Protokoll der Sitzung vom 20.02.2002

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will noch einmal etwas auf die Bemerkungen entgegnen, die Herr Schildt und Herr Jäger gemacht haben, und dann noch einmal darauf eingehen, was Herr Senator Hattig gesagt hat.

Also, meine Herren, ich glaube, ich habe jetzt verstanden, warum das Programm T.I.M.E. heißt. Man muss nämlich Zeit mitbringen, ehe dort Entscheidungen getroffen werden, denn Sie sagen hier immer noch nicht richtig, wer eigentlich zuständig ist.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch egal!)

Nein, das ist überhaupt nicht egal! Herr Hattig kommt doch aus einem Unternehmen. Man lässt sich doch nicht nehmen zu sagen, was der Bereich ELearning heißt, und wer ist derjenige, der sagt, wo es lang geht, und letztendlich die Federführung und Entscheidung hat! Herr Hattig hat sich früher bestimmt auch nicht in seine Entscheidungen hineinregieren lassen. Warum kann das hier politisch nicht genauso laufen? Ich sage es noch einmal, SPD und

CDU, Sie müssen sich entscheiden, wer hier die Verantwortung trägt!

Wir haben jetzt bei der BIA 39 Projekte liegen. Es werden wieder Projekte abgelehnt werden. Diejenigen, die Herrn Hoffmann oder Herrn Färber kennen, werden wieder in der Härtefallkommission vorsprechen. So kann kein roter Faden in diesem Programm gelegt werden. Das müssen Sie erkennen! Sie müssen die Notbremse ziehen. Sie müssen das Programm in seiner Organisation verändern.

Sie scheuen Ideenwettbewerbe wie der Teufel das Weihwasser. Sie scheuen sich davor, sich mit anderen Bundesländern zu vergleichen. Ich kann nicht verstehen, dass Bremen, bevor es solch ein Programm startet, nicht noch einmal umfassend schaut, was die anderen Länder machen, was man unbedingt braucht, was man nicht braucht, wo wir uns noch positionieren können. Das kommt in der Senatsantwort eindeutig zu kurz. Sonst wird in jedem Bereich, ich sage einmal in der Sozialpolitik, immer nach Benchmarking geschrien. Warum vergleicht sich Bremen nicht in diesem Feld der Wirtschaftspolitik mit anderen? Das kann nicht schaden!

Herr Jäger hat dann etwas ganz Interessantes angesprochen, nämlich eine Arbeitsplatzzielzahl. Die steht nicht in der Vorlage. Die stand wohl einmal darin, Herr Dr. Scherf. Wie lautete denn die Zahl? Ich habe 100 oder 150 Arbeitsplätze gehört. Warum scheut der Senat, ein 50 Millionen Euro teures Programm zu evaluieren? Man muss doch sagen: War das Programm gut? Habe ich diese 100 Arbeitsplätze erreicht? Habe ich nur 20 Arbeitsplätze erreicht? Warum habe ich nur 20 Arbeitsplätze erreicht? Was muss ich verändern? Das verlange ich vom Senat, nicht mehr und nicht weniger!

Der Bereich Medienzentrum wurde dann angesprochen. In diesem Bereich werden wir morgen noch einmal eine schöne Debatte haben. Herr Dr. Sieling ist gestern auch schon auf das Thema eingegangen. Ich glaube, der Bremer Senat kann eine Entscheidung für ein Medienzentrum im Faulenquartier treffen. Er kann sie auch heute treffen. Er kann sich an Recht und Gesetz halten. Er kann Ausschreibungen machen. Er kann Architektenwettbewerbe veranstalten.

Wenn ich ein Medienzentrum fordere, heißt das nicht, dass ich hier jetzt Mauschelei und Kungelei zustimmen will. Das heißt, ich habe eine Idee! Wir werden uns hier morgen mit unseren Ideen messen, und dem sehe ich ganz gelassen entgegen, Herr Jäger, denn ich weiß, wir Grünen haben gute Vorschläge für das Faulenquartier und Ideen für das Medienzentrum. Voran, voran!

