Protokoll der Sitzung vom 15.05.2002

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nicht verschweigen, dass wir zunächst auch rechtliche Bedenken hatten, den Landtag mit dieser ausgesprochen lokalen Angelegenheit befassen zu können. Diese Bedenken bestehen in der Fraktion vereinzelt heute noch. Nun gut, wir haben diese Bedenken überwunden, aber ich sage auch dazu, alles, was rechtlich möglich ist, muss nicht auch politisch klug sein.

(Beifall bei der SPD)

Dennoch stand für die SPD-Bürgerschaftsfraktion nach der rechtlichen Prüfung außer Frage, dass wir auch für die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses zum Schutze der Minderheitenrechte, wie im Koalitionsvertrag verabredet, die nötigen Unterschriften leisten werden. Das Papier, das Hauptgegenstand des Untersuchungsausschusses sein wird, ist nach unserer Auffassung nicht sehr glücklich.

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Aus hiesiger Sicht, also aus Sicht des Landtags, ist es geeignet, zu Missverständnissen Anlass zu geben. Kritische Fragen zu stellen, das scheue ich mich allerdings nicht zu sagen, halten wir für völlig legitim. (Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wo sind die Antworten?)

Soweit wir das von hieraus beurteilen können, war es aber nicht, wie Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den Grünen, uns glauben machen will, ein Mittel, eine kritische Stimme in Bremerhaven zu unterdrücken, sondern der, das sei Ihnen ja zugestanden, möglicherweise untaugliche Versuch, ein Problem, das sich im persönlichen Umgang miteinander ergeben hatte, zu lösen, und zwar auf eine Weise zu lösen, dass alle Beteiligten damit leben können, und die in der Privatwirtschaft ja nicht unüblich ist, für den öffentlichen Dienst aber, sagen wir einmal so, als sehr ungewöhnlich bezeichnet werden kann.

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nun gut, es steht mir nicht zu, über das politische Geschick der Handelnden zu urteilen, ich hätte mir allerdings gewünscht, dass die Bremerhavener einen Weg gefunden hätten, diese Angelegenheit auch in Bremerhaven zu klären. Wenn, wie wir hören, auch Sie von den Grünen in erster Linie Kommunikationsprobleme für Ihre Verärgerung verantwortlich machen, dann, so glauben wir, hätten auch Sie, Frau Linnert, vielleicht noch intensiver nach Wegen suchen können, diese ohne einen Untersuchungsausschuss im Landtag zu lösen.

Wir haben jetzt noch etwa ein Jahr Zeit, in diesem Hause die noch immer drängenden Probleme dieses Landes anzugehen, und wir haben dank Ihrer Initiative, meine Damen und Herren von den Grünen, bereits einen Untersuchungsausschuss, der schon seine Arbeit aufgenommen hat und der, wie wir hören, Tausende von Akten bearbeiten muss. Ich will mir nicht Ihren Kopf zerbrechen, aber schon uns als größter Fraktion fällt es nicht leicht, die für einen zweiten, ebenso großen Untersuchungsausschuss nötigen personellen Kapazitäten freizuschaufeln, ohne dass die sonstige Arbeit darunter leidet. Wollen Sie eigentlich bis zum Ende der Legislaturperiode ausschließlich auf die Untersuchungsausschüsse die Schwerpunkte Ihrer Arbeit legen?

Für einen „Untersuchungsausschuss light“ stehen wir jedenfalls nicht zur Verfügung. Wir beabsichtigen, dort ordentlich mitzuarbeiten. Die Erfahrungen mit Untersuchungsausschüssen sehen im Übrigen in der Rückschau nicht so aus, dass selbst Aufträge, die zunächst als durchaus überschaubar eingestuft wurden, einmal so nebenbei erledigt werden könnten. Ich sage aber auch ausdrücklich, wir fürchten

den Untersuchungsausschuss und seine Ergebnisse nicht.

Einmal im Ernst, Frau Linnert und auch Herr Schramm, was gewinnen Sie eigentlich, wenn Sie den Namen des oder der Autoren dieses Vertragsentwurfs kennen? Bringt das eigentlich Bremerhaven voran?

