Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Wir stimmen dem Antrag der Grünen leider nicht zu, aber das Thema bleibt für uns Sozialdemokraten auf der Tagesordnung, und wir werden es auch als Ziel für die nächste Bürgerschaftswahl nicht aufgeben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorweg kurz zu Herrn Dr. Güldner, zu Ihrem ersten Punkt, Junge Union! Wenn Sie mit der Jungen Union irgendwelche Themen austauschen wollen, machen Sie das auf einer anderen Ebene, aber nicht hier!

(Beifall bei der CDU) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)

Die Junge Union ist eine autonome Organisation in der CDU, und von daher steht es auch dem Vorsitzenden frei, sich in jeder Richtung zu äußern.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: In jeder?)

Zweitens: Sie sprechen von Einzelfällen. Herr Dr. Güldner hat von wenigen Einzelfällen gesprochen, Frau Iletmis hat da schon von mehreren Fällen gesprochen. Ich füge noch hinzu, leider sind auch einige Fälle dabei gewesen, um die wir uns besonders gekümmert haben, bei denen es sich um Rechtsbrecher handelte, und ich bin schon allein an dem Punkt nicht bereit, Unterstützung zu gewähren.

(Beifall bei der CDU)

Grundsätzlich hinsichtlich der Frage, was man in Koalitionen voranbringt und was nicht: Da will ich einmal auf eine Debatte hinweisen, die schon etwas zurückliegt, in der es um Rückführungszentren ging, die gefordert wurden und die in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern mit Erfolg praktiziert werden, weil die, die da in ihre Heimatländer zurückgeführt werden sollen, entsprechend betreut werden et cetera, ich will jetzt darauf nicht näher eingehen. Damals sind wir aber hier in diesem Haus auch nicht zu einem Erfolg gekommen, weil es abgelehnt wurde, und wir haben es auch getragen. Wir versuchen es immer wieder, und so können Sie vielleicht, wenn die Zuwanderungsregelung auf Bundesebene getroffen wurde, erneut versuchen, Ihre Härtefallregelung hier unterzubringen.

(Beifall bei der CDU)

Sie unterstellen auch in Ihren Aussagen, dass eine solche Einrichtung eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung findet. Dies würde ich zunächst einmal als Unterstellung darstellen wollen, weil ich nicht der Auffassung bin, dass die Bevölkerung so etwas vorbehaltlos akzeptieren würde.

(Beifall bei der CDU)

Ich vernachlässige jetzt die Frage, ob das Wahlkampf ist oder nicht. Wir haben diesen Antrag hier nicht eingebracht, deswegen machen wir auf dieser Basis, weil es sich auch gar nicht dafür lohnt, jedenfalls keinen Wahlkampf.

Ich sage noch einmal, Frau Iletmis, Koalitionen bedeuten immer Kompromisse, möglichst gute Kompromisse. Sie sehen in diesem Kompromiss sicherlich einen schlechteren Kompromiss, wir sehen darin einen guten Kompromiss. Es ist aber so, wie es ist. Wir lehnen diesen Antrag gemeinsam ab, und ich bin letztendlich froh, dass auch hier die SPD un

ter diesem Koalitionsaspekt die Zustimmung versagen wird.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Soviel zum Kompromiss!)

Ich komme gleich in meinen weiteren Ausführungen noch auf Einzelpunkte zu sprechen, die den Ermessensspielraum et cetera betreffen oder auch die Lesung von Herrn Dr. Güldner aus den Aussagen der Innenbehörde. Sie haben nämlich nicht weitergelesen, das werde ich gleich nachholen. Dann wird auch deutlich, was der Innensenator eigentlich gemeint hat, nämlich nicht das, was Sie hier sinnentstellend vorgetragen haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage also insgesamt: Wir lehnen, und das stelle ich noch einmal heraus, es ist ja schon gesagt worden, in der Tat diesen Antrag ab. Die SPD hat ja angekündigt, dass sie dem zwangsweise beitreten wird.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Soviel zum Kompromiss!)

Ansonsten darf ich auch noch vorweg sagen: Ich wäre eigentlich froh gewesen, wenn wir die Große Anfrage der SPD zu diesem Thema gleich mit „verarbeitet“ hätten. Ich glaube, es wäre interessant gewesen, welche Position der Senat in der Gesamtheit in dieser Frage vertritt. Dann hätte die Diskussion vielleicht auch noch einen etwas anderen Drall bekommen, und wir wären vielleicht am Ende alle etwas schlauer. Vielleicht!

Ich habe auch immer erklärt, wenn mir jemand wirklich konkret begründen würde, worin ein Vorteil dieser Härtefallkommission liegt, wäre ich gern bereit, meine Meinung zu ändern. Ich habe aber, glaube ich, alle Varianten durchdacht und bin zu keinem anderen Schluss gekommen. Eine solche Härtefallkommission ist in der Tat überflüssig.

