Protokoll der Sitzung vom 20.02.2002

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf dem Besucherrang begrüße ich ganz herzlich eine türkische Seniorengruppe von der Arbeiterwohlfahrt sowie Mitglieder des türkischen Rentnerverbundes und eine Klasse der Pestalozzischule aus Bremerhaven.

Herzlich willkommen in unserem Hause!

(Beifall)

Verkehrssicherheit im Lande Bremen stärken

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 28. November 2002 (Drucksache 15/920)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 29. Januar 2002

(Drucksache 15/1050)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Dr. Böse.

Herr Dr. Böse, ich frage: Möchten Sie die Antwort auf die Große Anfrage mündlich wiederholen? – Das

ist nicht der Fall. Wir müssen das ja nach Geschäftsordnung fragen.

Gehe ich recht in der Annahme, dass wir in eine Aussprache eintreten wollen? – Das ist der Fall.

Die Beratung ist eröffnet.

Bevor ich Herrn Knäpper das Wort gebe, begrüße ich jetzt auf dem Besucherrang Mitglieder des Shanty-Chores Farge-Rekum, die uns eben in der Eingangshalle mit schönen Weisen erfreut haben. Herzlichen Dank!

(Beifall)

Das Wort hat der Abgeordnete Knäpper.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben das Thema „Verkehrssicherheit in Bremen stärken“. Ich werde den allgemeinen verkehrspolitischen Teil abhandeln, und meine Kollegin Frau Schreyer wird mich nachher unterstützen, sie wird die Problematik der Fahrradfahrer hier in Bremen noch einmal beleuchten.

Insgesamt ist ein gut funktionierendes Verkehrssystem die Grundlage für die Mobilität in unserem Lande. Das gilt für den Personenverkehr, aber auch für den Fernverkehr, das gilt für den beruflichen Alltag und natürlich auch für den Güterverkehr, Handel und Gewerbe. Mobilität bedeutet Freiheit, Mobilität bedeutet auch Lebensqualität. Dabei wissen wir alle, das Auto ist das Verkehrsmittel Nummer eins, und dies wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Insgesamt sind in Deutschland 41 Millionen Pkw zugelassen und insgesamt 50 Millionen Kraftfahrzeuge. Man kann außerdem nicht häufig genug daran erinnern, dass das Auto in jeder Hinsicht für Arbeitsplätze und Wohlstand steht. Schon deshalb ist es zwingend erforderlich, den Straßenverkehr positiv zu sehen und dafür zu sorgen, dass er sicherer wird.

Wir kennen die Verkehrsprognosen: Bis zum Jahr 2015 wird der Personenverkehr um 20 Prozent und der Güterverkehr um 64 Prozent zunehmen, und dies wird auch auf den Straßen in Bremen bemerkbar sein. Wir müssen den Verkehr so gestalten, dass er weniger Probleme bereitet, und vor allem, das ist unser Thema heute, muss die Verkehrssicherheit in Bremen weiterhin diesbezüglich durch die Zunahme gestärkt werden.

Grundlage, meine Damen und Herren, der Verkehrssicherheitsarbeit sind das Verkehrssicherheitsprogramm und die Unfallverhütungsberichte der Bundesregierung, die alle zwei Jahre dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden. Die Ziele werden ständig den aktuellen Erkenntnissen und Erfordernissen angepasst. Dabei gilt der Grundsatz: Nicht mehr Staat, sondern mehr Eigen- und Mitverantwortung der Verkehrsteilnehmer ist gefragt. Das gilt insbesondere gegenüber den schwächeren Verkehrsteil

nehmern, denn aller technischer Fortschritt kann letztlich das Verantwortungsbewusstsein der Menschen nicht ersetzen.

Die Bekanntgabe der jährlichen Verkehrsunfallzahlen in Bremen und in Bremerhaven löst bei den Medien wie aber auch bei der Bevölkerung immer wieder Bestürzung aus. Es wird dann immer wieder eindringlich an die Vernunft der Autofahrer appelliert, wenn die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten bekannt gegeben wird, und es wird ständig eine personalstarke, zielorientierte polizeiliche Verkehrsüberwachung gefordert.

