Meine Damen und Herren, nunmehr treten wir bis 14.30 Uhr in die Mittagspause ein. Ich möchte noch bekannt geben, dass der Liegenschaftsausschuss um 13.15 Uhr und der Haushalts- und Finanzausschuss um 13.30 Uhr zusammentreten. – Vielen Dank!
Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Besuchergruppe der CDU aus Bremen-Nord und Polizeibeamte des Autobahnpolizeikommissariats Langen, Kreis Cuxhaven. Herzlich willkommen in unserem Hause!
Herr Präsident, meine noch wenigen Damen und Herren! Wir sollen jetzt debattieren über den so genannten Controlling-Bericht für das Jahr 2001 und über den Sanierungsbericht des Landes Bremen, ebenfalls für das Jahr 2001. Nun ist uns diese Debatte in den letzten Tagen sehr erleichtert worden. Der Finanzsenator, Herr Perschau, ist vor zwei Tagen an die Presse gegangen und hat eine umfangreiche Berichterstattung ausgelöst. Das ist sicherlich sein gutes Recht, das zu präsentieren. Für uns als Parlament ist es weniger angenehm, wenn, nachdem wir am Freitag noch im Haushaltsausschuss ausdrücklich gesagt haben, wir führen eine parlamentarische Debatte, dann letztlich doch der Finanzsenator diese Debatte vorwegnimmt und nicht hier im Haus als Erstes führt.
Gut, das ist eine Frage des Umgangs mit dem Parlament! Ich will nicht weiter darauf herumreiten, sondern nur darauf hinweisen, dass wir einen Kernpunkt dieser Debatte ja schon am gestrigen Tage hier in der Bürgerschaft erörtert haben anlässlich der Diskussion über den Wirtschaftsstandort Bremen, als der Kollege Focke in seiner unnachahmlichen und in diesem Fall auch halbstündigen Art eigentlich die wesentlichsten Daten dieses Berichts schon zitiert hat. Ich bin sicher, dass Finanzsenator Perschau in der Lage ist, das ebenso umfänglich zu tun, aber den Kollegen Focke zu toppen wird schwer sein, muss ich ausdrücklich sagen.
Weil das so ist, möchte ich hier nicht die Debatte wiederholen, wie schön das Wirtschaftsklima in Bremen ist, das haben wir gestern getan, auch nicht, ob das Glas halb voll oder halb leer ist mit den wirtschaftspolitischen Daten, die wir hier ausführlich schon diskutiert haben. Ich möchte auf einen anderen Punkt dieser Berichte eingehen, und zwar meines Erachtens auf den Kernpunkt.
Was ist das Ziel? Herr Senator Perschau, so kann man wenigstens den Presseüberschriften entnehmen, und meistens fassen die ja Wesentliches zusammen, hat sinngemäß erklärt, wir sind auf dem richtigen Weg, oder wir strengen uns an, es ist noch schwierig. Das eine ist ein bisschen mühseliger, das andere ist ein bisschen optimistischer. Ich nehme an, Sie können beides gleich gut vertreten. Auf jeden Fall sagen Sie, wir sind auf dem Weg, das Sanierungsziel zu erreichen.
Was ist das Sanierungsziel? Ich will jetzt nicht in die Geschichte gehen, wir haben schon verschiedene gehabt in den letzten Jahren. Ich nehme nur das, was in letzter Zeit als Sanierungsziel hier erklärt ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
worden ist. Das ist das Ziel, im Jahre 2005, wenn es keine Bundeszuweisungen mehr für den Haushalt gibt, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen zu können. Der verfassungsgemäße Haushalt besteht nicht nur nach der Definition des Finanzsenators, sondern nach allgemeiner Auffassung darin, dass die konsumtiven Ausgaben, wie es hier heißt, also die Sachausgaben, durch die Einnahmen gedeckt sind und dass die investiven Ausgaben nicht höher sein dürfen als die Kreditaufnahme. Nun kann man das auch umdrehen und sagen, man nimmt so viel Kredit auf, wie man investieren will. Das ist im Moment die Philosophie, die hier herrscht. Auf jeden Fall ist diese Vorgabe die des verfassungsgemäßen Haushaltes, so wie er bisher diskutiert wurde, meine Damen und Herren.
Da komme ich gleich zu dem nächsten Punkt! Wir haben ja oft im Parlament hierüber philosophiert, das hat die Öffentlichkeit nicht besonders erreicht, aber plötzlich, urplötzlich, ist diese Frage tatsächlich eine Frage von öffentlicher Bedeutung geworden, und deshalb greife ich sie hier auf. Den Anlass kennen Sie. Ein ehemaliger Fraktionsgeschäftsführer der CDU hier im Hause hat einen Artikel veröffentlicht, der sich nicht nur so las, als ob Bremen im Jahr 2005 pleite sein würde, sondern als ob daraus auch organisatorische Konsequenzen verfassungsrechtlicher Art gezogen werden müssten und das Land Bremen seine Selbständigkeit verlöre.