Zum Antrag der Grünen! Die Hinweise auf die Härtefallkommission sind zunächst sicher interessant, aber nicht relevant. Die CDU im Saarland erarbeitet eine Initiative im Hinblick auf das noch festzulegende Zuwanderungsrecht des Bundes, es ist also eine völlig offene Position. Es gilt also die Regelung des Bundes, auch in möglichen Härtefallregelungen abzuwarten. Auch deshalb ist die Härtefallkommission abzulehnen.

Im Einzelnen zu den Punkten, die dort als Erfahrungswerte vorgetragen werden! Erstens: Zu den humanitären Erwägungen sage ich, dass auch im Recht durchaus Regelungen getroffen worden sind und bestehen, die als humanitär zu gelten haben. Das Zweite ist: Es hat in jedem Fall, gerade bei diesen sehr sensiblen Geschichten, die wir in jüngster Vergan

genheit hatten oder auch noch vor uns haben, eine Reihe von wirklich intensiven Einzelfallprüfungen gegeben, die noch einmal alle Möglichkeiten berücksichtigt haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, dass leider nichts anderes als eine Rückführung in das Heimatland möglich ist.

Zu dem Punkt, dass im Vorfeld langwieriger Verfahren und Prozesse konkrete Lösungen gefunden würden, frage ich zunächst einmal, welche Lösungen gefunden werden sollen, die sich im Rahmen des geltenden Rechts ergeben. Darüber hinaus bezweifle ich auch, dass die Verfahren dadurch entlastet beziehungsweise verkürzt werden könnten. Ich befürchte im Gegenteil, dass hierdurch in diesen Verfahren, die aus meiner Sicht ohnehin schon viel zu lange dauern – wir haben insbesondere im Asylverfahrensbereich eine Dauer von zehn bis 13 Jahren, das ist eine viel zu lange Zeit –, nur noch ein weitere Verzögerung eintritt, die nicht hinnehmbar ist.

(Beifall bei der CDU)

Sie schreiben dann weiter: Als Erfahrungswert werden sachliche Empfehlungen ausgesprochen, die von allen betroffenen Behörden und Hilfsorganisationen mitgetragen würden. Also, dass die möglicherweise von Hilfsorganisationen mitgetragen würden, kann ich mir durchaus vorstellen. Ich kann mir weniger vorstellen, dass die Behörden, wenn sie sehen, dass es rechtlich nicht machbar ist, hier mitmachen und dies mittragen würden.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie hätten einmal in die Anhörung kommen sollen!)

Hinzu kommt, dass man, wenn man das so verbindlich gestalten will, Herr Dr. Güldner, dann in der Tat eine Rechtsgrundlage dafür schaffen muss, die so etwas auch verbindlich regelt, denn nur dann ist eine solche Empfehlung auch mit verbindlichem Charakter zu versehen und entsprechend behördlich zu berücksichtigen. Ich kann auch aus Ihrem Antrag nicht erkennen, welche Grundlage das wie gesagt sein soll. Auch insofern können Sie sich vielleicht noch einmal melden und mir oder uns das noch einmal darlegen.

Ich darf darauf hinweisen, dass es auch ohne Härtefallkommission in Einzelfällen genügend Fürsprecher gibt, teilweise auch undifferenziert, die für die Betroffenen eintreten. Da sind vielerlei Initiativen hier in Bremen, die wir alle kennen, es sind Einzelpersonen, Flüchtlingsinitiativen, runde Tische, Schulen, teilweise Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Kirchen und so weiter. All diese Fürsprecher sprechen Senat, Bürgerschaft und Petitionsausschuss an. Unterstützt werden sie häufig von Rechtsanwälten, die ihr besonderes Engagement in Asylverfahren erkennen lassen. Insbesondere der Petitionsausschuss geht sehr

sorgfältig und gewissenhaft mit allen Petitionen um, ich hätte beinahe gesagt, das ist auch gut so.

(Beifall bei der CDU)

Im Verwaltungsbereich kümmern sich darum, um kurz ein Bild von der großen Zahl der Befassten zu skizzieren: die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, der Bundesbeauftragte beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, der Hohe Flüchtlingskommissar der UN, die Ausländerbeauftragte des Senats in Bremen, die Ausländerabteilung beim Senator für Soziales und parlamentsseitig der Petitionsausschuss vornehmst, aber auch der Ausländerausschuss und damit nicht zuletzt die Bürgerschaft in Gänze.

Im Rahmen des Ausländergesetzes, des Asylverfahrensgesetzes und der Verordnungen und so weiter arbeitet das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit dem Einzelfallentscheid. Das heißt, dass jeder einzelne Fall auf Herz und Nieren geprüft wird und anhand des geltenden Rechts geprüft wird, ob ein Verbleib des Betroffenen aufgrund des Asylrechts stattfinden kann oder er oder sie abzulehnen ist. Dafür gibt es darüber hinaus ja auch noch eine Filiale des Bundesamtes in Bremen an der Steinsetzerstraße sowie das Ausländeramt, den Senator für Inneres als Aufsichtsbehörde und im Besonderen auch, wenn sie damit befasst sind, die Verwaltungsgerichte, Oberverwaltungsgerichte, das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht.