Wir dürfen in Bremen, und ich bitte hier um Ihre Unterstützung, Anstrengungen zu einer weiteren Verbesserung der Verkehrssicherheit nicht zurücknehmen, sondern wir müssen eine umfassende Sicherheitsstrategie entwickeln, denn jeder Verkehrstote oder Verletzte ist einer zu viel. Mit der ständigen Zerstörung von Leben und Gesundheit, aber auch erheblicher Sachwerte kann sich keiner abfinden. Vielfältige Maßnahmen auf Bundesebene, aber auch auf Landesebene sowie die vielen auf dem Feld der Verkehrssicherheit tätigen Institutionen sind nicht ohne Wirkung geblieben, danach sind nicht mehr Vorschriften und Schilder nötig, sondern mehr Verkehrserziehung und mehr Verkehrsaufklärung.

(Beifall bei der CDU)

Im Unterschied zu anderen Problemfeldern der inneren Sicherheit in Bremen, die häufig große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und in den Medien auslösen, finden jedoch die alltäglichen sicherheitsbeeinträchtigten Ereignisse im Straßenverkehr in aller Stille statt. Nur bei großen Unfallereignissen mit hohem Medieninteresse, sei es ein Gefahrgutunfall oder ein Massenunfall auf der Autobahn oder der tragische Tod eines Kindes, tritt eine meist jedoch nur kurzfristige öffentliche Besinnung auf die Gefahr in dem Straßenverkehr ein. Im Straßenverkehr im Lande Bremen sterben jährlich Menschen, wird eine große Zahl schwer verletzt, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt. Betroffene von Verkehrsunfallopfern erleben das ganz anders. Sie spüren unmittelbar den Verlust eines Angehörigen oder die dauernde Einschränkung der Gesundheit und mögen nicht einsehen, dass das unvermeidbar war.

Verkehrssicherheit, meine Damen und Herren, kann man nicht im Supermarkt kaufen, man kann sie auch nicht von einer Wohltätigkeitsorganisation bekommen, und man kann sie zwar organisieren, aber sie lässt sich nicht verordnen. Jeder weiß, dass es sie gibt, jedermann bekennt sich zu ihr, aber niemand darf sie als Selbstverständlichkeit voraussetzen. Verkehrssicherheit muss für uns alle ein Wunsch sein, ein Ziel, eine Herausforderung, nein, ich sage, es muss eine Verpflichtung sein.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind in Bremen hier auf einem guten Weg. In gemeinsamer Anstrengung mit den Bürgerinnen und Bürgern und vielen Institutionen, von der Verkehrswacht bis zum Deutschen Verkehrssicherheitsrat, unterstützt durch eine Vielzahl von Initiativen unter anderem im Bereich der Straßenverkehrstechnik, des Straßenbaus, der Fahrzeugtechnik, der Verkehrserziehung und der Verkehrsaufklärung, der Aus- und Fortbildung, der Legislative, der Exekutive und des gesamten Rettungswesens ist es in Bremen gelungen, die Verkehrssicherheit in unserem Land in den letzten 25 Jahren erheblich zu verbessern, und darauf können wir alle stolz sein.

Wir dürfen uns aber nicht darauf verlassen, der Trend sei bereits so stabil, dass wir mit unseren Bemühungen nachlassen könnten. Die Überwachung des Straßenverkehrs und der Sicherheit der im Straßenverkehr bewegten Fahrzeuge ist in ihrer Bedeutung sehr häufig ein unterschätztes Aufgabenspektrum der Schutzpolizei in Bremen und Bremerhaven. Dies lässt sich auch belegen, denn in Bremerhaven ist die Verkehrsbereitschaft kontinuierlich in den letzten Jahren personell umgesteuert worden. Ob dies der richtige Schritt war, möchte ich hier nicht bewerten. Bei Umfragen zur Bedeutung der polizeilichen Arbeit im Bereich der Verkehrsunfallverhütung und -bekämpfung wird deutlich, dass der Bürger hier eine wesentliches Aufgabenfeld sieht. Oft reicht allein schon das Wissen aus, dass kontrolliert wird oder dass Radargeräte im Einsatz sind, damit man sich an die Vorschriften hält, denn dies gehört auch zu einer Unfallverhütungsstrategie.

Allen ist bekannt, dass die präventiven Aktivitäten zur Verhütung von Unfällen und zur Erziehung zum verantwortungsvollen Fahren und Bewegen im Straßenverkehr im Kindergarten beginnen. Über die Grundschule und die weiterführenden Schulen bis zu den Berufsschulen und letztlich hin zu Programmen müssen diese Bemühungen auch hier in Bremen weiter fortgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Dieses Aufgabenfeld, meine Damen und Herren, ist sowohl für Leib und Leben der Mitbürger als auch für die Volkswirtschaft von ungewöhnlicher Bedeutung, richten doch Verkehrsunfälle volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe an. Verkehrstote und auch Verletzte kosten die Gesellschaft teilweise sechs- bis siebenstellige Summen. Polizeiliche Arbeit, aber auch andere Aktivitäten auf diesem Sektor sind immer gut investiert.

