das Schlimme an der Situation war: Der Senator für Wissenschaft, der damals ohnehin noch meinte, das Internet mache die ursprünglichen Medien überflüssig – da hat er inzwischen dazugelernt –, wollte diese Lücke durch eine große Abbestellaktion bei wissenschaftlichen Zeitschriften im Wert von mehr als einer halben Million DM schließen.

An dem Bericht der Deputation, den die Regierungskoalition verabschiedet hat, können wir heute überprüfen, ob unser damaliger Alarmruf und das halbjährige hartnäckige Nachsetzen Erfolg gehabt haben. Nach meiner Beurteilung ist die Antwort ein klares Ja, aber! Wir haben etwas erreicht, aber längst nicht ausreichend und vor allem nicht nachhaltig. Der Bibliothek sind im abgelaufenen Jahr zusätzliche Mittel gegeben worden, die Politik des Senats ist aber nach wie vor nicht nachhaltig, wie man an den Haushaltsbeschlüssen und dem vorliegenden Bericht auch sehen kann.

Es wurde für das abgelaufene Jahr immerhin die Summe von 1,65 Millionen DM zusätzlich ausgegeben – es war eben auch ein riesiger Bedarf da –, davon stammten 550 000 DM aus dem Etat der Hochschulen. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten einmal aus dem Protokoll des Akademischen Senats der Universität vom Dezember 2001 zitieren, wie das verhandelt worden ist: „In einem zweiten Schritt ist die Universität gezwungen worden, noch einmal 200 000 DM zu übernehmen.“ Das wurde aus dem so genannten Topf „Besonderer Forschungsbedarf“ bezahlt, der dafür vorgesehen ist, dass Neuberufungen auch zu neuen Anschaffungen und neuen Schwerpunkten im Bibliothekswesen führen. Hinterher wundert man sich dann, dass man den neu zu Berufenden keine guten Angebote mehr machen kann, wenn man das Geld für Lückenstopferei ausgibt.

Jetzt kommt das große Aber: Es wurden aber auch schon im vergangenen Jahr Zeitschriften im Wert von 375 000 DM abbestellt, wie es im Bericht heißt, „im normalen Verfahren der Bestandsbereinigung“. Dieses angeblich normale Verfahren soll auch in den nächsten zwei Jahren noch einmal zu Abbestellungen im Wert von 600 000 DM führen. Das ist also eine glatte Million DM in drei Jahren!

Meine Damen und Herren, würde man dieses angeblich so normale Verfahren der Bestandsbereinigung über zwölf Jahre fortsetzen, gäbe es in der Bremer Universitätsbibliothek keine einzige Zeitschrift mehr. Ich möchte einmal wissen, was daran eigentlich normal sein soll! Eine normale Bestandsbereinigung kann ja nur sein, dass man alte Zeitschriften, die nicht mehr gebraucht werden und nicht mehr so wichtig sind, abbestellt und dafür neue, die es ja in großer Zahl gibt, die wichtig und unbedingt notwendig sind, bestellt. Das ist eine normale Bestandsbereinigung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das wird ja offensichtlich nicht gemacht. Das würde nämlich möglicherweise sogar mit Mehrkosten verbunden sein und nichts einsparen. Diese Bereinigung, so wie Sie sie machen, ist fahrlässig. Wenn sie länger andauert, wäre das Selbstmord auf Raten. Ich weiß nicht, wie Sie die Hochschulleitung dazu bekommen haben, diesen Unsinn zu dulden. Wir werden ihn auf jeden Fall nicht mitmachen und im Interesse des Wissenschaftsstandortes Bremen weiter darauf hinweisen.

Wir bleiben dabei: „Eine in Personal, Bestand, Anschaffungsetat und Technik ausreichend ausgestattete Bibliothek ist für die weitere Entwicklung des Wissenschaftsstandortes Bremen von grundlegender und unabdingbarer Bedeutung“, wie es unser Antrag ganz richtig formuliert hat. Dies ist mit den Haushaltsanschlägen im kommenden Jahr schon nicht mehr gewährleistet, weswegen wir ja auch im vergangenen Dezember eine Erhöhung der Zuweisungen um 600 000 DM jährlich gefordert haben.

Die Anforderungen wachsen. Wir waren in der vergangenen Woche in der IUB und haben uns dort kundig gemacht. Die IUB schafft sich gar keine eigene Bibliothek, sondern nur ein, wie sie es nennt, Information-Resource-Center, einen exzellenten Internetzugang. Das, was sie dort nicht bekommt, holt sie sich bei der Staats- und Universitätsbibliothek, Kooperation heißt das, in Wirklichkeit holt sie sich das dort. Das heißt, auch für diesen Bereich muss mitgearbeitet werden.

Wir haben in der gleichen Sitzung eine Studierendenbefragung zur Kenntnis bekommen, in der der dickste rote Punkt bezüglich der Unzufriedenheit der Studierenden immer die Staats- und Universitätsbibliothek und die mangelnde Ausstattung ist. Da ist also großer Handlungsbedarf, und man kann keineswegs einen Kurs der Abschmelzung für Abbestellungen in irgendeiner Weise weiter dulden.