Auf die letzte Spekulation will ich nun wirklich nicht eingehen. Juristen können sich viel überlegen. Wenn Sie die Fußnoten dieses Artikels gesehen haben, merken Sie, dass das eher ein juristischer als ein politisch gedachter Artikel ist, weil die Frage der Selbständigkeit, der Neugliederung der Bundesländer im Grundgesetz geregelt ist und es allemal noch Sache der Bevölkerung der Bundesländer ist, darüber zu entscheiden, ob sie so wie jetzt organisiert sein will oder anders. Deshalb will ich mich dieser Frage auch hier gar nicht weiter zuwenden.
Viel interessanter ist aber die Frage: Erreicht Bremen das Sanierungsziel, und was passiert, wenn es das nicht erreicht? Ich glaube, dieser Frage muss man sich jetzt auch öffentlich stellen so wie wir, und da bin ich anderer Auffassung als Herr Senator Perschau, der das ja für eine Frage der Zukunft hält. Wir haben auch in den Jahren 1996 und 1997 hier im Haus diskutiert, wie es nach 1998, damals hatten wir nämlich nur für fünf Jahre erst einmal Sanierungshilfen vom Bund, weitergeht und welche strukturellen Lösungen wir brauchen, damit Bremen langfristig den Haushalt gesichert bekommt. Deshalb, finde ich, gehört diese Debatte hier und heute auch in dieses Haus.
Sie gehört in dieses Haus und interessiert uns in Wirklichkeit ja auch alle. Wir werden doch überall
in der Öffentlichkeit auch auf die Frage angesprochen, wie es hier in Bremen weitergeht, weil eigentlich jeder weiß, und hinter vorgehaltener Hand wird es eigentlich auch nicht bestritten von der Regierungskoalition, dass es im Jahre 2005 unter den heutigen Erkenntnissen, Bedingungen, Voraussetzungen, die wir kennen, einschließlich des Länderfinanzausgleichs, im Jahre 2005 keinen ausgeglichenen konsumtiven Haushalt in diesem Land Bremen geben wird. Investitionen, habe ich ja eben gesagt, kann man auch anders betrachten. Den wird es deshalb nicht geben, weil die Planungen und die Ausgaben, alles, was wir jetzt vorliegen haben, die Haushaltspläne und Haushaltsentwicklungen der Jahre 2002 und 2003 ergeben werden, dass wir am Ende des Jahres 2005 ein Finanzierungsdefizit haben werden. Die konsumtiven Ausgaben sind schlicht und einfach höher als die Einnahmen. Das hat der Finanzsenator auch gesehen und tröstet sich damit, dass wir ja vielleicht vom Bund Geld bekommen könnten aufgrund dieses bekannten Schröder-Briefes wegen der Steuerausfälle, die durch die Steuergesetzgebung bedingt sind und nicht durch die Tätigkeit des Landes Bremen. Ich will nicht darüber streiten, wie man das abgrenzt. Das ist ein netter Streit. Viel interessanter ist: Bekommen wir dieses Geld, und würde dieses Geld reichen? Da gibt es ja offensichtlich ganz handfeste Meinungsverschiedenheiten, Herr Senator Perschau. Wenn ich Herrn Dr. Dannemann, Ihren Vertreter im Amt, Staatsrat, richtig verstanden habe, hat er erklärt, dass Bremen nicht ohne Kampf, und zwar nicht ohne juristischen Kampf und letztendlich auch nicht ohne neuen Gang zum Bundesverfassungsgericht tatsächlich Geld bekommen wird, und immerhin hat er das in einer Antrittsvorlesung, in einem wissenschaftlichen Raum, an der Universität Bremen, öffentlich erzählt. Ich sage einmal, da Herr Dr. Dannemann in diesem Fall als Wissenschaftler gesprochen hat und ich auch ein gewisses Vertrauen in ihn als Wissenschaftler habe –
als Wissenschaftler, als Politiker habe ich nicht immer ein Vertrauen in Herrn Dr. Dannemann! –, denke ich, dass er dafür seine guten Gründe haben wird, und schließe daraus, dass wir hier nicht so locker einfach davon ausgehen können, im Jahre 2005 tatsächlich einen ausgeglichenen Haushalt zu haben. Ich finde es auch gut, dass das jetzt überall klar und deutlich gesagt wird. Wir haben seit langem gefordert, dass die Regierung der Bevölkerung die Wahrheit sagt,
die Wahrheit sagt über die finanzielle Lage des Landes Bremen. Das ist doch auch kein Verbrechen, das
zu tun, und auch nicht jeder wird daraus gleich die Schlussfolgerung ziehen müssen, es ist alles Unsinn, was die Regierung wirtschaftspolitisch getan hat, sondern man muss klipp und klar sagen, die Rahmenbedingungen sind nicht so, vielleicht ist auch unser eigenes Handeln nicht so, das kann der zweite Teil der Sache sein, dass wir dieses Ziel im Jahr 2005 erreichen können.
