Bericht des Ausschusses für die Gleichberechtigung der Frau vom 14. Februar 2002 (Drucksache 15/1066)
Menschenhandel und Zwangsprostitution konsequent bekämpfen – Verbrechensgewinne abschöpfen – Opfer kompetent beraten
Dazu als Vertreter des Senats Senator Dr. Böse und Frau Senatorin Wischer, ihnen beigeordnet Staatsrat Dr. vom Bruch und Staatsrat Dr. Knigge.
Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Opfer von Zwangsprostitution kompetent beraten, vom 28. August 2001, Drucksachen-Nummer 15/ 796, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 41. Sitzung am 30. August 2001 an den Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau überwiesen worden. Dieser Ausschuss legt nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 15/1066, Neufassung der Drucksachen 15/915, seinen Bericht dazu vor.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde zunächst als Berichterstatterin aus dem Ausschuss berichten und mich dann später noch einmal für meine Fraktion zu Wort melden.
Zum Bericht des Ausschusses für die Gleichberechtigung der Frau zu dem überwiesenen Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen: Diesen Antrag haben wir im Ausschuss in zwei Sitzungen beraten. Um noch einmal auf die Historie einzugehen, wie diese Diskussion überhaupt in den Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau hineinkommen ist: In der Vorgeschichte haben wir nämlich in der Bremischen Bürgerschaft bereits 1998 einen Antrag verabschiedet, in dem es um die Verbesserung der Situation der Opfer von Frauenhandel und um die Bekämpfung dieses besonderen Kriminalitätsdelikts gegangen ist. Dieser Antrag hat dann dazu geführt, dass der Senat nach zweieinhalb Jahren im April 2001 eine Konzeption in Form einer Mitteilung des Senats vorgelegt hat mit der Überschrift „Konzeption zur Verbesserung der Situation der Opfer von Frauenhandel und Zwangsprostitution“.
Unter Federführung des Senators für Inneres wurde diese Konzeption erarbeitet, die einige Bausteine über verschiedene Maßnahmen im polizeilichen und im staatsanwaltschaftlichen Bereich, im Bereich
des Aufenthaltsrechts und der sozialen Dienste enthält. Diese Mitteilung des Senats wurde im August 2001 hier in der Bürgerschaft zusammen mit dem Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen debattiert, das die Einrichtung einer Beratungsstelle gefordert hatte. Dieser Antrag wurde an unseren Gleichstellungsausschuss mit der Bitte um Beratung und Berichterstattung überwiesen.
Der Ausschuss legt nun folgenden Bericht vor: Der Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen enthält die Aufforderung an den Senat, die Finanzierung einer nichtstaatlichen Fachberatungsstelle aus dem Haushalt sicherzustellen, die die Aufgabe hat, Frauen kompetent und umfassend zu beraten und zu unterstützen, die Opfer von Menschenhandel sind und in Bremen zur Prostitution gezwungen werden.
Aufgrund seiner Beratungen hat der Ausschuss einstimmig eine Empfehlung an den Landtag beschlossen. Dazu ist zu sagen, dass der Ausschuss in seiner Sitzung natürlich die Vertreter der Ressorts des Senators für Inneres, des Senators für Justiz und Verfassung und eine Vertreterin des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales zum Thema Einrichtung einer Fachberatungsstelle angehört hat. Aufgrund dieser Berichte aus den Ressorts hat der Ausschuss seine Empfehlung ausgesprochen.
Als erste Empfehlung sagt der Ausschuss, dass er erwartet, dass die Polizei die Ermittlungen auf diesem Gebiet des Menschenhandels und der Zwangsprostitution in Kürze tatsächlich verstärkt. Es ist ja in der Vergangenheit mehrfach angekündigt worden, dass das passieren soll. Diese Forderung wurde vom Ausschuss einstimmig mitgetragen.
Zweitens hat der Ausschuss die Einrichtung einer Haushaltsstelle für die Verbuchung der möglichen Einnahmen empfohlen, die durch die abgeschöpften Gewinne aus Menschenhandel erzielt werden, und zwar ab dem Doppelhaushalt 2002/2003. Sie wäre dann dem Bereich des Haushalts für Justiz zuzuordnen, weil dort auch bisher die Einnahmen aus Gerichtsgebühren, Geldstrafen und so weiter veranschlagt worden sind.
Als Nächstes hat der Ausschuss die Empfehlung ausgesprochen, dass Einnahmen, die hier verbucht werden, für die Beratung und Betreuung der Frauen zur Verfügung gestellt werden sollen, die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution geworden sind.