Es wurde noch gesagt, Herr Perschau fährt hier die Preise für Bremen ein. Ich sage einmal, Herr Perschau hat begriffen, wie Herr Clement es in Nordrhein-Westfalen gemacht hat. Herr Dr. Scherf hat es nicht mehr nötig. Der muss sich den Bereich Medi

en nicht mehr an die Brust heften, obwohl es ja ein Bereich ist, mit dem sich gerade Ministerpräsidenten gern profilieren. Herr Perschau ist aber auch nicht derjenige, der das alles allein macht. Dahinter steckt, glaube ich, eine gute Crew, die die Bereiche E-Government und E-Procurement für Bremen vorantreibt. Das muss hier auch einmal deutlich gesagt werden.

Lieber Senat, ich warte immer noch auf eine Beantwortung der Frage: Wer ist hier für die Medienpolitik zuständig? Die Antwort hat mir auch Senator Hattig immer noch nicht gegeben. Ich möchte heute gern ganz konkret wissen: Wie wollen Sie das Programm Bremen in T.I.M.E. in der nächsten Zeit erfolgreicher machen? Zwei Projekte sind erst angelaufen. Wir haben hier seit 1999 darüber geredet, und alles, was in dieser Vorlage steht, ist mehr als vage. Ich warte auf Antworten!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Busch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mich treiben nun zwei Dinge um. Das eine ist, warum kuschelt der Präsident des Senats mit der Opposition? Das war mir bisher neu. Das andere ist: Was passiert mit Bremen in T.I.M.E.? Ich versuche noch einmal, alles ein bisschen zusammenfassen und rund zu machen, möglichst auf Deutsch, damit auch alle verstehen, worum es hier eigentlich geht.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, mich zunächst einmal bei den Kolleginnen und den Kollegen der Verwaltung zu bedanken, die diese Wahnsinnsanfrage mit fast 75 Fragen zu beantworten hatten, und diese Fragen haben die Verwaltung auch wirklich eine ganze Zeit gebunden. Ich kann natürlich die Ungeduld von Frau Stahmann verstehen. Teilweise hatte ich auch das Gefühl, T.I.M.E. sei schon durch andere Programme überholt worden, aber man muss auch berücksichtigen, wenn man ein 100-Millionen-DM-Programm auflegt, das evaluiert werden soll, dass man genügend Zeit haben muss, sich die richtigen Gedanken zu machen.

Es kommt nicht immer nur auf Quantität an, sondern auch auf die Qualität von Fragen, und insofern stellt mich die Antwort des Senats nicht ganz zufrieden, weil eben nicht die Fragen gestellt worden sind, die mich eigentlich interessieren würden. Es gab eine ganze Menge Fragenschwerpunkte, das Programm selbst, die Steuerungs-, die Entscheidungsebene – das ist auch sehr wichtig –, Medienkompetenz, Gen––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

derprozess und viele andere Dinge mehr, die wir sicherlich noch in anderen Debatten besprechen werden.

Ich will mich einmal auf ein Themenfeld konzentrieren, und das ist UMTS. Das ist ja auch ein Thema, auf das sich Herr Senator Hattig eben ein bisschen konzentriert hat. Ich frage mich erst einmal, wenn ich das heute so alles verfolge, von der Fragestunde bis jetzt: Was wollen die Grünen eigentlich? Einerseits gibt es diese Wahnsinnsbedenken zu den Antennenstandorten von UMTS, am liebsten gar kein UMTS, und Frau Stahmann kann alles nicht schnell genug gehen. Also, wir müssen uns ja irgendwie entscheiden!