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen: Ja!)

Sie ziehen damit doch nur eine in Bremerhaven längst abgeschlossene Debatte wieder hoch, strafrechtlich hat die Staatsanwaltschaft die Angelegenheit doch ohnehin schon ad acta gelegt. Glauben Sie nicht, und das sage ich auch als Bremerhavenerin, dass Bremerhaven ganz andere Probleme hat?

(Beifall bei der SPD)

Zur Lösung dieser Probleme habe ich von Ihnen allerdings noch keinen einzigen vernünftigen Vorschlag gehört, ich behaupte sogar, es ist Ihr eigentlicher Beweggrund für diesen Ausschuss, Sie wollen davon ablenken, dass Sie keine Alternative zur Politik der Bremerhavener Koalition kennen.

Nun gut, wir werden uns, weil wir auch diesen Untersuchungsausschuss für überflüssig halten, wieder der Stimme enthalten. – Ich danke, dass Sie mir zugehört haben!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal ist die schöne Seestadt Bremerhaven durch den schon jahrzehntelang auf Kosten der Bevölkerung betriebenen SPD-Filz bundesweit negativ in die Schlagzeilen geraten, nun durch ein unmoralisches Angebot an den Leiter des Rechnungsprüfungsamtes in Bremerhaven.

Meine Damen und Herren, niemand von uns, außer vielleicht die SPD-Genossen, bezweifelt, dass das Angebot an den Leiter des Rechnungsprüfungsamtes im höchsten Maße unmoralisch und verwerflich gewesen ist. Ob es nun strafrechtlich relevant ist oder nicht, spielt hier überhaupt keine Rolle. Auf alle Fälle ist dieser schmutzige Vorgang ein ganz hässliches Stück aus einer ganz armseligen, im wahrsten Sinne des Wortes, Schmierenkomödie. Selbstverständlich werde ich diesem Antrag „Einsetzung eines Untersuchungsausschusses“ uneingeschränkt zustimmen.

Wenn ich als noch Einzelabgeordneter

(Heiterkeit)

die Möglichkeit gehabt hätte – ja, lachen Sie ruhig, Ihnen wird das Lachen noch vergehen,

(Unruhe und Zurufe von der SPD)

darauf können Sie Gift nehmen! –, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen, hätte ich schon längst einen solchen Untersuchungsausschuss gefordert. Herr Kleen, Ihren Zwischenrufen nach zu urteilen, müssen Sie mindestens zehn Jahre auf einem Fischdampfer gefahren haben.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU)

Eines ist doch klar, dass dieser schmutzige und moralisch verwerfliche SPD-Skandal der Stadt Bremerhaven bundesweit einen sehr großen Schaden zugefügt hat, der kaum wieder gutzumachen ist. Deshalb ist es dringend notwendig und das Gebot der Stunde, dass auch die CDU-Fraktion hier und heute eindeutig Farbe bekennt und diesem Antrag einstimmig zustimmt.

Meine Damen und Herren, nur einmal zur Erinnerung! Dem Leiter des Rechnungsprüfungsamtes in Bremerhaven war im Herbst 2000 ein Vertragsentwurf vorgelegt worden, nach dem er auf einen Teil seiner Prüfungspflichten verzichten und sich überregional auf jede passende Stelle bewerben sollte, im Gegenzug hätte die Stadt eine wegen eines Disziplinarverfahrens lange aufgeschobene Beförderung in Aussicht gestellt. Ich frage Sie ganz besorgt: Wie weit ist es mit einer Stadt gekommen, wo so etwas politisch und moralisch Verwerfliches möglich ist? Es ist nicht nur eine Schande für Bremerhaven, es ist eine Schande für das gesamte Bundesland Bremen.