Weiterhin hat der Ausschuss noch einmal darauf hingewiesen, dass es in anderen Kommunen in Deutschland jeweils fachkompetente, unabhängige Beratungsstellen für die Zielgruppe Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel gibt, zum Beispiel in Hamburg, Hannover, Berlin, Frankfurt, Köln und auch in anderen Städten. Der Ausschuss hat darauf hingewiesen, dass die im Land Bremen vorhandenen Angebote, die es für Opfer von Gewalttaten und auch für Frauen in anderen Notsitua
tionen insgesamt gibt, nicht eine unabhängige fachkompetente Beratung für diese Zielgruppe ersetzen können.
Als letzte Forderung, Punkt fünf, hat der Ausschuss die zuständige Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales gebeten, in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Frauenhilfe, der Bremischen Evangelischen Kirche, der Diakonie sowie dem Verein Nitribit ein Beratungs- und Hilfsangebot für die Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel zu entwickeln. Das Amt für Soziale Dienste, das vom Senat als zuständige Stelle genannt war, kann nach Auffassung des Ausschusses zwar die Aufgabe der Koordination der Hilfeangebote wahrnehmen, jedoch nicht die psychosoziale Beratung und persönliche Begleitung der Opfer.
Der Ausschuss schlägt nunmehr vor, dass dieser Bericht von der Bürgerschaft zur Kenntnis genommen wird. Ursprünglich hatte der Ausschuss am 29. November 2001 einen Antrag auf Zustimmung zu seiner Empfehlung gestellt. Dieser Antrag auf Zustimmung an das Plenum der Bürgerschaft wurde nach Eingang eines eigenständigen Antrags der Koalitionsfraktionen von unserem Ausschuss in seiner letzten Sitzung zurückgezogen,
also in der Sitzung vom 13. Februar, er wurde von der Mehrheit zurückgezogen, sehr richtig! Soweit jetzt erst einmal zum Bericht unseres Ausschusses! Ich werde mich dann anschließend noch einmal für die SPD-Fraktion zu Wort melden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren hier heute noch einmal über den Antrag der Grünen „Opfer von Zwangsprostitution kompetent beraten“. Doch wie ja meistens geht es hier nicht nur um eine sachliche/fachliche Debatte, auch hier wird wieder deutlich, dass das Taktieren, schwarzer Peter Spielen und vollmundige Männerversprechen ohne echte Konsequenzen im Vordergrund stehen.
Lassen Sie mich das kurz erklären! Der Antrag von uns Grünen „Opfer von Zwangsprostitution kompetent beraten“ hat das Ziel, dass eine nichtstaatliche Fachberatungsstelle eingerichtet wird und dass ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
die Finanzierung aus dem Haushalt sichergestellt wird. Diese Fachberatungsstelle soll zuständig sein für Frauen, die nicht in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden, für Beratung, praktische Hilfe sowie die Koordination weitergehender Hilfen. Das sind die Aufgaben. Das gilt besonders noch für sechs andere Teilbereiche: für die Unterbringung der Frauen in sicheren Wohnungen und Einrichtungen, für psychosoziale und therapeutische Behandlung, für die praktische Beratung und Betreuung in der Abschiebehaft, für die Prozessvorbereitung und deren Begleitung, für die juristische und sonstige Beratung der Frauen und für die Entwicklung beziehungsweise Koordination des Rückkehrerinnenprogramms in die Heimatländer der Frauen, wenn sie dorthin zurückkehren wollen.
Dieser Antrag der Grünen wurde im November mit Gästen des Amtes für Soziale Dienste, mit Vertretern des Senators für Inneres und der Evangelischen Frauenhilfe beraten. Frau Wulff hat darauf schon hingewiesen. Bei dieser Sitzung haben sich alle Mitglieder des Frauenausschusses, ich betone alle, einstimmig für die Einrichtung einer nichtstaatlichen Fachberatungsstelle ausgesprochen.
Der Parlamentsausschuss für die Gleichberechtigung der Frau hat der Bürgerschaft einen Bericht und Antrag vorgelegt, in dem auch empfohlen wird, eine Haushaltsstelle einzurichten, auch das wurde hier schon gesagt. Jetzt kommen wir einmal zum Knackpunkt: Dieser hier eben angesprochene Bericht und Antrag hätte hier abgestimmt werden müssen, doch das wollten die Herren der großen Koalition nicht. Das haben sie hier ganz deutlich gezeigt.