Da ich recherchiert habe, möchte ich ein paar Zahlen nennen, die in der Antwort des Senats nicht enthalten sind, da sie auch nicht abgefragt worden sind. An jedem Tag passieren auf den Straßen der Bundesrepublik im statistischen Mittel zirka 1000 Verkehrsunfälle mit Personenschäden, zirka 25 Personen werden auf Deutschlands Straßen täglich getö

tet. 1970 hatten wir in Deutschland noch 21 000 Verkehrstote; 2001, die Statistik ist noch nicht veröffentlicht, liegt die Zahl bei 7000. Auch wenn sich die Unfallzahlen in den letzten Jahren positiv entwickelt haben, ich führe insbesondere die abnehmende Zahl der Verkehrstoten an, muss dieser gute Trend durch noch stärkeres Engagement aller Beteiligten fortgesetzt werden.

Ich nenne also noch einmal die Aufgabe. Wir müssen demnächst mehr Verkehr so gestalten, dass er noch weniger Probleme bereitet. Die Lösung liegt nicht in scheinbaren Patentrezepten. Wenn wir auch in Zukunft mobil sein wollen und die Verkehrssicherheit nicht vernachlässigen wollen, brauchen wir neue Ideen, neue Technologien und neue Konzepte.

(Beifall bei der CDU)

Anders ausgedrückt, unsere Mobilität von morgen beginnt im Kopf, und so anstrengend es auch sein mag, wir brauchen neue Ideen und grundlegende Reformen unseres Verkehrssystems. Wir müssen weiterhin die Verkehrssicherheitsarbeit der Verbände unterstützen, ohne diese Helfer wären wir bisher nicht so weit gekommen. Zahlreiche Programme hier im Lande Bremen, ich möchte nur so ein paar einmal anmerken, ich habe mir eine ganze Reihe aufgeschrieben, sind hier durchgeführt worden in den letzten Jahren und haben auch dadurch diese erfolgreiche Arbeit, die hier geleistet worden ist, unterstützt.

Wir haben für Kinder im Vorschulalter hier in Bremen die Glühwürmchen-Aktion gemacht, Ferienprogramme, zwei Wochen mit der Polizei und Verkehrserziehung im Kindergarten mit Unterstützung der Polizei, wir haben in der Grundschule Gemeinschaftsaktionen mit der Schulbehörde, Verkehrswachen mit dem ADAC gehabt, und Polizeiflugblätter, Schulranzenaufkleber, Glühwürmchen und Materialien zur Verkehrserziehung sind verteilt worden. Die Aktion „Sicherer Schulweg“ ist gestartet worden: Schülerlotsendienst, Unterstützung der Schulen bei der Radfahrprüfung, Fahrradkontrollen auf Anfrage der Schulleitung in den Herbstmonaten. Für Kinder im Sekundarschulalter, junge Fahrradanfänger und erwachsene Verkehrsteilnehmer sind Aktionen durchgeführt worden gegen Discounfälle, Aktionen „Angepasste Geschwindigkeitsmaßnahmen zur Sicherheit der Radfahrer“, Aktion „Sehen und gesehen werden“ und so weiter, auch die Senioren wurden bedacht.

Hier dürfen wir nicht nachlassen, denn es gibt noch eine Fülle von Aktionen, die wir in Bremen und Bremerhaven durchführen können wie zum Beispiel Referate von Verkehrsrichtern und Staatsanwälten, Verkehrsexperten der Polizei in weiterführenden Schulen, Aktionen in Altersheimen, Beseitigung von Unfallbrennpunkten, Förderung von Jugendverkehrs

schulen, Verkehrssicherheitstage, Elterninformationen durch die Polizei und so weiter.

(Glocke)

Herr Kollege Knäpper, um beim Thema zu bleiben, Ihre Ampel steht auf Rot!

(Heiterkeit)

Das ist auch ein Verkehrsthema. Dann gehe ich jetzt und komme gleich wieder!

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bevor ich Herrn Kleen das Wort gebe, begrüße ich jetzt die Schülergruppe eines Arbeitslehreprojektes vom Schulzentrum Pestalozzistraße.

Herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kleen.