Meine Damen und Herren, hier gebietet es der moralische Anstand, sofern noch bei Ihnen vorhanden, dass der Ausschuss folgende Sachverhalte schnellstens aufklärt:

Erstens, wer ist der Verfasser des laut Aussage von Oberbürgermeister Schulz so genannten Nicht-Papiers, und wer hat diesen Vertrag verändert, der nachweislich aus dem Büro des Stadtverordnetenvorstehers gefaxt worden ist?

Zweitens, warum sind die Ermittlungen gegen den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden als Überbringer dieses so genannten Nicht-Papiers, was ja äußerst merkwürdig ist, einen Tag, bevor dieser SPDFraktionsvorsitzende zum Stadtrat gewählt worden ist, von der Bremer Staatsanwaltschaft mit der lapidaren Begründung, es handele sich zwar um eine Nötigung, jedoch nicht um eine strafrechtlich verwerfliche, eingestellt worden?

Meine Damen und Herren, wenn dieser Skandal, diese Nötigung, keine strafrechtliche Nötigung darstellt, dann weiß ich wirklich nicht mehr, welche Nötigung überhaupt noch strafrechtlich relevant sein

soll. Hierzu schreibt die „taz“ völlig richtig, Herr Präsident, ich darf zitieren: „Wäre der Autor des Vertrages ein übereifriger Referent gewesen, die Stadtverwaltung hätte ihn auffliegen lassen und wäre ihre hässliche Affäre los. So aber drängt sich der Verdacht auf, dass es ein Amtsträger gewesen sein muss oder einer, der es werden will.“ Dem, meine Damen und Herren, habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

Wie Sie ja wissen, habe ich schon längst vor dem Bündnis 90/Die Grünen eine Anfrage unter der Überschrift „Versuchte Nötigung des Leiters des Rechnungsprüfungsamtes in Bremerhaven“ in die Bürgerschaft eingebracht. Hier nur einmal ein kleiner Ausschnitt meiner damaligen Anfrage: Punkt eins, wird der Senat als Kommunalaufsicht in der Angelegenheit der versuchten Nötigung des Leiters des Rechnungsprüfungsamtes Bremerhaven durch den Oberbürgermeister Schulz, den Stadtverordnetenvorsteher Benecken und den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Rosche tätig werden? Zweitens, warum ist der Senat bisher nicht tätig geworden, obwohl doch bereits eine Prüfung bei der Staatsanwaltschaft vorliegt? Punkt drei, trifft es zu, dass der Magistrat der Stadt Bremerhaven den Beamten Herrn Kahnert beim Senator für Finanzen als Ermittlungsführer in der Disziplinarangelegenheit „Leiter des Rechnungsprüfungsamtes in Bremerhaven“ einsetzen wollte, und aus welchen Gründen ist dies nicht geschehen? Viertens, ist damit die Aussage des Bremerhavener Oberbürgermeisters Schulz falsch, der erklärt hat, Herr Kahnert würde um Rechtsauskunft in diesem Verfahren gebeten?

Meine Damen und Herren, leider habe ich damals vom Senat nur unzureichende und ausweichende Antworten erhalten. Ich fordere den Untersuchungsausschuss auf, sofern er denn eingesetzt werden sollte, auch diese Fragen vorrangig zu untersuchen und aufzuklären.

Meine Damen und Herren, zu den Privilegien des Rechnungsprüfungsamts gehört es, unbeliebt zu sein, aber es gehört auch seine Unabhängigkeit dazu. Diese Unabhängigkeit sollte eindeutig beschnitten werden. Einen solchen schmutzigen und undemokratischen Skandal auf Kosten der Bürger wird die Deutsche Volksunion selbstverständlich niemals akzeptieren. In Zeiten übersprießender Korruption der Altparteien ist ein Rechnungsprüfungsamt, das eingeschränkt und dann noch im Verborgenen arbeiten muss, ein unerträglicher Skandal sondergleichen. Ich sage im Namen der Deutschen Volksunion klar und deutlich, wer keine Gesetze kennt und befolgt, kann kein Diener des Volkes sein. Basta!