In der Dezember-Sitzung wurde der Antrag der Grünen zur Einrichtung einer Haushaltsstelle abgelehnt. Genauso war es damals nicht gewollt, das Thema Fachberatungsstelle im Dezember hier zu beraten. Es wäre ja auch peinlich gewesen, die Finanzierung einer Beratungsstelle abzulehnen und dann noch wohlwollend über Fachberatung zu diskutieren. Das widerspricht sich doch wohl eindeutig: Absichtserklärungen für ein offensives Vorgehen gegen Zwangsprostitution und die Verbesserung der Situation der Opfer.
Schon vor einem Jahr lautete die Parole, wir wollen diesen Sumpf trocken legen. Es scheint, als hätten Sie beim Trockenlegen ein Jahr lang auf Sonnenschein und Verdunstung gesetzt.
Jetzt stellen Sie endlich diese Stellen zur Verfügung, die diese wichtigen Aufgaben übernehmen sollen. Sie werden wahrscheinlich nachher auch in Ihrer Rede darauf eingehen, aber das haben Sie schon vor einem Jahr gefeiert, das brauchen Sie heute nicht
noch einmal zu tun. Dieser wichtige Baustein der Fachberatungsstelle fehlt, und dazu sollen Sie Stellung nehmen. Das Abfeiern hatten wir letztes Jahr schon!
Jetzt muss endlich das Geld für die Betreuung der Opfer fließen. Sie unterstützen damit das Spiel zwischen Innenressort und Soziales, wer hat den schwarzen Peter. Der Senator für Inneres will die Fachberatungsstelle nicht aus seinem Haushalt bezahlen, der Senator für Soziales aber auch nicht, und was macht das Parlament? Es hört sich die alte Schellack-Platte, wer soll das bezahlen, zum x-ten Mal an.
Wenn es um die Bereitstellung von Millionen geht wie zum Beispiel beim Musical „Hair“, dann geht das ratzfatz, bei der Finanzierung einer Fachberatungsstelle wird daraus eine unendliche Geschichte. Das zeigt ganz deutlich, welcher Stellenwert dem Schutz und der Hilfe von Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution hier entgegengebracht wird.
Taktiererei sollte hier nicht angebracht sein. Allein schon den Bericht und Antrag des Frauenausschusses ruck, zuck nur noch in einen Bericht zu verwandeln, damit er nicht mehr abgestimmt wird, sondern nur noch zur Kenntnis genommen werden muss, ist kein guter Stil, und genau das ist letzte Woche passiert. Durch dieses Handeln negieren Sie nicht nur den Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau, nein, Sie beschädigen ihn sogar in der Öffentlichkeit.
Das ist für uns Grüne ein unmöglicher Vorgang. Es drängt sich doch hier auf, dass der Eindruck entsteht, lasst die Frauen in ihren Ausschüssen einmal ruhig machen, aber Anträge stellen sollen sie nicht. Sie verstecken sich hier hinter Verfahrensfragen. Doch so leicht geht das mit uns nicht! Aber Sie probieren es trotzdem immer wieder. Damit die nichtstaatliche Beratungsstelle auch wirklich zu einer unendlichen Geschichte wird, haben CDU und SPD uns hier einen Dringlichkeitsantrag vorgelegt. Darin heißt es in Punkt fünf, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Die Bremische Bürgerschaft bittet den Senat, insbesondere in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Frauenhilfe, der BEK, der Diakonie sowie dem Verein Nitribit e. V. ein niedrigschwelliges Beratungs- und Hilfsangebot für die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution zu konzipie
ren sowie einen entsprechenden Finanzierungsvorschlag zu entwickeln.“ Ich denke, wir sollten hier Beschlüsse fassen und den Senat nicht auffordern, Finanzierungsvorschläge zu entwickeln. Liebe Frauen der großen Koalition, ich denke, hier sollten wir zusammenhalten, sonst werden unsere Interessen hier über den Tisch gezogen! Es ist noch nicht einmal eine Zeitangabe in diesem Antrag. Wann soll dieser Finanzierungsvorschlag vorgelegt werden? Bitte, keine unendliche Geschichte mehr! Liebe Frauen, liebe Kolleginnen aus der SPD und der CDU, ich weiß, dass Sie die Einrichtung einer nichtstaatlichen Beratungsstelle inhaltlich unterstützen. Darum appelliere ich an Sie, schicken Sie doch Ihre Fraktionsvorsitzenden in die Debatte, sie sollen uns das erklären! Wir Frauen werden dann einmal sehen, inwieweit die Führungsriege der Männer inhaltlich im Film ist oder ob sie nur Bremserfunktion hat.
Die zweite Möglichkeit: Ziehen Sie Ihren windelweichen Antrag zurück, und unterstützen Sie den Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen, der den Senat auffordert, endlich die Finanzierung und die Einrichtung einer Fachberatungsstelle sicherzustellen! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!