(Beifall bei der SPD)

Ich habe dann den Eindruck, dass die von der Opposition gestellten Fragen UMTS als eine Erfindung darstellen, die man irgendwie vermarkten kann. UMTS ist doch kein Produkt, sondern UMTS ist eine Weiterentwicklung der Mobilfunknetze. Wir hatten das analoge C-Netz, dann hatten wir das D-Netz, und nun haben wir UMTS. Das ist ein weiteres Netz, das schneller ist, das viel mehr bietet, aber es ist kein Produkt, das man produzieren und vermarkten kann. UMTS ist also eine Querschnittsaufgabe, ein Querschnittsprojekt für alle Schwerpunkte, die das T.I.M.E.Programm festgelegt hat und wofür es auch nicht wieder der Einrichtung eines neuen Kompetenzzentrums bedarf. Das gilt übrigens auch für andere visionäre Pläne, die wir in einigen Vorlagen gesehen haben.

Es geht bei T.I.M.E. eben nicht um populistische Themen wie UMTS, sondern um Konvergenz – Herr Schildt hat das schon gesagt – und die frühe Bereitstellung aller T.I.M.E.-relevanten Medien, Infrastrukturen und Technologien. Damit das umgesetzt werden kann, kommt es auf die ressortübergreifende Zusammenarbeit an, und ich wiederhole mich hier gern und so oft es nötig ist.

Ich fordere immer wieder eine funktionierende Steuerung und Koordination. Ich habe einen Senatsbeauftragten gefordert, den wir auch beschlossen haben. Man kann sich auch andere Dinge vorstellen, ich will darauf ja nicht so beharren. Man kann Überlegungen anstellen, wie man BIG und BIA vielleicht doch noch anders organisiert. Wir sind da ja verhandlungsbereit, aber es muss irgendetwas geschehen, damit wir eine straffere Abstimmung bekommen.

Die gestellten Fragen erwecken teilweise den Eindruck, als würden die Themen T.I.M.E. und UMTS zueinander stehen oder als würden die Kooperationsverträge mit Telekom und Microsoft in Konkurrenz zu dem Ganzen stehen. Das ist nicht der Fall!

Hauptanwendungsfelder für alle Bereiche sind identische Anwendungsfelder. Es ist doch auch lo

gisch, wenn seitens der BIA der Schwerpunkt – jetzt muss ich es englisch sagen – mobile cooperative working ausgeschrieben wird. Es ist richtig, dass er ausgeschrieben worden ist. Diese Ausschreibung darf dann darf aber nicht die UMTS-Technologie ausschließen, und es darf darum auch passieren, dass man mit der Telekom und Microsoft zusammenarbeitet und von dort die Gelder akquiriert.

(Zuruf der Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen])

Nein! Entscheidend ist aber doch, dass die Unternehmer wissen, an wen sie sich wenden sollen. Wir machen das doch nicht alles zum Selbstzweck! Da komme ich dann wieder auf die Steuerungs- und Entscheidungsebene. Weiß denn ein Unternehmer, wann die BIA zuständig ist? Weiß er, an wen er sich wenden muss? Haben wir zu UMTS eine Kooperationsstelle im Rathaus? Haben wir zu UMTS eine Koordinierungsstelle beim Senator für Wirtschaft? Da hakt es, und da muss noch besonders eingegriffen werden. Wenn wir in Bremen eine Vorreiterrolle als Pilot- und Testregion in vielen Bereichen innehaben wollen, müssen wir schnell sein und uns jegliches Gerangel um Zuständigkeiten ersparen.

Die Auflistung dessen, was andere Bundesländer im Bereich neuer Technologien einsetzen, macht es deutlich, finanziell stehen wir mit unserem kleinen T.I.M.E.-Programm weit hinten. Bayern hat ein Finanzvolumen für neue Technologien in Höhe von 250 Millionen Euro aufgelegt, Baden-Württemberg 340 Millionen Euro. Unsere kleinen 50 Millionen Euro sind aber ja auch schon etwas! Unsere Chance besteht eigentlich in der Kleinheit unseres Bundeslandes und in der gemeinsamen Zielsetzung aller Ressorts. Wissenschaft, Gesundheit, Arbeit oder Umwelt, in der Antwort des Senats hat mir völlig gefehlt, dass die anderen Ressorts maßgeblich beteiligt werden.