Meine Damen und Herren, Sie haben doch eine großartige und wichtige Aktion „Saubere Stadt“ ins Leben gerufen. Dann sorgen Sie aber auch allerschnellstens erst einmal dafür, dass unsere Stadt Bremerhaven und unser Land Bremen von dem schon jahrzehntelang betriebenen SPD-Filz gründlichst gesäubert werden! Sorgen Sie erst einmal da

für, dass diese verantwortlichen Skandalpolitiker ohne Ansehen der Person schnellstens und auf Nimmerwiedersehen aus ihren gut dotierten Ämtern gejagt werden, denn solche Skandalpolitiker haben es nicht länger verdient, sich Diener des Volkes nennen zu dürfen!

Meine Damen und Herren, unsere von Ihnen schon genug ausgebeutete Bevölkerung hat es wahrlich mehr als verdient, gemäß dem Motto Ihrer Aktion „Saubere Stadt“ frei und ohne Mief des unerträglichen politischen Filzes demokratische reine Luft atmen zu können. Auch das gehört zu einer Aktion „Saubere Stadt“. Am Ende frage ich mich ganz besorgt: Für wie blöd müssen Sie einen Menschen halten, dass er ein solches Papier unterschreibt? Also, das ist ja wohl das Allerletzte! – Ich bedanke mich!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Teiser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Untersuchungsausschuss wird eingesetzt werden. Natürlich war uns seinerzeit beim Abschluss der Koalitionsvereinbarung mit den Sozialdemokraten klar, als wir dieses Minderheitenrecht vereinbart haben, dass es wahrscheinlich unterschiedliche Auffassungen geben wird in der jeweiligen Situation über Sinn oder Unsinn der Einsetzung solcher Untersuchungsausschüsse. Das liegt auch in der Natur der Sache. Untersuchungsausschüsse kontrollieren, überprüfen in der Regel Regierungs- oder Verwaltungshandeln, und dass da dann auch in der Regel die Opposition andere Auffassungen hat als die Regierungsfraktionen oder die Regierung, ist auch völlig klar. Deswegen will ich mir auch ersparen, jetzt hier darüber zu philosophieren, was nun der tiefere Sinn des Ganzen ist.

Zu meinem Vorredner vielleicht noch die Anmerkung: Lieber Kollege Tittmann, also, die Dimension, die Sie hier aufgeführt haben, die trifft es ganz sicherlich nicht. Ein unmoralisches Angebot, das hat so jeder im Kopf, bedeutete bisher für ein Mal eine Million Dollar, diese Dimension wird dieser Untersuchungsausschuss nicht erhalten.

(Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Was Ihre reine Luft betrifft, die gibt es in Bremerhaven ob mit oder ohne Aufklärung sowieso immer, insofern brauchen Sie sich also darum auch nicht zu sorgen. Wir gehen auch davon aus, dass dieser Untersuchungsausschuss nicht die Dimension hat wie ein anderer Untersuchungsausschuss, sondern dass relativ zügig gearbeitet und das aufgeklärt werden kann, von dem die Grünen meinen, dass es aufgeklärt werden muss. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wir werden uns als CDU, damit das Ganze passieren kann, der Stimme enthalten, denn wir haben ja damals nicht vereinbart, dass wir jedem Untersuchungsausschuss zustimmen, sondern wir haben nur vereinbart, dass wir zulassen, dass er eingerichtet wird. Das werden wir heute durch unsere Enthaltung tun, und wir werden dann, nachdem alles vorbei ist, in die Bewertung eintreten können, ob das nun sinnvoll war oder nicht. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich Ihnen noch zur Klarstellung mitteilen, dass nach Artikel 90 der Landesverfassung die Bürgerschaft ihre Beschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen fasst, soweit die Verfassung nichts anderes bestimmt. Diese seit 1994 gültige Regelung der Landesverfassung hat die Regelung des Grundgesetzes, wonach für einen Beschluss die Mehrheit der Ja-Stimmen gegenüber den Nein-Stimmen erforderlich ist und Enthaltungen nicht berücksichtigt werden, übernommen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und von Abgeordneten der Fraktionen der SPD und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 15/1138 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!