Ein Teil des Petitionsausschusses, das darf ich in diesem Zusammenhang auch noch anmerken, ist vor einiger Zeit in Nürnberg gewesen und hat sich dort umgesehen, und ein Teil des Petitionsausschusses ist auch hier in Bremen in der Filiale gewesen. Mir ist gesagt worden – ich bin an diesen Tagen nicht dabei gewesen, weil ich in Nürnberg und auch hier in der Steinsetzerstraße schon war –, dass der Eindruck so war: Hier wird wirklich sachgerecht und objektiv gearbeitet und werden auch objektive und sachgerechte Entscheidungen herbeigeführt.

(Beifall bei der CDU)

Auch deswegen, sage ich, ist eine solche Härtefallkommission überflüssig. Ich füge hinzu: Wer das Bedürfnis hat, sich in diesen Fragen zusammenzuschließen, ob Kirchen, Initiativen oder sonst etwas, kann das doch tun. Das ist allen freigestellt, und sie können sich letztlich auch alle mit uns direkt auseinander setzen. Dafür sind wir gerade in Bremen auf viel zu engem Raum, als dass das nicht möglich sei. Die Rechtswegegarantie, die in Deutschland sehr ausgeprägt nutzbar ist, ergibt sich dann darüber hinaus aus Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz, dies ist bekannt. Ich wäre für eine Minimierung der Instanzen. Ich sehe, dass dadurch die Verfahrensdauer er

heblich verkürzt werden könnte. Das wird aber sicherlich auch eine Sache sein, die letztendlich und vornehmst auf Bundesebene zu regeln ist.

(Glocke)

Ich komme zunächst einmal zum Schluss! Je länger also Bewerber, und das ist nachvollziehbar, in Deutschland Aufenthalt haben, desto größer wird die Erwartungshaltung der Betroffenen, hier bleiben zu können. Damit verbunden ist dann auch, dass sie in aller Regel wesentlich schwerer zurückzuführen sind, weil sie sich natürlich, je länger sie hier wohnen, desto mehr an die Gewohnheiten anpassen, und je länger sie Schüler sind und hier Schulen besuchen, desto mehr werden sie da auch integriert, was ich im Übrigen gut finde.

Deswegen haben wir auch mit meinen beiden SPDKolleginnen über die Position des Neunzehnjährigen gesprochen, und ich habe an der Stelle auch noch einmal betont, ich glaube, dass bestimmte Einzelfälle durchaus positiv geregelt werden können, aber vor allem, und das ist meine Erfahrung aus zweimaliger Mitgliedschaft im Petitionsausschuss und als Berichterstatter für Ausländer, dass man viele Dinge im ruhigen Fahrwasser ohne die Öffentlichkeit wesentlich besser durchbekommen kann als mit der Öffentlichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Senator Dr. Böse.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es mit einer Diskussion um das geltende Ausländergesetz zu tun. Dieses Ausländergesetz sieht eine Härtefallkommission nicht vor. Übrigens sieht dies auch der Entwurf der rotgrünen Bundesregierung, von Herrn Schily vorgelegt, nicht vor.

(Abg. K l e e n [SPD]: Fordern Sie das doch!)

Ich komme gern dem Kollegen Schily zur Hilfe, Herr Kleen, aber in diesem Fall überlege ich mir dies in der Tat.

Um gleich einmal darauf zurückzukommen, was hier falsch über das Saarland berichtet wurde, ich habe mit meinem Freund Peter Müller extra noch einmal deswegen telefoniert! Meine Damen und Herren, das Saarland hat in Ergänzung dessen, was Rotgrün in Berlin vorgelegt hat, einen Antrag im Hinblick auf ein neues Ausländergesetz gestellt. Schily hat explizit Stellung genommen und gesagt, er will ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

so etwas nicht haben! Er will so etwas nicht! Das Saarland hat gesagt, und das entspricht meinen Äußerungen in dem von Herrn Dr. Güldner zitierten Brief, bei Einzelfällen, die eine absolute Ausnahme sein müssen!

Ich gebe zu, dass dieser neunzehnjährige Schüler der Familie, die jetzt abgeschoben wurde, der hier in Rede stand, er ist ja untergetaucht, bis er 14 Jahre alt war, wiederholt straffällig geworden ist, danach aber nicht mehr und sich integriert hat, möglicherweise ein Ausnahmefall gewesen wäre, bei dem man hätte anders entscheiden können, wenn da nicht nach Paragraph 30 Ausländergesetz die Bedingung gewesen wäre, dass illegaler Aufenthalt der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis entgegensteht. Deswegen habe ich auch öffentlich gesagt, und das ist die Initiative des Saarlands in Hinsicht auf ein neues Gesetz, in absoluten Ausnahmefällen eine solche Möglichkeit einzuräumen, dass auch bei illegalem Aufenthalt eine Ausnahme gemacht werden kann, aber gebunden daran, dass der bereits von Herrn Herderhorst zitierte Artikel 19 Absatz 4, nämlich die Rechtswegegarantie, nicht zum Tragen kommt, denn dann ist das ausgeschlossen!