Ein weiterer Schwerpunkt besteht auch in der Spezialisierung, wie man am Beispiel Bremerhaven sehen kann. Mit der Lage am Meer, mit dem Schwerpunkt blaue Technologie sowie dem Anker AWI, sind doch ideale Voraussetzungen geschaffen, um im geplanten Technologiepark T.I.M.E.-relevante Projekte durchzuführen. Das muss doch forciert werden!

(Beifall bei der SPD)

Das setzt natürlich ein zielgerichtetes Marketing voraus. Es dürfen keine leeren Seiten zu sehen sein, wenn man zum Beispiel – das ist ja heute schon mehrfach erwähnt worden – Bremen in T.I.M.E. im Internet anklickt. Das darf natürlich nicht passieren! Projekte und Vermarktung sind also parallel auszurichten.

Vielleicht habe ich eine andere Meinung als mein Kollege: Ich habe Zweifel am Erfolg der UMTS-Kon

ferenz in Bremen zu einem Zeitpunkt, wo die Cebit in Hannover stattfindet und alle maßgeblichen wichtigen Entscheider an den UMTS-Veranstaltungen in Hannover teilnehmen. Ob wir sie hierher bekommen, weiß ich nicht, aber es ist ein Versuch. Wir brauchen also ein professionelles Innovationsmanagement, das viel mehr als bisher die Wirtschaft einbezieht, enger mit Einrichtungen wie Bremen multimedial oder Telematikinitiative Bremerhaven zusammenarbeitet.

In der weiteren Zielrichtung zu Bremen in T.I.M.E. kommt es insbesondere bei der Vergabe der noch offenen Mittel darauf an, künftig Strategien für die Anwendungsfelder festzulegen, die in Bremen wichtig sind, Logistik, Gesundheitswirtschaft zum Beispiel.

Für die bestehenden Projekte, die wir jetzt schon haben – es ist ja nicht richtig, Frau Stahmann, dass noch gar nichts da ist, die Liste ist ja lang genug –, kommt es darauf an, deren Nachhaltigkeit zu prüfen. Man darf sie nicht durchführen, und dann sind sie verpufft, sondern sie müssen eine Wirkung erzielen, natürlich arbeitsplatz- und standortmäßig. Ich wiederhole mich: Wir brauchen also klare, straffe Abstimmungen, um die Chancen für Bremen, die wir schon haben, nicht zu vertun. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Jäger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum Abschluss des Vormittags möchte ich noch einmal mit einem Argument der Grünen aufräumen! Es hört sich immer so ganz toll an mit den Wettbewerben: Alle können sich beteiligen, alle können mitmachen, die besten Ideen kommen am Ende dabei heraus. Zum Ersten haben wir gehört, mobile cooperative work sei keiner Ihrer Schwerpunkte, also wollen Sie wahrscheinlich da auch keinen Wettbewerb. Zum Zweiten: Ist Ihnen eigentlich klar, welchen Overhead, wie viele Behördenmitarbeiter wir lahm legen, wenn alle Wettbewerbe machen und sich dann entsprechend anschauen müssen, was ist gut, was ist geeignet, was können wir mit weiterer Hilfe auf den Weg bringen?

Wettbewerbe stehen immer in der Gefahr, dass sie zu viele Leute binden. Ich kann mir Wettbewerbe vorstellen, wenn wir sie gemeinsam mit Privaten machen, beispielsweise wie McKinsey das in München und woanders gemacht hat, wo man sozusagen auch noch Unternehmensberatung und kompetente Leute mit ins Boot holen kann. Mit Partnern kann man Wettbewerbe durchführen, aber nicht flächendeckend T.I.M.E. als Wettbewerbsveranstaltung. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Ich glaube, dass wir damit unsere Behörde lahm legen, und das darf angesichts des schmalen Personalkörpers, den wir bei der BIA und im Wirtschaftsressort haben, auf keinen Fall passieren. Deshalb verteidige ich den Mix, sich einerseits starke Partner wie Microsoft und Telekom ins Boot zu holen und andererseits auch Wettbewerbe durchzuführen, aber hier nicht nur die Wettbewerbsmesslatte anzulegen. Das halte ich einfach für falsch!

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 15/1064, auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.

Ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.54 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.