Ich sage auch noch etwas über die Finanzplandaten hinaus, die das ja schon nahe legen, dass das nicht erreichbar ist. Ein zweites Problem: In dieser Stadt sind im kommenden Jahr Wahlen –
in diesem Land sind im nächsten Jahr Wahlen, danke für die Korrektur, ich bin mittlerweile so sehr Bremer! –, im kommenden Jahr sind hier Wahlen, und natürlich hat ein Finanzsenator daran Interesse, möglichst die Ausgaben zu decken und möglichst wenig Wahlversprechungen in den Wahlprogrammen zu lesen.
Real aber ist es in dieser Stadt und in der Stadt Bremerhaven so, die ja mittelbar auch von den Finanzen des Landes lebt, dass es zahlreiche politische Notwendigkeiten gibt, die befriedigt werden müssen, die nicht einfach im investiven Bereich sind. Gestern waren hier im Hause Eltern, die darauf hingewiesen haben, wie die Situation im kommenden Schuljahr an den Schulen aussehen wird, was an Unterricht gekürzt werden muss. Es werden auch andere Gruppen auf der Straße stehen, und alle diese Forderungen sind nicht einfach vom Tisch zu wischen. Wenn wir in zwei Wochen hier wieder über Pisa reden, weil neue, schreckliche Daten ans Tageslicht kommen, dann wird der Ruf groß sein, etwas zu tun, und der Ruf wird auch aus der CDU groß sein, und niemand, der sich damit beschäftigt, glaubt, dass es kurzfristig ohne zusätzliches Geld geht für so einen Bereich.
Meine Damen und Herren, ich will das jetzt nicht auswalzen, aber wir haben alle genug Phantasie, wo es noch dringenden Handlungsbedarf gibt. Daraus kann man mit Sicherheit schließen, dass es im konsumtiven Bereich keinen verfassungsgemäßen Haushalt im Jahr 2005 geben wird, es sei denn, Sie fangen jetzt tatsächlich an, Theater zu schließen, die Schwimmbäder zu schließen und die Schulen mit einer Klassengröße von 30, 35 oder 40 Kindern vollzustopfen. Das wird aber keiner tun. Also wird es anders aussehen, als Sie gesagt haben.
Deshalb, weil das so ist, ist es notwendig, sich heute darüber zu unterhalten und der Bevölkerung klarzumachen, dass es nicht nötig ist, in Panik zu geraten, sondern die Lösungen vorzulegen, die wir
für diese Frage haben. Ich denke, Sie basteln ja auch an Lösungen, Herr Dr. Dannemann bastelt an Lösungen, und jeder überlegt sich etwas. Im Kern gibt es doch nur drei Lösungsmöglichkeiten: Die eine ist die übliche haushaltstechnische, die dann irgendwann quasi in die finanzpolitische Katastrophe führt, immer neue Kredite aufzunehmen. Die zweite Lösung ist die, einen restriktiven Sparkurs zu fahren, der aber nicht funktioniert. Das wissen wir, ab einem bestimmten Punkt ist es nicht lösbar.
Der dritte Punkt ist dann eben doch zu überlegen, welche Formen der Hilfe von außen es gibt. Es gibt eine Hilfe von außen, das ist die der zusätzlichen Mittel, Schröder-Briefe nach Artikel 104 Grundgesetz, Investitionshilfen für bestimmte Unternehmen. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt, aber da muss man rechtzeitig aktiv werden.
Die zweite Möglichkeit ist die, dass es strukturelle Änderungen im Finanzsystem gibt. Das ist schwierig, das wissen wir, aber das ist der Kernpunkt. Es müssen die Gemeindefinanzen neu organisiert werden, und zwar so, dass die Gemeinden, und Bremen und Bremerhaven sind auch Gemeinden, sichere und verlässliche dauerhafte Einnahmen haben. Es muss die Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern neu geregelt werden. Der Bund hat jetzt zwar eine Kommission dazu eingesetzt, aber vor Regierungswechsel oder Regierungsbestätigung wird da ja nichts Verbindliches herauskommen.
Meine Damen und Herren, es ist also jetzt an der Zeit. Deshalb finde ich, das ist der Kern der Aufgabe, dann im nächsten Jahr unabhängig von allen Wahlkämpfen hier darüber zu diskutieren, welche Lösungen haben wir nach 2005, und dann sage ich in diesem Fall, obwohl wir Opposition sind: Bei allen Sachen, die nach außen gehen, wäre es sinnvoll, sich so und öffentlich zu verständigen, dass im Land keine Panik ausbricht, sondern dass die wichtigsten Aufgaben finanziert werden können und dass wir nach außen das so rechtzeitig diskutieren, dass Bremen auch gemeinsam auftreten kann, wie wir das in dieser Frage, nicht in der Frage der Kritik an der Regierungspolitik, in den Jahren 1995 bis 1997, 1998 auch getan haben. – Vielen Dank!